Kapitel 38
Sicht Leyla
„Essen ist fertig!" Noch whärend ich rede, wird mir bewusst, dass dieser "Ruf" mehr, als unnötig ist. Der Geruch nach dem gebratenen Gemüse und dem Reis welcher sich von der Pfanne auf dem Herd vor mir, in der ganzen Wohnung ausgebreitet hatte, hat sowohl Ben als auch Zoe schon vor Minuten in das anliegende Wohnzimmer gelockt. Die beiden sind seither nur dabei sich lachend darüber zu beschweren, dass ich so lange brauche, dass sie hunger haben und etwas zu Essen wolleb, aber mit den Gedanken bin ich heute wohl einfach zu weit weg, als dass ich in diesem Moment wirklich daran denke.
Was Ben mir Gestern erzählt hat, will einfach nicht mehr aus meinem Kopf verschwinden. Seine Eltern... Eltern- So kann man doch nicht sein, wenn man ein Kind hat. Immer(!), egal wo und egal wie, war ich der festen Überzeugung, dass Eltern ihre Kinder lieben, alles für sie tun würden und das die Eltern meines Freundes ihn nicht lieben, kann ich mir eigentlich auch wirklich nicht vorstellen. Zum einen ist es B-E-N und zum anderen sind es seine Eltern! Doch die Tatsache, dass sie scheinbar eben nicht alles für ihn getan haben, was irgendwie möglich war, lässt das an was ich für Ben unbedingt glauben möchte, kräftig rütteln. Es ist wie ein Schiff, aus dieser Überzeugung, doch die äußeren Umstände, die hohen Wellen, der Wind und der Regen darum herum machen mir es schwer, es nicht untergehen zu lassen. Aber untergehen? Untergehen, darf es unter keinen Umständen. Für meinen Freund nicht... Wenn er nicht daran glaubt, dann muss ich es tun. Ich weiß nicht warum ich mir damit so sicher bin, aber ich bin es. Irgendwer muss an seine Eltern glauben und das er es nicht mehr kann, das kann ich verstehen. Um etwas sagen zu können, was auch nur annähernd dem entspricht was er mir Gestern gesagt hat, muss man Situationen beobachten und reflektieren, Dinge verstehen und hinterfragen und bemerken, wenn es nicht mehr geht, wenn man verletzt und enttäuscht ist... An seiner Stelle würde ich es auch nicht mehr, aber falls irgendwann die Situation kommen sollte, dass er sie braucht, wirklich braucht, dann muss da jemand sein, der an sie glaubt...
Eine Hand und ein Arm, Bens Hand und Bens Arm, greift an mir vorbei und hebt die Pfanne mit dem immer noch duftenden und dampfendem Essen vom Herd und stellt sie hinter uns auf den Esstisch, auf dem schon eine Unterlage dafür liegt, ab wenn ich das auch nur sehr mäßig mitbekomme. Meine Augen sind nach draußen gerichtet und saugen den Regen dort förmlich auf, von dem schönen Wetter das Niklas und Julia Gestern noch hatten ist nichts mehr zu sehen, stattdessen prasseln die einzelnen Tropfen des Regens nur so auf den Asphalt außerhalb des schützenden Dachs über uns. Das Gefühl das, das Wetter in mir auslöst, erinnert mich an das was ich auch vorhin noch bei Ben, im Bett gefühlt hatte. Ben hat sich lange hin und her gewälzt, einfach keine Ruhe gefunden und ist auch wenn er dann geschlafen hat, ist er immer wieder aufgewacht...Die Nacht war einfach nicht schön und dadurch umso kürzer. Meine Sorgen am Morgen hingegen hatten eine nicht zu beschreibende Größe... Als der Wecker meines Freundes uns heute Morgen geweckt hat, hätten wir ihn beide am Liebsten in die nächste Ecke gedonnert in der Hoffnung dadurch bleibt er still... Wie auf Kommando blitzt das Bild von dem, seinen Kopf in sein Kissen drückender und genervt stöhnenden, Ben auf. Es hatte lange gedauert bis er sich selbst dazu überredet hatte können, das warme und kuschelige Bett zu verlassen und sich mit einer Dusche etwas aufzuwecken.
„Schöne Frau...? Willst du uns vielleicht auch mit deiner Anwesenheit beglücken?" Bens Worte rauschen an mir vorbei, wie eine Bahn, die an dem Bahnhof an dem man steht nicht hält und gehen schließlich noch bevor ich die Chamce habe, den Mund aufzumachen, in dem nächsten Gedankenzug unter. Ob es richtig war ihn Gestern noch etwas zu fragen? Ob ich ihm noch irgendwie hätte helfen, ihn aufmuntern können? Ich weiß es einfach nicht und alleine das sorgt im Moment dafür, dass ich wahnsinnig werden könnte. Unwissenheit... Niklas, Ben, Julia und all die anderen haben schon recht, wenn sie mir immer und immer wieder sagen, dass ich unfassbar ungeduldig und neugierig bin. Nicht zu wissen, was los ist, ewiges rumgedruckse und das Verleugnen von Dingen, die offensichtlich sind, es lässt mich nicht selten verückt aussehen...
„Mama, wir haben Hunger!" Erst das Lachen meiner Tochter und ihre Hände, die vor meinem Gesicht zusammenprallen und einen klatschenden Laut hinterlassen, bringen mich endlich zurück in die Realität. In eine Realität in der es Mittagessen gibt, in der Ben und ich, Zoe noch etwas fragen müssen und in eine Realität in der ich dafür gedanklich hier sein sollte.
Schon in der nächsten Sekunde fängt auch mein Freund wieder an, wenn auch leiser und deutlich sanfter, als Zoe auf mich einzureden. „Alles okay bei dir?" Bens, mir über den Arm streichende Hand, hinterlässt eine leichte Gänsehaut auf eben diesem und bringt mich dazu mit einem Lächeln im Gesicht zu nicken. Jetzt geht es nur um Zoe, Ben, mich und ob zweiterer in Zukunft diese Wohnung auch sein Zuhause nennen kann. Alles andere kann ich wann anders wieder aus dem Riesenrad meiner Gedanken nehmen. Für jetzt müssen sie einfach in eines der umherkreisenden Gondeln geschoben und nach ganz oben geschickt werden, damit ich ihre "Worte" nicht mehr hören muss und mich auf das wesentliche konzentrieren kann.
„Ja lasst uns Essen." Ohne noch weitere Momente damit zu verbringen wieder in die Gefahr komen zu können, abzuschweifen, nehme ich sowohl Ben, als auch Zoes Hand in meine und schiebe diese schwungvoll Richtung Esstisch. Sowohl erster, als auch zweite schauen scheinbar aufgrund dieser plötzliche, 180° Wendung meiner Stimmung, so verwirrt, dass ich mir ein Lachen nicht verkneifen kann, während ich den ersten Teller mit Essen belade und vor der immer noch verwirrten Zoe abstelle. Diese beiden Menschen sind einfach wundervoll!
„Zoe, deine Mama und ich, müssen noch was mit dir besprechen..." Die eben eingekehrte Ruhe verpufft, wie das Geräusch einer Sprudelflasche, die gerade geöffnet wird, als meine pupertierende Tochter, die Worte meines Freundes vernimmt. „Habt ihr euch verlobt? Bist du schwanger, Mama? Wollt ihr zusammen ziehen? Umziehen? Geht irgendwer von euch beruflich weg?" Zoe löchert uns nur so mit weiteren Fragen, was Ben und mich erneut zum Lachen bringt. „Nein und doch..." Noch ein letzter Lacher muss meine Kehle verlassen, bevor ich ihre Fragen beruhigt beantworten kann. Die Stunde der Wahrheit. Unter dem Tisch greift Ben nach meiner Hand, sowohl ich, als auch er haben aufgehört zu essen und je eine Hand ist wie von alleine unter den Tisch gewandert und sucht jetzt nach der, des anderen. Mein Freund beruhigt dieses jetzt nur. „Wir heiraten nicht und auch sonst - Es ist nichts passiert!" Wir auf einen Schlag wirkt Zoe etwas beruhigter, wenn auch immer noch neugierig. "Das hat sie von dir, meine schöne." wie Ben jetzt gesagt hätte, wenn er meine Gedanken hören könnte. Ein Grinsen fängt an, um meine Lippen zu tanzen - Das wäre nicht immer ganz gut. Nein, wirklich nicht.
„Zoe, Ben und ich haben festgestellt, wie du auch, dass wir uns momentan nur noch selten sehen. Durch die Arbeit, durch all das hin und her. Deswegen wollten wir dich fragen, ob es okay ist, wenn Ben hier einziehen würde? Es muss ja auch nicht gleich für immer sein. Wir probieren aus, wie das alles funktioniert, aber wir wollten das nicht über deinen Kopf hinweg entscheiden. Also - Was denkst du? Ist das okay für dich?"
Mein Blick läuft nun doch etwas unsicher zu dem Mann, der hoffentlich bald das hier "sein Zuhause" nennen kann herüber und bleibt an seinem ebenfalls etwas nervösen, mir entgegen blickenden, ozean blauen Augen hängen. Nach wie vor bin ich mir mehr oder weniger zu 100% sicher, dass Zoe kein Problem damit hat, doch was wenn sie jetzt "nein" sagt? Wenn sie sagt, dass sie Ben hier nicht möchte? Wenn sie ausgerechnet heute einen schlechten Tag und einer ihrer "Phasen" hat?
„Na klar!" Zoe springt lachend auf, was auch Ben und mich indirekt dazu auffordert das Selbe zu tun. „Mama, was hast du denn gedacht? Ben ist toll! Ich hab' schon gedacht ich muss euch 2 Schnecken, dazu bringen auf diese Idee zu kommen!" Fast gleichzeitig drücken meine Tochter und ich, uns aneinander. Das sie sich so darüber freut, dass sie immer noch lachend einen Arm ausstreckt und Ben mit einem „Du auch. Du gehörst auch zur Familie!" dazu auffordert zu uns zu kommen, lässt auch mich erneut in helles Gelächter ausbrechen, ein erleichtertes. Auch einer meiner Arme wandert Ben entgegen, wohl wissend, was das was gerade aus dem Mund meiner Tochter herumgeschlichen ist mehr für ihn bedeutet, als er wahrscheinlich selber benennen kann. Als mein Freund kaum 3 Sekunden später auch in unsere Familienkuschlerei eingebunden ist, flüstere ich ihm leise ein „Zoe hat Recht. Du gehörst auch zu Familie. Du hast Familie, du hast uns Ben!" entgegen. Vielleicht ist genau das etwas, was ihm hilft. Zu wissen, dass er sehr wohl eine Familie hat, die ihn liebt, die da ist, wenn er sie braucht, und die immer ihn wählen würde, wenn auf der anderen Seite Dinge wie Geld oder Arbeit stehen würde. Vielleicht ist genau das die Art wie ich, wie wir ihm helfen können, das alles etwas besser zu verarbeiten.
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Tut mir leid, wenn ich die Nerve, die es automatisch machen, aber mir wurde jetzt schon öfters rückgemeldet, dass es hilft. Alsooo I'll keep going!
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