Kapitel 42
Sicht Julia
Erschöpft lasse ich meinen, mir von den langen letzten Stunden so schwer erscheinenden Kopf, auf Niklas Schulter fallen, um mich schon im nächsten Moment vorsichtig näher an ihn heran zu kuscheln. Unsere kleine Tochter liegt wahrscheinlich friedlich schlummernd auf meinem Arm, während das Nuckeln an meiner Brust langsam weniger wird, bis sie ihren Kopf schließlich weg dreht. Als mein Mann das bemerkt greift er, wie ich mit einem breiten Lächeln im Gesicht über mich herüber. Er lässt seine warme Hand langsam meinen rechten Arm hinunter streichen, bis seine Finger an meinem BH-Träger zum stoppen kommen und er ihn schließlich zurück auf meine Schulter wandern lässt. Ich lächele matt und flüstere dem Menschen, der heute Vater meines Kindes geworden ist ein leises: „Danke!" entgegen, bevor meine Lippen für ein paar Sekunden einen Platz auf seinen finden.
Als er sich keine halbe Minute später wieder hingelegt hat, kommt mein Kopf wie von alleine erneut auf seiner Schulter zum stillstand. Nachdem mein Vater, Leyla und Ben endlich also die Nachricht erreicht hat, dass unsere Tochter das Licht der Welt erblickt hat, sind die Gerüchte auf dem Flurfunk mit einem Mal zum stillstand gekommen. Sie waren ab diesem Moment keine Gerüchte mehr - „Die Tochter des Chefs ist gerade in die NA gebracht worden. Sie gebärt das Kind von Dr. Ahrend." - Mit einem Mal ist all dies Wahrheit geworden und wir haben uns von mehr Unbekannten, als Bekannten aus diesem Krankhaus ihre Glückwünsche anhören dürfen. Wenigstens sind die meisten schnell wieder verschwunden, nachdem sie einen "unauffälligen" Blick auf unsere Tochter haben werfen können. Der Rest wurde meist von nachrückenden FreundInnen verscheucht, doch von den ganzen neugierigen Nasen endgültig gerettet hatte uns Dr. Moreau...
Erneut breitet sich ein Lächeln, auf meinem eben so ernst geworden Gesicht aus, als ich daran denken muss, wie er vorher an all den anderen vorbei hier herein spaziert ist. „Ich denke, Sie haben alle besseres zu tun, als ihre Kollegen mit ihrer Anwesenheit zu nerven! Wenn nicht, können Sie vor der Türe auf mich warten, dann werden Sie etwas zu tun haben." Seine Ansage muss sich innerhalb von Minuten im ganzen Krankenhaus verbreitet haben... Seither waren nur noch Freunde, Familie und Verwandte da.
Die Gedanken an die doch etwas bizarre Situation von vorher, lässt das Lächeln auf meinem Gesicht fast genauso schnell verschwinden, wie es gekommen ist. Dr. Moreau war vorher Moreau gewesen. Anstatt uns einfach zu gratulieren, hatte er einen Spruch darüber drücken müssen, dass die Nächte in Zukunft anstrengender werden würden, als eine Woche Bereitschaftsdienst oder Nachtschicht - Mag sein, dass er Recht hat, aber das gehört wohl dazu... Es ist seine Art "Herzlichen Glückwunsch!" zu sagen. Seine Art uns zu gratulieren. Sogar gelächelt hatte er kurz und nach dem Namen der kleinen gefragt. Doch da war dieser Blick gewesen... Dieser traurige, fast schon sehnsüchtige Blick auf unsere Tochter, kurz bevor er gegangen war.
„Dein Vater hatte es vorher ja ganz schön eilig seine Enkelin zu sehen...!" Die wunderschhöne Stimme, des Mannes der mich immer wieder verzaubert, holt mich leise zurück in die Realität. Noch bevor ich richtig realisieren kann, was er gesagt hat formt sich ein neues Bild in meinen Gedanken, dass meine Mundwinkel zurück nach oben hüpfen und meinen Kopf zustimmend nicken lässt.
Kaum hatte die Schwester unser Zimmer verlassen, ist die Tür erneut geöffnet worden und mein Vater hatte breit strahlend und mit weit geöffneten Armen, als wollte er signalisieren, dass das neue Mitglied der Familie mehr, als Willkommen war, den Raum betreten. Fast 30min mussten wir uns sein Gerede über Thea, seine Ratschläge und seine unbändige Freude über seine Enkeltochter anhören. Niklas hatte ihn irgendwann mit der vorsichtigen Frage, ob meine Mutter schon Bescheid wisse, eine neue Aufgabe gegeben. Zwar würde er nachher mit ihr wieder kommen, aber so ist er jetzt, wo alle anderen gerade auch wieder anderen Tätigkeiten nachgehen, selbst auch mit der Arbeit beschäftigt und Niklas, Thea und ich haben die ersten wirklich ruhigen Momente zusammen, als Familie.
So richtig zu glauben, was vor mittlerweile etwa 3h passiert ist, fällt mir noch immer schwer. Ich bin Mutter... Niklas ist Vater... Wir haben eine Tochter! Der Blick in die immer noch ruhig auf meinem Arm liegende Tochter versichert mir das einmal mehr und doch muss ich meine eigentlich so eindeutigen Gedanken mit dem Vater unserer Tochter teilen: „Wir sind Eltern, Niklas... Du ist Vater-Ich bin Mutter. Wir sind jetzt also wirklich Eltern..." Langsam rappele ich mich ein wenig hoch und sehe in sein lächelndes Gesicht. Obwohl er fast genauso fertig aussieht, wie ich aussehen muss, strahlt er eine Entspanntheit aus, die ich lange nicht mehr von ihm gesehen habe. Er hat seine Familie, um sich herum - Er muss sich nicht andauernd mehr Sorgen um seine Ungeborene und deren Mutter machen.
Ein glücklicher Seufzer verlässt meine Lippen, während ich aus Niklas leuchtenden Augen zurück auf meine Tochter sehe. Mein Mann drückt mir gleich darauf einen Kuss, geschmückt mit einem glücklichen „Ja!" auf die blonden, wahrscheinlich ziemlich zerzausten Haare, bevor seine Hand vorsichtig auf dem kleinen Bäuchlein Thea's landet, die sofort mit der Hand, die sich nicht um meinen rechten Zeigefinger geschlossen hat, nach seiner sucht.
„Du Niklas..." Wie aus dem nichts taucht eine Frage in meinem Kopf aus, die es eigentlich nicht mehr zulässt, dass meine Gedanken sich um etwas anderes bewegen. Meine Augen suchen, die Niklas und bleiben an ihnen hängen, während ich leise murmele was mir gerade durch den Kopf geht: „Wir haben das mit der Elternzeit noch gar nicht besprochen... Nicht so richtig..." Dunkel erinnere ich mich, an einen Abend vor ein paar Tagen - Niklas und ich lagen schon im Bett, als wir wie aus dem schwarzen heraus, auf das Thema gekommen sind, doch das einzige was an diesem Abend herausgekommen ist, ist dass wir beide zumindest den ersten Monat Zuhause bleiben wollen. Das ist ein Anfang, aber ein Monat deckt nicht allen Bedarf.
Mein Mann scheint diese Frage unerwartet zu erreichen, doch trotzdem nickt er langsam. Während er seinen Blick von mir ab, unserer Tochter zuwendet verlässt ein leiser Seufzer seine Lippen. „Ja... Du hast Recht. Sollten wir noch tun." Grinsend sieht er zurück zu mir, was auch meine Lippen zurück in ihrem momentanen Dauerzustand versetzt. „Ja das sollten wir...!"
Die nächsten Minuten vergehen und werden von immer neuem, um Thea nicht zu wecken leisen Lachen verdrängt. Sich so kurz nach einer Geburt richtig Ernst zu unterhalten, scheint uns beiden momenten sehr unwahrscheinlich und trotzdem kommen wir irgendwann zu einem Ergebnis mit dem wir beide glücklich sind. „Okay, den ersten Monat muss die Kleine mit uns beiden überstehen-" Mein Mann spricht weiter, doch schon seine Wortwahl entlockt mir erneut ein helles Lachen. „Überstehen - Weil wir ja so schlimm sind!" Auch Niklas muss Grinsen. „Wäre es möglich, Dr. Berger, dass sie mich ausreden lassen?" Damit beschäftigt, nicht erneut zu lachen, beiße ich mir unschuldig lächelnd auf die Unterlippe, blicke ihm wie ein treues Lamm in die Augen und nicke schließlich langsam. „Also-" fängt er erneut an, doch ich unterbreche Niklas stürmisch. „Ein Sach, wenn du willst, dass ich nicht lach', dann sag' nicht wieder überstehen! Das klingt, als würden 2 Schwerverbrecher die eigene Tochter entführen und auf Diät setzen!" Meine wirren Erklärungen sorgen dafür, dass nun auch Niklas anfängt zu lachen.
Es vergehen ein paar Sekunden bis wir beide uns wieder beruhigt haben und erneut zu dem Versuch ansetzt, zusammen zu fassen, was wir besprochen haben: „Okay nochmal - Den ersten Monat bleiben wir beide Zuhause-" Er wirft mir einen vielsagenden Blick zu und ob es an den Hormonen liegt oder nicht, ich muss mir erneut auf die Lippe beißen, um nicht zu lachen. „Dann muss die Klinik die Zeit halt ohne uns überstehen." Der Druck auf meine Lippen wird noch ein wenig stärker, während ich probiere dem Vater meines Kindes mit einem Kopfschütteln zu signalisieren, dass er aufhören soll. Doch mehr, als ein freches Grinsen von ihm und ein wohl lieb gemeinten Kuss auf meine Stirn springt dabei nicht heraus. „Die darauffolgenden 5 oder 6 Monate bleibst du noch Zuhause und fängst danach zumindest teilzeit wieder an zu arbeiten und ich bleibe die letzten 5 bis 6, je nachdem, bis zu Theas Geburtstag Zuhause, ja? Bis dahin erstmal!" Eifrig fange ich an zu nicken. „So hat sie von uns beiden was!" Niklas nickt und wiederholt meine Worte leise, bevor er mich anfängt liebevoll zu küssen. „Ich liebe dich!"
Die alberne Stimmung, die noch vor einer Minute den Raum gefüllt hat, verschwindet so schnell wie sie gekommen ist, stattdessen macht sich jetzt das wohlige Gefühl nach Familie in ihm breit. Wir sind jetzt eine richtige kleine Familie mit einer Tochter... „Ich liebe dich auch, mein Schatz! Und dich auch meine Kleine!" Und wie ich sie beide liebe...
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