30. August 1976
Ich weiß, was ich will,
Ich will, dass endlich etwas Neues beginnt,
Dass wir wie ein Gedanke, ein Körper sind,
Das ist mein Ziel,
Sag' mir nur eins: Will ich zu viel?
Rückblende 30.08.1976
Es waren noch zwei Tage, bis die Schüler der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei wieder in den Hogwartsexpress steigen würden und das Schuljahr 1976/77 beginnen würde. Die Briefe für die Sechstklässler waren vor drei Wochen eingetroffen und auch wenn es niemand an die große Glocke gehängt hatte, war auch der Brief für Sirius bei den Potters eingetroffen. Dumbledore wusste eben doch alles über seine Schüler.
Als Sirius auf dem Zufahrtsweg zum Haus der Potters erschienen war, hatte James sofort gewusst, was vorgefallen war. Seine Gefühle hatten sich zwischen Sorge, Erleichterung und Wut nicht entscheiden können, doch die Tage mit Sirius waren so lustig und entspannend gewesen, dass James sogar das näherrückende sechste Schuljahr verdrängt hatte, doch als er an diesem Morgen auf den Kalender sah, fiel es ihm wieder ein und er hätte sich am liebsten wieder unter der Decke verkrochen.
Beim besten Willen konnte er sich nicht daran erinnern, jemals so wenig nach Hogwarts gewollt zu haben, wie jetzt. Es fiel ihm ohnehin schwer, zu glauben, dass irgendein Schüler nicht nach Hogwarts wollen sollte – außer natürlich, wenn dort das hübscheste Mädchen auf der Welt wäre, das dich für den größten auf Erden wandelnden Trottel hält.
James Brief mit den Prüfungsergebnissen hatte keine großen Überraschungen gebracht. Wie zu erwarten gewesen war, hatte er in Verteidigung gegen die Dunklen Künste, Verwandlung, Zauberkunst und Kräuterkunde ein „Ohnegleichen" erzielt, in Zaubertränke, Pflege Magischer Geschöpfe, Astronomie (dank Sirius) und Geschichte der Zauberei (dank Remus' Anfall von Lernwut am Donnerstagvormittag) immerhin ein „Erwartungen Übertroffen".
James hatte freie Wahl, welche UTZ-Kurse er belegen wollte, in keinem seiner ZAG-Fächer hatte er unter den Voraussetzungen für eine Weiterbelegung abgeschnitten. Es hätte also das beste Schuljahr überhaupt werden können, denn sie konnten jeden Monat bei Moony sein, ohne Gefahr zu laufen, von ihm gebissen zu werden, sie hatten die Karte der Rumtreiber fertiggestellt und konnten sie benutzen, wann immer sie es wollten (und auf die Qualität seiner und Sirius' Arbeit verließ sich James) und Snape würde sie nicht mehr belästigen, wenn ihm mal wieder nicht passte, was sie taten. Nie wieder würde er sie belästigen, nicht nach dem, was Sirius gegen Ende des letzten Schuljahrs abgezogen hatte.
Es war noch vor den ZAG-Prüfungen gewesen, bevor James per Zufall Lilys Ungnade für Snape provoziert hatte, dass James um Remus Willen sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um Snape aus dem Geheimgang herauszubekommen.
An dem Abend hatte James keinen Gedanken daran verschwendet, was Lily wohl zu dieser Aktion sagen würde. Sie war überhaupt nicht wichtig gewesen, zum ersten Mal, seit er auf Hogwarts war, ging es nicht darum, etwas zu tun, das Lily beeindrucken würde, sondern darum, Remus davor zu bewahren, jemanden zu beißen. Und selbst wenn er Snape hasste, nach James Ansicht verdiente niemand den Tod in der heulenden Hütte und deshalb war er sofort losgerannt, als Sirius beiläufig erwähnte, dass sie Snape an diesem Abend treffen könnten.
Remus war schon verwandelt gewesen und so blieb James kaum Zeit. Er sah von Ferne, wie die Peitschende Weide erstarrte und beschleunigte seine Schritte. Snape hatte etwa eine Minute Vorsprung und deshalb entschied sich James dazu, die Weide ausnahmsweise einmal per Immobulus einzufrieren, statt sie durch die Berührung des Knotens passierbar zu machen. Auch wenn das der Pflanze schadete und James irgendwie leidtat, schließlich hatte er nichts gegen die Weide, aber im Moment war dies der schnellste Weg und jede Form der Zeitersparnis war gerade mehr als Willkommen.
Als James in den Geheimgang tauchte, sah er das Licht an Snapes Zauberstab etwa in der Mitte des Ganges. James lief, mit gezwungenermaßen eingezogenem Kopf, auf Snape zu.
„Stop!", rief er. „Halt sofort an, Snape!"
Der aber lief ungerührt weiter. Daher schrie James weiter: „Du läufst da in deinen Tod! So halt doch an, Snape! Du wirst sterben, wenn du weiterläufst!"
Nun drehte Snape sich um. „Das könnte dir doch ganz recht sein, Potter", spie er gehässig. „Warum willst du mich vor meinem ‚Tod' bewahren?"
Snape setzte seinen Weg fort und rief über seine Schulter: „Außerdem glaube ich dir nicht. Hinter diesem Geheimgang versteckt ihr doch bestimmt nur eure Streichvorräte. Und die will ich finden."
„Erzähl mir nichts, Snape", rief James, der aufholte. „Du ahnst, was hier ist und du willst es sehen, um es gegen uns zu verwenden!"
„Genau das habe ich dir grade gesagt", giftete Snape ungehalten. „Euer Streichlabor, eure Stinkbombenvorräte, alles. Ich habe Dumbledore geschrieben, er wird hierherkommen. Und ich werde solange aufpassen, dass du nichts davon versteckst!"
In diesem Moment wurde er von einem lauten Heulen unterbrochen, das ihn stocken ließ. Unschlüssig blieb er stehen und ließ damit zu, dass James ihn einholte.
Der packte ihn am Arm und zog ihn in die Richtung, aus der sie kamen. Sie waren im letzten Viertel des Geheimganges angekommen und das hieß, der Weg für Moony zu ihnen war wesentlich kürzer als der für sie zur peitschenden Weide. Noch während Snape protestierte und versuchte James' Hand von seinem Ärmel zu schütteln krachte etwas in ihrer Nähe gegen Holz. Moony hatte sie gewittert.
„Komm jetzt, Snape, wir müssen hier raus!", brüllte James und zerrte an Snapes Arm.
„Es ist ein Werwolf, oder?", fragte Snape, der sich zu bewegen unfähig geworden schien.
„Nein, ein kleines, rosa Kaninchen", giftete James ungehalten. „Bist du eigentlich blöd, oder was? Wenn du doch weißt, was hier wartet und weißt, dass es dich fressen kann, warum kommst du dann her?"
„Ein rosa Kaninchen soll mich fressen?", fragte Snape mit hysterischer Stimme, während er inzwischen vor James herlief, wobei er alle zwei Schritte strauchelte. Er kannte eben das Wurzelwerk in diesem Geheimgang nicht.
„Idiot", grummelte James, was jedoch vom Krachen der Tür zur heulenden Hütte überdeckt wurde. James drehte den Kopf und wusste, dass es spätestens jetzt zu spät war. Moony war größer und schneller als sie und sie hatten noch ein gutes Drittel des Geheimgangs vor sich. Verzweifelt zielte James auf die Decke im hinteren Teil und ließ sie einstürzen. Moony heulte und blieb kurz stehen, doch James wusste, dass er ihnen nur wenig Zeit erkauft hatte.
Kurz bevor sie am Tunnelausgang angekommen waren, hörten sie plötzlich wieder Moonys Heulen. Er war schon zu nah an ihnen dran, als dass sie beide hätten aus dem Gang fliehen können, daher schrie James: „Raus hier Snape, ich halte ihn auf!"
Und während Snape, ohne sich umzudrehen auf den Ausgang zulief, drehte James sich zu Moony und zielte mit dem Zauberstab auf dessen Brust. Im letzten Moment sagte er: „Impedimenta!"
Der Werwolf taumelte und fiel kurz auf seine Knie. James wich zurück, Moony immer im Blick, der wieder auf die Beine kam und zum Sprung ansetzte. Zu James Glück war der Geheimgang zu klein und Moony stieß sich erst den Kopf und bei der Landung die Knie und brachte daher nicht genug zielgerichtete Kraft auf, um James magischen Schild zu brechen.
Blitzschnell sprach James einen Lähmfluch über den Werwolf, wobei er wusste, dass er Moony damit nur Sekunden würde aufhalten können. Trotzdem drehte er sich um und hechtete zum Ausgang und kletterte aus dem Loch an der Wurzel der Peitschenden Weide. Moony heulte wieder und James atmete erleichtert durch, während er aufstand und vom Loch wegtrat. Tief durchatmend wollte er sich nach Snape umsehen, als er Professor Dumbledores Stimme hörte.
„Mr. Potter", sagte der Schulleiter mit interessierter Stimme. „Mr. Snape sagte, er wäre alleine gewesen."
Snape stand neben Dumbledore, auf dessen anderer Seite Peter und Sirius standen.
„Das hätte er gerne gehabt", murmelte James leise, bevor er seinem Professor antwortete: „Nein, Professor, wäre er alleine gewesen, wäre er jetzt mit Sicherheit einem Werwolf zum Opfer gefallen." Dabei sah er zu dem Eingang unter der noch immer eingefrorenen Weide.
„Ich nehme an, Mr. Lupin ist auf dieser Seite des Ganges?", fragte Dumbledore und näherte sich dem Eingang mit interessierter Miene.
„Ja", antwortete James, bevor er Sirius einen bösen Blick zuwarf. „Du wirst dich entschuldigen, und zwar bei beiden", fuhr er ihn mit zusammengebissenen Zähnen an, bevor er sich mit einem Lächeln bei Peter bedankte.
Dumbledore hatte derweil den Eingang inspiziert und sah nun wieder James an. „Nun denn, Mr. Potter, wie denken Sie, sollten wir diese Situation bereinigen?", fragte er und James hatte mal wieder das Gefühl, von seinen Augen durchleuchtet zu werden.
Perplex starrte er seinen Schulleiter an. Warum sollte er jetzt aufräumen? Er hatte doch seinen Teil geleistet. Er hatte Snape das Leben gerettet.
Reichte das nicht? Doch James widersprach nicht und fing an zu überlegen. Sollte man Moony von der heulenden Hütte aus locken? – Nein, zu gefährlich. Am besten brachte man ihn zur Ruhe und wartete bis zum Morgen, da auch der Gang inspiziert werden musste.
„Tatze und Wurmschwanz gehen rein", sagte er also schließlich. „Von der anderen Seite. Ihr tut nichts. Wenn er mitkommt, bringt ihn auf die andere Seite, wenn nicht, bleibt einfach bei ihm bis er sich verwandelt. Dann sehen wir uns den Gang an, wozu er noch zu gebrauchen ist..."
„Wieso? Was habt ihr denn da drin veranstaltet?", brauste Sirius auf.
„Da war ein Werwolf hinter uns", giftete Snape, der bisher nichts gesagt hatte. „Da versucht man schon mal, ihm Steine in den Weg zu legen."
„Wenn's wenigstens seine Idee gewesen wäre", murmelte James leise, doch Dumbledore lächelte ihn wissend an.
„Also dann", sagte Dumbledore „dann gehen Mr. Pettigrew und Mr. Black am besten schon mal los. Mit ihnen beiden möchte ich mich noch einmal unterhalten"...
Es war ein denkwürdiger Abend gewesen und James erinnerte sich noch genau, wie Snape sich hinterher um Kopf und Kragen geredet hatte. Ein seltenes Vergnügen, trotzdem war James erleichtert gewesen, als Dumbledore Snape einen unbrechbaren Schwur abgenommen hatte. Genaugenommen hatte Snape James unter Dumbledores Aufsicht schwören müssen, nichts von dem, was sich mit Remus Lupins Werwolfsdasein in Verbindung bringen ließ in Gegenwart nicht informierter Personen zu erwähnen.
James spürte auch Monate später noch, wie angsteinflößend mächtig dieser Zauber gewesen war. Nicht einmal bei seiner ersten Animagusverwandlung hatte er etwas derartiges gespürt.
Und das war der Grund, warum Snape ihnen im kommenden Schuljahr nicht mehr dazwischenfahren würde. Der Grund, warum das kommende Jahr unter völlig neuen Vorzeichen stehen würde. Der Grund dafür, dass James jetzt eigentlich mit Sirius in der Küche sitzen müsste und vor lauter Vorfreude noch mehr Essen vernichten sollte, als es die beiden ohnehin schon taten. Doch James lag in seinem Bett und wollte am liebsten so schlimm krank werden, dass er für das gesamte nächste Jahr die Schule nicht besuchen könnte.
Es war ihm egal, dass das eine erstklassige Kleinkindreaktion war, es war ihm auch egal, dass ihm seine Freunde versprachen, ihm im Umgang mit Lily zu helfen. Eigentlich hatten sie das ja schon letztes und vorletztes Jahr gewollt. Und es hatte, wenn überhaupt, dann nur sehr wenig gebracht. Wer also James fehlenden Optimismus nicht verstehen konnte..., der sollte jetzt einfach mal die KLAPPE halten, denn es ging ihm grade richtig BESCHISSEN und gut gemeinte Ratschläge hingen ihm ziemlich zum Hals raus...
Mittags war James irgendwann aufgestanden und hatte mit leidigem Gesicht Sirius Vorfreude auf das neue Schuljahr ertragen, während er aß, danach hatte er sich in den Garten verdrückt, nachdem er Sirius zu verstehen gegeben hatte, dass er allein sein wollte. Weit hinten, etwas abseits hatte James nach seinem vierten Schuljahr ein Lilienbeet angelegt, das er in den Ferien pflegte und das er aufsuchte, wenn er Sehnsucht nach Lily hatte.
Im Nachhinein war es doch etwas sehr kitschig gewesen, Lilien zu pflanzen, doch seine Mutter hatte ihn unterstützt und sagte immer, wenn er daran zweifelte: „Es ist genau richtig, wie es ist. Deine Lily ist es ja auch, selbst wenn sie noch so oft an sich zweifelt."
Woher sie das wissen wollte, wusste James nicht. Vielleicht war das ja irgendsoeine Frauensache, jedenfalls nahm James es immer hin und versank dann wieder in Gedanken an Lily.
So auch jetzt. Er ließ sich auf der Erde nieder und rief sich Lilys Lächeln in Erinnerung. Das schönste Lächeln auf der Welt, wie James fand.
Überhaupt reichte niemand in irgendeiner Dimension an Lily heran. Nicht im Lächeln, nicht in der Schönheit, nicht in der Intelligenz, nicht im Zaubern. Vor allem im James-Verzaubern war sie die Beste – und im James-Zusammenstauchen.
Bevor James sich daran hindern konnte, geriet er vom Schwärmen wieder in die größte Scham, die er je gefühlt hatte.
Mit etwas Abstand wusste er plötzlich ganz genau, was er falsch gemacht hatte, wo sein Fehler gelegen hatte. Und vor allem wusste er, dass die ganze Aktion von vorne bis hinten undurchdacht und überflüssig gewesen war.
Eigentlich hatten sie diese Aktionen eingestellt. Remus hatte ihnen begreiflich gemacht, dass die Form von Mobbing, die sie in ihren ersten Schuljahren ausgeübt hatten, ihnen eine Menge Feinde machen konnte und irgendwann während ihres vierten Jahres hatten sie dann aufgehört.
Nur mit Snape „duellierten" sie sich ab und zu, wenn er ihnen wieder mal auflauerte. Gleichzeitig hatten sie – und vor allem James – während des vierten und fünften Schuljahrs ihre bisher größte Entwicklung in ihren magischen Fähigkeiten verzeichnet. Daher war es kein Wunder, dass der Angriff auf Snape am Tag der schriftlichen Verteidigungsprüfung noch um einiges brutaler war, als sie es gewohnt waren. Und James hatte die Kontrolle verloren.
Er hatte sich gehen lassen und an Snape seinen Frust abgelassen und das hatte zur Folge gehabt, dass Lily ihn wieder angeschrien hatte. Sie hatte ihm seine schlimmsten Fehler vorgehalten, hatte ihn aufgefordert, aufzuhören und ihn schließlich mit Snape auf eine Stufe gestellt.
Und so frustriert James auch war, er konnte sie verstehen – zumindest bildete er sich das ein. ‚Wie schön wäre es', dachte er bei sich ‚Wie schön wäre es, wenn Lily aufhören würde, in ihm den Mobber und Angeber zu sehen und ihn so kennen lernte, wie er sich selbst sah? – Wunderschön', beantwortete er sich selbst.
Einen Neuanfang! Das brauchte James. Er brauchte einen Neuanfang mit Lily, eine Möglichkeit, sie neu kennenzulernen, während sie ihn neu kennenlernte. Und am besten verliebte sie sich dann auch in ihn. Dann wäre alles Bestens. Lily Evans und James Potter – Merlin, wie sehr wünschte sich James, diese Namen einmal in einem Atemzug zu hören. Und zwar nicht, wenn es um ihre Streitereien ging...
Aber James wusste, dass er damit verdammt noch mal zu dick auftrug. Er würde sich im kommenden Jahr zurückhalten, nahm er sich vor. Er würde versuchen, netter zu ihr zu sein und nicht mehr so viel anzugeben. Trotzdem wusste er, dass es ihm nicht gelingen würde. Er wollte einen Neuanfang, aber er brauchte nicht mal Remus, um zu wissen, dass er ihr das nicht vorschlagen konnte, daher würde er ihr wohl aus dem Weg gehen müssen.
Oder konnte er sich nicht doch schnell mit den Drachenpocken oder so anstecken...
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro