Die Frau von Nebenan 3
Tom
Ich war völlig perplex. Was knallte mir diese Frau da an den Kopf? Langsam hatte ich das Gefühl, sie war wirklich ein bisschen verrückt...
„Hallo?" fragte Kiki so leise, dass ich sie mit dem Rauschen der Brandung im Hintergrund kaum verstehen konnte. „Tut mir leid. Es ist nur...ich kann dem, was du getan hast, nichts Verwerfliches abgewinnen. Ich würde aber gerne wissen, warum. Wenn es nicht sexuell war."
„Weil dein Anblick mich glücklich gemacht hat. Kannst du vielleicht herkommen und mir eine kleine Dosis verpassen?"
Sie seufzte.
„Das darf ich doch nicht, oder? Wo bist du gerade?"
„Noch in London in Untersuchungshaft, aber Morgen ist die letzte Anhörung, danach werde ich bis zur Hauptverhandlung frei gelassen. Und dir können sie doch nicht verbieten, her zu kommen."
„Würde sich das auch nicht negativ für dich auswirken?"
„Nein, ganz im Gegenteil..." raunte ich und fragte mich, warum ich bei ihr so zutraulich war.
Ich kannte Kiki nicht. Aber sie mich auch nicht, trotzdem gab sie mir einen Vertrauensvorschuss, und ich wollte es ihr gleich tun. Plötzlich legte sie auf, ich wollte mich gerade fragen, warum, als ich einen Videoanruf bekam.
„C'est moi, mon chere." kicherte sie.
Ihre kürzeren, dunklen Haare wehten um ihr Gesicht.
„Ich mag das. Das Pink war...naja." lächelte ich.
„Ein Experiment, das mich die Haare gekostet hat." lachte sie. „Also, ich könnte morgen nach London kommen- oder mit dem Nachtzug schon heute Abend, aber ich muss arbeiten. Wann ist die Anhörung?"
„Um elf. Ich schicke dir Mum's Nummer- sie hält große Stücke auf dich und ist stinksauer, dass ich es mir mit dir verscherzt habe. Die pinken Haare fand sie allerdings auch zu krass. Aber egal- Mum gibt dir meinen Schlüssel für die Londoner Wohnung, dann hast du schon mal Unterkunft. Kannst du nicht ein paar Tage Urlaub nehmen?"
„Ich rede mit Mara. Vielleicht, unter diesen Umständen...Und danke. Ich melde mich gleich bei dir, wie es aussieht, okay?"
Ich nickte und weg war sie. Ich betete darum, dass es klappte, ich musste sie sehen. Auch, wenn ich nicht in meine Wohnung konnte, sie war nicht rollstuhlgerecht, doch ich hatte mich noch nicht durchringen können, sie zu verkaufen. Luke hatte schon eine Andere angemietet, die ich aber nur während der Verhandlung bewohnen würde. Ich hoffte nur, dass vor meiner anderen keine Paparazzi herumstand. Ich saß gerade beim Abendbrot, das mir zum ersten Mal seit langem wieder ganz gut schmeckte, als Kiki schrieb, dass alles geklärt sei. Mum wäre froh gewesen, denn ich hätte doch niemanden mehr. Ich rollte mit den Augen. Kiki's Chefin hätte ihr zähneknirschend ein verlängertes Wochenende erlaubt. Nun würde sie gleich im Nachtzug sitzen und Mum am Kings Cross treffen. Obwohl sie ihr gesagt hätte, dass sie so spät nicht noch kommen müsse. Ich fragte Kiki, womit ich das verdient hätte. Sie antwortete, dass Mum ihr gesagt hätte, dass ich einen Freund bräuchte und genau der wolle sie für mich sein. Und ich sollte gefälligst mal wieder essen. Also schickte ich ihr ein Foto vom Abendbrot, sie schickte Daumen hoch.
