Der erste Schritt
Sicht Micha
“Aylin kommt nicht mit meiner Art klar. Früher waren wir echt dicke, aber mittlerweile nicht mehr, auch privat machen wir weniger zusammen als früher “, erklärte ich ruhig. “Dennoch, hätte ich gewusst, dass ihre Klasse sie so behandelt, hätte ich die wohl alle eigenhändig zu Brei geprügelt“, fügte ich noch hinzu. “Warum hat sie es dir nicht gesagt?“, fragte Maurice. “Naja, weißt du, ich hab's vermutet. Ich hab sie öfters mal gefragt, aber sie meinte immer, alles wäre okay. Einmal bin ich ausgerastet, hab' damit gedroht, ihre ganze Klasse auszuräuchern. Danach hatte sie natürlich schiss, ich würde für sie scheiße bauen. Hätte ich auch. Sie ist meine Cousine, die beschütze ich natürlich. Wahrscheinlich würde es schon reichen, wenn jeder wüsste, dass sie meine Cousine ist, aber sie hat Angst vor den Konsequenzen. Vor einem schlechten Ruf oder davor, dass jemand Angst vor ihr hätte. Das will sie nicht“, erklärte ich. Maurice' Reaktion war anders als erwartet. “Ausräuchern? Dein Ernst?“, fragte er lachend. “Ungeziefer wird doch ausgeräuchert oder? Das machen Kammerjäger doch auch, da kann man das bei denen doch ebenfalls“, meinte ich und stimmte in sein Gelächter mit ein. “Alter du bist kreativ“, meinte er, immer noch lachend. “Tja, mich kannste nicht toppen“, sagte ich grinsend. “Ne, das geht echt nicht“, antwortete er mir, während er sich wieder etwas beruhigte. Aber mir lag ebenso noch eine Frage auf der Zunge. “Seit wann bist du wieder mit Manu befreundet?“, fragte ich also etwas plötzlich. Maurice sah mich kurz verwirrt an, bevor er mir grinsend antwortete. “Ich bin gestern nach der Schule zu ihm gegangen, weil ich keinen Bock darauf hatte zuhause zu sein.“ Er sagte das so nüchtern, als ob das vollkommen normal wäre. Eigentlich würde ich gerne wissen, warum er keine Lust hatte, zuhause zu bleiben, aber ich wusste nicht, ob er überhaupt drüber reden wollte. Hin und her gerissen sah ich ihn an. “Micha, frag' einfach und hör auf die arme Blume zu quälen“, meinte er betont ernst. Zuerst begriff ich nicht, was er meinte, bis ich mir die Blume in meiner Hand mal ansah. Eventuell hatte ich ihr ja vor lauter Nervosität ein paar Blätter ausgerupft. Ups. Verlegen lachte ich, bevor ich ihn fragte, warum er nicht zuhause sein wollte. “Ich hasse den Freund meiner Mutter“, war alles, was er sagte. “Wieso? Schlägt er dich? Nimmt er Drogen? Ist er aggressiv oder bedrängt er dich?“, fragte ich leicht besorgt. Maurice lachte darauf hin nur. “Was?“, fragte ich verwirrt. “Manu hat genau dasselbe gefragt“, antwortete er mir lachend. “Oh“, war alles, was ich raus presste. “Und um deine Fragen zu beantworten: Nein, er tut mir nichts und ist auch nicht kriminell. Ich hasse ihn einfach nur. Er ist ein unterwürfiges Arschloch. Der traut sich nicht mal, mir die Stirn zu bieten. Ich hasse solche Menschen“, erklärte er ruhig. “Dann müsstest du mich ja lieben“, meinte ich lachend. Als mir bewusst wurde, was ich da gerade gesagt hatte, wollte ich mich eigentlich erklären, wurde aber von Maurice' Lachen unterbrochen. “Alles gut, ich weiß, dass das ein Witz war. Werd' mal nicht rot, dafür waren wir uns eh schon zu nah“, lachte er. Ah, da war ja was. Hätte ich fast vergessen. Die Sache hätten wir eventuell mal klären sollen, aber ihn jetzt darauf ansprechen? Nein danke! “Als ob dir das jetzt unangenehm ist? Du bist doch derjenige, der mir gefühlt nach zwei Sekunden die Zunge in den Hals rammt“, redete er weiter. Er ließ das Thema echt nicht fallen. “Sprachlos oder wie? Tu nicht so unschuldig.“ Könnte er bitte mal dieses Thema fallen lassen? Ich merkte doch, in welche Richtung das schon wieder ging. “Hallo? Erde an Micha? Existierst du noch?“ Ich zuckte zusammen, als er plötzlich vor mir stand. Ich hatte vor lauter Gedanken nicht mal bemerkt, dass er zu mir kam. “Haaaallooooo?“ Er wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht rum. “Ja, alles gut. Hab nur über den Typen deiner Mutter nachgedacht“, redete ich mich raus und wechselte gleichzeitig das Thema. “Den Pisser kannste vergessen. Jedenfalls bin ich zu Manu gegangen, weil ich nicht wieder meiner Tante zur Last fallen wollte“, erklärte er. Er schnappte sich zwei weitere Blumen und pflanzte sie ein. “Wir waren gerade ziemlich ehrlich zueinander, oder?“, fragte ich nach einer kleinen Pause. “Ja, irgendwie schon. Weißt du Micha, eigentlich bist du gar nicht so scheiße. Wären die Umstände anders, hätten wir vielleicht sogar Freunde sein können“, stellte er fest. “Mit Manu klappt's bei dir doch auch. Wenn du mit ihm und seiner großen Fresse klarkommst, warum nicht mit meiner?“, fragte ich nach. “Naja, ihn kenne ich auch schon sehr lange, außerdem weißt du ja, wie er ohne mich ist. Genauso ist er auch zwischendurch mit mir. Du wärst einfach zu.... Naja ich weiß nicht recht.... anstrengend? Wir wären dauernd anderer Meinung und darauf hab ich keinen Bock“, erklärte er mir. “Dir ist schon aufgefallen, dass wir, wenn wir mit Lehrern diskutieren, die selbe Meinung vertreten und es da auch immer funktioniert? Warum sollte es bei Schülern anders sein?“, hakte ich nach. “Ja, na gut, stimmt schon. Aber ist es nicht seltsam? Wir streiten andauernd und sind plötzlich miteinander befreundet?“, fragte er mit Bedenken. “Seit wann gibst du 'nen Fick auf die Meinung anderer?“, fragte ich nach. “Ha, da hast du eigentlich sogar recht! Außerdem klappt's im Moment im Unterricht und während des Strafdienstes ja auch. Also Herr Rankl, würden Sie mir die Ehre erweisen mein Kumpel zu werden?“, fragte er mit veränderter Stimmlage. “Sehr gern“, antwortete ich hochnäsig, konnte mich jedoch nicht lange kontrollieren und fing sofort an zu lachen. “Man, Micha! Bleib doch mal ernst“, sagte er. “Du grinst selber!“, stellte ich fest. “Gar nicht wahr!“, meinte er mit kindlicher Stimme. “Wohl wahr!“, quietschte ich genauso. “Sind die beiden Herren jetzt mit ihrem kindischen Verhalten fertig? Gut. Den Rest können sie morgen machen“, unterbrach uns Herr Meißner plötzlich. Maurice packte mein Handgelenk und zog mich schnell zu den Schultoiletten, damit wir unsere Hände von der Erde befreien konnten. Plötzlich trafen mich Wassertropfen im Gesicht, begleitet von Maurice' Kichern. Pah, das kann ich auch. Immer wieder machten wir uns gegenseitig nass, doch bevor es zu einer richtigen Wasserschlacht ausarten konnte, wurden wir wieder unterbrochen. “Also ich glaube, mich tritt ein Pferd! Ab nach Hause jetzt! Lange mach' ich das hier nicht mehr mit! Seid froh, dass ich so gnädig bin!“, schrie Herr Meißner uns hinterher, da Maurice mich während seines Redeschwalls schon wieder aus dem Raum gezogen hatte. Lachend liefen wir also zum Ausgang. “Jemand sollte dem Alten echt 'ne Glocke umhängen. Ist ja nicht auszuhalten, wie plötzlich der immer in den unpassendsten Momenten auftaucht“, meinte Maurice gerade. “Das sollte man generell bei Lehrern machen“, korrigierte ich ihn, worauf hin wir wieder in Gelächter ausbrachen. Am Ausgang angekommen schlugen wir kurz zur Verabschiedung ein und machten uns dann auf den Weg nach Hause. Der erste Schritt hatte sich quasi von alleine und ziemlich plötzlich getan. Das dass so schnell gehen würde, hätte ich nie gedacht. Glücklich lief ich weiter nach Hause.
Hallo^^ Nach 17 Kapitel haben es die beiden mal geschafft, sich anzufreunden. War doch mal Zeit oder? Es ist irgendwie immer wieder komisch zu sehen, wie weit das vorgeschriebene und das veröffentlichte auseinander liegt. Naja, bevor ich hier wieder mal einen Roman als Nachwort schreibe, verabschiede ich mich mal. BYE^^
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro