Kapitel 20
PoV: Lia
Die Lichtung ist still, abgesehen vom leisen Rascheln der Blätter im Wind. Der Mond wirft einen silbrigen Schein auf den Boden, doch es fühlt sich an, als würde die Dunkelheit uns immer noch umklammern. Die Kinder schlafen fest, eingerollt in die Decken, die wir bei uns tragen. Ihr Atem ist ruhig, gleichmäßig, und ich beneide sie um diese Unbekümmertheit.
Ich kann nicht schlafen. Nicht, nachdem der Fremde – der Mann mit den glühenden Augen – hier war. Sein Blick verfolgt mich immer noch, und seine Worte hallen in meinem Kopf wider. Irgendetwas an ihm hat etwas in mir berührt, etwas, das ich nicht verstehe. Doch bevor ich den Gedanken zu Ende bringen kann, spricht der Rogue.
„Wir müssen es versuchen," sagt er, und seine Stimme ist ein tiefer, entschlossener Ton, der keine Widerrede duldet.
Ich sehe zu ihm hinüber. Er sitzt aufrecht, die Augen auf mich gerichtet. „Versuchen?" frage ich, und mein Ton ist schärfer, als ich es beabsichtige. „Versuchen, was?"
„Dich zu verwandeln," sagt er ruhig, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt.
Ich starre ihn an, unsicher, ob ich ihn richtig verstanden habe. „Ich... was? Nein. Ich kann das nicht."
„Doch, das kannst du," sagt er, und seine Stimme wird sanfter, fast beruhigend. „Es steckt in dir, Lia. Du musst es nur zulassen."
Ich schüttle den Kopf, weiche seinem Blick aus. „Ich bin kein... ich bin nicht wie du."
„Doch," sagt er, und diesmal ist da ein Hauch von Ungeduld in seiner Stimme. „Du bist genau wie ich. Und wie der Mann, der vorhin hier war."
Die Erwähnung des Fremden lässt mein Herz schneller schlagen, und ich ziehe die Knie an meine Brust. „Ich weiß nicht, was du von mir willst," murmele ich. „Ich bin nur... ich bin nur ich."
Er steht auf, kommt näher und kniet sich vor mich. Seine Augen bohren sich in meine, und ich sehe keine Spur von Zweifel darin. „Du weißt, dass das nicht wahr ist," sagt er leise. „Du spürst es, oder? Dieses Ziehen in dir, diese Unruhe. Das bist du, Lia. Das ist dein Wolf."
Ich will ihm widersprechen, will ihm sagen, dass er sich irrt, doch die Worte bleiben mir im Hals stecken. Irgendwo tief in mir weiß ich, dass er recht hat. Seit dem Feuer, seit ich in dieser Höhle aufgewacht bin, fühle ich mich... anders. Aber das zu akzeptieren, bedeutet, alles infrage zu stellen, was ich zu wissen glaubte.
„Wie soll das funktionieren?" frage ich schließlich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
Ein leises Lächeln umspielt seine Lippen, und er nickt. „Steh auf," sagt er, und ich folge zögernd seiner Aufforderung. „Schließe die Augen und hör auf deinen Körper. Spüre, was in dir verborgen ist."
Ich tue, was er sagt, auch wenn ich mich dabei lächerlich fühle. Meine Augen sind geschlossen, mein Atem geht flach, und ich versuche, irgendetwas zu fühlen – eine Verbindung, ein Zeichen. Doch da ist nichts. Nur die vertraute Leere, die mich seit Tagen begleitet.
„Konzentrier dich," sagt er, seine Stimme geduldig. „Du musst es wollen."
Ich presse die Lippen zusammen, meine Hände ballen sich zu Fäusten. „Ich versuche es," sage ich, doch ich kann die Frustration in meiner Stimme nicht verbergen.
„Nein," murmelt er, und ich spüre, wie er um mich herumgeht. „Du blockierst dich selbst. Du hast Angst."
„Natürlich habe ich Angst!" rufe ich und öffne die Augen, meine Stimme zittert vor Wut und Verzweiflung. „Ich weiß nicht, was hier passiert! Ich weiß nicht, wer ich bin! Und jetzt sagst du mir, dass ich mich in ein Monster verwandeln soll?"
Er bleibt stehen, seine Augen sind ruhig, fast schon zu ruhig. „Du bist kein Monster," sagt er leise. „Das, was in dir ist, macht dich stärker. Aber du musst es akzeptieren."
Ich schließe die Augen wieder, atme tief ein und aus. Dieses Mal versuche ich wirklich, mich zu entspannen, meine Gedanken loszulassen. Doch es funktioniert nicht. Es ist, als ob eine unsichtbare Wand mich daran hindert, tiefer in mich hineinzusehen.
Nach Minuten des vergeblichen Versuchens öffne ich die Augen und sehe ihn an. „Es geht nicht," sage ich, meine Stimme bricht. „Ich kann es nicht."
Er sieht mich lange an, seine Stirn runzelt sich. Dann murmelt er: „Es sollte funktionieren."
„Vielleicht bin ich einfach nicht das, was du glaubst," antworte ich, meine Worte bitter. „Vielleicht bin ich wirklich nur... ich."
Er schüttelt den Kopf, als wollte er diesen Gedanken nicht akzeptieren. Doch bevor er etwas sagen kann, hören wir ein Geräusch – ein Knacken im Unterholz. Beide erstarren, unsere Augen richten sich auf den Wald.
„Bleib hier," sagt er leise, seine Stimme ist plötzlich angespannt. „Ich sehe nach."
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