Das, in dem Ramen auf dem Tisch steht
Es klingelte an der Tür und ich schreckte von meinen Hausaufgaben auf. Ich vernahm Stimmen vor der Tür, männliche Stimmen, und sie unterhaltenen sich angeregt. Und ich meinte, dass die Tiefe mir bekannt vorkam, was mir einen Schauer über den Rücken jagte.
Was taten sie hier? Die ganze Nachhilfeidee hatte ich über die letzten Tage verdrängt, denn Jimin hatte es irgendwann aufgegeben mich zu überreden ihr zu helfen.
Und jetzt waren sie hier. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie sie zu uns nach Hause einladen würde, sie hatte noch nie jemanden nach Hause eingeladen. Meisten trafen sich Lerngruppen in irgendwelchen Cafés, wieso mussten sie unbedingt hier her kommen?
Ich saß im Wohnzimmer, ein potenzieller Ort für die Gruppe um sich nieder zu lassen. Ich musste schnellstmöglich fliehen! Ich packte alles zusammen, hörte bereits wie meine Schwester die Haustür öffnete und tatsächlich erklangen die Stimmen der drei Jungs. Ich krallte mir meine Hausaufgaben und versuchte zu flüchten um nicht von den anderen gesehen zu werden, andererseits betraten sie gerade den Flur, den ich durchqueren müsste um zu meinem Zimmer zu kommen. Verdammt.
Meine Mutter kam vor Freude strahlend aus der Küche, bei sich ein Tablett mit Getränken und Snacks. Warte, sie wusste davon?! Und sie hatte es mir verschwiegen? Sie stellte alles auf dem Tisch ab, an dem ich ich bis eben meine Hausaufgaben gemacht hatte und kniff mir kurz in die Wange.
"Miseon, schau nicht zu unfreundlich. Man kriegt Falten vom Ernst schauen", sagte sie und grinste mich an.
"Man kriegt auch Falten vom Lachen", antwortete ich sofort und ihre fröhliche Miene fiel.
Kurz berührte sie ihre Wangen, als hätte sie Angst es hätten sich schon nach diesem Lächeln neue Falten gebildet. Meine Mutter war grundsätzlich gegen das Altern und versuchte alles um diesen völlig unausweichlichen Prozess abzuwenden. Was völliger Schwachsinn war.
"Jimin, kommt doch alle ins Wohnzimmer! Ich habe bereits Snacks für euch vorbereitet!", rief sie und packte mich an den Schultern, als ich fliehen wollte. "Und du bleibst schön hier! Jimin braucht deine Hilfe und du hast nichts anderes zu tun, als in diese doofen Bücher zu schauen! Davon bekommt man bestimmt auch Falten..."
"Umma, ich habe keine Lust! Lass mich gehen", jammerte ich, doch sie blieb eisern und zusammen erwarteten wir die Gäste, die schließlich unser Wohnzimmer betraten.
Chanyeol war der Erste, der den Raum betrat und es war seltsam ihn in meinen eigenen vier Wänden zu sehen. Er wirkte viel zu groß für den Raum.
Hinter ihm kamen Baekhyun, Jimin und der grinsende Jongdae dazu. Sie alle waren da. In meinem Wohnzimmer. Um mir auf die Nerven zu gehen.
"Guten Tag, Mrs Oh", sagte Chanyeol höflich und die anderen stimmten ein, bis sie sich gleichzeitig verbeugten und meine Mutter sich beinahe nicht mehr einkriegte vor Rührung.
"So viele hübsche junge Männer in meinem Wohnzimmer, dass ich das nochmal erlebe!", sagte sie und führte sie schnell zu den Snacks.
"Hallo, Alice-ya", sagte Chanyeol und zwinkerte mir zu. "Hast du dich doch dazu entschieden, deiner Schwester zu helfen?"
"Nein, ich wollte gerade ge-"
"Natürlich hilft sie ihr!", sagte meine Mutter. Und irgendwie war ich erleichtert, dass sie mich nicht nach dem seltsamen Spitznamen fragte.
Ich seufzte. Ich hatte keine andere Wahl, meine Mutter würde mich niemals gehen lassen. Sie warf Jimin bereits warnende Blicke zu, damit auch sie mich nicht erwischen ließ. Ich setzte mich missmutig mit an den Tisch und stopfte den ersten Snack in mich herein, während meine Mutter wieder in der Küche verschwand und uns hoffentlich etwas Ruhe gab.
"Hübsche Wohnung habt ihr", bemerkte Baekhyun.
"Du brauchst nicht schleimen. Sie sieht aus wie jede andere Wohnung in Seoul", antwortete ich leise und Chanyeol grinste.
Es war seltsam. So unhöflicher ich wurde, desto fröhlicher schien er zu werden. Ich bemerkte das, als sie begannen ihre Bücher rauszuholen und die Mandarin Hausaufgaben bearbeiteten. Er fragte mich immer und immer wieder, ob ich ihm eine Aufgabe erklären könnte und jedes Mal lehnte ich ab, doch das schien ihn nur zu ermutigen und er tat es immer weiter. Und irgendwann gab ich nach und gab ihm knappe Antworten auf seine nervigen Fragen. Er fragte nie Jimin. Er fragte immer nur mich.
Es stellte sich heraus, dass die drei Jungen tatsächlich so schlecht waren, wie sie vorher berichtet hatten. Und sie hatten auf keinen Fall untertrieben, sie strauchelten bereits bei den leichtesten Dingen der Grammatik, ob Mandarin oder Englisch, und meine Schwester und ich hatten verdammt viel zu tun. Sie konzentrierte sich auf Jongdae, Chanyeol nervte mich durchgehend und Baekhyun teilten wir uns, er hatte aber auch noch am wenigsten Probleme.
Irgendwann gingen sie darin über ehemalige Aufgaben zu vergleichen und da konnte ich nun mal nicht mehr viel helfen. Ohne etwas zu sagen, zog ich mich in mein Zimmer zurück, legte mich auf mein Bett und schlug die zuletzt gelesene Seite von 'Alice im Wunderland' auf.
Auch wenn ich die volle Punktzahl im Englischunterricht hatte, so war es trotzdem nicht einfach ein ganzes Buch in der Fremdsprache zu lesen. Ich musste oft Vokabeln nachlesen, ich kam nur langsam voran. Aber ich hatte das Gefühl, es lohnte sich.
Ich hörte ihre Stimmen noch etwa eine halbe Stunde aus dem Wohnzimmer klingen, dann rappelte und polterte es und sie gingen in den Flur, ein klares Zeichen, dass der Nachhilfeunterricht zu Ende war.
Ich beendete gerade mein Kapitel und legte das Buch zur Seite, spielte mit dem Gedanken aufzustehen und den drei Jungen auf Wiedersehen zu sagen. Aber das würde ihnen zeigen, dass ihr Besuch mir gefallen hatte. Und deshalb blieb ich liegen und schloss die Augen, als würde ich schlafen wollen.
Es klopfte an der Tür, doch ich regte mich nicht. Sie öffnete sich und ich fragte mich wer es wagte, ungebeten hereinzuplatzen und was genau ich demjenigen an den Kopf werfen sollte. Jedenfalls nicht mein heißgeliebtes Buch, das war klar. Ob der Wecker taugen würde?
Als der Eindringling bemerkte, dass ich schlief- oder zumindest so tat-, verließ er meinen Raum wieder und schloss leise die Tür. Da hatte er doch nochmal Glück gehabt!
Dann hörte ich die Stimme meiner Mutter vor meiner Tür.
"Was machst du, Jimin?"
"Chanyeol-ah hatte vorgeschlagen, dass wir noch alle zusammen Ramen essen gehen sollten und ich wollte Dongsang fragen, ob sie mitkommen möchte."
"Und sie will nicht? Typisch für das Mädchen, immer nur am Lesen in ihrem Zimmer", schimpfte meine Mutter sofort und ich rollte mit den Augen.
"Nein, sie schläft und ich will sie nicht stören."
Ich hörte meine Mutter theatralisch seufzen, dann erklang ein letztes "Dann geht halt ohne sie. Iss viel, wir warten nicht auf dich. Und nimm genug Geld mit!"
"Ja, danke, Umma."
Ich rollte mich auf die Seiten und blies beleidigt die Backen auf. Wenn ich nur an Ramen dachte, zog sich mir vor Hunger der Magen zusammen, schließlich war das Nudelgericht mein Lieblingsessen. Ich ärgerte mich, wo plötzlich der Hunger an mir nagte.
