Kapitel 4
Jack
Mitten in der Nacht kam Sandy zurück zum Nordpol. Mit weit aufgerissenen Augen sah er mich an und bildete Zeichen über seinem Kopf, die so schnell wieder verschwanden, dass ich nichts verstand.
»Sandy, ganz langsam. Ich verstehe gar nichts. Was ist denn los?«, sagte ich.
Er beruhigte sich und begann von vorne. Er zeigte eine zierliche Gestalt, was ich als Mädchen oder junge Frau verstand, ein Pfeil auf mich und dann zwei Zeichen, die ich nicht entziffern konnte.
»Ich verstehe nicht, was du mir sagen willst«, sagte ich und er seufzte.
»Lassen mich mal«, erschien plötzlich North' Stimme hinter mir.
Sandy begann von vorne und North übersetzte für mich.
»Mädchen, du suchen, er haben gefunden«, sagte North und Sandy nickte heftig.
Wie bitte? Sandy schaffte es in einer einzigen Nacht Elsas Königreich zu finden, aber ich schaffte es nicht in Monaten?
»Jack, was er meinen? Du suchen Frau für Leben?«, fragte North an mich gewandt und zog eine Augenbraue hoch.
»Also, ich muss los«, sagte ich schnell und zog Sandy mit. Wir gingen zügig in mein Zimmer und ich schloss die Tür hinter uns ab.
»Sandy, schaffst du es, dass ich mit ihr kommunizieren kann, auch wenn sie schläft?«, fragte ich. Er überlegte kurz dann nickte er und zeigte mir, dass ich mich hinlegen soll.
Ich schloss meine Augen und als ich sie wieder öffnete, stand ich im Dunkeln und sah Elsa auf einem wunderschönen kristallfarbenen Bett liegen. Langsam wachte sie auf und ihre Lider flatterten. Dann sah sie sich geschockt um und schnellte hoch.
Bitte sieh mich nicht, bitte sieh mich nicht, dachte ich nur und ging einen Schritt nach hinten.
❄❄❄
Elsa
Ich wachte auf und lag auf dem Bett in meinem Eispalast. Ich schnellte hoch. Wie ging das? Träumte ich etwa?
»Ich hatte Ihnen ja versprochen, dass wir uns bald Wiedersehen«, erschien eine Stimme aus der Ecke. Es hörte sich an wie ein Junge oder ein junger Mann. Ich sah in die Ecke und versuchte ihn zu erkennen; leider war es zu dunkel.
»Sind Sie dieser N?«, fragte ich zögerlich.
»Eigentlich, nein, aber ich bin die Person, mit der Sie geredet haben«, sagte er. Ich runzelte die Stirn. Das ergab nicht viel Sinn, da ich mit N geredet hatte.
»Sie merken schon, dass das keinen Sinn ergibt, oder?«
»Ja«, sagte er und ich hörte die Verlegenheit aus seiner Stimme heraus. »Habe es auch gerade bemerkt.«
Ich musste schmunzeln. Irgendwie war das süß. Dann kamen die ganzen Fragen zurück, die ich am Tag im Kopf gehabt hatte.
»Wieso dürfen Sie mir nicht verraten, wer Sie sind?«, fragte ich und starrte weiter in die Ecke, was mir so blöd vorkam, wie vorhin, als ich mit einem Zettel gesprochen hatte.
Ich hörte, wie er tief Luft holte. »Es gibt Böses auf dieser Welt, Elsa, und ich möchte Sie einfach davor beschützen«, sagte er. Er hatte mich bei meinem Namen genannt; es gefiel mir.
»Aber, als wen geben Sie sich denn aus?«, fragte ich und stand vorsichtig vom Bett auf.
»Wissen Sie, eigentlich ist er sehr berühmt unter den Kindern und ich eigentlich auch, wenn man an mich glaubt«, sagte er nervös. Ich sah weiterhin in seine Richtung und machte einen langsamen Schritt auf ihn zu.
»Wie meinen Sie das, wenn sie an Sie glauben?«, fragte ich ihn nachdenklich.
»Sagen wir mal so, wir sind eine Gruppe von fünf Leuten und eigentlich glaubt jedes Kind an uns, also an meine Freunde, aber nicht jedes an mich«, erklärte er und ich kam noch einen Schritt näher, aber tat so, als wäre ich gedankenverloren.
»Als Kind habe ich an vieles geglaubt«, sagte ich nachdenklich. Ich strengte meine grauen Gehirnzellen an und überlegte scharf nach. Wer könnte er sein? Habe ich an ihn geglaubt? Glaube ich heute noch an ihn? Ist er vielleicht ...? Ich runzelte die Stirn und sah ihn an.
»Wer sind Sie?«, sagte ich und ging mit schnellen Schritten auf ihn zu, aber bevor ich auch nur etwas hätte tun können, lag ich wieder in meinem Bett im Schloss in Arendelle.
Ich setzte mich hin und sah aus meinem Fenster. Das Männchen - der Sandmann, oder wie auch immer - war schon längst weg und nur noch die glitzernden Sterne und der strahlende Mond erhellten den dunklen Nachthimmel.
Ich ließ mich auf meine Kissen fallen und schloss wieder die Augen. Das durfte doch nicht wahr sein. Wie kam er in meinen Kopf? Und trotzdem: Ein kleiner Teil von mir, hatte die Hoffnung, wieder zurück zu der Situation von gerade zu gelangen, jedoch wurde dieser Wunsch nicht erfüllt.
Am nächsten Morgen machte ich mich ganz normal fertig, so wie jeden Tag, und begab mich danach zum Essenssaal, um den anderen beim Frühstück Gesellschaft zu leisten. Ich wurde von allen begrüßt.
»Euch auch einen guten Morgen«, begrüßte ich zurück und setzte mich an meinen Stammplatz.
»Und? Was hast du heute so vor?«, fragte Anna und biss in ihr Brötchen. Sollte ich es ihr erzählen? Auch, wenn ich es eigentlich nicht sollte, aber sie war meine Schwester. Jedoch wollte ich den mysteriösen Mann, an den fast jedes Kind glaubte, schützen. Also beschloss ich, es zu verschieben.
»Ich muss ein wenig Königinnen Kram erledigen. Wird also ziemlich langweilig.« Sie nickte und aß weiter.
Mit zittrigen Händen nahm ich mir mein Frühstück. Ich konnte nicht richtig still sitzen und meine Gedanken kreisten nur um ein Thema: Der Mann und die anderen vier. An was glaubten Kinder? Ich selbst konnte mich kaum an meine Kindheit erinnern, bevor ich in mein Zimmer eingesperrt wurde. An was hatte ich geglaubt? An wen hatte ich geglaubt?
»Habt ihr vielleicht eine Ahnung, an welche vier Menschen jedes Kind glaubt?«, fragte ich und als die Worte gerade meine Lippen verlassen hatten, bereute ich sie schon. Noch unauffälliger ging es auch nicht mehr.
Kristoff und Anna schienen nachzudenken. Anna zog ihre Augenbrauen zusammen und sah dann zu mir.
»Der Weihnachtsmann vielleicht?«
»Der Osterhase?«, sagte Kristoff.
Da ging mir ein Licht auf. Aber natürlich! Ich hatte doch auch den Sandmann gesehen. Das mir das nicht sofort eingefallen war, immerhin war es erst gestern geschehen! Der Weihnachtsmann, der Osterhase, der Sandmann und die Zahnfee natürlich. Vier Menschen, an die jedes Kind glaubt! Doch wer war der Fünfte?
»Danke vielmals! Ich muss sofort los!« Ich rannte aus dem Zimmer und ließ Kristoff und Anna verblüfft zurück.
Draußen lief ich sofort in die Richtung der Bibliothek, die fast am Ende der Stadt war. Ich ging hinein und sah Mathilda, die Bibliothekarin, an der Theke stehen und lief auf sie zu.
»Oh, guten Morgen, Königin Elsa«, sagte sie, als sie mich bemerkte. »Was verschafft mir die Ehre?« Sie zeigte ihr bezauberndes Lächeln.
»Dir auch einen guten Morgen, Mathilda«, sagte ich außer Atem. »Ich wollte fragen, ob ihr irgendwas von dem Weihnachtsmann, dem Sandmann, der Zahnfee und dem Osterhasen hättet?«
Ihre Augen weiteten sich leicht und sie sah sich schnell um. »Kommen Sie mit«, flüsterte sie und kam hinter der Theke hervor.
Sie führte mich nach hinten, wo eigentlich nie einer war. Sie zündete eine Kerze an und ich erkannte an der hinteren Wand eine dunkle Holztür. Sie schloss sie leise auf und ging hinein. Ich lief ihr hinterher. So wie es aussah, und so klein es war, nahm ich an, dass es sich um ein Hinterzimmer handelte, um Besen oder alte oder kaputte Dinge zu verstauen. Es gab mehrere Regale, in denen verschiedene Dinge, wie Bücher, Kisten und andere Gegenstände standen, die Wände fielen beinahe auseinander. Ich sagte mir, dass später auf meine Liste zu setzen.
Mathilda schloß die Tür und ging zu einem der Bücherregale. Sie durchsuchte es leichthändig mit ihren langen aber dünnen Fingern und zog schließlich ein dunkelblaues Buch heraus. Sie gab es mir.
»Diese vier Personen nennen sich auch Die Hüter des Lichts. Lesen Sie es sich durch, aber möglichst alleine. Es steht nämlich nicht ohne Grund hier im Hinterzimmer«, erklärte sie mir.
Ich starrte das Buch in meinen Händen an. Es war kostbar und die Menschen waren anscheinend mehr, als nur Märchen. Ich bedankte mich bei Mathilda, die mich durch eine andere Tür hinaus ließ. Jetzt stand ich endgültig am Ende der Stadt.
Mathilda hatte mir ihren Namen verraten, der in goldener Schrift oben drauf stand. Außerdem sagte sie, ich solle es möglichst alleine lesen. Ich kannte nur einen Ort, wo ich immer alleine war.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro