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Teddy- dritter Teil

Josi

„Hey, Christiane F.! Dein Schützling ist da!" brüllte Jana quer durch den Raum.

Ich blickte von dem Buch auf und schaute in staunend aufgerissene, braune Augen. Sie war hübsch und wahnsinnig jung. Ich seufzte.

„Du bist wirklich Christiane F.? Vom Bahnhof Zoo?" fragte das Mädchen, nachdem ich zu ihr rüber gegangen war.

Ich lachte leise.

„Sehe ich so alt aus?"

„N...nein. Sorry. Aber...ich weiß gar nicht, wie alt Christiane heute ist."

„Als ich noch in den Windeln lag, hat sie sich schon Drogen reingezogen."

„Und warum wirst du so genannt? Hast du gedrückt?"

„Nein, nur gesnieft und geraucht. Aber ich war damals auch noch sehr jung gewesen, wie Christiane, eben. Ich bin Josi." lächelte ich und reichte ihr die Hand.

„Ich bin Laura." lächelte sie.

„Wie alt bist du?" fragte ich.

„Gerade achtzehn geworden, deshalb haben sie mich hierher verlegt." antwortete sie traurig.

„Dann willkommen bei den Vollzeitirren. Also, das hier ist der Aufenthaltsraum- die Bar ist immer geöffnet. Leider müssen sie sparen und die Auswahl ist nicht besonders üppig. Vier Sorten Tee, Wasser mit oder ohne Kohlensäure, Morgens und am Nachmittag Kaffee. Das war es." erklärte ich. „Okay, folg mir einfach. Wo haben sie dich untergebracht?"

„Ich dachte, du zeigst es mir? Übrigens erinnerst du mich ein bisschen an Zooey Deschanel. Die mag ich." entgegnete sie und kam mir hinterher.

Ich lachte leise.

„Ich bin leider keine Dreißig mehr. Aber danke. Hier sind die Therapieräume."

„Du siehst aber so aus. Wie alt bist du?"

„Sechsundvierzig. Warte mal, hier ist der Stützpunkt, ich frag mal nach, wo du hin sollst."

Ich klopfte an die Tür zum Dienstzimmer des Pflegepersonals und hörte Enrico lachen. Er war ein furchtbar von sich überzeugter Typ und ich konnte ihn nicht leiden. Natürlich öffnete nicht er, sondern eine junge Schwesternschülerin, die er sicher schon um den Finger gewickelt hatte. Sie zuckte zusammen, als sie mich sah, ich lächelte freundlich.

„So schnell sieht man sich wieder, hm? Keine Sorge, ich bin wieder normal. So normal, dass ich die Patin machen darf. Das ist hier ist..."

Enrico unterbrach mich: „Die neue Patientin aus Trakt B. Zimmer 23."

„Danke, das wollte ich wissen." knurrte ich.

„Und tisch ihr nicht gleich alle deine Gruselstories auf, Josi!" rief Enrico.

Ich rollte mit den Augen und zog Laura mit mir. Sie fragte irritiert „Was meintest du mit „Ich bin wieder normal"? Dann wärst du doch nicht mehr hier, oder?"

„Ich bin letzte Woche ein wenig ausgetickt. Das habe ich manchmal, besonders, wenn...ach, vergiß es."

„Doch, erzähl mal. Mach dir keine Sorgen, ich ticke auch öfter aus. Guck!" sagte das Mädchen und hielt mir ihre zerstückelten Unterarme hin.

„Hm. So etwas habe ich nie gemacht. Aber ich...naja, ich kokele gerne herum." lächelte ich.

„Kriegt man hier Feuer?" staunte sie.

„Du musst nur die richtigen Leute kennen, dann kriegst du alles. Ist wie im Gefängnis. Okay, hier ist unser Trakt, zufällig sind wir Nachbarn. Hier sind die Duschen...Baden dürfen wir nur mit Sondergenehmigung, weil sich schon zu viele darin umgebracht haben. Deshalb ist dieser Raum hier abgeschlossen. Obwohl, ich glaube, die wollen einfach Wasser sparen." blinzelte ich.

„Wer ist TH ?" fragte Laura plötzlich und ich zuckte zusammen.

Sie guckte auf meine Hand. Griff danach und strich über mein Tattoo am Ringfinger. Murmelte: „Ich habe auch ein TH- Tattoo. Aber bestimmt meinen wir nicht denselben Typen, oder?"

„Das glaube ich kaum, meiner ist schon lange tot." antwortete ich leise.

„Oh Gott. Was? Wer war er?"

