KAPITEL 11: Erinnerungen
Der Rest der Nacht war ruhig verlaufen. Ruhig genug, dass Freya ihm den ganzen Vormittag damit in den Ohren lag, eine zweite Matratze kaufen zu gehen. Bucky konnte es ihr schließlich aus dem Kopf schlagen, aber nur mit einem Kompromiss. Und so stand nun seit zwei Wochen den Tag über eine Campingmatte aufgerollt neben dem Fernseher im Wohnzimmer. Doch diese war ihm gerade herzlich egal.
Steve hatte angerufen und ihn ins Hauptgebäude zitiert. Für eine Mission. Das erste Mal seit Monaten und seine Finger juckten richtig bei der Chance, endlich wieder ins Feld zu kommen. Doch ausgerechnet jetzt konnte er seine Mesh-Handschuhe nicht finden. Und ausgerechnet heute Morgen war Freya weg, Brunch mit Anne.
Er hatte schon das ganze Wohnzimmer und seinen Teil des Kleiderschranks auf den Kopf gestellt. Auch im Nachttisch war nichts zu finden. Blieb also nur noch der Schreibtisch.
In der Regel ließ er den Schreibtisch in Ruhe. Das war Freyas Reich. Doch irgendwo mussten die verflixten Dinge ja sein. Er hoffte nur, dass er all ihre Notizen nicht durcheinanderbrachte.
Er hatte schon beinahe aufgegeben, als ihm in der großen Schublade unter der Schreibfläche etwas ins Auge sprang. Leider nicht seine Handschuhe. Aber ein Wort. Kuchenform.
Etwas verwirrt, aber gleichzeitig auch fasziniert, scannten seine Augen die Seite. Es war der Anfang einer Geschichte, die Freya 'Entstehungsgeschichte einer Heldenform' betitelt hatte. Und wenn er sich nicht komplett täuschte, ging es dabei tatsächlich um die Kuchenform, die er ihr vor etwas über vier Monaten ausgeliehen hatte. Das machte ihn neugierig. Doch er wollte ihre Privatsphäre auch respektieren. Deshalb schob er die Geschichte auch zur Seite— Zumindest bis er seinen Namen auf der zweiten Seite erspähte. Und direkt darunter, lugte ein kleines Stückchen schwarzer Stoff hervor. Ohne weiter darüber nachzudenken, steckte er Beides ein und schnappte sich seinen Motorradhelm von der Kommode im Gang.
Steve wartete vor dem Hauptgebäude auf ihn. Er wirkte angespannt. «Falls es etwas zählt, ich war komplett dagegen dich reinzuholen. Aber Ross hat uns nicht wirklich eine Wahl gelassen», meinte er nur knapp als sie in den Aufzug stiegen. Doch anstatt aufwärts in den Briefingraum ging es nach unten, unter die Erde.
Ross, der Name kam Bucky bekannt vor. Doch er konnte dem Namen kein Gesicht zuordnen. Bevor er Steve danach fragen konnte, sprang die Tür auf und gab den Blick auf einen großen Lagerraum frei. Eine kleine Gruppe hatte sich bereits eingefunden und scharte sich um—
Was zur Hölle. Panik stieg in ihm auf. Nein, versuchte er sich selbst zu beruhigen, Steve würde das nie zulassen.
Das metallische Kratzen der Aufzugstür, die verzweifelt zu schließen versuchte, schüttelte ihn aus seiner Starre. Durch das Geräusch aufgeschreckt, drehten sich die Gestalten zu ihnen um. Ein groß-gewachsener grauhaariger Mann mit einem auffälligen Schnauzer löste sich aus der Gruppe und kam auf sie zu. Bucky erkannte ihn. Er war einer der Anzugträger im Hintergrund gewesen, als sie ihn vor einem halben Jahr aus dem Eis geholt hatten.
«Mr. Barnes, schön dass sie sich uns anschließen», begrüßte er ihn. Steve legte seine Hand auf Buckys Schulter und schob ihn sanft vorwärts in die Richtung des Anzugträgers.