Es ging hin und her, über drei Stunden lang. So lange, wie die Fahrt dauerte. Ich rief zwischendurch an und erzählte Kiki alles über den Unfall und was ich danach empfunden hatte, erzählte ihr mehr, als ich dem Psychotherapeuten hatte sagen können. Danach war ich völlig aufgewühlt, und musste erst einmal auflegen, doch fünf Minuten später schrieb ich ihr schon wieder. Weil ich noch etwas vergessen hatte, und wieder waren wir in einer regen Unterhaltung. Es war kurz nach zwölf, das Licht war längst aus. Vic, mein Nachbar, schnarchte. Ich war froh, seinen Geschichten entgangen zu sein. Mir fielen die Augen zu und ich stellte mir vor, dass Kiki gleich in meinem Bett liegen würde. Sie hatte geschrieben, dass es für sie der Supergau wäre, meine „heilige" Wohnung zu betreten, und dann hatte sie sich entschuldigt, dass sie so „fangirlte." Ich hatte geantwortet, dass sie alles benutzen dürfe. Hätte damals bis auf ein paar Bücher nichts mitnehmen wollen, weil diese Wohnung einem anderen Tom gehörte.
„So ein Quatsch. Du bist immer noch dieser Tom. Nur, weil du jetzt eine Einschränkung hast, heisst es doch nicht, dass de Niro nicht mehr dein Lieblingsschauspieler ist oder du deine Bücher nicht mehr interessant findest." hatte sie geschrieben.
Ich lächelte. Hatte diese Nachricht kopiert und unter Notizen abgelegt. Vielleicht, wenn ich sie oft genug lesen würde, würde es auch bei mir ankommen. Im Moment hatte ich aber keinen Kopf dafür.
„Ey, Rollstuhlmann." knurrte Vic, ich war gerade am wegdämmern gewesen.
„Ich schlafe." brummte ich.
„Morgen lassen sie dich wieder raus. Mich nicht."
„Das hat seine Gründe, Vic."
„Das ist scheiße unfair, du kannst deine Kleine flachlegen, ich nicht."
„Meine Kleine ist dreißig Jahre älter als deine. Definitiv nicht mehr minderjährig."
„Aber du hast doch..." protestierte er.
„Vic, lass mich einfach in Ruhe."
Er knurrte etwas Unverständliches. Hielt genau fünf Minuten durch, dann fing er an, von den „süßen, unschuldigen Knospen" zu erzählen und ich steckte mir meine Kopfhörer ins Ohr. Wollte gerade einen Song einschalten, als ich eine Nachricht von Kiki bekam.
https://youtu.be/lAwYodrBr2Q
„Sorry, dass ich dich störe...aber ES IST DER WAHNSINN!!!! Bin ich wirklich hier? Stehe vor deinem Bücherregal? Gucke dein Heat- Poster an? Ähm, die Obstschale sieht nicht mehr so gut aus..."
„WAS?" schrieb ich lachend zurück.
„Scherz. Das Einzige, was hier lebt, sind ein paar Langbeine. Deine Mum hat für mich eingekauft, die Gute. Viel zu viel, so lange kann ich doch gar nicht bleiben!"
„Von mir aus schon."
„Danke, Tom. Alles okay bei dir?"
„Ja. Ich höre M83 und versuche, runter zu kommen. Was schwer ist, wenn mir jemand ES IST DER WAHNSINN! ins Ohr brüllt."
„Hab ich ja gar nicht. Entschuldige. Schlaf schön! Es wird alles gut!🤗"
„Du schlaf auch gut. Und nimm dich vor den Monsterspinnen in Acht.😱"
Ich überlegte lange, ob ihr ihr Umarmungen zurück schicken sollte. Doch andererseits wollte ich mir noch etwas Neutralität bewahren, ich hatte Angst, dass sie mir das Herz brechen würde. Oder, dass irgendjemand es las und mich beschuldigte, meine Distanz nicht einzuhalten. Der Song machte mich traurig plus das Bedürfnis, ihr tausend Küsse schicken zu wollen, doch nicht zu können. Und der Gedanke, dass sie jetzt vielleicht auch dalag und an mich dachte. Mein Zeigefinger schwebte über dem 😘 und ich tippte einmal darauf. Nach ein paar Minuten schrieb sie:
„Warum steht bei dir immer „schreibt", aber es kommt nichts? Verfasst du gerade ein Essay?"
Ich lachte. Vic fragte genervt:
„Was'n so komisch? Schickste Dickpic's an deine Süße?"
„Nicht alle Männer denken mit ihrem Schwanz." knurrte ich.
„Ich möchte ihn grad in eine feuchte, enge..."
„Vic, halt deine verdammte Klappe!" schnauzte ich und wunderte mich wieder über den mürrischen Kerl, der ich geworden bin.
Und ich hatte Lust. Sie hatte am frühen Abend schon eingesetzt, als Kiki und ich uns über die Sache mit dem Anfassen beim Beobachten unterhalten hatten, nahm dann zu, als sie mein Kopfkino mit ihrer Aussage gestartet hatte und MANN, hätte ich eher gewußt, dass es sie antörnte, beobachtet zu werden, dann...es war fast schade, dass meine Heimlichkeiten nun beendet waren. Kiki schrieb:
„Tom? Bist du doch eingeschlafen? Und spielt dein Nachbar immer um halb drei Uhr morgens Saxophon?"
„Oh, Sorry, den hatte ich ganz vergessen! Vic meinte gerade, mich mit seinen perversen Stories nerven zu müssen. Nein, kein Essay. Nur die hier: 😘😘😘😘😘😘😘😘"
„Oh...womit habe ich die verdient?"
„Das liest du in meinem Essay. Morgen, ja? Um elf?"
„Bin da. Treffe mich um neun mit deiner Mum zum Frühstück, gestern Abend hatte sie sich nicht mehr von mir überzeugen lassen, dass du unschuldig bist...ich schaffe es aber noch! 😘"
Ich seufzte. Ja, ich hatte Jeanne D'Arc an meiner Seite, so konnte nichts schiefgehen! Es störte mich garnicht, dass Vic immer noch von unbehaarten Muschis sprach. Ich schlief selig ein.
Im Knast waren die Sitten rauh und ich wurde unsanft um sieben geweckt. Mir war übel, weil ich müde war, und vielleicht sogar vor Hunger.
„Braucht du Hilfe, Rollstuhlmann?" gähnte Vic.
„Nope. Noch nie." murrte ich und hob meine Beine aus dem Bett.
Die ungenügende Körperpflege war ich ja gewohnt. Hier gab es kein barrierefreies Bad, nur ein Klo, auf das ich mich rüber schwingen konnte. Und ein Waschbecken für Katzenwäsche. Nachdem ich fertig war, wurde die Zelle geöffnet und Wärter brachten uns Frühstück. Ich stürzte mich förmlich darauf, dann hielt ich inne, machte ein Foto und schickte es Kiki. Sie schickte ein Video zurück und ich verschluckte mich halb an meinem Rührei.
Vic stieg von seinem Bett und ich drückte es schnell weg. Er lachte und klopfte auf meinen Rücken, während ich röchelte.
„Also doch Nudes?" grinste er.
Nein, Nudes würde sie mir nicht schicken. Das, was sie geschickt hatte, war hundert mal erotischer. Kiki, in einem meiner Schlafanzüge. Die Kamera hatte sie so aufgestellt, dass man das Gefühl hatte, man würde sie heimlich beobachten. Ich sah nur ihr Bein, als sie sich auszog, dann ein Schnitt und sie war hinter der milchigen Glasscheibe der Dusche. Ich erwartete, dass sie rauskam, aber auch das hatte sie rausgeschnitten. Zum Schluss kriegte die Kamera einen Guten- Morgen- Kuss.
