
Kapitel 1 ~ Partytime #4
Nach und nach hatte sich der saalartige Raum gefüllt. Ich hatte Dessy zwar längst in der Menge entdeckt, aber bisher hatte ich mich nicht dazu durchringen können, mit ihr zu sprechen.
Jason hatte ich bislang nicht gesehen, aber vielleicht behielt ich auch einfach nur Recht und er vermied meine Gesellschaft. Mich würde es jedenfalls nicht wundern, wenn er sich einfach von mir fernhalten würde.
Ich hatte mich mit Cale zusammen in eine Ecke zurückgezogen und plauderte mit ihm. Gelegentlich brachte er mich mit einem witzigen Spruch zum Lächeln, aber die meiste Zeit starrte ich angespannt in Richtung Tür.
Man konnte ja nie wissen, ob Jason vielleicht nicht doch noch durch sie hindurchtreten würde und dann wüsste ich immerhin, dass er tatsächlich hier war. „Cora!“, ermahnte mich Cale, als mein Blick schon wieder über die Jugendlichen und jungen Erwachsenen glitt, auf der Suche nach einer bestimmten Person.
„Bevor du jetzt noch eine Weile drauf wartest, dass etwas passiert, tanzt du gefälligst mit mir!“ Erschrocken blickte ich ihn an: „Ich kann aber nicht tanzen!“
Unbeeindruckt nahm er mir mein Glas aus der Hand und stellte es auf einem der Tische ab. „Glaubst du etwa, ich könnte tanzen? Aber es macht trotzdem Spaß und den solltest du haben, bevor er hier auftaucht.“
Natürlich hatte er recht. Das hatte er bisher fast immer gehabt. Aber das hieß nicht, dass ich mit ihm tanzen würde. Niemand, wirklich niemand sollte je mitansehen müssen, wie grauenerfüllend ich tanzte.
„Ich werde nicht tanzen, Cale, ich kann das nicht!“ Kopfschüttelnd verschränkte ich die Arme vor der Brust und schaute ihn trotzig an. Aber er wäre nicht Cale, wenn er sich von meiner ablehnenden Haltung abschrecken lassen würde.
Er entknotete meine Arme und legte mir eine Hand auf die Hüfte. „Wenigstens ein Tanz“, hauchte er und erinnerte mich dabei total an Jason. Mir entwich ein gequältes Keuchen und ich wich zurück; er durfte mich nicht an Jason erinnern!
Ich mochte Cale und selbst wenn er nicht da war, konnte Jason noch alles kaputt machen. Bevor ich mich umdrehte und davonlief, murmelte ich ein: „Tut mir leid.“ Ich hasste mich selbst dafür, aber ich konnte ihn nicht richtig ansehen, als ich über meine Schulter zurückblickte.
Ich war so dumm! Er behandelte mich so gut, so liebevoll und freundlich und mir fiel nichts Besseres ein, als ihn stehen zu lassen. Zähneknirschend verfluchte ich mich selbst und drehte mich auf dem Absatz um.
Ich war Cale definitiv eine Erklärung und auch eine Entschuldigung schuldig. Der Bass dröhnte in meine Ohren, bis gerade eben war er mir nicht so laut vorgekommen, doch ohnehin schien alles um mich herum leicht verschwommen und verzerrt.
Ich schüttelte die Benebelung ab und bahnte mir meinen Weg zurück in die Richtung, aus der ich gekommen war. Cale hatte sich keinen Millimeter bewegt. Er stand noch ganz genauso da, wie zu dem Zeitpunkt, an dem ich ihn stehenlassen hatte.
Unsicher ging ich auf ihn zu: „Tut mir leid, das alles macht mir noch mehr zu schaffen, als es sollte.“ Als ich ihn ansprach schien er aus einer Art Starre zu erwachen. Er lächelte betroffen und ich konnte ihm ansehen, dass meine Flucht vor ihm ihn verletzt hatte.
„Keine Sorge, ich kann das verstehen. Wenn du nicht tanzen willst, sollte ich das akzeptieren, das war also meine Schuld.“ Ich strich mir eine Strähne meines langen, dunklen Haares hinter mein linkes Ohr.
Aus großen, entschuldigenden Augen sah ich ihn an. „Nein, das war nicht deine schuld! Es ist nur alles ein bisschen viel für mich. Ich war noch nie verliebt und um ehrlich zu sein hätte ich es mir um einiges schöner vorgestellt. Da ist keine rosa Brille, und da war auch nie eine. Stattdessen reagiere ich ständig überempfindlich auf alles und jetzt hab ich dir auch noch ein schlechtes Gewissen gemacht, obwohl ich diejenige mit den Problemen hier bin.“
Seufzend sah ich auf und sah, dass Cale nicht etwa mich ansah, sondern einen Punkt hinter mir fixiert hatte. „Cale?“ Er nickte, also hatte er wenigstens nicht völlig abgeschaltet. Ich traute mich nicht, mich umzudrehen, sondern sah ihn einfach unverwandt an.
Zum ersten Mal heute, musterte ich ihn richtig, um mich von allem anderen abzulenken. Er hatte hohe Wangenknochen, einen markanten Kiefer und seine grünen Augen zogen buchstäblich alle Blicke auf sich.
Sie leuchteten in diesem speziellen Ton, der mir bisher noch nie untergekommen war. „Lass mich raten: dein Herzensbrecher heißt Jason, richtig?“ Überrascht sah ich ihn an. Zum Glück hatte er mich nicht beim Starren erwischt, aber das war auch nicht viel besser.
Ich nickte und schluckte mühsam. Allein bei der Erwähnung seines Namens bildete sich ein Kloß in meinem Hals. Und Cales Blick reichte, damit mir bewusst wurde, dass er irgendwo hinter mir stehen musste.
Wollte er vielleicht mit mir reden? Ein kurzes hoffnungsvolles Gefühl durchströmte mich, aber ich blendete es sofort aus. Keine Hoffnungen machen, wo es keine zu machen gab, war die Devise.
Endlich schien Cale aus seiner Starre zu erwachen: „Sollen wir ihn immer noch eifersüchtig machen?“ Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe. Hatte ich solche Spielchen wirklich nötig?
Andererseits brauchte mein Ego jetzt genau das; Eifersucht von ihm wäre Balsam für meine Seele. „Ja, aber Cale?“ Er blickte mich aus seinen durchdringenden Augen an und brummte etwas.
„Ich tu das hier nicht nur, weil ich ihm eins auswischen möchte, sondern auch, weil ich dich mag.“ Ein bedauernder Ausdruck huschte über sein Gesicht: „Du kennst mich kaum, allenfalls bin ich dir sympathisch, weil ich dir helfe.“
Ohne auf eine Antwort von mir zu warten, griff er nach einer meiner Hände und legte sich die andere auf die Schulter. Seine eigene platzierte er auf meiner Hüfte und zog mich ein wenig an sich.
Mein Herzschlag beschleunigte sich ein wenig, als die Wärme seiner Hand durch den dünnen Stoff meines Oberteils drang. Die ganze Zeit über musste ich mich konzentrieren, um ihn nicht wieder für Jason zu halten.
Er war nicht Jason und ich wusste es nur zu gut, aber mein Herz schien da wohl kaum einen Unterschied zu machen. Aber bei seinen Berührungen war kein Kribbeln da, keine Schmetterlinge, die in meinem Magen randalierten, nur ein angenehmes Gefühl der Geborgenheit.
Je länger wir uns im Takt der Musik wiegten, desto ruhiger wurde ich und auch mein Herzschlag wurde merklich langsamer. Irgendwann fasste ich genug Mut, um meinen Kopf gegen seine Schulter zu lehnen und er legte auch seine zweite Hand an meine Hüfte, während ich mich einfach von ihm mitziehen ließ.
Wir hatten längst aufgehört, uns der Geschwindigkeit der Musik anzupassen. Stattdessen hatten wir unseren eigenen Rhythmus gefunden und in diesem bewegten wir uns auch.
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