Minho

Seine Worte ließen mich verletzter zurück, als mir lieb war. War ich ihm wirklich nicht wichtig nach allem worüber wir geredet hatten? War ich der Einzige von uns beiden, der eine Verbindung seit der ersten Begegnung gespürt hatte?

Verdammt, warum tat mein Herz so weh? Es sollte mich nicht so interessieren, aber es zerfetzte mein Herz in kleine Stücke.

Warte mal-

Hatte ich etwa Gefühle für ihn entwickelt? Liebe?

Nein, unmöglich. Ich bin ein Junge und er ist ein Junge. Nie im Leben könnte ich für einen anderen Jungen so empfinden, oder? Ich hatte noch nie für jemanden mehr als Freundschaft empfunden, aber ausgerechnet ein Junge weckt mein Herz aus dem Tiefschlaf auf?

Ich seufzte aus.

Warum weckte ausgerechnet Jisung meine Interesse? Ich fühle mich so verbunden mit ihm, aber wie es aussieht er nicht mit mir. Alleine dass er so hieß, wie mein erster bester Freund. Sie sind sich so ähnlich. Irgendwie wirkte es so, als wäre Jisung wiedergeboren und das Schicksal hat uns wieder zusammen geführt. Seelenverwandte? Geht das überhaupt? Kann ein Toter wiedergeboren werden, damit er seinen Seelenverwandten finden kann? Wenn ja, war der jetzige Jisung wirklich die Wiedergeburt von meinem alten Jisung? War mein damaliger bester Freund auch schon mein Seelenverwandter gewesen?

Vielleicht weiß das Internet ja mehr dazu.

So sehr ich ihm auch hinterherrennen wollte, beließ ich es dabei mich umzudrehen und nach Hause zu gehen. Meine Schicht war für heute vorbei, also musste ich bis morgen nicht mehr darauf achten, wann ich wo erscheinen musste.

So ging ich wieder zurück zum Cafe und schlug von da aus den Weg nach Hause an. Zuhause könnte ich mich entspannen und einfach mal alles arbeitstechnische gehen lassen. Aber im selben Moment würde mein Kopf aber sicher über Jisung nachdenken. Oh man. Seine Worte verließen meine Gedankengänge einfach nicht. Warum haben schlechte Worte so viel mehr Einfluss auf einen, als gute? Ich hasste es.

Um meine eigenen Gedanken nicht mehr so laut ertragen zu müssen, nahm ich meine Kopfhörer, steckte sie in meine Ohren und stellte das basslastigste und lauteste Lied meiner Playlist an. So etwas half immer. Das war einer der Gründe, warum ich nicht nachvollziehen konnte, warum es Leute gab, die nur leise Musik hörten.

Naja, jeder hat seinen Geschmack, glaube ich.

Ich lief meines Weges, bis ich vor meinem Apartment ankam und meine Schlüssel aus meiner Jackentasche wuselte.

Dort ließ ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen und machte die Lichter an. Ich zog meine Jacken und Schuhe aus, bevor ich meine Tasche neben mein Bett pfefferte und mich in dieses fallen lies.

Gute zwei Minuten lag ich da wie eine Leiche und roch an meiner Bettdecke. Es war ruhig und ich brummte müde vor mich hin. Wäre mein Hunger nicht langsam zu auffällig, wäre ich wahrscheinlich auf der Stelle eingeschlafen.

So drehte ich mich ein paar Mal, bevor ich mich erhob, meinen Körper streckte und mich in die Küche bewegte.

Mit Schwung öffnete ich den Kühlschrank und erkundete die Tiefen meines Gefrierschranks. Das einzige was ich vorfand, waren die bestimmt zwei Jahre alten Tiefkühlfrüchte. Naja, Tiefgekühltes hält sich ja ewig. Jetzt nur noch etwas Jogurt und mein Mittagessen war gerettet.

Jogurt hatte ich auch. Perfekt.

Mit beidem bewaffnet, watschelte ich in das kleine Wohnzimmer und stellte alles ab. Ich selbst ließ mich ins Sofa zurückfallen und klappte meinen Laptop auf.

Vielleicht hatte Netflix ja noch was, was man eben mal kurz weggucken konnte.

Als ich so Tab für Tab öffnete, erinnerte ich mich daran, dass ich ja noch die Geschichte mit Jisung und der Seelenverwandtschaft klären wollte. Hoffentlich waren Jisung und ich nicht nur ein Einzelfall und viele haben dies schon einmal erlebt.

So öffnete ich die Suchmaschine meines Vertrauens und tippte verschiedenste Suchbegriffe ein.

Tatsache fand ich viele Artikel und Vermutung dazu. Wie es aussieht war ich nicht alleine. Vieles hatte zwar buddhistische Hintergründe, aber ich fand auch viele Foren, wo sich Leute darüber unterhielten.

Ein Mädchen hatte von ihrer zweiten Begegnung gesprochen.

„Mein damaliger Seelenverwandter war mein Bruder. Wir teilten zwar die unterschiedlichsten Interessen, aber ergänzten uns perfekt. Das einzige, was wir teilten war der gleiche Geburtstag. Natürlich war mir das  alles damals nicht klar, aber als mein Bruder mit acht bei einem Autounfall starb, wurde mit klar, dass mir eine Hälfte fehlte. Ich war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal fünf und trotzdem spürte ich diese extreme Belastung bis in mein Erwachsenenalter.

Als ich zwanzig wurde, lief mir ein 16 jähriger über den Weg und wir kamen ins Gespräch. Er war weitaus reifer als viele in seinem Alter und kam mir von Anfang an bekannt vor. Er hatte die gleichen Interessen und Hobbys wie mein Bruder sie hatte (natürlich nicht mehr direkt diese, durch den Altersunterschied zu damals, aber ähnliche). Erst dachte ich, dass ich mir das ganze einbildete, aber als er erklärte, dass ich ihm ebenso bekannt vorkam, fühlte ich mich irgendwie glücklich.

Jetzt sind wir beste Freunde. Nicht mehr, nicht weniger und er weiß bis heute nicht, dass es mir so vor kommt, als wäre er mein wiedergeborener älterer Bruder, aber das muss er auch gar nicht wissen. Ich war einfach nur glücklich ihn wieder zu haben."

All das was sie sagte, kam mir so bekannt vor. Es war fast eins zu eins wie bei mir und Jisung, nur dass ich wohl mehr als nur Freundschaft für ihn empfand. Jisung meinte ja auch einmal, dass ich ihm bekannt vorkam. War er also wirklich mein alter bester Freund Jisung, der von einem Auto erfasst wurde oder war das alles doch nur Zufall?

Nein, das konnte kein Zufall sein. Er hat sogar den gleichen Namen wie mein alter Schulfreund. Sie teilten beide die Liebe zu Käsekuchen und waren beide sehr schüchtern von Natur aus.

Auch wenn er mich vielleicht nicht sehen wollte, musste ich ihm davon berichten und das so bald wie möglich.

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