„Mädchen, wenn ich könnte!" schrieb ich.
„Dann?" kam zurück und ich knurrte.
„Warum hatte ich nicht das Zimmer, von dem aus man in dein Schlafzimmer gucken konnte?"
„Perversling."
„Wer hat mir gerade dieses Filmchen geschickt?"
„Das war doch harmlos. Ich habe nicht ein einziges Schamhaar gezeigt."
„Hör auf, Fräulein!"
„Oh. Sorry, die Message war für jemand anderen gedacht..."
„Das glaube ich nicht. Was muss ich tun, um eins sehen zu können?"
„Also, das geht jetzt zu weit!"
„Du hast angefangen!"
„Vier Wochen warten."
„Was?"
„Ich muss mich fertig machen und noch nachschauen, wo ich später hin muss. Erkläre ich dir, nachdem du mir dein Essay vorgelegt hast...😘"
„Ich war total mies im kreativen Schreiben."
„Glaube ich nicht. Bis später! Lass dich nicht unterkriegen!"
Ich schickte ihr noch ein paar Küsse und dann legte ich mich auf die Pritsche. Vic fragte:
„Is ja merkwürdig, hast du nicht gesagt, du wärst single? Hat deine Freundin wegen der Sache Schluß gemacht, oder wie?"
„Wegen welcher Sache?" murmelte ich.
„Wegen der Kleinen."
„Ich habe keine Kleine. Und Kiki ist eine Freundin, mehr nicht."
„Hört sich aber nicht so an. Du seufzt dauernd, als würde dir der Stengel wachsen, wenn sie schreibt."
„Ja, vielleicht ist sie mehr. Aber das geht dich nichts an."
„Und was ist mit der Kleinen?"
„Vic, kapiere es endlich. Ich bin kein Pädo!" gab ich energisch zurück.
„Sorry, Mate. Dachte nur, wir sind im selben Club."
„Du kannst laufen. Ich nicht. Wir sind in ganz verschiedenen Clubs. Und ich finde, dass du aufhören solltest, mit Kindern auszugehen."
„Sie hat gesagt, sie sei sechzehn!"
Ich stöhnte.
„Jung genug."
„Sie wollte es!"
„Ich bin nicht dein Anwalt, Vic. Aber du könntest dir viel Ärger ersparen."
Nun seufzte Vic:
„Es ist wie ne Sucht, Mann."
„Dann mach Therapie."
„Hab ich doch schon. Kann ich nicht bei dir Therapie machen?"
„Bestimmt nicht."
Ich hörte Schritte. Jetzt schon?
„Mr. Hiddleston, die Anhörung wurde vorverlegt auf neun Uhr." erklärte ein Beamter. „Kommen sie bitte mit."
„Kann ich kurz meiner Mutter und meiner Freundin schreiben?"
„Also doch!" grinste Vic.
„Wenn's schnell geht." murrte der Beamte.
Ich tippte zuerst Kiki, warum auch immer, und bat sie, es Mum zu sagen. Dann nahm ich meine Jacke und ließ mir Handschellen anlegen.
„Wie albern. Er ist doch eh schon im Rollstuhl!" schimpfte Vic. „Mach's gut, Bruder."
„Du mache es besser!" blinzelte ich und ließ mich wegschieben.
Ich hasste es so, wenn jemand mich schob, wie ein Kleinkind im Buggy! Sie verfrachteten mich in einen Van und fuhren los. Ich kam mir vor, wie ein Mafiaboss, was hatte ich bitte schön groß getan?
