Kapitel 53
Sicht Niklas
„Julia!" Ein erster Ruf soll sie zum Stehen bringen, doch meine Frau schüttelt nur mit dem Kopf, während sie weiter auf das Klinikum zuläuft aus dem ich erst Minuten zuvor gekommen bin. Nachdem sie meine Worte anfangs noch relativ entspannt aufgenommen hat, meine Erzählungen über die Reaktion ihres Vaters relativ schnell akzeptiert hat, ist sie jetzt, etwas später doch wütend geworden. Sie hatte nichts gesagt, keine Äußerungen in diese Richtung gemacht, doch von jetzt auf gleich hat sie Thea einen Kuss auf den Kopf gedrückt und mir dann ein: „Ich klär' das gleich!" entgegen gemurmelt - Das zischende Funkeln in ihren Augen war dabei nicht zu übersehen und damit ihr Vorhaben schnell bekannt. Es wäre mehr, als nur hingehen und „klären".
Kopfschüttelnd mache ich ein paar schnelle Schritte auf die Mutter unseres Kindes zu, die nach wie vor fest entschlossen scheint, ihrem Vater zu sagen, was sie von der ganzen Sache hält und greife nach ihrer freien Hand. „Julia-" Ich seufze und schüttele mit dem Kopf. „Das hat jetzt keinen Sinn!"Ich blicke ihr in die Augen und sehe wie sie zögert; schließlich unter meinem Blick nachgibt. Sie nickt, doch bin ich mir sicher, dass sie sich damit nicht zufrieden gibt. „Das ist unfair! Was er tut ist unfair, Niklas!" Erneut wandert ein Seufzen aus meinen Lippen während ich nicke.
Unfair ist in erster Linie, dass Julia unter der ganzen Sachen leiden muss; dass sie sich für ihren Standpunkt rechtfertigen muss.
„Er lässt seinen Beschützer mir Gegenüber, an Dingen in deinem Leben aus, von denen er keine Ahnung hat! Das ist nicht fair! Dazu hat er kein Recht!" Mit jedem Wort fällt es Julia sichtlich schwerer ihre Stimme ruhig zu halten, was ihr wohl vor allem Dank unserer Tochter, die sich inzwischen wieder beruhigt hatte, überhaupt noch gelingt. Sie hat einen Unterton angenommen, der mich nur ahnen lässt, wie sehr es in ihr tobt und nach wie vor ein wütendes Funkeln in den sonst so treuherzigen, lieben braunen Augen. „Und zu denken, dass du über meinen Kopf hinweg Entscheidungen treffen würdest, die Thea betreffen, das ist so -!" sie schüttelt auf der Suche nach einem Wort, das der Situation gerecht wird, mit dem Kopf, doch findet wohl kein besseres, als ihr bereits genanntes. „Unfair!"
„Jule, wenn du jetzt zu ihm gehst - Glaubst du das ändert irgendetwas?" Ich probiere die Situation zu entschärfen und sie wirft mir einen genervten Blick zu. Wenn Julia jetzt zu Wolfgang geht, würde das noch nur für ihn unschön enden und auf einen Streit im Hause Berger, wegen eine Angelegenheit, die eigentlich nur die Arbeit betrifft, können alle gut verzichten. Nach erstem innerlichen Hadern gibt sie sich also auch geschlagen. Ein wenig kleinlaut, kriege ich ein „Nein..." zurück und ich streiche ihr erleichtert lächelnd über den Arm. „Na komm Zoe wartet!" Ich nicke in Richtung des Tisches an dem Theas Kinderwagen noch immer steht und sehe sie auffordernd an. Auch wenn sie nach wie vor nicht Einverstanden mit den Worten ihres Vaters ist, so scheint sie für den Moment davon abgehalten zu sein, ihm genau das jetzt zu sagen. Sie scheint verstanden zu haben, was das Problem daran ist. Für alles weitere wird sie Morgen noch genug Zeit haben.
„Du solltest mich besser kennen, Wolfgang!" Der Satz mit dem ich ihn vorher endgültig alleine gelassen hatte, taucht mit einem Mal in der Masse an Gedanken in meinem Kopf auf und macht mir einmal mehr bewusst, dass es gut ist, dass Julia sich heute nicht auch mit ihm herumschlagen, ihm Erklären muss, warum wir uns die Zeit mir Thea so überlegt haben, wie wir es haben. Nachdem wir über eine Stunde davor angefangen hatten uns zu unterhalten - Am Anfang noch über Thea und erst später über den ausgearbeiteten Elternzeitplan, hatte ich einfach keine Lust mehr gehabt, als er angefangen hatte über Max zu sprechen. Mit der Aussage über die wenige Zeit, die ich mit meinem Sohn verbringen kann - Ich schüttele innerlich mindestens genauso aufgebracht, wie meine Frau den Kopf; das Problem ist ja nicht, dass ich nur diese begrenzte Zeit mit ihm verbringen möchte sondern, dass mehr nur schwierig möglich ist - ist mein Geduldsfaden endgültig gerissen. Ich hatte mich nicht mit all seinen Fragen, mit seiner Skepsis und Vorsicht, auseinandergesetzt; probiert ihm alles in Ruhe zu erklären, um mir dann Vorwürfe über ein Thema anzuhören, von dem ich selber weiß, dass es sich ändern sollte, aber eine solche Änderung momentan einfach nicht möglich ist. Weder von Arzus noch von meiner Seite.
Wir beide sind immer auf der Suche nach Tagen, die ich mit Max und die Max mit mir (und Julia) verbringen kann, aber was nicht geht, geht nicht. Kaufmännischer Direktor eines Klinikums ist nun Mal nicht mit Arzt bzw. leitende Krankenschwester und Hebamme in einem Klinikum zu vergleichen. Er konnte sich so gut wie immer die Zeit für seine Tochter nehmen, wenn man seinen und Julias Erzählungen glauben schenkt; wenn er nach Hause gekommen ist, war sie auch da. Er muss nicht verstehen, warum es mit Max so gekommen ist, wie es ist, fällt es mir selbst oft schwer zu begreifen, aber wäre es besser, wenn er in diesem Fall einfach still bleibt, anstatt mit dem Kopf voran in Fettnäpfchen zu springen, von denen er nichts weiß. Und Fettnäpfchen von denen er erstreckt nicht weiß, wie weitreichend sie sind, was sie auslösen.
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„Niklas, hat Ben dir auch von der Idee mit dem Abendessen erzählt?" Ein wenig verwirrt, blicke ich auf. Die letzten Minuten hatte ich ohne groß darüber nachzudenken Thea wieder in den Kinderwagen gesetzt und dann gewartet, bis Julia wieder alles in ihre Tasche gepackt hat und Zoe von ihrem Gespräch mit Leyla zurück gekommen ist. Dabei unentwegt an meinen kleinen Mann gedacht. Die Tochter meiner besten Freundin sieht mich jetzt fragend an, doch durch das unerwartete Hohlen aus meinen Gedanken, brauche ich ein paar Sekunden, um zu verstehen was sie meint. „Du hast doch gesagt, dass du ihn vorher getroffen hast." erklärt sie skeptisch grinsend weiter, da ihr das Ganze wohl zu lange braucht und ich nicke. Ben. „Ja, hat er. Von mir aus können wir das machen!"
Ich sehe Freigang einmal zu Julia, die dafür, dass sie Gestern ein Kind geboren hat relativ fit aussieht und jetzt lächelnd nickt. „Wenig Schlaf zu haben kennen wir ja!" Lachend nimmt sie ihre Tasche und auch ich muss lachen, während ich anfange zu nicken. „Das tun wir. Und mit der Maus wird es wahrscheinlich nicht besser werden." Ich nicke zu Unterstreichung dessen, was die beiden Frauen um mich herum schon längst verstanden haben, zu Thea, bevor wir dann beschließen los zu gehen. Los in einen Abend bei Ben und Leyla, den wir uns nicht von Julias Vater und seinen unüberlegten Kommentaren kaputt machen lassen werden. Diesen Abend zählen nur die beiden, wir und unsere Kinder! Eine große Familie, aus Freundschaften, Beziehungen und tollen Menschen.
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