«Ich glaube nicht, dass wir bereits vorgestellt wurden. Thaddeus Ross, Außenminister.»
Bucky drückte flüchtig seine Hand. Das war also Ross.
Der Anzugträger drehte sich zurück und führte sie ins Zentrum der Lagerhalle. Steve und er folgten mit einigen Schritten Abstand, genug damit er seinem Freund unbemerkt ein paar Worte zuraunen konnte.
«Was zur Hölle, Steve?»
«Lass sie erklären, es ist nicht so, wie es aussieht.»
«Ach ja? Das sieht nämlich verdächtig nach der Maschine aus mit der sie mir meinen Willen genommen haben.»
Steve hatte keine Chance mehr darauf zu reagieren, bevor sie Direktor Fury, und den Mann in weißem Arztkittel erreichten. Bucky versuchte sich auf ihre Gesichter zu konzentrieren, doch er konnte die Erinnerungen in seinem Hinterkopf brodeln fühlen. Bereit auszubrechen und die Schmerzen zurückzubringen.
«Woher?», war alles, was er herausbrachte.
«Wir haben die Maschine bei einer Razzia in der Lagerhalle eines Schwarzmarkthändlers sichergestellt.» Fury machte einen Schritt nach vorne und legte seine Hand auf das schwarze Metall. «Wir müssen herausfinden, ob sie echt ist.»
Bucky wich automatisch einen Schritt zurück. «Ich werde mich nicht da reinsetzen.»
«Das erwartet auch niemand», sagte Steve sofort und legte seine Hand zurück auf Buckys Schulter. «Wir hatten gehofft, dass du uns sagen könntest, ob das die Maschine ist, die Hydra... besessen hat.»
Er schluckte einmal leer, nickte dann aber. Vorsichtig näherte er sich der Maschine. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter, als seine Augen die Elektroden streiften, die sich in sein Gehirn gebrannt hatten. Im ersten Moment war es ein kurzer, stechender Schmerz gewesen. Wie die kleinen Schläge die der Fernseher, den sie damals an der Starkexpo bestaunt hatte, verteilte, wenn man dem Bild zu nahe kam. Doch im Unterschied zum Fernseher, dessen Schlag schnell vergessen war, war das hier erst der Anfang. Danach breitete sich die Schmerzen schlagartig im ganzen Körper aus, bis es nichts anderes mehr gab.
«Bucky?», befreite Steve ihn aus seinen Gedanken.
«Es ist dieselbe Maschine.»
Ross näherte sich von der Seite, Bucky konnte ihn aus seinem Augenwinkel sehen. «Sind sie sich sicher?»
Er nickte und deutete mit der Hand auf die Armfesseln. «Das Originaldesign war symmetrisch, zwei auf jeder Seite. Sie mussten die am linken Oberarm entfernen, weil meine alte Prothese zu groß war.» Kaum waren die Worte ausgesprochen, hatte er das Gefühl sich übergeben zu müssen. Er wandte den Blick ab.
«Wissen Sie, ob es noch Weitere davon gibt?»
«Wahrscheinlich? Ist nicht so, als ob das Ding einfach zu transportieren wäre.»
«Ich glaube, ich habe etwas ähnliches gesehen, als wir in Sibirien war», warf Steve ein.
Bucky nickte. «Ist das alles?»
«Wie bedient man sie?»
Sein Kopf flog zu der unbekannten Stimme herum. Der Mann im weißen Kittel hatte gesprochen. «Wieso?»
«Es besteht die Gefahr, dass diese anderen Maschinen in feindliche Hände gelangen. Wenn wir uns auf diese Gefahr vorbereiten sollen, müssen wir sie zuerst verstehen», erklärte Ross.
Nun mischte sich auch Fury in das Gespräch ein. «Das ist nicht was wir ausgemacht hatten.»
«Die Situation hat sich verändert, Direktor. Diese Maschine stellt eine Gefahr für unsere nationale Sicherheit dar. Es ist unsere Pflicht, nicht die Augen davor zu verschließen, sondern alles zu tun, um sie zu verstehen und zu bekämpfen.»
