-26-
Das Zimmer ist klein und muffig, es gibt vier Teppiche, die bunt zusammengewürfelt sind, und die wohl die Betten ersetzen sollen. Ich seufze. Not macht eben erfinderisch. Ich schleppe Zoe und die Taschen auf einen der vier und ziehe ihr die Schuhe aus. ,, Ist was?" Ich spüre den Blick des Jungen auf mir und drehe mich herausfordernd um. ,, Ein Bad?" Er flüstert und deutet mit einer Hand auf mein durchnässtes Shirt. Peinlich berührt nicke ich. ,, Danke."
Es ist nicht annähernd so, wie ich es mir vorgestellt habe. Das Wasser kommt zwar nicht aus einem Fluss, sondern aus einem Brunnen, aber dennoch ist es ebenso kalt. Ich bekomme eine Gänsehaut. Es ist widerlich, hier zu baden. Das Zimmer ist spärlich beleuchtet, aber ich kann die Spinnen an den Wänden sehen, und die klebrigen Flecken auf dem Boden der Wanne fühlen. Nicht mal einen Spiegel oder ein richtiges Schloss gibt es hier. Aber der Junge hat versprochen, Schmiere zu stehen. Hoffentlich hält er sein Wort. Ich bin mehr als erleichtert, als ich aufstehe; das Wasser schwappt über den Rand und hinterlässt Pfützen auf dem Holz. Als ich angezogen bin, öffne ich die Tür und husche hindurch. ,, Fertig?" Ich sehe nur den Mund des Jungen, er lächelt. Warum auch immer.
Ich kann nicht schlafen. Unruhig wälze ich mich hin und her. Ich denke an Lara. An ihr Lächeln, ihre Zahnlücke, die bald nur noch in meiner Erinnerung existieren wird. Daran, wie sie das ,,A" langzieht. Der Teppich ist steinhart und Zoe schnarcht. Henry hat einen Arm um Luise gelegt, durch das kleine Fenster fällt Mondschein und lässt ihr Haar silbrig glänzen. Langsam fallen mir die Augen zu.
Gefühlt habe ich kaum geschlafen, als ich durch ein Rumpeln geweckt werde. ,, Lass mich schlafen", murmele ich.
Doch plötzlich fühle ich kalte Hände an meinem Hals. Entsetzt schreie ich auf und reiße die Augen auf. Mir direkt gegenüber, kaum fünf Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, starren mich zwei braune Augen an.
,, Hilfe!" Der Mann über mir presst mir die Hand auf den Mund und lässt auch nicht los, als ich beiße. Der ist ja wirklich nicht gerade zimperlich. Zoe schnarcht immernoch vor sich hin und Luise, die noch vor wenigen Minuten zusammengezuckt ist, schlummert scheinbar friedlich weiter.
Der Mann presst eisern die Lippen aufeinander und lässt seine Hände in meinen Nacken gleiten. Will der mich umbringen? Panisch versuche ich, ihn zu treten und zu schlagen, aber er rührt sich keinen Millimeter.
Plötzlich höre ich einen Knall und der Mann sackt auf mir zusammen. Langsam schiebe ich ihn von mir; er fällt mit einem dumpfen Aufschlag auf die Dielen.
,, Er ist nur ohnmächtig." Der Junge mit der Kapuze hält mit einem triumphierenden Blick ein schweres Buch in den Händen.
,, Du, das-" Geschockt sehe ich ihn an, ,, Danke."
,, Schon gut." Er hebt seinen Kopf und lächelt. Und ich schreie zum zweiten Mal in dieser Nacht.
,, Ben?"
Er nickt. ,, Aber du, ich, das- hä?"
,, Hast du einen One-night-stand aufgegabelt, oder was?", murrt Zoe verschlafen, während Henry und Luise sich einfach nur einmal herumwälzen.
,, Schlaf wieder", sagt Ben, ,, Deine Freundin hat nur das Wasser bezahlt." Fragend sehe ich ihn an.
Er nimmt meine Hand und zieht mich aus dem Zimmer. Der Flur ist still und die Dielen knarzen, sodass es mir vorkommt, als müsse das obere Geschoss gleich einstürzen.
Die Nacht ist kalt und ich bekomme eine Gänsehaut. Ben fährt sich mit Hand durch die Haare und seufzt. ,, Ich habe mir Sorgen gemacht."
,, Ach."
Er fährt unbeirrt fort. ,, Ich wollte sehen, ob es hier wirklich so scheiße ist. Wie es dir geht- Du hattest mit allem so recht-"
,, Was willst du hier?" Möglichst gelangweilt sehe ich ihn an.
,, Mich entschuldigen." Eindringlich beobachtet er mich.
,, Ernsthaft? Du dachtest, wenn du hier aufkreuzt, ist alles wie immer? Glaubst du, wir können jetzt zusammen sein? Glaubst du, wir treffen uns jetzt jeden Samstag hier, während du die restliche Woche in die Schule gehst und für Klausuren lernst, während ich hier kaum überlebe?"
In seinen Augen erlischt etwas. ,, Ich kann nicht mehr zurück." Überrascht sehe ich ihn an. ,, Aber natürlich, du kommst doch immer wieder-"
,, Man kann eine bestimmte Zeit nicht überschreiten, sonst kann man nicht mehr zurück. Rick hat davon erzählt, er hat gesagt, es wäre zum Schutz oder so, keine Ahnung! Ich habe es vergessen, okay?" Ich beiße mir auf die Zunge. ,, Das wusste ich nicht. Aber du-"
,, Ich sitze hier jetzt fest, habe absolut gar nichts, wenn die Leute wüssten, wer ich bin, würden sie mich umbringen, verdammt nochmal!"
Ich schlucke hart.
,, Und das alles habe ich für dich gemacht. Also tu mir den Gefallen, und mache mich nicht für den ganzen Mist in deinem Leben verantwortlich."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro