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Noch bevor irgendwer von uns realisieren kann, dass unser wunderschöner Plan gerade den Bach runtergeht und wir wohl unser Zelt getrost vergessen können, tritt die Person aus dem Schatten.
Der Mann ist vielleicht Mitte dreißig, er hat ein paar Falten um die Stirn herum, einen dunkelbraunen Pferdeschwanz und trägt einen eleganten, grauen Mantel. Er erinnert mich auf groteske Art und Weise an einen Englischlehrer aus der Sechsten, der mir eine fünf gab, obwohl ich die Schreibaufgabe komplett richtig hatte.
,, Verdammt", flüstert Zoe und wendet ihren Blick ab.
Ich beginne langsam zu verstehen, dass wir hier nicht irgendeiner Wache gegenüberstehen. Dass Zoe nicht einfach ihr Schwert zücken und uns freien Weg verschaffen kann. Es ist der Mann von dem Gemälde. Der König.
,, Verdammt", flüstere auch ich leise.
,, Guten Abend." Der König lächelt froh und zwinkert Henry zu. ,, Wie ich sehe, hast du dich an unsere Vereinbarung gehalten."
,, Wie bitte?", fragt Zoe, aber jeglicher Elan ist aus ihrer Stimme verflogen.
,, Was soll das heißen, Henry?", sagt Zoe schwach.
Der König lächelt nachsichtig, aber ich sehe die Gleichgültigkeit in seinen Augen. ,, Nun, dein kleiner Freund und ich hatten eine kleine Vereinbarung." Er hat einen leichten französischen Akzent, wenn er englisch spricht.
,, Er hat versprochen, dass er dafür sorgen würde, dass ihr kommt und ich würde dafür sorgen, dass ein kleines, nun- nennen wir es mal Zusammentreffen stattfindet."
,, Aber warum?", sage ich heiser, mein Herz pocht in meiner Brust.
,, Bist du dumm?", fährt Ben Henry an, ,, Der König wird der einzige Spieler sein, er wird uns manipulieren, wir jeden Menschen auch!"
,, Wie kommt ihr überhaupt darauf, dass ich euch mitnehme? Der kleine Baker hier hielt das vielleicht für ganz selbstverständlich, du scheinst mir etwas schlauer zu sein, aber ich denke nicht, dass ich euch mitnehme, wenn mir danach ist, kann ich euch auch umbringen..."
Henry starrt auf den Boden, er sieht völlig fertig aus.
,, Ich verstehe das nicht", flüstert Luise leise.
Der König wendet sich ihr zu. ,, Nun, wie solltest du auch? Du bist immerhin ein Mädchen, da kann ich dir das nicht übelnehmen, wenn du verstehst."
,, Reden Sie nicht so mit ihr", sagt Henry laut und greift nach Luises Hand, aber sie stößt ihn beiseite.
,, Lass mich in Ruhe!"
,, Nun" Der König betrachtet sie amüsiert, ,, Und ich musste ihm versprechen, Josh Wachmann umzubringen, ist euch eigentlich schon einmal aufgefallen, wie dümmlich dieser Nam klingt? Aber er hat ihn wahrscheinlich sowieso schon wieder abgelegt und lebt als Josh Smith in Amerika in irgendeinem weißen Haus mit Veranda, von denen hat mir Zoe vor Jahren erzählt, sie sehen laut ihren Schilderungen ganz reizend aus..."
,, Spinnst du?" Ben zittert leicht, aber er sieht Henry nicht an. ,, Dir ist klar, das er die Anderen auch umbringen wird, oder? Rick oder Resala, du Arschloch!"
,, Nicht doch, nicht doch." Beschwichtigend hebt der König die Hand.
,, Nun, ich wiederhole mich nicht gerne, sagen wir so. Ich werde also nur einmal betonen, dass ihr von einigen meiner besten Schützen gerade beobachtet werdet. Solltet ihr also- sagen wir mal ungehorsam sein, dann gibt es hier keine Ermahnung..." Er lässt den Satz im Raum stehen.
Dann passiert etwas ganz schnell. Er ist plötzlich blitzschnell bei Henry und ehe wir überhaupt verstehen, was passiert ist, liegt Henry auf dem Boden und aus seiner Nase spritzt Blut. Er drückt sich die Hand auf das Gesicht und Luise stößt einen spitzen Schrei aus.
In der Hand des Königs glitzert die Kette, die uns nach Hause bringt. Er macht ein paar Schritte zurück und beobachtet den schwarzen Anhänger fasziniert, den er nur aus Erzählungen kennt, der so anders als sein blaues Gegenstück scheint.
,, Nun, euch ist sicherlich bewusst, dass ihr mich nur aufhaltet." Sein Blick ruht für einen kurzen Augenblick auf mir. ,, Aber ich dachte, ihr verdient eine Aufklärung, wie es sie immer in diesen Kriminalromanen gibt, das macht das ganze Buch doch aus, findet ihr nicht?"
Wie erstarrt sehe ich ihn an und er erwidert meinen Blick. ,, Wer meinst du, hat die alte Frau geschickt, die deine Kette wollte? Du hast dich nie gefragt, wie die Diebe, die dich ausräubern wollten an deinem ersten Tag hier überhaupt wussten, dass jemand da ist, nicht wahr? Nun, dazu müsstest du vielleicht erst wissen, dass immer, wenn jemand weg- oder auftaucht, es ein sehr lautes Geräusch gibt. Wie ein Donnergrollen, oder wie auch immer das englische Wort dazu ist. Aber die meisten wissen, dass das einfach nur heißt, dass jemand gekommen ist.
Und die Diebe sind meine Männer, sie bringen mir die Dinge, die sie finden. Sie haben mir dich beschrieben. Wie du aussahst, deine Kette. Und hin und wieder bringen sie mir auch mal eine Person, die mir erzählt, was dort drüben momentan so passiert, was man weiß und so weiter. Es ist ganz unterhaltsam, wenn ich ehrlich sein soll..."
Er lächelt und sein Blick schweift ab zu dem Bild einer jungen Frau, die sich auf einem Gemälde an der Wand mit einem weißen Fächer Luft zu wedelt.
,, Das war übrigens Lillith, sie kam vor Jahren auch hierher und ich habe mir von ihr Dinge erzählen lassen über die Parallelwelt. Aber sie war viel zu neugierig, erst recht für eine Frau und sie hat diese kleine, nennen wir es mal Geschichte erfahren, also musste sie bedauerlicherweise sterben, bevor sie die Kette stehlen konnte. Ich finde, das Bild strahlt schon etwas aus, nicht wahr? Deswegen habe ich sie auch malen lassen, ich habe ihr gesagt, ich lasse sie wieder frei..."
Der König ist in seinen Gedanken versunken und obwohl ich ihm nicht ganz folgen kann, weiß ich, dass das Ganze böse für uns ausgehen könnte beziehungsweise wird. Aber er ist komplett verrückt, das weiß ich.
,, Wisst ihr, ich habe noch nie Menschen manipuliert, das Glück war mir nicht vergönnt, ich bin ja wie eurer guter Freund Mr. Baker hier geboren, allerdings wird es dank euch wohl bald auch so weit sein...
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