EVERGLOW
Alice biegt kurz vor mir in eine Straße ganz in meiner Nähe ein. Ich laufe noch ein paar Meter weiter, dann klingele ich an unserer Haustür.
Wir sind in eine kleine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus eingezogen. Das Haus ist nicht besonders schön. Von außen sieht es eher aus wie ein Betonklotz, als ein Ort, an dem Leute wohnen würden. Aber es lohnt sich nun mal nicht, zu zweit ein Haus zu kaufen. Zudem haben wir eh nicht das Geld dafür. Außerdem habe ich in den letzten Woche, seit wir hier wohnen, nur die Nächte und einen kleinen Teil des Tages in der Wohnung verbracht. Die meiste Zeit war ich bei Mom im Krankenhaus. Ich habe nicht viel gemacht. Nur an ihrem Bett gesessen und gebetet, dass sie alles doch irgendwie übersteht. Aber bis jetzt gibt es keine Hoffnung. Mom ist schlapp. Sie schläft die meiste Zeit nur. Und wenn sie mal wach ist, dann nur für maximal eine halbe Stunde.
Die Tür summt und ich öffne sie. Dann laufe ich drei Treppenblöcke nach oben, wo mein Vater schon vor unserer Wohnung arbeitet.
"Wollen wir direkt los?", fragt er. Ich nicke und schmeiße nur schnell meinen Rucksack nach drinnen. Dann laufen wir direkt weiter zu Mom.
Ich bin aufgeregt. Ich bin immer aufgeregt. Die letzten Tage waren noch Sommerferien und ich konnte fast jede Minute bei Mom verbringen. Heute war das anders. Ich habe keine Ahnung, wie es ihr geht. Gestern war sie ziemlich fertig und ist nur wenig wach gewesen.
Wir laufen runter und steigen in Dads Auto ein, dann machen wir uns auf den Weg zum Krankenhaus.
Mom hat eine Herzerkrankung. Es wurde erst vor wenigen Monaten festgestellt und obwohl sie seitdem so oft operiert wurde, ist es noch immer nicht viel besser geworden. Jedes Mal, wenn wir zu ihr fahren, wuseln meine Gedanken nur im Kopf herum. Ich war dabei gewesen, als Mom ihre Diagnose bekommen hat. "Sie werden nicht mehr lange zu leben haben. Wenn Sie Glück haben, sind es noch zwei Jahre, es kann jedoch auch früher passieren." Mir wurde übel und ich bin in Ohnmacht gefallen. Mom hat nichts gesagt und wurde direkt ins Krankenhaus gebracht, wo sie operiert wurde. Man hat ihr einen Herzschrittmacher eingesetzt, aber schon wenige Wochen später gab es wieder Probleme. Mom wurde immer wieder operiert. Seit ein paar Wochen ist Ruhe, aber ich habe totale Angst. Ich will nicht, dass es diese Ruhe vor dem Sturm ist. Ich will, dass Mom gesund wird und wir bald wieder so ausgelassen mit einander lachen und Spaß haben können, wie vor einem Jahr, als noch alles gut war. Mom ist erst Anfang vierzig. Sie hat es nicht verdient, dass jetzt schon alles vorbei ist.
Ich wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel, während wir über die Autobahn in Richtung Krankenhaus fahren. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht weine. Ich will nicht, dass Mom gehen muss. Ich habe darüber nachgedacht, mir selbst das Leben zu nehmen, einfach, um nicht mitbekommen zu müssen, wenn Mom stirbt. Ich kann das nämlich ist. Aber ich weiß, dass Mom das auch nicht helfen wird. Und ich weiß, dass sie alles andere für mich will. Sie würde nicht wollen, dass ich es wegen ihr tue. Trotzdem weiß ich nicht, wie ich das aushalten soll, wenn Mom auf einmal weg ist. Ich brauche sie. Ich kann nicht ohne sie. Und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass Mom das doch irgendwie alles übersteht. Ich weiß nicht wie, aber ich weiß, dass sie alles versuchen wird. Sie wird jede Sekunde kämpfen und alles dafür geben, so lange wie möglich auf dieser Erde zu bleiben. Es wird etwas geben, was sie hier hält. Sie schafft das schon irgendwie. Wie ein ewiges Leuchten, was nicht verblasst. Everglow.
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