Ruhe vor dem Sturm...
(Pov. Andy)
Ich hatte mich nicht wirklich von Rye gelöst als er eingeschlafen war, denn statt auf seinen Mund hatte ich meine Lippen anschließend in seine Halsbeuge platziert und wachte nun ungefähr auch so auf. Die warme Decke lag auf meinem Rücken und der heiße Körper meines Geliebten befand sich unter mir. Ich bewegte mich so wenig wie möglich, um ihn nicht aufzuwecken, doch bald vernahm ich aus dem Flur Geraschel und Gerumpel. Jemand zischte etwas, woraufhin es wieder etwas leiser wurde, dann öffnete sich plötzlich ganz vorsichtig unsere Zimmertür und ein schwarzer, lockiger Haarschopf kam zum Vorscheinen. Er schien nicht zu sehen, dass ich wach war, denn er schob sich kaum hörbar ganz in den Raum, schlich zu dem Schrank, zog eine Schublade auf und trug dann leise einen Klamottenhaufen nach dem anderen zur Tür. Verwirrt folgten ihm meine Augen. Ich wollte ihn eigentlich fragen, was er genau mit unseren Sachen vorhatte, doch dafür musste ich erstmal seine Aufmerksamkeit bekommen, ohne dabei Ryan unter mir aufzuwecken. Versuchsweise hob ich eine Hand. Tatsächlich funktionierte es. Mikey sah mich, schlich zu mir und kniete sich neben meine Seite des Bettes. „Was machst du mit unseren Sachen?", flüsterte ich so leise ich konnte. „Ich packe. Schon vergessen, dass wir auf Tour gehen? Ich wollte euch eigentlich ausschlafen lassen, deshalb habe ich angefangen eure Sachen zusammen zu packen. Ich bin auch schon so gut wie fertig, also habt ihr beide noch gut zwei Stunden, dann sollt ihr bitte im Tourbus sitzen. Anweisung von Blair", hauchte er zurück und augenblicklich durchflutete mich eine Welle der Dankbarkeit. „Du bist der beste Freund der Welt, echt" „Danke", mit diesem Wort erhob er sich und ging zur Tür, in welchem Rahmen er sich noch einmal kurz umdrehte. „Ich habe übrigens auch eure verstreuten Klamotten von Gestern Nacht eingesammelt, bevor sie jemand gesehen hat". Bevor ich mich erneut bei ihm bedanken konnte, zwinkerte er und schloss die Tür hinter sich.
Rye schlief und schlief. Als ich anfing mich zu langweilen spielte ich vorsichtig mit seinen dunklen Haarspitzen. Anschließend stand ich so umständlich und langsam auf wie noch nie und machte mich in dem kleinen, angrenzenden Bad fertig. Als ich wieder ins Zimmer kam schlief mein Geliebter immer noch, wir hatten allerdings nur noch eine knappe halbe Stunde bis wir im Bus sitzen sollten. Neben dem Bett kniete ich mich hin, strich ihm liebevoll über die Haare und weckte ihn mit einem Kuss auf die Wange. „Ich weiß du bist vermutlich immer noch müde, aber wir sollen in einer halben Stunde im Tourbus sein Liebster", kam es raunend von mir. Rye streckte sich und zuckte zusammen als er aus dem Bett aufstand. „Alles okay?" „Jaja", presste er zwischen zusammen gedrückten Zähnen hervor und wankte ins Bad.
Ich ließ ihn alleine und begab mich in die Küche, um Frühstück zu machen. Als ich dort ankam starrten mich drei verschiedene Augenpaare an. Wie versteinert starrte ich fragend zurück, bis Mikey von hinten an meine Schulter trat. Er hatte mich nicht angestarrte, sonder flüsterte nun etwas, das mich leicht aus der Fassung brachte. „Andy wir haben euch beide in der Nacht gehört. Brook und Jack sind sogar ins Wohnzimmer gekommen und haben gefragt ob sie bei uns schlafen können" „War es so schlimm?" „Naja sagen wir mal so, ihr hattet euren Spaß und wart jetzt nicht die leisesten". Ich hielt mir eine Hand vor den Mund und wusste nicht ob ich lachen oder weinen sollte. Wie gerufen stand plötzlich mein Mann hinter mir, ich drehte mich zu ihm und versteckte voller Scham meinen roten Kopf an seiner Brust. „Ich frage jetzt mal nicht nach oder?" „Ryan sie haben uns alle gehört. Brook und Jack haben wegen uns die Nacht im Wohnzimmer verbracht". Ich hörte leises Kichern. „Sollen sie uns doch hören. Jeder darf hören wie sehr ich dich liebe". Seine Antwort galt ebenso mir, als auch den anderen Jungs, die natürlich total unauffällig wieder angefangen hatten zu frühstücken.