Macht, ging es Bucky durch den Kopf. Sie waren alle gleich. Kreisten um Macht wie Aasgeier, rücksichtslos und gleichgültig darüber, welche Opfer ihre Jagd forderte. «Ich werde Ihnen nicht helfen.»
«Wie bitte?» Ross drehte sich von Fury zu ihm um. Seine Gesichtszüge waren straff, verärgert.
«Ich werde niemandem dabei helfen, dieses Ding zu verstehen oder zu bedienen. Sie sollten die Maschine zerstören.»
«Sie haben einen Eid geschworen, diesem Land zu dienen. Das ist alles was ich von Ihnen verlange, Soldat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.»
Steve stellte sich wieder zu ihm. «Mit allem Respekt, Minister, das geht zu weit. Wir sprechen hier von Bewusstseinskontrolle. Das geht nicht nur gegen das Prinzip der Menschenwürde, sondern gegen alles wofür S.H.I.E.L.D. steht; alles wofür wir, seit HYDRAs erstem Auftauchen gekämpft haben. Wenn wir diese Grenze überschreiten, sind wir keinen Deut besser mehr als unsere Feinde.»
Ross steckte seine Hände in die Hosentaschen. «Ihre Bedenken sind zur Kenntnis genommen, Captain Rogers. Direktor Fury, auf ein Wort.»
Die zwei Männer, dicht gefolgt von dem Weißkittel machten ein paar Schritte in Richtung des Aufzugs. Jedoch nicht weit genug, damit Bucky nicht verstanden hätte, was er zu Fury sagte. «Bringen Sie ihr Haus in Ordnung, Fury. Sie haben zwei Wochen, dann will ich Antworten.»
Bucky sah zu Steve hinüber. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er ebenfalls mitgehört. Nachdem die zwei ungebetenen Gäste verschwunden waren, zögerte er auch keinen Moment. «Du kannst das Ganze nicht gutheißen, Nick!»
«Natürlich nicht! Aber ihr lässt mir ja keine andere Wahl. Ein Körnchen Vertrauen, das ist alles was ich verlange. Ich dachte, nach all dem was wir durchgemacht haben, hätte ich das verdient, Steve. Ich habe mir den Arsch aufgerissen, um dir und deinen Freunden eine letzte Chance zu geben, die ganze Sache richtig zu machen. Eine Menge Leute waren dagegen, Ross allen voran. Und dann kommst du und wirfst dem Außenminister vor, er würde die Menschenwürde verachten? Siehst du nicht, dass er genau das will? Er sucht nur nach einem Grund, diese ganze Initiative als gescheitert abzustempeln und euch alle zurück auf das Raft zu sperren.»
Steve schwieg. Ihm schienen schlichtweg die Worte zu fehlen. Und Bucky ging es nicht viel anders. Genau aus diesem Grund hielt er sich aus Politik raus.
«Nick, ich—», versuchte Steve es schließlich doch noch, doch Fury schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.
«Ich will nichts mehr hören. Raus mit euch. Ich kümmere mich um Ross.»
Bucky ließ sich das nicht zwei Mal sagen. Er konnte es kaum erwarten so weit wie nur möglich von dieser Maschine weg zu kommen. Wenn er sie nie wiedersehen müsste, wäre das noch zu früh. Doch der Direktor hatte andere Pläne.
«Barnes!», rief er ihm nach. «Ich will einen detaillierten schriftlichen Report über zu diesem Teufelsding bis Freitag. Und mir ist es scheiss egal, wenn du die Hälfte davon aus deinen Fingern saugen musst.»
Bucky drückte auf den Knopf des Aufzugs.
«Verstanden?!»
«Ja, Sir.»
«Was hast du da?»
Kaum hatte sich die Aufzugtür hinter ihnen geschlossen, hatte Buckys Fassung zu bröckeln begonnen. Erinnerungen bahnten sich den Weg zurück in sein Bewusstsein. Sein ganzer Körper fühlte sich taub an. Es war, als ob die Wände näher kamen. Er brauchte einfach einen Moment Ruhe, um sich wieder zu sammeln. Und frische Luft. Und so war er, sobald der Aufzug im Erdgeschoss ankam, direkt in Richtung des kleinen Innenhofs geflohen. Steve hatte ihn in Ruhe gelassen, bis jetzt.
Er senkte seine Blicke auf die zusammen getackerten Seiten in seiner Hand. Er wusste, dass Freya nicht hier sein konnte. Doch etwas von ihr in der Nähe zu haben, hatte ihm dabei geholfen sich wieder etwas zu beruhigen. «Eine Geschichte.»
«Wovon handelt sie?», harkte Steve weiter nach und setzte sich zu ihm.
«Ich habe sie noch nicht gelesen.»
«Woher hast du sie?»
Bucky zögerte einen Moment. «Lange Geschichte, ich will nicht darüber reden.»
«Okay. Buck, das vorhin tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung, dass sie das von dir verlangen würden.»
«Alles gut, Steve. Ich mache dir keine Vorwürfe. Es ist einfach— Ich glaube ich werde jetzt nach Hause gehen.»
Eine besorgte Furche bildete sich zwischen Steves Augenbrauen. «Natürlich. Soll ich später mal vorbeischauen? Wir könnten gemeinsam essen.»
«Nein. Ein anderes Mal, okay? Wir reden morgen.»
«Klar, wie du willst. Aber wenn etwas ist, ich bin da für dich, das weißt du, oder?»
«Ja, danke Steve.» Mit diesen Worten erhob er sich und nickte dem Captain noch einmal kurz zu, ehe er sich auf den Rückweg zur Wohnung machte.
***
James war nicht da gewesen, als Freya von ihrem Brunch mit Anne zurückkehrte. Das verwunderte sie aber nicht weiter, sie war sich gewohnt, dass er zu dieser Zeit meistens irgendwo unterwegs war. Sie wäre nur froh gewesen, hätte sie es im Vornehinein gewusst. Dann hätte sie sich die ganzen Ausreden dafür, weshalb Anne nicht mit ihr zurückkommen und ihren neuen Mitbewohner kennenlernen konnte, sparen können.
Sie stellte den Donut, den sie auf dem Rückweg für ihn besorgt hatte, nachdem sie am Vorabend mit schrecken erfahren musste, dass er zwar Marshmallows kannte, aber noch nie einen Donut gegessen hatte, in die Küche und machte sich dann eine Tasse Tee. Zeit an ihrem Charakterprofil für den Protagonisten zu feilen. Zumindest war das der Plan, doch irgendjemand hatte die ganzen Notizen auf ihrem Schreibtisch durcheinandergebracht
Sie hatte erst gerade wieder etwas Ordnung in das Chaos gebracht, als sie hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Kurz darauf stand James in Raum. Er trug eine nachtblaue Schutzweste, die seinen Metallarm komplett zur Schau stellte. Überall waren Laschen und Taschen angebracht. An seinem rechten Bein war ein Holster befestigt, in der ein langes Messer steckte. Sie hatte das Ensemble einmal in seinem Schrank erspäht, doch erst jetzt wo er ihr in voller Montur gegenüberstand, realisierte sie, dass es sich dabei um Kampfkleidung handeln musste.
«Ist alles in Ordnung?», fragte sie etwas verwirrt. Er ging wortlos zum Esstisch hinüber und öffnete den Klettverschluss des Holsters. Kurz darauf, gesellten sich eine ganze Menge Messer in verschiedenen Formen und Größen auf der Tischoberfläche zu dem schwarzen Material. Freya hatte keine Ahnung, woher er die alle herzauberte.
Seine Haltung und der starre Blick deuteten darauf hin, dass er sichtlich erschöpft war. Freya konnte zu ihrer Erleichterung jedoch keine Verletzungen erkennen. Dennoch, sie wollte wissen, was mit ihm los war. Als sie am Vormittag aus der Wohnung gegangen war, hatte er noch entspannt auf der Couch gelegen und gelesen.
«Nein. Es— Ist auch egal, ich will grad nicht darüber reden. Wie war es mit Anne?»
«Ganz gut! Sie lässt dich lieb grüßen.»
«Ich dachte, du hättest ihr gesagt, ich sei weg.»
«Ja, aber sie hat auch nicht dich direkt gegrüßt, sondern meinen neuen Mitbewohner.»
Er zog den Reisverschluss seiner Weste auf und hängte diese an den Stuhl vor ihm. «Die arme Frau wird irgendwann wahnsinnig werden, wenn sie erfährt, dass die Wahrheit noch komplizierter ist als all deine Lügen.»
«Keine Lügen. Selektive Information.»
Er schmunzelte. «Ich hoffe für dich, dass sie das auch so sieht.»
«Sie würde es bestimmt verstehen. Ich habe dir übrigens einen Donut mitgebracht, er ist in der Küche.»
James verschwand für einen Moment und kam mit einer Flasche Wasser und der weißen Papiertüte zurück, die sie für ihn bereitgelegt hatte. Freya zögerte nicht lange und setzte sich zu ihm auf die Couch. Schließlich wollte sie seine Reaktion sehen, wenn er in das süße Gebäck biss. Seine Miene hellte sich wieder etwas auf. Sie deutete das als gutes Zeichen.
«Sag mal, warst du an meinem Schreibtisch?»
«Ja, sorry. Ich habe meine Handschuhe gesucht.»
«Ach so, kein Problem. Hast du sie gefunden?»
James hielt als Antwort seine Linke hoch. Freya erkannte den Mesh-Handschuh von ihrer Plätzchenback-Aktion wieder. Er war gegen das dunkle Metall kaum auszumachen gewesen.
Er nahm noch einen Bissen von seinem Donut und kramte dann etwas in seiner Hosentasche, bis er ein gefaltetes Blatt Papier zutage förderte. «Ich habe meinen Namen gesehen und es eingesteckt. Aber ich hab's nicht gelesen, versprochen.»
Etwas verwirrt griff Freya nach dem Stück Papier und faltete es auf. Es entpuppte sich als die Geschichte, die sie an ihrem Geburtstag über seine komische Kuchenform geschrieben hatte. Sie lachte. «Die hatte ich ganz vergessen. Ich hatte eine Beschäftigung gebraucht, bis mein Kuchen abgekühlt war und—was soll ich sagen—, deine komische Backform hat meine Kreativität angespornt.»
«Das hatte ich mir schon beinahe gedacht.»
«Soll ich sie dir vorlesen?»
Er sah zu ihr hinüber. «Wenn du magst.»
«Tu ich», gab Freya sofort zurück. Sie zog ihre Beine in den Schneidersitz und drehte sich so, dass sie verkehrt auf der Couch saß, ihn nun jedoch anschauen konnte. Dann glättete sie das Papier und begann. «Erinnerungen könne viele Formen annehmen. Die Schönsten von Ihnen behalten wir für immer in unseren Herzen. Aber die glücklichsten, machen wir zu Traditionen»
James hörte die ganze Zeit über ruhig ihrer Geschichte zu, selbst, nachdem er seinen Donut komplett verdrückt hatte und die Wasserflasche leer war.
«Ich verstehe, wieso du schreibst», sagte er dann, als sie fertig war. «So viel Kreativität in diesem kleinen Kopf, irgendwie musst du sie ja rauslassen.»
Freya lächelte und faltete das Papier wieder zusammen. «Und, hat's dir gefallen?»
«Ja, danke. Nicht nur fürs Vorlesen, auch fürs auf andere Gedanken bringen.» Er lehnte seinen Kopf zurück auf die Lehne und sah sie an. «Sie hatten eine Maschine, um mich zu... programmieren. Ich habe sie heute wiedergesehen und das hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen.»
Freya seufzte. «Dieses alte Zeug will auch wirklich nicht wegbleiben, was?»
«Sieht so aus.»
«Und jetzt? Was hast du vor?»
«Im ersten Moment wollte ich sie zerstören. Doch das würde eine Menge Probleme verursachen, nicht nur für mich. Daher bleibt mir nichts anderes übrig als abzuwarten und darauf zu vertrauen, dass sie das Richtige tun werden.»
«Und wenn nicht?»
«Dann kann ich sie immer noch in Stücke zerlegen.»
Sie nickte. Das klang vernünftig. Auch wenn sie ahnte, dass es ihm besser gehen würde, wenn dieses Ding aus der Welt geschaffen wäre.
«Themenwechsel. Erzählst du mir, was es mit der Kuchenform wirklich auf sich hatte?»
Diese Frage zauberte ein schmales Lächeln zurück auf seine Lippen. «Ich wollte deine Tradition beschützen. Keine Ahnung, ich war erst zwei Monate davor wieder aus dem Eis gekommen und die ganze Sache bei S.H.I.E.L.D lief ziemlich holprig an. Ich hatte das Gefühl, duzende Probleme zu haben aber gegen keines wirklich etwas unternehmen zu können. Und dann tauchst du auf mit deiner überzeugten Rede von Geburtstagen und Traditionen— Ich hatte zwar keine Kuchenform, aber ein Backblech und dieses nützliche Werkzeug hier», er winkte mit seiner Metallhand. «Es war ein Problem, gegen das ich etwas tun konnte.»
Freya spürte wie eine Träne über ihre Wange floss und sie wischte diese schnell weg, bevor er es bemerken konnte. Sie mochte sich nicht vorstellen, wie schwierig die Situation für ihn damals gewesen war. Und trotzdem hatte er sich die Zeit genommen, ihre vergleichsweise unbedeutende, kleine Tradition zu retten. Sie hatte es schon lange geahnt, doch diese Geschichte zerstörte auch noch die letzten Zweifel, die sie gehabt hatte. Egal was in der Vergangenheit geschehen war, der James, der hier vor ihr saß, war ein guter Mann. Ein besserer Mensch als viele andere, die nicht einmal annähernd so viel durchgemacht hatten.
«Wieso weinst du?» Seine Stimme und die warmen Finger, die vorsichtig die Tränen von ihrer Wange strichen holten Freya aus ihren Gedanken zurück.
«Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Egal was passiert ist, du bist ein guter Mensch, James Barnes.»
«Das ist doch kein Grund zu weinen, Freya.»
Er hatte Recht. Das war der Grund etwas ganz anderes zu tun. Etwas, was sie sich, wenn sie ehrlich war, schon lange wünschte.
«Ich nehme alles zurück, was ich gesagt habe. Ich will nicht mit dir befreundet sein. Ich will an deiner Seite sein. Ich will alles wissen; das Gute, Schlimme und Schreckliche. Ich will von deinen Albträumen genauso viel hören, wie von deinen Träumen für die Zukunft. Ich will für dich stark sein und dir dabei helfen, den wundervollen Menschen zu sehen, der in dir drinsteckt. Es tut mir unglaublich leid, dass ich so lange gebraucht habe, um das zu erkennen.»
Die Verwirrung schwand nach und nach von seinen Zügen. Seine Augen weiteten sich und ein ungläubiges Lächeln erschien auf seinen Lippen. «Sagst du mir gerade, dass du—» Er deutete mit einem Finger auf sie und dann wieder auf sich selbst, unfähig sich in Worten auszudrücken.
«Ja, ich will da weiter machen, wo wir an Weihnachten aufgehört haben.» Freya streckte vorsichtig ihre Hand aus und verschränkte ihre Finger mit Seinen. «Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät dafür?»
«Niemals.»
Mit einer einzigen, flüssigen Bewegung nahm er sie in seine Arme und bevor sich Freya versah, hatten sich ihre Lippen ebenfalls wiedergefunden. Endlich.
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