Kapitel 32
PoV: Alpha Adam
Mein Atem geht schwer, und meine Klauen bohren sich in den Waldboden, während ich den Mann – nein, den Rogue – vor mir mustere. Elias. Lias Bruder. Die Worte hallen in meinem Kopf wider, doch ich kann sie kaum fassen.
„Du hast sie beschützt?" frage ich schließlich über das MindLink, meine Gedanken scharf wie ein Dolch. „Warum sollte ich das glauben? Alles an dir schreit Verrat."
Elias hebt den Kopf, seine Augen treffen meine. Sie sind müde, aber da ist eine Entschlossenheit, die ich nicht ignorieren kann. „Ich verstehe deine Zweifel," antwortet er, seine Gedanken ruhig, fast resigniert. „Ich würde jedoch sterben, bevor ich sie verletze."
Mein Wolf knurrt leise, die Spannung in mir nimmt nicht ab. „Dann rede. Erklär es mir. Warum hat sie mir nie etwas von dir erzählt? Und warum war sie bei dir und nicht bei mir und erkennt mich nicht?"
Elias senkt den Kopf, als würde er sich sammeln. Dann fließt seine Geschichte durch das MindLink, klar und unverfälscht, direkt in meinen Geist.
„Wir wurden getrennt, als wir noch Welpen waren," beginnt er. „Ich war der Ältere, stark genug, um zu überleben. Doch Lia... Sie war klein, schwach. Als unser Rudel von Rogues angegriffen wurde, habe ich versucht, sie zu beschützen, doch ich konnte sie nicht finden. Es war ein Chaos. Blut, Schreie, der Geruch von Tod."
Ich sehe die Bilder, die er mit seinen Gedanken teilt. Einen Wald in Flammen, einen jungen Wolf, der verzweifelt sucht. „Ich dachte, sie wäre tot. Alle waren es. Aber tief in mir wusste ich, dass sie irgendwo sein musste. Also bin ich gegangen. Ich habe Jahre damit verbracht, sie zu suchen."
Seine Stimme – seine Gedanken – schwanken, doch er hält inne, als wolle er mir Zeit geben, es zu begreifen. Mein Herz rast, doch ich sage nichts, lasse ihn weitermachen.
„Ich habe Spuren gefunden, immer wieder, kleine Hinweise. Aber nichts Greifbares. Bis ich von Adam hörte – dem Alpha, der eine Mate gefunden hatte, die kein Mensch war, sondern ein kleiner normaler Wolf. Da wusste ich, dass es Lia sein musste."
Die Bilder ändern sich, und ich sehe mich selbst, wie ich auf der Lichtung mit ihr stehe, wie ich sie zum ersten Mal sehe. Es ist seltsam, diese Momente aus seiner Perspektive zu erleben.
„Ich bin ihr gefolgt, habe zugesehen. Aber ich wollte sie nicht stören. Sie schien... glücklich. Ich habe einige Zeit unter Alex' Herrschaft überleben können, habe dort Essen und ein Dach über dem Kopf bekommen, doch dann kam der Angriff. Das Feuer. Und ich wusste, dass ich sie retten musste."
Mein Knurren verstummt. Die Bilder, die er zeigt, sind eindeutig. Ich sehe die Hütte, die Flammen, sehe ihn, wie er Lia aus den Trümmern zieht. Ihre Kleidung versengt und ihre Haut verbrannt, seine Augen voller Panik.
„Warum hast du sie nicht zu mir gebracht?" frage ich schließlich, meine Gedanken schärfer, meine Wut leiser.
Elias zögert, doch dann kommt die Antwort, leise und schwer. „Weil ich Angst hatte. Ich dachte, du würdest mich töten, bevor ich dir erklären könnte, wer ich bin. Und als sie aufwachte, hat sie mich nicht erkannt. Ihre Erinnerung... sie ist lückenhaft. Ich dachte, ich könnte sie sicher halten, bis ich wusste, wie ich dir die Wahrheit sagen soll."
Ich starre ihn an, lasse seine Worte in mir widerhallen. Mein Wolf tobt immer noch, doch er hält sich zurück, als würde auch er die Wahrheit spüren. „Und jetzt?" frage ich, meine Gedanken kälter. „Was erwartest du, dass ich tue?"
Elias sieht mich an, und da ist eine Tiefe in seinem Blick, die mich innehalten lässt. „Ich will nichts von dir. Ich will nur, dass sie sicher ist. Du bist ihr Mate. Ich bin nur ihr Bruder. Aber du musst mir glauben, Adam – sie ist in Gefahr. Und wir müssen sie finden. Zusammen."
Die Wahrheit ist schwer, und mein Misstrauen sitzt tief. Doch da ist etwas in seinen Gedanken, etwas, das ich nicht ignorieren kann. Es ist Liebe. Nicht die Liebe eines Mates, sondern die eines Bruders, die so rein und schützend ist, dass sie keinen Zweifel zulässt.
„Ich werde dir nicht trauen," sage ich schließlich, meine Gedanken hart. „Aber ich folge dir und wenn du lügst, Elias, wirst du es bereuen."
„Ich weiß," antwortet er ruhig. „Aber ich lüge nicht. Jetzt komm. Wir dürfen keine Zeit verlieren."
Ich nicke knapp, spüre die Anspannung in meinen Muskeln. Doch diesmal ist sie nicht nur Wut. Es ist Hoffnung. Und das macht mir fast mehr Angst als alles andere.
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