Ich hörte meine große Schwester im Gang mit den Jungen reden, bestimmt teilte sie ihnen mit, dass ich nicht mitkommen würde. Sollte ich noch schnell hinterher gehen? Noch könnte ich mich dazugesellen und doch noch eine ordentliche Portion Ramen zum Abendessen bekommen. Aber ich blieb liegen.
Wieso? Weil ich irgendwie das Gefühl hatte zu stören. Ich war die Jüngste, konnte nicht mitreden und wusste nicht von welchen Leuten sie sprachen. Ich kannte ihre Lehrer nicht, konnte mich nicht gemeinsam mit ihnen über den Stoff auslassen. Ich wäre ein Anhängsel. Was war dieses seltsame Gefühl im Magen, neben dem Hunger? Wo war meine Einstellung hin, alle Menschen zu hassen? Das war irgendwie leichter gewesen als dieses komische Gefühl nicht dazuzugehören. Vorher hatte mich das nie gestört...
Schnell erinnerte ich mich daran, wie nervig Jimin sein konnte und ich rief jeden Moment in Erinnerung, in denen mir die älteren Jungs auf den Keks gegangen waren und dann bereute ich es doch nicht nicht mitgegangen zu sein. Ich würde den Abend einfach mit meinem Buch verbringen...
Als ich zwei Stunden später aufwachte, blickte ich mich verwirrt um. Ich hatte gar nicht einschlafen wollen, doch das Lesen hatte mich wohl schläfrig gemacht! Auf meiner Brust lag mein aufgeklapptes Buch.
Der wunderbare Geruch, der durch die angelehnte Tür in mein Zimmer strömte, machte mich dann doch aufmerksam. Ich setzte mich langsam auf, schwang die Beine aus dem Bett und versuchte zu erkennen, worum es sich bei dem Gericht handelte.
Ramen. Ich war mir ganz sicher! Es konnte nur Ramen sein, den Geruch würde ich über zwanzig Kilometer Entfernung erkennen.
Schnell schlüpften meine Füße in die Hausschuhe und ich begab mich in die Küche, wo tatsächlich eine noch dampfende Packung Ramen zu finden war, hergerichtet in einer Schale, doch daneben stand noch die Packung. Es war nicht selber gekocht, es war von irgendeinem Shop hier in der Umgebung.
"Umma?", rief ich. "Appa?"
"Oh, bist du wach?", antwortete meine Mutter und kam gerade aus der Abstellkammer, anscheinend hatte sie gerade die Wäsche gemacht. "Ich hatte dich nicht wecken wollen, du scheinst so erschöpft. Wir haben ohne dich gegessen!"
Ohne mich gegessen? Was machte dann noch die Portion Ramen hier?
"Was ist das?", fragte ich und zeigte auf das Essen.
"Das hat der eine Junge dir mitgebracht. Er hatte Jimin noch nach Hause gebracht und meinte die Portion sei für doch, weil Jimin erzählt hatte, dass es dein Lieblingsessen ist. Ist er nicht nett?", berichtete sie völlig entzückt und ich drehte mich mit großen Augen wieder zum um Essen. Das war für mich.
Mein Magen grummelte auffordernd und schnell schnappte ich die Schüssel, die Stäbchen und ließ mich am Esstisch nieder, bereits über die Nudeln gebeugt.
"Welcher Junge genau?", fragte ich bereits mit Nudeln im Mund. Gott, das war himmlisch! Ich verdrehte verzückt die Augen.
"Der Große!"
"Chanyeol-sshi?!"
Wieso mich das überraschte, wusste ich nicht. Jedenfalls hatte ich nicht erwartet, dass er mir Ramen kaufen würde. Meine Mutter grinste breit und nickte wild.
"Er ist so ein lieber und freundlicher Junge! Genau so einen möchte ich bitte einmal als meinen Schwiegersohn haben, ich freue mich schon wenn er in Zukunft öfter her kommt."
Ich stopfte weiter überschwänglich die Nudeln in meinen Mund, bis nichts mehr herein passte und begann dann erst zu kauen. Sie mochte nicht, wenn ich so aß, aber ich war halb verhungert und das hier war nunmal das beste Essen der Welt! Ihre warnenden Blicke ließen mich trotzdem langsamer Essen.
Sie machte Anstalten die Küche zu verlassen, drehte sich dann noch einmal um, als hätte sie etwas vergessen und lehnte sich gegen die Küchentheke.
"Findest du nicht, dass er gut zu deiner Schwester passen würde?"
Und ich erstickte beinahe an meinen Nudeln.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro