Ganz unverhofft sehe ich dich. Abrupt komme ich zum Stehen, stolpere fast über meine eigenen Füße. Aber da bist ... du. Und ich kann nicht anders. Ich muss dir einfach nah sein. Es geht nicht anders.

Meine Nase berührt das kalte Glas um Haaresbreite, so weit lehne ich mich nach vorn.

Ein sengender Schauer durchfährt mich, hinterlässt ein wohliges Prickeln in meinen Gliedern und meine Mundwinkel zucken nach oben.

Sogleich beschlägt die Scheibe, dämpft deinen Anblick, taucht dich in einen geheimnisvollen Schleier.

So lange habe ich nach dir gesucht. So lange sehne ich mich schon nach dir.

Ich hatte es schon aufgeben wollen, dich aufgeben wollen. Doch nun treffen wir endlich aufeinander. Alles fügt sich. Es muss einfach Schicksal sein!

Ich möchte es in die Welt hinausschreien, dass ich dich nach all der Zeit gefunden habe. Ich möchte einen Freudentanz aufführen, gleich hier auf der Straße, wo ein nicht enden wollender Strom an Menschen an mir vorbeihuscht – die Köpfe mürrisch gegen den Frost eingezogen, der jedes noch so kleine Schlupfloch überwindet und bis in ihre Knochen dringt.

Doch meine Wangen glühen. In meiner Brust brennt ein Feuer, dessen heiße Flammen lodern in meinen Adern.

Jetzt habe ich von etwas ganz anderem eine Gänsehaut.

Ich kann dich hören, wie du meinen Namen raunst. Dein Atem streicht über meine Kehle und die feinen Härchen strecken sich dir entgegen, laden dich ein, mir noch mehr ins Ohr zu flüstern. Mir noch mehr Verheißungen zuzusprechen.

Ich will dich berühren, deine markanten Konturen unter meinen Fingerspitzen spüren. Ich will, dass du dich für mich öffnest. Ich will, dass du mir jedes deiner Geheimnisse anvertraust, und ich will dich mit Haut und Haaren verschlingen.

Ohne mein Zutun legen sich meine Handflächen gegen das Schaufenster. Die beißende Kälte lindert das Verlangen kaum, das bis in meine Fingerkuppen pocht.

Komm zu mir ... Ich warte schon auf dich ... Weißt du denn nicht, dass ich für dich brenne?, rufst du mir verzweifelt zu. Deine Stimme ist rauchig und bringt mein Innerstes zum Singen.

Oh, doch! Das weiß ich! Weil ich das Gleiche für dich empfinde!, möchte ich dir entgegenrufen.

Es kribbelt in meinen Beinen, in meinem Bauch, in meiner Brust. Bebend ringe ich mit mir.

Ich möchte dir wirklich antworten, da packt mich jemand an der Schulter und ich fahre zusammen. Muss mich von dir abwenden. Bittere Tränen schießen mir in die Augen.

»Der Laden ist geöffnet, wenn Sie sich für eines der Ausstellungsstücke interessieren, können Sie auch gerne reinkommen. So hinterlassen Sie nur Fingerabdrücke an meiner Fensterscheibe.«

Ich blinzele den Mann vor mir an.

Er lächelt trotz seines reservierten Tonfalls. »Wie ich sehe, hat es Ihnen ein Stück besonders angetan. Ich nehme es für Sie aus dem Schaufenster heraus«, er räuspert sich und deutet mit dem Kinn in deine Richtung, »wenn Sie das möchten.«

Mir bleibt die Spucke weg. Nichts würde ich mehr wollen. »Das würden Sie für mich tun?«, hauche ich atemlos.

Er nickt. »Aber sicher. Ich erkenne einen wahren Bücherliebhaber, wenn er vor mir steht.«