Kapitel 22 - Molly
Nachdem Sophie gegangen ist, hatte ich erstmal alle Fenster ganz weit aufgerissen und jetzt stehe ich da und habe das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Das Treffen mit Sophie hat mich ziemlich aufgewühlt, denn eigentlich habe ich außer Nike und vielleicht noch meinen Eltern niemanden, der meine Probleme und mich richtig kennt.
Aber Nike ist tot und meine Eltern wissen nichts von diesem ganzen Mist.
Ich sollte vielleicht mal meine Eltern anrufen und ihnen von dem Unfall erzählen.
Außerdem möchte ich nach der Abtreibung so schnell wie möglich nach Hause, da sich meine Sucht meldet und Nachschub fordert.
Aber als erstes rufe ich jetzt Mama und Papa an, damit ich das schonmal hinter mir habe.
Zum Glück können sie nicht einfach so vorbeikommen, da sie im Süden und eher ich im Nord-Westen des Landes wohne.
Mama braucht relativ lange, bis sie ans Telefon geht, aber das ist normal.
"Hallo Molly, mein Schatz. Schön, dass du dich mal wieder meldest!", sagt sie fröhlich.
Meine Eltern haben mich sehr lieb, das ist auch der Grund, warum sie nichts von meinem Drogenproblem wissen. Es würde sie sehr enttäuschen.
Aber liebe sie auch, deshalb fällt es mir jedes mal schwerer, ihnen nicht alles zu erzählen, aber bisher konnte ich mich zurückhalten.
"Hallo Mom. Wie geht's euch?", frage ich langsam. Irgendwie will ich die schlechte nachricht so lange wie möglich herauszögern.
"Super. Dein Vater und ich waren gestern den ganzen Tag im Garten. Jetzt haben wir zwar Rückenschmerzen, aber dafür ist es wieder schön."
"Ach Mama. 600m² Garten an einem Tag, ist das nicht etwas zu viel? Das hat der Arzt doch auch schon gesagt.
Ich seufze. Bei dem Thema sind meine Eltern leider taub.
"Aber Molly, das bisschen Rückenschmerzen. Und nun erzähl mal, wie geht es dir?"
Ich hole tief Luft, aber viel hilft das auch nicht. Es tut einfach so weh, überhaupt an Nike zu denken.
"Tja... also...", beginne ich, aber meine Mutter unterbricht mich alamiert
"Was ist passiert?"
"Mama es ist alles ganz schrecklich. Ich hatte vor ein paar Tagen einen Autounfall und bin jetzt im Krankenhaus. Das wäre alles nicht so schlimm, wenn nicht..." Ich kann nicht weiterreden, mir laufen die Tränen über das Gesicht.
"Kind, was ist denn? Bitte sprich doch!"
"Nike ist bei dem Unfall gestorben und... und ich bin schwanger von ihm", schluchze ich.
"Oh mein Schatz, wie schrecklich! Aber du musst dich jetzt auf das positive konzentrieren. Dass du jetzt ein Baby bekommst ist doch super. So geht Nike nicht ganz, sondern ein Teil von ihm lebt mit dem Baby weiter", antwortet meine Mutter in beruhigendem Ton.
Von dieser Seite habe ich die ganze Baby-Sache noch gar nicht betrachtet, ich habe nur an die schlechten Dinge gedacht, die mit einem Baby verbunden wären. Trotzdem bleibe ich bei meinem Entschluss.
"Ja schon, aber was soll ich denn jetzt mit einem Baby, Mama?"
Im Hintergrund hört man eine laute Stimme.
"Tut mir leid Molly, ich muss auflegen, aber ich rufe dich bald zurück", sagt meine Mom, dann ist nur noch ein Tuten in der Leitung.
Das Argument meiner Mutter bringt mich zum Nachdenken. Sophie hatte auch etwas ähnliches gesagt und sich für das Ungeborene stark gemacht.
Eine halbe Stunde später erscheint eine Krankenschwester, um mir das Mittagessen zu bringen.