Als sie mich in das Gerichtsgebäude brachten, standen schon ein paar Fans davor. Ich war mir sicher, die kurzfristige Verschiebung war aufgrund des Andrangs, der erwartet wurde, gewesen. Und so würde ich vielleicht eher nach Hause kommen...nach Hause! In eine sterile Wohnung, die mir gar nicht behagte. Zunächst wurde ich in einen Wartebereich gebracht und netterweise lösten sie meine Handschellen. Ich las ein wenig. Dann wurden wir pünktlich aufgerufen, und als wir in den Saal fuhren, starrten mich alle an. Alle waren da. Alle meine Freunde, die ich verprellt hatte, und ich bekam einen Kloß im Hals. Kiki saß zwischen Mum und Emma, Sarah lächelte mich an. Als Kiki mich ansah, musste ich schlucken. Sie zeigte auf Dana und verdrehte die Augen.
Der Richter klopfte und sagte:
„Die Sitzung ist eröffnet. Anhörung des Beschuldigten Thomas William Hiddleston, vorwürflich der sexuellen Nötigung. Und...was ist das?" fragte er seinen Assistenten.
„Das wurde am Morgen vorgelegt, Sir. Eine eidesstattliche Erklärung von Mrs. Sommer, dass das...ähem...Arrangement zwischen den Beschuldigten und ihr abgesprochen war."
Ein Raunen ging durch die Menge. Ich traute mich nicht, Kiki anzuschauen.
„Gut, dann ist dieser Punkt abgehakt?" fragte der Richter genervt.
„Ja."
„Mr. Hiddleston, sind sie damit einverstanden?"
„Natürlich." krächzte ich.
„Sehr gut. Nun zur Anklage von Miss Nabukhova."
Weston räusperte sich.
„Mein Mandant erklärt sich in beiden Punkten für nicht schuldig. Ich rufe Sergeant Wilkes in den Zeugenstand."
Sergeant Wilkes? Ich guckte Weston an, er lächelte. Die junge Polizistin erklärte:
„Ich habe Miss Nabukhova in der Nacht verhört. Sie sagte aus, Mr. Hiddleston habe sie zu seinem Bett gelockt, weil er Hilfe bräuchte beim Aufstehen. Später dann, dass er das Telefon haben wollte. Dann hatte sie sich in dem Punkt der Erpressung widersprochen- erst hätte er ihr gedroht, sie zu ihrer Familie zurück zu schicken, dann wäre er plötzlich in Russenmafiakreisen. Wir haben das überprüft- Mr. Hiddleston hat keinerlei Kontakte zur Unterwelt. Es ist aus Miss Nabukhova nicht raus zu bekommen, womit er sie wirklich erpresst hatte."
Weston fragte:
„Glauben sie, dass Mr. Hiddleston's Version stimmt? Das er im Schlaf überrascht worden war?"
Der Staatsanwalt bellte:
„Einspruch! Sergeant Wilkes ist nur eine ermittelnde Beamtin!"
„Ich will hören, was sie zu sagen hat, sie hat schon oft Vergewaltigungsopfer betreut." lächelte der Richter und ich war froh, an jemanden geraten zu sein, der wohl auf meiner Seite war. „Sally?"
„Euer Ehren, ich glaube, dass Mr. Hiddleston unschuldig ist und begründe es damit, dass sich Miss Nabukhova viel zu oft widersprochen hat. Anfangs sind die Opfer derartiger Straftaten verwirrt, aber Miss Nabukhova schien es gar nicht gewesen zu sein. Und wir hatten einen Dolmetscher dabei, sodass es auch keine Übersetzungsfehler gab."
„Danke, Sally. Verteidigung, gib es noch andere Zeugen?"
„Nein, euer Ehren."
„Nun zu ihnen, Sir Ericson. Was hat die Staatsanwaltschaft zu sagen?"
„Ich befürchte, wir haben nichts weiter als diese arme, verlorene Seele. Die in einem fremden Land ist, bei fremden Menschen, die..."
„Pfft!" machte Mum hinter mir und ich lächelte sie an.
„Dies ist eine Anhörung! Wer ist ihr Zeuge?" knurrte der Richter.
Sir Ericson zuckte mit den Schultern.
„Es gibt keinen."
„Nun ja. Dann vertage ich die Verhandlung auf den 5. Dezember. Die Anklage des Voyeurismus ist fallen gelassen, die einstweilige Verfügung gegenüber Mrs. Sommer aufgehoben. Im Falle der Nötigung sieht es auch nicht sehr überzeugend aus, wenn ihnen bis zur Hauptverhandlung nicht noch mehr einfällt, Sir Ericson. Des Weiteren bezahlt der Angeklagte eine Kaution von dreitausend Pfund und hat sich dem Opfer nicht zu nähern. Auch Familie und Freunde nicht. Ansonsten wird dies zu Ungunsten des Angeklagten ausgelegt."
Er klopfte auf den Pult und blinzelte dann der Polizistin zu. Was für ein Schwerenöter! Aber gut, dass ich anscheinend ihn bekommen hatte. Dana weinte. Ihre Betreuerin tröstete sie, ja, dieses Mädchen lieferte eine geniale Show, besser, als ich es je konnte! Sie hätten sie erleben sollen, als ich versucht hatte, mich gegen sie zu wehren, ihren Kopf weg zu reissen, was kaum möglich gewesen war, weil sie auf meinem Oberkörper gesessen hatte. Und mich gebissen hatte, als ich anfing, zu buckeln. Da war ich jedoch schon kurz vor Exitus gewesen. Oder die anderen Male, als sie mich angefasst hatte. Und mir Massagen angeboten hatte. Weston beugte sich zu mir.
„Ich habe noch eure Haushälterin Conny. Sie hat einmal erlebt, wie Dana sich auf deinen Schoß gesetzt hätte, gegen deinen Willen. Und sie sagt außerdem aus, dass es Dana bei euch sehr gut gehabt hatte, sie musste ihr sogar ihre Lieblingsspeisen kochen. Also, ich stimme dem Richter zu, wenn jetzt nicht noch irgendetwas passiert, ist die Sache geritzt. Pass nur auf, dass sie nicht versucht, dich zu kontaktieren, ja?"
Ich nickte.
„Und halte deine süße Freundin in Schach. Die guckt, als würde sie das Mädchen gleich anspringen wollen. Übrigens geniale Idee, das mit eurem Arrangement." grinste er.
„Das war keine Idee, sie...mag das wirklich. Ich wollte sie bloß nicht öffentlich machen." entgegnete ich.
„Klar, Jeff."
Ich lachte.
„Ich liebe diesen Film!"
„Ich auch. Nun genieße deine Freiheit. Du kannst sogar nach Cornwall zurück, wenn du möchtest."
„Wenn Ruhe eingekehrt ist. Danke für alles, Weston." lächelte ich und rollte zum Ausgang.
Meine Familie wartete dort und alle umarmten mich. Ich raunte meinen Schwestern und meiner Mum ein „Ich liebe dich" zu und Mum weinte.
Dann stand Kiki vor mir, in ihrer ganzen Pracht. Sie lächelte scheu zu mir runter, als wenn ich immer noch der unerreichbare Hollywoodstar und sie eine kleine Autogrammjägerin wäre. Ich packte ihre Hüften und zog sie auf meinen Schoß, sie juchzte leise. Dann küsste ich sie zärtlich, bis mir einfiel, dass ich ewig nicht geduscht hatte. Ich ließ sie schnell los, doch sie hatte die Arme um meinen Hals geschlungen und kraulte mein ungewaschenes Haar.
„Kiki...tut mir leid, es ist einfach über mich gekommen." seufzte ich.
„Alles okay. Lass uns heim, ja? Du bist mir noch ein Essay schuldig!"
„Das wird nach deiner Nummer noch länger." grinste ich. „Ich weiß nicht, wie ich dir für Alles danken soll."
„Hm, lad mich zum Essen ein. Das Frühstück musste ja ausfallen, wegen der Vertagung. Der Richter wollte wohl schneller zum Golfen..." kicherte sie.
„Mit Sergeant Wilkes."
Sie riss die Augen auf.
„Echt? Läuft da was?"
Ich kicherte:
„Psst! Muss erst einmal die Kaution bezahlen. Luke? Hey, Luke. Schön, dass du da bist."
„Natürlich. Du hast ja immer noch nicht gebadet!"
„Das machen wir gleich. Ich bin jetzt seine neue Pflegerin." grinste Kiki und ich stöhnte leise.
„Kiki, das ist Luke. Luke..."
„Ich kenne das Mädchen." grinste mein Freund.
Wir regelten das Geschäftliche und dann fuhren wir in meine neue, riesige Mietwohnung. Sie war mir viel zu modern, doch für ein paar Wochen hielt ich es hier aus.
Während ich mich endlich mal wieder anständig duschen ging, hörte ich die Menschen in meinem Leben fröhlich plaudern und zum zweiten Mal nach dem Unfall spürte ich Zufriedenheit. Und dann fiel mir auf, dass ich vergessen hatte, frische Wäsche mit ins Bad zu nehmen. Natürlich, das hatte ich ja nie machen müssen! Nun war guter Rat teuer, ich wollte ja nicht meine ganze Familie schocken, in dem ich nackt ins Schlafzimmer rollte! Und mein Lieblings- Flauschbademantel hatte sich Kiki unter den Nagel gerissen, hier lagen nur normal große Handtücher, die ich nicht mal um meinen Bauch wickeln konnte. Ich rollte zur Tür und linste hindurch. Natürlich stand ausgerechnet Kiki in meiner Hörweite!
„Psst!" zischte ich und sie drehte sich erschrocken um.
Ich hatte das Handtuch im Schoß, doch der Rest war nackt und feucht und ich fror.
„Oh, ich wollte dir den Mantel bringen! Sorry, ich war gerade mit Diana in einer Unterhaltung." lächelte sie zerknirscht und lief davon- ohne, dass ich etwas sagen musste!
Etwas später klopfte sie zaghaft an die Badezimmertür. Nach meinem „Herein" öffnete Kiki sie einen Spalt und hielt mir meinen Mantel hin. Ich nahm ihn ihr ab, zog ihn über und rollte an der schnatternden Menschenversammlung vorbei. Suchte mir meine Lieblingsklamotten raus, die Mum in den hypermodernen Schrank einsortiert hatte. Ich konnte die verschiedenen Fächer rauf- und runterfahren. Als ich zurück ins Wohnzimmer fuhr, drückte mir Luke ein Glas Champagner in die Hand.
„Auf deinen Sieg!"
„Noch habe ich nicht gewonnen." murmelte ich.
„Doch, eine mutige Freundin!" blinzelte er. „Outet sich, solch merkwürdige Praktiken zu machen, nur, um dich rauszuhauen."
„Nur komisch, warum sie es nicht gleich der Polizei gebeichtet hat." seufzte ich.
„Gar nicht." erwiderte Kiki. „Es war mir peinlich, ist doch logisch, dass ich das nicht gleich zugeben mag."
„Aber sie haben dich doch zwei Male verhört?"
„Sie haben es geschluckt, und jetzt Schwamm drüber." brummte Mum. „Wer möchte noch Champagner?"
Ich verneinte, denn wir wollten ja noch essen gehen. Leider stellte sich das als fatal heraus, denn die Paps erwischten uns und wir mussten flüchten. Schließlich bestellten wir beim Lieferservice. Luke verabschiedete sich als Erster, dann meine Schwestern und Mum. Nachdem alle weg waren, fragte Kiki schüchtern, ob ich gerne alleine sein wollte.
„Ich war zu lange alleine." lächelte ich sie an. „Von mir aus kannst du für immer bleiben."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro