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Gabi war die Freundin, die ich immer haben wollte - und von der ich irgendwie gar nicht glauben konnte, dass sie etwas mit mir zu tun haben wollte. Sie war beliebt, witzig und selbstbewusst. Sie war auf ihre ganz eigene Art schön, hatte auf jeden Fall verlockende weibliche Kurven. Wir waren keine besten Freunde, aber dennoch verstanden wir uns gut und verbrachten viel Zeit miteinander. Eigentlich waren wir aber in so vielen Punkten das genaue Gegenteil voneinander: sie war sportlich - ich eher nicht, sie fand immer irgendein Gesprächsthema - ich war eher die Stille Zuhörerin, sie war der Schwarm vieler jungs - ich konnte froh sein, wenn ich irgendwen abbekam. Doch sie war nicht arrogant - ihre oft so kalte und gemeine Art nach außen hin war nichts als eine Fassade. Tief in ihr drinnen war sie doch auch nur ein Mädchen, das vor ihrer eigenen Vergangenheit davon rannte in der einiges im Argen lag. Innerlich floh sie vor ihrer überforderten Mama, ihrem übergriffigen Bruder und ihrem fanatischen ex-Freund. Doch egal, wohin sie ging die Schatten ihrer Vergangenheit wollten sie nicht los lassen. Nach außen sah man ihr vieles davon nicht an, doch ihr Gesicht zeugte von einem ereignisreichen Leben. Schon jetzt, in ihren jungen Jahren. Sie war eine Naturschönheit - fast nie geschminkt, aber sie hinterließ dennoch Eindruck. Tief in ihrem inneren war sie einer der einfühlsamsten und hilfsbereitesten Menschen, die ich kannte. Eine Seite, die leider nur sehr wenige von ihr zu sehen bekamen. Nach außen hin gab sie die harte Rocker-Braut, wenn sie mal wieder nahe am Tempolimit mit ihrem Motorrad am Stadtrand herum raste. Sie machte sich auch meistens keine großen Gedanken um ihren kleidungsstil, meistens trug sie Jeans, Abendkleider nur zum fortgehen. Die Burschen fuhren dennoch auf sie ab - sie mochten ihre unkomplizierte und wilde Art. Sie lief bei Marathons mit, rennen war ihr großes Hobby. Dabei kannte sie abschalten, all ihre Probleme vergessen, für die paar Stunden zumindest. Sie lebte in einem kleinen Haus in einem vorortebezirk, neu gebaut und schön mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Ich liebte ihren Stil, versuchte immer ihn nachzumachen. Manchmal schien es als wären wir unzertrennlich, doch auch zwischen uns gab es Kluften, die unüberwindbar waren. Ansichten, die wir nicht teilten. Hobbys, die die andere nicht interessierten. Aber auch Missgunst und genervtheit von den Eigenheiten der anderen kamen manchmal vor. Man geht sehr schmissig mit Personen um, die einem selbstverständlich erscheinen. Man schätzt ihren Wert nicht - man wünscht ihnen im geheimen vielleicht sogar böses, wenn sie einem wieder mal das Objekt der Begierde vor der Nase weg geschnappt haben. Man geht immer davon aus, dass es ein Wiedersehen gibt, am nächsten morgen oder in ein paar Wochen. Man denkt gar nicht nach, „was wäre wenn"... man malt sich eine Zukunft aus, macht Pläne, trifft Verabredungen. Man lässt Worte ungesagt, denn man sieht sich ja bald wieder. Man sagt einander nicht dauernd, wie wichtig der andere für einen ist, denn das wäre ja komisch. Man geht auseinander als wäre ein Wiedersehen garantiert - oh, wie naiv man doch ist.
Wer ist euch sympathischer? (Agnes/Gabi)
Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen
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