"Hallo. Heute gibt es Hühnersuppe und für Sie und ihr Baby einen Vitaminsaft mit extra Folsäure. Guten Appetit!", sagt sie freundlich, während sie das Essen auf meinen Nachtisch stellt.
"Äh.. das ist ja ganz nett von Ihnen mit dem Saft, aber ich möchte das Baby abtreiben."
Meine Antwort kommt schnell, weil ich nicht ständig an das Leben in mir erinnert werden möchte.
"Ach wirklich?", fragt sie forsch, "denken Sie daran, was für tolle Dinge das eigene Kind mit sich bringt..."
Sie beginnt einen fünf minütigen Vortrag über die Vorzüge eines Babys. Bereits nach den ersten Worten schalte ich ab. So etwas kann ich im Moment echt nicht gebrauchen, denn der Gedanke an die Abtreibung fällt mir auch so schon immer schwerer.
"Naja, es ist ihre Entscheidung. Schönen Tag Ihnen noch", höre ich die Krankenschwester sagen, bevor sie aus meinem Zimmer verschwindet.
Nach dem Essen mache ich erschöpft die Augen zu, denn die ganzen Gespräche sind irgendwie anstrengend gewesen. Es dauert nicht lange, da bin ich schon eingeschlafen.
Der Zeiger der Wanduhr zeigt bereits auf halb vier, als ich wieder aufwache. Es war zum Glück ein erholsamer und traumloser Schlaf.
Voller Energie stehe ich auf, um nach draußen zu gehen. Ich brauche jetzt einfach etwas Bewegung an der frischen Luft.
Als ich am Schwesternzimmer vorbeikomme, spricht die von vorhin mich an.
"Frau Franken, wo gehen Sie denn hin?"
"Ich wollte nur etwas an die frische Luft", sage ich und hoffe, dass sie sich bei ihrer Antwort kurz fasst.
"Oh frische Luft. Ja, das ist gut. Aber bitte machen Sie langsam und bleiben auf dem Grundstück..."
Bevor sie weiterreden kann, nicke ich und verlasse meine Station.
Draußen scheint die Sonne recht warm auf meine Haut. Gut, dass ich keine Jacke mitgenommen habe.
Ich setze mich auf eine Bank und sehe einer Entenfamilie auf dem Teich zu, der die Mitte des Krankenhausparks bildet. Eine Familie. Sofort muss ich wieder an Nike denken und daran, wie schön es bestimmt wäre, mit ihm ein Kind großzuziehen. Aber ohne ihn möchte ich kein Kind, daran wird sich auch nichts ändern. Während ich eine Hand auf meinen Bauch lege, rollt mir eine einzelne Träne die Wange herunter.
Ich bleibe noch draußen, bis die Sonne langsam hinter dem Krankenhaus verschwindet und es leicht kalt wird. Ein Blick auf meine Uhr verrät mir, dass es Zeit für das Abendbrot ist.
Die frische Luft ist auch nicht sehr hilfreich gewesen, denn jetzt habe ich nur noch mehr Zweifel an der Entscheidung, das Kind abzutreiben. Oh Mann, was ist nur das Richtige?
Hallöchen,
Nach diesem ziemlich negativen Kapitel kommen bald Positivere.
Und es gibt noch eine gute Nachricht: Ab heute startet ein neues Buch auf unserem Profil!
Es heisst Dear Little Diary
Darum geht es: Olivia Wellstone bekommt jedes Jahr zum Jahreswechsel ein Tagebuch, so auch dieses Jahr. Dort kann sie alles reinschreiben, ihre Ängste, Freuden und Erlebnisse.
Ein besonders Erlebnis wird das kleine Geschöpf, das in ihrem Bauch wachsen wird.
Was wird das mit ihrem wunderschön normalen Leben anstellen?
Schaut doch gerne mal rein, es würde mich freuen.☺
Liebe Grüße
LeSkAlOvEbOoKs
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