Einige Minuten später rollte der Tourbus los, Richtung erstes Venue. Vor der Halle standen schon unzählige Roadies, welche anfingen zu kreischen, als erst Mikey, Brook und Jack den Bus verließen und noch lauter wurden, als Rye mich an meiner Hand hinter sich herzog. Der Soundcheck verlief reibungslos, doch durch die Flitterwochen waren Rye und ich etwas aus der Übung.
Backstage alberten wir ziemlich viel herum, um unsere leichte Nervosität zu überspielen. Dann war es soweit. Wir standen schon alle vor der bereits geöffneten Tür zur Bühne und warteten auf das Zeichen unseres Managers. Das Licht, welches eben noch von der Bühne gestrahlt hatte erlosch, die Roadies kreischten und wir rannten auf die Bühne. „Guten Abend Roadies!" schrie Rye in sein Mikrofon. In meinem Blut tanzten die Endorphine, während wir Song für Song performten. Bei einem Song bauten wir unser erfundenes, menschliches Fahrrad, wobei Jack fast abstürzte. Während der Show entdeckte ich eine Regenbogenflagge in der Menge, machte darauf aufmerksam, bat sie zu mir durchzugeben und hängte sie mir stolz grinsend über die Schultern. Ich wusste, dass noch am selben Abend viele Videos von dieser Aktion auftauchen würden, doch es war mir egal. Ich freute mich sogar darüber, denn niemand sollte sich dafür schämen zu lieben, wen man denn liebt. Verschwitzt lachend liefen wir von der Bühne in den Backstageraum, zogen uns eilig um und rannten bereits ziemlich verspätet in den Meet and Greet Bereich.
Der gesamte Abend verlief wunderschön und lustig. Wir trafen viele Fans, manche mit ziemlich tiefen Hintergrundgeschichten, welche mich immer wieder mitnahmen, aber auch wild getanzt wurde, während Musik im Hintergrund lief.
Später im Hotel schlief Rye bei Brook, ich also bei Jack und Mikey. Es fühlte sich komisch an, aber durch den Livestream und die anschließenden Gespräche fühlte man sich wieder sehr wie zuhause. „Leute meine Stimme stirbt hier gerade", krächzte ich und die Töne die ich dabei erzeugte rutschten unkontrolliert in alle möglichen Tonlagen. Mikey lachte, warf mir wortlos einen Halsbonbon gegen den Kopf und legte sich wieder entspannt auf den Rücken.
(Pov. Rye)
Ich saß mit Brook in dem Hotelrestaurant beim Frühstück und starrte Löcher in mein Müsli. Die anderen drei waren noch nicht erschienen und mein Hals brannte. Seit gestern Abend hatte ich kein Wort mehr gesprochen, denn jedes Mal wenn ich es versuchte klang es, als wäre ich erneut im Stimmbruch. Das Gelächter der anderen wollte ich mir folglich ersparen. Plötzlich wurden Stühle gerückt und ich sah endlich von meinem Frühstück auf. Mikey und Jack hatten sich mir gegenüber hingesetzt, mit ihren Tellern vor sich. Andy fehlte. „Wo ist Andy?", krächzte ich dann doch, bevor ich die wärmenden Arme um meinem Oberkörper spürte. „Guten Morgen Geliebter, hast du gut geschlafen?", raunte er in einer seiner tieferen Stimmlagen, welche mir Gänsehaut bescherte. Gegenüber von mir verschluckte sich Mikey gerade und fing an zu husten, Brook klopfte ihm lachend auf den Rücken.
Bald schon saßen wir wieder im Tourbus auf dem Weg in die nächste Stadt, die wir mit unserem Auftritt beglücken wollten. Den Soundcheck nutzte ich dieses Mal intensiver, um meine Stimme aufzuwärmen, denn damit erhoffte ich mir morgen nicht mehr so heiser zu sein.
Und natürlich funktionierte es nicht.
Ich hatte stärkere Halsschmerzen bekommen, da halfen auch dutzende von Mikey's Halsbonbons nichts mehr. Beim Frühstück sah Andy mich leicht besorgt an und wickelte mir anschließend seinen Schal um den Hals. „Und du mein Lieber, redest heute nur wenn du danach gefragt wirst", setzte er fest und strich mir sanft lächelnd über die Haare. Womit hatte ich bloß einen Mann wie ihn verdient? Ich wusste es selber nicht.
Während der nächsten Show musste ich jeden Ton aus mir herauszwingen. Teilweise taten die Töne sogar echt weh. Die ganze Show über starrte Andy besorgt in meine Richtung und kam sogar ab und zu zu mir, um zu fragen, ob ich noch singen konnte. Am allerschlimmsten war die lange Note von ‚Take this Home'. Zwar machte dieser Song am meisten Spaß, vor allem weil die Verbeugung am Ende irgendwie magisch war, doch dieses Mal kratzte der Ton so heftig in meinem Hals, dass ich danach überhaupt nicht mehr mitsang, sondern nur noch meine Lippen bewegte. Das Meet and Greet überstand ich einiger Maßen mit wenig Worten. In dieser Nacht durfte ich endlich zusammen mit Andy in einem Zimmer schlafen und die anderen Jungs hatten uns mit verschwörerischen Blicken eine ‚gute Nacht' gewünscht. Voller Stolz hatte Jack uns als Sahnehäubchen noch seine neuen Ohrstöpsel zum Schlafen präsentiert.
Jedoch, so sehr es mich auch enttäuschte, ich hatte heute nicht die Kraft für so eine intensive Nacht mit Andy. Er hatte es anscheinend auch gar nicht darauf abgesehen, denn sobald wir im Zimmer waren, drückte er mir meine Sachen für das Bad in die Hand und verdunkelte die Fenster. Als ich das kleine Bad wieder verließ wies er mich an mich ins Bett zu legen. Er rückte noch meinen Schal zurecht, deckte mich bis zur Nasenspitze zu und verschwand dann ebenfalls kurz ins Bad.
„Andy, wegen mir wird der Auftritt heute eine Katastrophe".
Meine Stimme war nicht mehr als ein Zusammenspiel aus Gekrächze, Tränen, Hauchen und verrutschten, schiefen Wortfetzen.
Mein Ehemann legte mir beruhigend die Hände an die Wangen und fuhr mit einem Finger über die Lippen. „Pscht. Jetzt beruhige dich. Noch nie haben wir, beziehungsweise ihr, vier Shows direkt hintereinander gespielt. Da ist es in Ordnung, wenn man am Ende nicht mehr so klingt wie am Anfang", versuchten seine Worte mich aufzumuntern, doch es half nicht. „Aber ich habe überhaupt keine Stimme mehr", krächzte ich wieder. Dieses Mal hielt er mir den Mund zu. „Bitte hör jetzt auf zu reden. Wir finden eine Lösung für heute Abend, da bin ich mir sicher". Ganz vorsichtig hob er meinen Kopf in seinen Händen ein Stückchen an und drückte zärtlich, voller Liebe seine glühenden Lippen auf meine. Allein damit half er mir.
Andy nahm sich mit mir ein Taxi zum Venue, damit wir schon früher als die anderen dort waren. Zusammen wärmten wir ganz langsam und schonend erst beide unsere Stimmen auf, dann nur noch meine. Wir verbrachten locker zwei Stunden damit die leichtesten Gesangsübungen durchzuführen. Ganz langsam bekam ich meine Stimme ein Wenig zurück. In meinen Ohren klang sie immer noch schrecklich mitgenommen, doch wenn ich etwas leiser sang und wir die Musik aufdrehten, konnte man es überhören.
Als nun allerdings den richtigen Soundcheck auch mit dem Rest der Band durchgingen, kratzte meine Stimme im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder ab. Den langen Ton aus unserer Single traf ich nur kurz, dann entglitt er mir sofort. „Ohne den Ton muss es doch auch gehen können", versuchte Andy mein aufgelöstes Ich zu besänftigen, doch bei einem Durchlauf hörte auch er, dass die Stelle fehlte. Nach einer Weile saßen wir nun hinter der Bühne in einem Kreis zusammen, während die Roadies in die Halle strömten.
„Vielleicht könnte die Stelle jemand anderes singen?", schlug Jack vor, doch ich schüttelte nur resigniert den Kopf. Andy war die führende Stimme des Refrains, welcher Zeitgleich mit meiner Stelle gesungen wurde, ebenso wurden Jack und Brooklyn dort gebraucht. Für Mikey war die Stelle zu hoch.
Auf einmal sprang Brook auf.
„Ich hab ne Idee Leute!", vier Augenpaare starrten ihn komplett überrascht und hoffnungsvoll an. „Andy muss den Refrain singen, ganz klar. Mikey, sorry man, aber ich glaube für dich wäre die Stelle zu hoch, du kannst halt die tiefen Bässe sehr gut singen. Jack du bist Andy's Stütze. Ich zwar auch, aber ich bin heute entbehrlich. Ich kenne den Ton zwar nicht, aber du kannst ihn ja ansingen. Das hast du ja vorhin auch gemacht. Du hälst ihn so lange du kannst und dann übernehme ich. Meine Stimme klingt vermutlich von uns allen am ähnlichsten wie deine".
Im Raum war es still.
Niemand hatte einen solchen Plan von Brook erwartet. Nicht, dass er nicht schlau war, denn das war er total, aber er war halt manchmal etwas langsamer. Dennoch hatte er uns gerade bewiesen, dass es auch anders ging. Wir hatten keine Zeit mehr groß zu diskutieren, entschieden uns dafür es zu probieren. Kurz bevor wir die Bühne betraten sollte ich den anderen noch ein Zeichen mitteilen, dass ich zeigen sollte, wenn ich nicht mehr konnte. Dann würde jemand anderes meine Stellen übernehmen. Wie dankbar war ich für diese Freunde.
(Pov. Andy)
„Wir schaffen das", machten wir uns gegenseitig Mut, dann betraten wir das gleißende Licht der Bühne. Auch wenn das erste Lied noch voller Anspannung über unsere Lippen kam, schien danach alles perfekt zu laufen. Zu perfekt. Aber vielleicht war ich auch einfach nur paranoid. Das Sprechen zwischen den Songs übernahmen hauptsächlich Brook, Jack, Mikey und ich. Rye hielt sich möglichst bedeckt mit Worten und tanzte stattdessen lieber über die Bühne. Noch war alles in bester Ordnung.
Noch.
Okay schon wieder zu viel Paranoia.
Vor ‚Take this Home' bekam ich einen halben Panikanfall, als Rye's Stimme tatsächlich einmal wegbrach. Doch es war nur ein halber Anfall gewesen, da Brook so schnell geschaltet hatte, dass seine Stimme fast nahtlos in die meines Geliebten überging. Und er hatte auch Backstage recht gehabt. Seine Stimme ähnelte tatsächlich ziemlich der von Rye, wenn er es darauf anlegte. Gerade dafür bewunderte ich ihn. Er hatte eine absolut perfekte Stimme, war am konstantesten wenn es um das Treffen der Töne ging und konnte seine Stimme ähnlichen fast ohne Unterschied anpassen, wenn er es wollte.
Während wir unsere neue Single präsentierten tobte die Halle. Rye's Stimme hielt. Dann stellten wir uns, ohne uns vorher abgesprochen zu haben, so hin, dass wir in einer Art Halbkreis standen und uns allesamt ansehen konnten. Brook fixierte Ryan, ebenso wie ich. Wir alle sprangen im Rhythmus des Refrains, als Rye's Stelle an der Reihe war. Er nickte mir noch selbstbewusst zu und hob dann sein Mikro an.
Seine Stimme war klar und laut. Keinesfalls so wie heute Morgen oder wie während den restlichen Songs. Dann allerdings ging alles ganz schnell. Er hatte es geschafft den Ton an zu singen. Mit einem Mal riss seine Stimme ab und sofort war Brooklyn's Stimme da. Die Töne waren mir allerdings gerade herzlich egal, denn Rye hatte sein Mikro fallen lassen, die Hände vor seinen Mund gepresst und war von der Bühne gerannt...
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So. Ich wollte ja eigentlich etwas warten mit dem Upload, aber ich bin zu gespannt auf die Reaktionen. Ohne zu viel verraten zu wollen: holt euch am besten erst mindestens eine Packung Taschentücher ;), bevor ihr die folgenden Kapitel lest. Vielleicht lade ich heute Abend noch eines davon hoch (wen ihr wollt). Also viel Spaß und einen schönen Tag noch,
Eure Lisa
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