Kapitel 17
PoV: Lia
Die Kälte der Nacht kriecht durch meine Kleidung und setzt sich in meinen Knochen fest. Meine Füße schmerzen bei jedem Schritt, und die kleinen Kinder neben mir schnaufen schwer, ihre kleinen Hände klammern sich an meine. Doch der Rogue – ein Wolf, wie ich jetzt weiß – bewegt sich weiter, als hätte er nie gezögert. Er ist eine unaufhaltsame Kraft, die uns immer weiter vorantreibt, weg von der Sicherheit, die wir uns so sehr wünschen.
Ich wusste, dass Rogues Herumstreunende sind, aber dass sie auch Tiere - nein - Werwölfe waren, ich schüttle leicht den Kopf. Nein, das war doch unmöglich. Werwölfe existieren doch nicht. Und doch scheint jetzt einer vor mir zu gehen. Trotz seiner Freundlichkeit habe ich Angst vor ihm, vor dem, was er ist. Aber tief in mir spüre ich auch eine seltsame Faszination. Es ist, als hätte ich dieses Wesen schon einmal gesehen, nicht ihn, sondern... die andere Seite davon. Diese Form, die so wild und fremd ist und doch einen Hauch von Vertrautheit trägt. Etwas an ihm ruft eine Erinnerung hervor, die nicht ganz greifbar ist.
„Können wir nicht eine Pause machen?" höre ich mich fragen, meine Stimme leise, fast flehend.
Er bleibt stehen, dreht sich aber nicht um. Sein Kopf neigt sich leicht, als lausche er auf etwas, das nur er hören kann. Dann spricht er, seine Stimme ruhig, aber entschieden. „Noch ein Stück weiter. Dann können wir rasten."
Die Kinder geben ein leises, müdes Wimmern von sich, und ich blicke zu ihnen hinunter. „Es ist okay," flüstere ich ihnen zu, auch wenn ich nicht sicher bin, ob das stimmt. „Wir schaffen das."
Als wir weitergehen, fällt mir auf, dass er langsamer geworden ist, als würde er uns zumindest ein bisschen Rücksicht entgegenbringen. Es ist nicht viel, aber es ist genug, um meine Angst einen Hauch zu mildern. Doch sie kehrt zurück, als ich an das denke, was ich gesehen habe – seine Verwandlung. Die unkontrollierbare Wucht, die er ausstrahlte. Und die Worte, die er gesagt hat.
„Du kannst das auch."
Nein, das kann ich nicht. Ich bin nur ein Mensch, oder? Doch ein Teil von mir – ein kleiner, leiser Teil – weiß, dass er die Wahrheit gesagt hat. Ich habe es gespürt, als er in diese andere Form gewechselt ist. Ein Ziehen, ein Echo in mir, das ich nicht erklären kann.
Wir erreichen eine kleine Lichtung, umgeben von hohen Bäumen, die uns wie stumme Wächter umringen. Der Mond scheint durch die Äste und wirft ein silbriges Licht auf den Boden. Der Mann – ich kenne nicht einmal seinen Namen – bleibt stehen und wendet sich zu uns um. „Wir rasten hier," sagt er knapp und beginnt, die Umgebung abzusuchen.
Ich lasse die Kinder sich setzen, hole die paar wenigen Decken aus dem Rucksack, den der Rogue mit sich getragen hatte, und decke sie zu. Sie sind erschöpft, und es dauert nicht lange, bis ihre schweren Augen zufallen. Ich bleibe wach, mein Blick wandert zu ihm, wie er in der Dunkelheit verschwindet und dann wieder auftaucht, als wäre er Teil des Waldes.
„Wer bist du wirklich?" frage ich schließlich, meine Stimme zittert, aber ich zwinge mich, ihn anzusehen.
Er bleibt stehen und sieht mich an. In seinem Blick liegt etwas, das ich nicht deuten kann – Stärke, Schmerz, und etwas Dunkles, das ich nicht berühren möchte. „Jemand, der dich gerettet hat," sagt er schließlich. Ich verdrehe die Augen. Als ob ich das nicht schon wusste. „Und weil du mehr bist, als du glaubst."
„Ich bin nur..." Ich stoppe, weil ich selbst nicht weiß, was ich bin. Wer ich bin. Und in diesem Moment überkommt mich die schreckliche Erkenntnis, dass ich keine Antworten habe.
„Das wirst du herausfinden," sagt er, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Aber nicht hier. Noch nicht."
Ich spüre, wie meine Kehle sich zuschnürt. „Und was, wenn ich es nicht will?"
Er lächelt, aber es ist kein freundliches Lächeln. Es ist müde, schwer. „Es spielt keine Rolle, was du willst. Es ist, wer du bist."
Ich starre ihn an, und für einen Moment habe ich das Gefühl, dass er mehr über mich weiß, als ich selbst. Doch bevor ich weiterfragen kann, dreht er sich um und verschwindet wieder in den Schatten.
Die Nacht ist kalt, und die Stille ist drückend. Aber in meinem Geist ist ein leises Flackern, ein Hauch von etwas Vertrautem, das mich nicht loslässt. Ein Name, ein Gefühl, das immer wieder auftaucht.
Adam.
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