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KAPITEL 3: Kuchen


Die Freude darüber, dass sie doch noch zu ihrem Geburtstags-Karottenkuchen kommen würde, war immens. Dass ihr aktuelles Lieblingslied—Human von den Killers—in Dauerschleife lief, dämpfte Freyas Drang wild durch die Wohnung zu tanzen natürlich auch nicht gerade. Da waren ihre Fragen zu der ungewöhnlichen Backform schnell vergessen.
          Komplett ausgepowert ließ sie sich schließlich auf das Sofa fallen und griff erneut nach dem Krimi. Eigentlich hatte sie ja vorgehabt, sich zurückzuhalten und nicht direkt an ihrem Geburtstag das ganze Buch zu verschlingen. Doch die Geschichte einfach zu spannend und irgendwie musste sie sich ja die Zeit bis der Kuchen fertig war vertreiben.
         Als der Küchenwecker klingelte, hatte Freya die Hälfte des Krimis längst hinter sich gelassen. Ihre Augen huschten schnell zum Ende des Satzes, ehe sie sich losriss und in die Küche eilte. Wie erwartet war das Gebäck nicht ganz so schön aufgegangen, wie sie es gewohnt war. Dennoch duftete er verführerisch und Freya musste sich zusammenreißen, um nicht direkt ein Stück abzuschneiden. Doch ohne Glasur war es nicht dasselbe und die weisse Zuckermasse konnte sie erst verteilen, wenn das gute Stück ausgekühlt war. Wenigstens hatte sie so Zeit, das Kapitel noch fertig zu lesen. Und dieses Mal zwang sie sich tatsächlich, an dessen Ende aufzuhören und den Rest für einen nächsten Tag aufzusparen. Oder zumindest bis am Abend.
         Da der Kuchen immer noch zu warm war um ihn zu dekorieren, beschloss Freya zu testen, ob ihre geliebte Underwood den Transport unbeschadet überstanden hatte. Doch  kaum hatte sie ein neues weißes Blatt Papier eingespannt, war ihr Kopf plötzlich wie leer geblasen. Es wollte ihr einfach keine Idee dafür kommen, was sie schreiben sollte.
          Auf der Suche nach Inspiration, glitt ihr Blick in den Innenhof hinunter. Vielleicht eine Kurzgeschichte über den Idioten, der ihr Auto eingeparkt hatte? Nein, zu viel Negativität. Ihre Augen wanderten an der Fassade hoch, bis sie schließlich am warmen Lichtschein der Wohnung gegenüber hängen blieben. Brauchte Sie Vorhänge, damit dieser Mr. Roberts ihr nicht in die Wohnung sah? Freya selbst konnte nur schemenhafte Umrisse erkennen.
          Der Gedanke an ihren unerwartet gutaussehenden Nachbarn brachte Freya wieder zurück zu der kuriosen Backform und plötzlich wusste sie genau, woran sie ihre Schreibmaschine testen konnte: Eine Kurzgeschichte darüber, wie diese durch die Welt reiste und schließlich in ihren Händen landete. Kaum war ihr die Idee gekommen, flossen die Worte regelrecht aus ihren Fingern aufs Papier und das rhythmische Klicken und Klingeln der Schreibmaschine erfüllte das Zimmer unermüdlich, bis es draußen vor den Fenstern dunkel wurde. Drei Seiten hatte sie innerhalb kürzester Zeit getippt, überarbeitet und reingeschrieben. Und Freya hatte das Gefühl, dass die Geschichte wirklich gut geworden war. Wenn sie das doch nur auch von ihrer eigenen Geschichte sagen könnte.
         Ihr eigenes Buch, an dem sie schon seit Jahren mehr oder weniger konsequent arbeitete, lag ihr immer noch schwer im Magen als sie die Kurzgeschichte zurückließ und sich wieder ihrem Geburtstagskuchen widmete. Der Protagonist war einfach viel zu langweilig. Und entschieden, ob die Geschichte nun im New Orleans der heutigen Zeit oder doch lieber in der Vergangenheit spielen sollte, hatte sie auch noch nicht. So lag es nahe, sich beim Auspusten der Kerze zu wünschen, dass sie den ersten Entwurf dieses Jahr endlich fertigstellen würde. Die ausgeblasene Kerze landete zusammen mit einem großen Stück Kuchen und einer Tasse Tee auf dem Couchtisch. Doch bevor sie sich dieses Festmahl gönnte, wollte Freya noch die Form zurückbringen. Nicht, dass Mr. Roberts dann wieder verschwunden war und sie keine Gelegenheit mehr hatte, sich zu bedanken.

Erneut musste Freya eine Weile warten, bis sich die Tür öffnete und als ihr Nachbar endlich erschien, fragte sie sich, ob er den ganzen Tag mit Jacke und Handschuhen herumlief. Vielleicht ist seine Heizung defekt? Direkt stellte sie ihm die Frage allerdings nicht. Sie war ja nicht deswegen da und würde dieser kuriosen Gestalt ewig für den Erhalt ihrer Geburtstagstradition dankbar sein. Da wollte sie ihm nicht unnötig in Verlegenheit bringen.
          «Ich bin's nochmal. Hier ist Ihre Form zurück, Mr. Roberts.»
          «James», kommentierte der Dunkelhaarige ihre Aussage.
          Freya runzelte die Stirn. Was will er denn bitte damit sagen?
          
Glücklicherweise schien er ihre Verwirrung zu bemerken. Es bildete sich sogar der Anflug eines kleinen Lächelns auf seinem kaltem Marmor Gesicht. «Mein Name ist James.»
          Oh Gott, er wollte nicht mehr mit 'Mister' angesprochen werden und sie hatte es nicht verstanden. Wie peinlich! Freya konnte spüren, wie ihr Gesicht heiß anlief, versuchte die Situation dennoch mit einem Lächeln zu überspielen und drückte ihm zur Ablenkung schnell die Backform in die Hand. «Freut mich, ich bin Freya.»
          Er betrachtete die Form in seinen Händen für einen Moment, dann richtete sich sein Blick zuerst auf den Teller in ihrer anderen Hand und dann wieder auf sie.
          Freya verfluchte innerlich das eisige Blau seiner Augen, das ihr durch Mark und Bein ging. Es brachte sie völlig aus dem Konzept. «Ein kleines Dankeschön», erklärte sie stammelnd und reichte ihm auch noch das Stück Kuchen. «Den Teller kannst du einfach bei Gelegenheit zurückbringen. Ich bin fast immer da. Ich hoffe es schmeckt!»
          Sie wartete seine Reaktion nicht ab, sondern floh zurück in ihre eigene Wohnung, bevor ihr Kopf explodieren konnte. Wie peinlich war das denn bitte? Warum konnte sie sich nicht länger wie eine erwachsene Frau benehmen?

***

Bucky ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und betrachtete etwas unschlüssig die improvisierte Backform und das Stück Kuchen in seinen Händen. Er hatte sich schon gedacht, dass es wieder seine neue Nachbarin war, als es an der Tür klingelte. Aber mit dem Stück süßer Versuchung hatte er nicht gerechnet. Sie gab sich wirklich alle Mühe nett zu sein. Vielleicht sollte er das auch tun. Sie konnte ja nichts für seine Launen.
         Obwohl er gerade erst gegessen hatte, konnte Bucky dem Stück nicht widerstehen. Er hatte keine Ahnung mehr, wann er zuletzt Kuchen oder etwas Süßes allgemein gegessen hatte. Es war auf jeden Fall viele Jahre her.
         Das große Stück war innerhalb weniger Minuten verschlungen. Ob dies den Backkünsten seiner neuen Nachbarin oder der Reaktion seines Körpers auf den Zucker zuzuschreiben war, konnte er nicht sagen. So oder so fühlte er sich ein wenig ruhiger als er sich wieder auf das Sofa fallen ließ und nach dem Krimi griff. Leider hielt das Gefühl nicht lange an. Bucky erreichte nicht einmal die Mitte des dritten Kapitels, bevor seine Gedanken wieder so wild hin und her rannten, dass er die einfachsten Worte nicht mehr erkannte.
          Der Rest des Abends und die darauffolgende Nacht wurde zur reinsten Tortur. Schatten nahmen die Gestalt von Menschen an, deren Namen auf der Liste standen, die er ganz hinten in Steves Notizbuch geschrieben hatte. So viele Namen. So viele verlorene Leben. Bucky versuchte gar nicht erst einzuschlafen, doch irgendwann übermannte ihn die Müdigkeit.

Kalter Regen prasselte auf seinen Rücken. Vier Tage lag er nun schon auf der Lauer, doch sein Ziel blieb paranoid. Der Vorhang auf der anderen Seite seines Zielfernrohrs war störrisch geschlossen und daran würde sich so schnell auch nichs ändern. Ein ungeliebter Teil von ihm war erleichtert darüber, doch diese Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Ein Feuerwerkskörper knallte irgendwo in der Ferne und plötzlich bewegte sich die Ecke des weißen Stoffes.
          'Tu es nicht', flehte es in seinem Hinterkopf. Doch weder das Mädchen am Fenster noch sein eigener Körper gehorchten ihm. Sie zog den Vorhang zur Seite und deutete aufgeregt auf die bunten Lichter am Nachthimmel. Sein Finger fand den Abzug. Ein erneuter Knall, rote Flecken an der weißen Wand. Das Mädchen schrie.
         
Bucky schreckte auf, bevor sein Ziel auf den Boden kippte. Seine Hände zitterten. Noch ein Name. Er griff nach dem roten Büchlein, dass er ganz hinten in der Schublade des Schreibtischs gefunden hatte. Skardisson, Roman Skardisson.

Er verbrachte den Rest der Nacht damit herauszufinden, was aus der Achtjährigen geworden war, die damals nichtsahnend ihren Vater in das Visier des Winter Soldiers gestellt hatte. Offiziell hatte ihm niemand die Erlaubnis dazu erteilt, die S.H.I.E.L.D.-Datenbanken für seine eigenen nächtlichen Recherchen zu benutzen. Aber bisher hatte sich auch noch niemand beschwert.
         Als er sie dann jedoch in den frühen Morgenstunden fand, war das Ergebnis nicht gerade aufbauend. Sie hatte sich neun Jahre später das Leben genommen. In der Todesanzeige stand 'Du konntest nicht länger darauf warten, deinen geliebten Papa wieder zu sehen.'
          Es gab keine Zweifel. Er hatte sie umgebracht. Genauso wie all die anderen Väter, Mütter und Kinder, die die Menschen, denen der Winter Soldier zur Macht verholfen hatte, auf dem Gewissen hatten. Doch für ihre Namen würde Steves Büchlein niemals ausreichen.
          Bucky war dankbar, als das Piepsen seiner Spülmaschine ihn endlich aus der Abwärtsspirale seiner Schuldgefühle riss. Doch der fremde Teller mit blauen Ornamenten, der ihm als erstes in die Hände fiel, war alles andere als beruhigend. Sie hatte gesagt er solle ihn 'bei Gelegenheit' zurückbringen. Was hieß denn das bitte? Der Gedanke daran bescherte ihm jetzt schon Kopfschmerzen und diese wurden nur schlimmer, jedes Mal, wenn er dem Lockenkopf über den Weg lief. Und das kam in den nächsten Tagen verdächtig oft vor.

Als er am Montagabend seine Wäsche machen wollte, stolperte er beinahe über die junge Frau, die vor dem Trockner kniete und an den Knöpfen herumdrückte. Seine Gedanken rannten sofort wild und drehten sich darum, wie ein normaler Mensch in dieser Situation wohl reagieren würde. Als sie immer noch ratlos vor dem weißen Ungetüm saß, nachdem er seine Wäsche angeworfen hatte, und ihm praktisch den Weg zurück nach oben versperrte, blieb ihm nicht wirklich viel Anderes übrig.
          «Kann ich helfen?», fragte er und beobachtete, wie sie zusammenzuckte und dabei beinahe das Gleichgewicht verlor. Freya fing sich dann jedoch mit einer Hand ab und erhob sich vom Boden.
          «Gerne. Dieses Ding hat wesentlich mehr Knöpfe als ich es mir gewohnt bin.»
          Bucky vergrub seine linke Hand tief in der Hosentasche, sodass das Metall nicht unter dem Ärmel seines Pullovers hervorblitzen konnte, und deutete dann mit der Rechten auf die wichtigsten Knöpfe. Er zitierte die Erklärung, die Steve ihm damals gegeben hatte, als er ihn hierhergebracht hatte. Er wäre stolz auf dich, wenn er das sehen würde, hallte eine leise Stimme durch seinen Kopf.
         Am Mittwoch fasste er sich schließlich ein Herz und brachte den Teller zurück. Freya fragte, ob der Kuchen geschmeckt hatte, und er gab sich die Mühe kurz, und trotzdem höflich zu antworten. «Ja, danke dafür.»
         Am Donnerstag traf er sie im Flur auf dem Weg zu dieser Star Wars Sache mit Steve und am Samstagmorgen bei den Briefkästen. Wenn ihre Reaktion auf sein Aufkreuzen nicht jedes Mal so überzeugend gewesen wäre, hätte Bucky längst geglaubt, dass sie ihn verfolgte. Doch die Art und Weise wie sich ihre Augen weiteten und das leichte rot ihre Wangen färbte, war echt.
           Ihre Unterhaltungen blieben auf ein paar Smalltalk-Floskeln beschränkt, zu mehr konnte Bucky sich einfach nicht durchringen. Dennoch wäre es eine Lüge gewesen zu sagen, dass ihm diese kurzen Momente missfielen. Freya schien einen Sonnenschein mit sich herumzutragen und das warme Lächeln, mit dem sie ihn jeweils begrüßte, schaffte es nicht selten sogar für ein paar Sekunden die dunklen Wolken seines Gemüts zu vertreiben.

***

Nach dem ruhigen Wochenende ihres Geburtstags, fand Freya sich schnell in der vertrauten hektischen Welt des Journalismus wieder. Das Magazin, für das sie eine neue wöchentliche Kolumne verfassen sollte, ließ ihr kaum Eingewöhnungszeit und bereits zwei Wochen nach ihrem ersten Arbeitstag erschien der erste Beitrag zur New Yorker Essensszene aus Sicht einer New Orleanerin in der Samstagsausgabe. Restaurants, Food Festivals, Imbisse und neue Kreationen waren schon zu Hause ihr Metier gewesen und so fühlte Freya sich schnell wieder im Rhythmus von Restaurantbesuchen, Events und Schreiben wohl. Nur ihre Freunde und Familie, die sie zu Hause gerne mal zu solchen Events begleiteten, fehlte ihr.
          Obwohl die anderen Mitarbeitenden des Magazins grundsätzlich nett waren, war der Konkurrenzdruck spürbar da und Freya fragte sich nicht selten nach einem Gespräch, ob ihr Gegenüber damit eine eigene Agenda verfolgt hatte. Die einzige Person, mit der sie seit ihrer Ankunft mehrmals einige Worte gewechselt hatte, ohne sich danach Gedanken darüber zu machen, ob sie etwas Falsches gesagt hatte, war ihr mysteriöser Nachbar von Gegenüber. Aber ihn aus heiterem Himmel auf eine Verkostung einzuladen, schien ihr dann doch etwas zu verrückt.
          Nachdem sie ihn am ersten Waschtag angetroffen hatte und er zwei Tage später den Teller zurückbrachte, war es zu einem beinahe täglichen Ereignis geworden, dass sie dem Dunkelhaarigen irgendwo über den Weg lief. Dabei gab sie sich immer die beste Mühe ihn mit einem Lächeln zu begrüßen, um seinen versteinerten Gesichtszügen ebenfalls ein Lachen zu entlocken. Doch bisher ohne Erfolg. Inzwischen war Freya sogar schon beinahe so weit zu glauben, dass der Typ nicht lachen konnte und sie sich dieses eine kurze Lächeln vor ein paar Wochen nur eingebildet hatte.

Ab der ersten Dezemberwoche änderte sich dann jedoch einiges: Sie hatte gerade ihren ersten Beitrag zur Weihnachtsserie abgegeben und holte sich in der Cafeteria einen Cappuccino für den Heimweg, als ihr plötzlich eine blonde Frau auf die Schultern tippte, die aussah als ob sie einem Hochglanzmagazin der 70ern entsprungen war.
          «Du bist Freya Morin, oder? Deine Kolumne stand letztens direkt neben meinem Artikel. Der Beitrag zur Praliné-Verkostung in SoHo. Ich hab' den Laden direkt ausfindig gemacht. Die mit Zartbitterschokolade überzogenen Kaffeebohnen, sooo lecker! Deine Empfehlung hat mein Leben verändert.»
          Etwas überrumpelt aber erfreut über das Kompliment ergriff Freya die Hand, die die Blondine ihr entgegenstreckte. «Danke! Freut mich, dass es geschmeckt hat. Die Chili-Schoten sind übrigens auch super, wenn du Scharfes magst.»
          «Muss ich definitiv ausprobieren. Danke für den Tipp! Ich bin übrigens Anne. Ich schreibe die ganzen Fashion-Artikel zu aktuellen Events.»
          «Freut mich sehr. Leider kann ich nicht sagen, einen deiner Beiträge gelesen zu haben. Aber ich werde gerne in der nächsten Ausgabe danach Ausschau halten.»
          «Ach, brauchst du nicht. Aber du könntest deinen Cappuccino hier mit mir trinken. Seit sie auf die Co-Working-Spaces umgestellt haben, lernt man hier kaum noch jemanden kennen.»
          Diesem Angebot konnte Freya nicht widerstehen. Sie hatte seit Wochen auf ein ehrlich freundliches Gesicht gehofft und Anne stellte sich schnell als noch viel mehr als das heraus. Sie verstanden sich auf Anhieb und als Freya sich schließlich auf den Heimweg machte, hatten sie sich bereits zu einer gemeinsamen Schreibschicht im Büro verabredet. 

Aus diesem einmaligen Treffen wurden Zwei und dann wöchentlich Mehrere, sodass Freya immer weniger von zu Hause aus arbeitete. So fiel ihr im ersten Moment gar nicht auf, dass sie James nicht mehr über den Weg lief. Erst als sie am 20. Dezember mit einem kleinen Tannenbaum vom Weihnachtsmarkt zurückkam und mit dem Dunkelhaarigen zusammenstieß, wurde ihr wieder bewusst, dass seit ihrem letzten kurzen Gespräch auf dem Gang beinahe ein Monat vergangen war.
          «Hey, Vorsicht. Sonst erstichst du noch jemanden damit», beschwerte er sich und drückte das Grün ihres Baumes mit einer Hand weg von seinem Gesicht.
          Freya ließ den Tannenbaum sofort auf den Boden gleiten und hielt ihn nur noch mit einer Hand fest. Die ganze Schlepperei hatte sie schön aus der Puste gebracht. «Tut mir leid.»
          Der Dunkelhaarige schien es ihr nicht sonderlich übel zu nehmen. Zumindest hoffte Freya das, denn sein Gesicht war wie immer praktisch unmöglich zu lesen. Aber irgendetwas daran irritierte sie gerade noch mehr als sonst. Es waren weder der Dreitagebart noch die etwas kürzeren Haare. Bevor sie jedoch weiter darüber nachdenken konnte, blieb ihr Blick an der Reisetasche hängen, die er geschultert hatte. «Warst du weg?»
          «Ja, jobtechnisch.»
          Freya hatte sich längst an seine kurz angebundenen Antworten gewöhnt und ließ sich davon nicht mehr entmutigen. «Ah, dann bist du ja gerade noch rechtzeitig für die Festtage zurückgekommen. Hast du schon Pläne für Weihnachten?»
          «Nein.» James drehte sich weg und Freya fragte sich schon, ob er sie einfach so stehen lassen wollte. Doch offenbar wollte er ihr bloß die Tür aufhalten. Und dafür war Freya mit dem Ungestüm von Baum wirklich dankbar. Der Verkäufer hatte ihn zwar in eines dieser Netze gesteckt, doch das hielt die Tanne nicht davon ab hier und da einen Zweig herauszustrecken und ihr die Sicht zu versperren.
          Im schummrigen Licht des Eingangsbereichs bemerkte sie dann auch endlich, was sie vorhin gestört hatte. Die rechte Seite von James' Gesichts war leicht angeschwollen. Hatte er einen Unfall gehabt?
          
Zum Nachfragen kam Freya jedoch nicht, denn der Tannenbaum entglitt plötzlich ihren Händen und kam mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden auf. Sie seufzte. Er war zwar klein, doch der Weg vom Weihnachtsmarkt auch nicht zu unterschätzen. Ihre Arme hatten bereits vor Erschöpfung gezittert, als sie die Straße zum Häuserkomplex überquert hatte. Und nun lagen noch drei Stockwerke vor ihr—
          Bevor sie auch nur versuchen konnte, den Baum wieder hochzuhieven, bewegte sich das Grün vom Boden. James hielt ihn mit seiner Linken hoch, als ob er nichts wiegen würde, und nickte mit dem Kopf zur Treppe. Ein leicht amüsierter Ausdruck umspielte seine Lippen und während Freya über diesen Fortschritt hätte Luftsprünge machen können, war ihr Stolz auch leicht angeknackst. Sie war durchaus in der Lage ihren Christbaum selbst zu transportieren. «Ich kann den wirklich auch alleine tragen», bemerkte sie daher sie den ersten Zwischenboden erreichten. Doch James schüttelte nur den Kopf.
          «Ich riskiere nicht, von einer Tannenbaum-Lawine erschlagen zu werden.»
          Humor? Träumte sie gerade? «Na schön. Wenn du drauf bestehst. Danke!»
          Freya folgte ihm still in den dritten Stock und erinnerte sich dabei an seine Antwort von vorhin. Auch sie würde in diesem Jahr alleine feiern müssen. Ihre Chefin wollte unbedingt einen Artikel über das Weihnachtsdinner im LaPlace, einem neuen Restaurant, das am 25. Dezember ein großes Weihnachtsessen für Alleinstehende und Obdachlose veranstaltete. An sich eine großartige Idee, dennoch wäre Freya lieber zu ihrer Familie gefahren. Doch zwei Monate nachdem sie die Stelle angetreten hatte, schon einen Job zu verweigern, wäre keine gute Idee gewesen. Deshalb hatte sie sich mit der Tatsache arrangiert und den kleinen Tannenbaum besorgt, um Stimmung zu verbreiten. Für den nächsten Tag war zudem eine große Plätzchenbackaktion geplant. Inzwischen war nämlich auch ihr Backofen bestens ausgestattet.
          Ganz in Gedanken versunken wäre sie beinahe in ihren Christbaum hineingelaufen, den James ihr auf dem Flur, an dem sich ihre Wege trennten, entgegenstreckte. Doch sie konnte sich gerade noch rechtzeitig fassen und griff nach dem Baumstamm. «Danke nochmals und schöne Adventszeit James!»
          James nickte still und drehte sich weg. Freya zögerte einen Moment, doch dann fasste sie sich ein Herz. Anne war ihre einzige Freundin hier. Es war an der Zeit das zu ändern. «Hey, kann ich dir als Dankeschön einen Kaffee anbieten?»

***

Bucky war tief in seinen Gedanken versunken gewesen, als er in den Innenhof bog und hatte den spazierenden Tannenbaum daher erst bemerkt, als die Nadeln gegen seine Stirn kratzten. Er hatte gerade seine erste richtige Mission mit Steve, Natascha und Sam hinter sich gebracht und es war so ziemlich alles schiefgelaufen, was hätte schief laufen können. Was ursprünglich als Beschattungsmission gedacht war, war schnell in eine direkte Konfrontation eskaliert weil sie entdeckt wurden.
          Zumindest einer schien mit dem Ergebnis zufrieden: Fury, der schon lange vermutete, dass irgendjemand bei S.H.I.E.L.D. Informationen über geheime Operationen weitergab. Der Verdacht war für viele direkt auf ihn gefallen, doch das störte Bucky nicht wirklich. Offene Anschuldigungen waren immer noch ehrlicher als diese versteckte Feindseligkeit, die ihm einige der Avengers seit Monaten entgegenbrachten. Dennoch beschäftigte ihn die Geschichte. Denn er wusste, dass er es nicht war.
          Das Zusammentreffen mit der Rothaarigen hatte die düsteren Gedanken schnell aus seinem Kopf gefegt. Zumindest für den Moment. Unbeschwert begann Freya zu plaudern, während sie weiterhin den Weihnachtsbaum mit sich mitschleppte. Er konnte kaum zusehen, wie sie sich abmühte und nahm ihr daher den Baum bei der ersten Gelegenheit ab.
          Weihnachten— darüber hatte er sich noch gar keine Gedanken gemacht. Steve hatte es tatsächlich geschafft sich endlich mit Sharon zu verabreden. Er hätte das Date kurz darauf auch schon wieder abgesagt, weil Sharon Weihnachten vorgeschlagen hatte und er seinen besten Freund nicht alleine lassen wollte. Doch das hatte Bucky ihm schnell wieder ausgeredet. Für ihn war es nur ein weiterer Abend, an dem er auch alleine in seiner Wohnung versauern konnte. Doch zuerst brauchte er jetzt erst einmal eine ausgiebige Dusche und so viel Schlaf, wie er seinen Albträumen abringen konnte.
          So weit kam es jedoch gar nicht. Er hatte kaum zwei Schritte in die Richtung seiner Wohnung gemacht, als Freya ihm schon nachrief: «Kann ich dir als Dankeschön einen Kaffee anbieten?»
          Bucky zögerte.
          «Ich habe auch Tee oder Punsch da. Glühwein wäre auch eine Option, den müssten wir allerdings drüben im Park holen.»
          Langsam drehte er sich zu ihr zurück. Er würde sich noch etwas zu Essen besorgen und daher sowieso nochmals nach draußen müssen. Und nach den vergangenen zwei Tagen tat die Positivität seiner Nachbarin irgendwie gut. Und wenn er damit ihr Gewissen beruhigen konnte, fühlte es sich auch nicht ganz so egoistisch an, sie in seiner Nähe zu halten. Außerdem lief sie nicht in Gefahr seinen Arm zu sehen, solange sie draußen blieben. Es war kalt genug, dass seine Handschuhe nicht auffallen würden.
         «Ich muss noch einkaufe gehen, aber ein Glühwein läge davor drin.»
           Freyas Gesicht erhellte sich sofort und Bucky wusste, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. «Super, ich bringe nur schnell den Tannenbaum weg. In fünf Minuten unten an der Tür?»
          Sie hatte sich so schnell weggedreht, dass sie sein Nicken wahrscheinlich gar nicht mehr sah. Er schüttelte leicht den Kopf. Es war Ewigkeiten her, dass sich jemand so sehr über ein Treffen mit ihm gefreut hatte.
           Als Bucky vier Minuten später erneut den Eingang erreichte, stand sie bereits vor der Tür. Sie musste ja wie der Wirbelwind in ihre Wohnung und die Treppen heruntergeflogen sein.
          Gemeinsam überquerten sie den Innenhof. Freya hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten, weshalb er sich bemühte langsamer zu gehen. «Wo warst du?», fragte sie.
          Bucky sah sie etwas verwirrt an. «Nur kurz in meiner Wohnung...»
           Sie begann zu lachen. «Ich meinte beruflich. Du sagtest doch, dass du weg warst.»
          Natürlich. Darauf hätte er ja auch selbst kommen können. «Ach so. Nicht weit, Kolumbien.»
          «Nicht weit? Das ist doch ein ziemliches Stückchen. Ich wollte früher auch immer einen Job, bei dem ich viel herumreisen kann. Aber bisher war der Umzug von New Orleans hierher das Weiteste, was mich mein Beruf gebracht hat.»
           «Dann hast du wohl den falschen Beruf gewählt.»
           «Nur den falschen Fachbereich. Ich bin Journalistin. Aber anstatt mich auf internationale Politik oder Wirtschaft zu spezialisieren, habe ich auf meinen Professor gehört und begonnen über das zu schreiben, was mir am meisten Freude bereitet.»
          «Und das wäre?» Sie hatten inzwischen den kleinen Verkaufsstand erreicht und Bucky drehte sich etwas von dem Verkäufer weg. Erkannt werden wollte er gerade definitiv nicht.
           «Essen. Neue Restaurants und alte Geheimtipps, Events und all solche Dinge.» Sie kramte einen Geldbeutel hervor und bestellte zwei Glühwein.
          «Ich schätze, du hast noch kein Magazin gefunden, dass bereit wäre dich für Macarons nach Paris zu fliegen?», scherzte er und nahm den Becher entgegen, den sie ihm hinstreckte.
          «Schön wär's. Aber wenigstens komme ich ständig zu kostenlosem Essen.»
          Bucky dachte an das Regal mit Fertiggerichten, das im Supermarkt auf ihn wartete. «Scheint kein schlechter Deal zu sein.»
          Die Ampel schaltete auf grün und sie überquerten die Straße zurück zum Häuserkomplex, in dem sich ihre Wohnungen befanden. So sehr sein geschundener Geist ihre Positivität gerade aufsaugte, es war an der Zeit sich von ihr zu verabschieden.
          «Ich sollte dann mal los. Danke für den Glühwein.»
          «Gerne! Schönen Abend noch.» Freya winkte ihm mit ihrem Becher zu, bevor sie im Innenhof verschwand und ihre positive Ausstrahlung mitnahm, die den düsteren Teil seiner Gedanken für einen Moment gebannt hatte.

Der nächste Tag war nicht unbedingt angenehm. Selbstverständlich waren Steve und er direkt nach der Ankunft im S.H.I.E.L.D.-Hauptgebäude in Furys Büro zitiert worden, um sich für die missglückte Mission zu rechtfertigen. Er selbst hielt sich Großteils aus der Diskussion raus, doch Natascha und Clint waren durchaus weniger zurückhaltend. Auch wenn sie es nicht direkt sagten, Bucky wusste, dass sie in ihm den Schuldigen sahen. Und das passte Steve gar nicht.
          Viel bringen tat das Ganze dann doch nicht. Fury beschloss, Weihnachten auszusitzen und die interne Ermittlung, die die Anzugträger über ihm angeordnet hatten, abzuwarten. Und das hieß, dass alle Beteiligten erst einmal auf der Ersatzbank sitzen würden. Auszeit— so hatte Fury es genannt. Ein Wort, dass Bucky nie mehr gehasst hatte.
          Es war noch vor Mittag als er zurück am Haus war und die Treppen zu seiner Wohnung erklomm. Schon von unten konnte er lautes Atmen hören und als er das zweite Stockwerk erreichte, offenbarte sich auch dessen Ursprung: Freya stand auf das Geländer gestützt auf dem Zwischenboden, drei Einkaufstüten um ihre Füße verteilt. Ein leichtes Lächeln schlich bei dem Anblick über seine Lippen. Eine Tasche nach der Anderen hochzutragen, war offenbar keine Option gewesen.
          «Brauchst du Hilfe oder kannst du die ebenfalls alleine tragen?», zitierte er ihre Worte vom Vortag und sie begann zu lachen. Als sie sich dann wieder eingekriegt hatte, nickte sie jedoch. «Ich gebe mich geschlagen, bitte hilf mir.»
          Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Innerhalb kürzester Zeit hatte er die Taschen aufgesammelt, zwei links, eine rechts und die ersten Treppen zum dritten Stock genommen. Die Taschen fühlten sich für ihn nicht schwer an, etwas schwerer als eine durchschnittliche Einkaufstasche, aber nichts was einem Supersoldaten Probleme bescheren würde.
          «Angeber», rief Freya ihm zu, bevor sie sich ebenfalls in Bewegung setzte und zu ihm aufschloss. Sie erreichten den dritten Stock und anstatt wie üblicherweise nach rechts zu seiner Wohnung abzubiegen, folgte Bucky ihr nach links.
          «Danke, ohne dich hätte ich es wahrscheinlich nicht mehr vor dem Eindunkeln geschafft», bedankte sie sich und schloss die Tür auf.
           «Was hast du denn da schweres eingekauft?»
           «Eine Menge Mehl, Zucker und Gewürze. Ich werde heute Weihnachtskekse backen.»
          Das erklärte das Gewicht der Taschen und ließ ihren Versuch, alles aufs Mal zu schleppen, nur noch unlogischer erscheinen. Hinter Mehl und Zucker war wohl kaum jemand her. Glücklicherweise hatte er bereits nach ihrer verzweifelten Backform Aktion aufgegeben, seine Nachbarin zu verstehen.
          Bucky folgte ihr durch die Wohnung, die seiner stark ähnelte. Abgesehen davon, dass Freya sich die Mühe gemacht hatte, dem möblierten Appartement einen persönlichen Touch zu verleihen. Seines sah immer noch genauso karg aus wie an dem Tag, an dem er eingezogen war.
           «Danke, du bist mein Held», bedankte sie sich, nachdem er die Taschen abgestellt hatte und legte dabei eine Hand auf seinen linken Unterarm. Jede Muskelfaser seines Körpers spannte sich sofort an. Würde ihr auffallen, wie kalt er unter der Jacke war?
            
Doch Freya nahm unbekümmert ihre Hand wieder weg und begann die Taschen auszupacken. Glück gehabt.
           «Hättest du Lust mit zu backen? Zu zweit macht so was immer mehr Spaß als alleine.»
           Wie versteinert blieb Bucky auf dem Weg zur Tür stehen. «Sie sind alleine. Sie sind 100 Jahre alt, Sie haben keine Geschichte, keine Familie. Unternehmen Sie etwas, gehen Sie unter Menschen, Mr. Barnes. Alleine zu sein, ist die stillste, persönlichste Hölle und man kann ihr nur sehr schwer zu entkommen.» Das hatte seine Therapeutin ihm kurz vor der schief gegangenen Mission eingetrichtert. Sollte er auf sie hören? Der Glühwein am Vortag hatte ihn nicht umgebracht— vielleicht konnte er auch ein paar Plätzchen überleben.
           «Okay. Ich muss nur schnell zu mir rüber.»
           «Vergiss nicht, ein Lächeln mitzunehmen!», rief sie ihm hinterher.
           Er schüttelte seinen Kopf, doch das Schmunzeln konnte er sich dennoch nicht verkneifen. Auf was hatte er sich da nur eingelassen?


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