„Jemand, den ich heiraten wollte." murmelte ich und schob sie energisch vorwärts. „Ich will nicht darüber reden. Nicht jetzt."

„Sorry. Also mein TH steht für Tom Hiddleston. Jemand, der gar nicht weiß, dass ich überhaupt existiere." schloß sie seufzend.

„Wer ist das?" fragte ich, mehr oder weniger interessiert. „Hier ist dein Zimmer."

„Oh. Das ist aber klein..." murmelte sie.

„Dafür hast du es für dich alleine. Und auch die Nasszelle. Es ist furchtbar, wenn du morgens nicht ins Bad kommst, weil deine Nachbarin dabei ist, sich Muster in den Arm zu ritzen. Sorry, nichts gegen dich."

Laura guckte mich erschrocken an. Nickte und betrat ihr Zimmer. Ich zeigte ihr den Zettel, der an der Tür klebte.

„Die Regeln. Die meisten sind völlig veraltet, und es guckt sowieso keiner nach, ob du um ein Uhr nachts noch am Handy bist. Der Empfang ist allerdings mau. Wlan- Zugänge gibt es nur in den Computerräumen."

„Tom ist Schauspieler." lächelte sie nun, während sie sich scheu umblickte.

Ich spürte, dass sie sich nicht wohl fühlte.

„Laura, tut mir leid. Manchmal rutscht mir so etwas einfach so raus, ich...bin schon zu lange hier." erklärte ich sanft.

„Ist gut. Ich find's ja auch Scheiße. Darf man Bilder aufhängen?"

„Poster oder in Plastikrahmen. Kein Glas. Was macht dieser Tom so? Witzig, meiner hieß auch Tom...Thomas."

„Ja, wirklich." lächelte sie. „Tom Hiddleston hat zum Beispiel Loki gespielt. Auch noch andere Sachen...Kong Skull Island?"

„Ah, ja. Hab davon gehört. Wir kommen hier nicht oft ins Kino. Das Budget, mal wieder. Wo hast du dein Tattoo?"

Laura schloss die Tür. Dann zog sie ihre Jacke aus und ihren Pulli hoch. Auch ihr Bauch war voller Narben, doch unter dem BH, auf Herzseite, prangte ein großes, geschnörkeltes TH.

„Gib nicht auf, Laura." sagte ich leise. „Vielleicht steht er eines Tages vor dir. Weißt du, ich hatte auch nie geglaubt, dass Thomas mich einmal lieben würde, auf diese Art und Weise...ich war in ihn verliebt gewesen, seit ich denken konnte."

Laura lächelte. Ja, nun hatte ich doch geplaudert.

„Ich glaube nicht daran." murmelte sie und ließ den Pulli wieder runter. „Darf ich...dich fragen, was ihm passiert ist?"

Ich seufzte.

„Er ist getötet worden. Ermordet."

Sie riss ihre Augen auf.

„Oh, wie schrecklich! Und ihr wolltet gerade heiraten?"

Ich schüttelte den Kopf.

„Das wäre damals noch nicht gegangen."

„Wer hat ihn umgebracht?"

„Meine Mutter." brummte ich. „Bitte, ich...mag nicht darüber reden. Ich weiß, ich hab angefangen, aber...alles, was ich dir sagen wollte, ist, dass manchmal Wunder geschehen. Dass gute Dinge passieren. Wenn ich nicht daran glauben würde, wäre ich nicht mehr hier." lächelte ich.

„Aber...warum bist du hier, und nicht deine Mutter? Das ist voll ungerecht!" schimpfte Laura und es klopfte. „Ja?"

„Laura Meier?" fragte die Schülerin, die uns eben ja gesehen hatte.

„Die bin ich."

„Ihre Sachen. Wir haben die Einmalrasierer einbehalten. Und das Nähzeug."

„Aber das brauche ich! Mein Skill ist Nähen!" protestierte das Mädchen, die viel jünger als achtzehn wirkte.

„Man hat doch mehrere Skills." entgegnete die blonde Schülerin und stellte die Taschen auf den Boden.

„Aber..." setzte Laura an und ich blinzelte ihr zu.

CONNECTIONS formte ich mit den Lippen und sie lächelte.

„Gut. Was passiert als nächstes?" fragte Laura.

„Sie können auspacken und sich einrichten. Frau Helwig, denken sie an den Küchendienst."

„Ich mach doch schon Pate!" stöhnte ich.

„Sie wissen, dass der Patendienst nur ein Halber ist. Wir haben ja nicht jeden Tag Aufnahmen. Ich kann ja auch nichts dafür, dass sie bei der Dienstverteilung nicht dabei gewesen waren."

Weil ich in der Gummizelle gesessen hatte. Naja, nicht wirklich, ich war auf der Geschlossenen gewesen. Ich ging auf die junge Frau zu und sie zuckte ängstlich zusammen.

„Was ist denn?" grinste ich. „Habe ich jemals einen von ihnen angegriffen?"

„Das dürfen sie gar nicht, dann geht's gleich wieder in die Fixierung!" schnappte sie.

„Ja, ja." brummte ich und winkte Laura. „Bis später. Ich hole dich zum Abendbrot ab."

„Bis dann." lächelte sie und öffnete ihren Koffer.

Ich lief hinter der Schülerin her, nur, um sie nervös zu machen. Ja, das war gemein, aber diese blöde Kuh sollte sich nicht so überlegen fühlen, nur, weil Enrico sie anbaggerte. Der hatte seinen Lümmel sogar schon in einer Patientin gehabt, doch das war vertuscht worden und leider hatte ich, in meiner selbst ernannten Miss- Marple- Rolle, keine Beweise dafür gehabt. Obwohl ich schon zwei Diebstähle und einen Mordversuch aufgedeckt hatte. Naja, der Mordversuch war nicht vorsätzlich gewesen, sondern nur aus Dummheit entstanden. So, wie es zuhauf im Krankenhaus passierte. In der Küche warteten schon die anderen zwei Frauen, die mit mir den Eindeckdienst hatten. Außerdem sagte die Küchenchefin, dass das Personal unterbesetzt wäre und wenn wir Salat haben wollten, müssten wir selbst schnippeln. Ich holte das Gemüse aus dem Kühlschrank und wusch es, während die anderen beiden Teller ausräumten.

„Müssen wir extra- Tabletts richten?" fragte Susi, eine große, breitschultrige Frau mit einer Persönlichkeitsstörung.

„Keine Ahnung." antwortete die Küchenangestellte. „Das fällt den Damen bestimmt erst wieder kurz vor Feierabend ein."

„Dem Herren. Enrico hat die Schichtleitung." erklärte ich.

Celine stöhnte. Die zarte Essgestörte war in ihn verliebt. Naja, fast alle waren es, außer der lesbischen Susi und mir. Die Frauen halfen, den Salat für die dreißig Frauen, die in Trakt A und B untergebracht waren, zu schnippeln. Celine setzte ein Dressing an, das sehr lecker war. Sie war eine gute Köchin, nur aß sie selbst nie. Wir deckten die Tische und schließlich hatten wir noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Abendbrot. Ich kuschelte mich auf mein Bett, war froh, wieder normal schlafen zu können nach den Horror- Nächten im Fix- Bett, wo sie mich auch noch drin gelassen hatten, als ich längst wieder klar gewesen war. Und alles nur, wegen meiner Mutter! Ich machte Atemübungen. Nein, es war nicht gut, wieder auf diesen Trip zu gehen, das würde enden, wie am Valentinstag, als ich im Speisesaal auf einem Tisch gestanden hatte und geschrien hatte:

„Flammen, verzehrt es, wie im Feuerofen!"

So hatten sie es jedenfalls erzählt, wie immer, wußte ich nichts mehr davon. Nero war erst aufgetaucht, nachdem ich Drogen genommen hatte. Ich habe keine Ahnung, ob ich mich tatsächlich für den römischen Kaiser hielt, jedenfalls zitierte ich ihn, wenn ich im Wahn war und herum zündelte. Vielleicht las ich auch zu oft Quo Vadis. Ich tat es immer noch, um Thomas nahe zu sein, obwohl ich völlig vergessen hatte, wie seine Stimme sich anhörte. Sofort spürte ich wieder einen Kloß im Hals und ich sprang vom Bett auf. Sammelte Kleidung zusammen, nahm Geld aus meinem Versteck- wir durften kein Geld auf den Zimmern bewahren- steckte es in meinen BH und ging zum Schwesternzimmer. Enrico tanzte mit der Schülerin. Ich lachte und fragte:

„Gibt's was zu feiern?"

„Hey, Josi. Komm her..." gurrte der Pfleger und tanzte mich an.

Ich grinste schief.

„Du sollst dich nicht immer aus dem Medizinschrank bedienen!"

Er rollte mit den Augen.

„Spielverderber!"

„Ich muss waschen, wie du siehst. Bin eine Woche nicht dazu gekommen. Kann ich den Schlüssel haben?"

Er legte den Kopf schief. Ich seufzte und sagte:

„Heute ist Mittwoch, der 21. Februar 2018. Mein Name ist Josefine Helwig und ich habe nicht die Absicht, etwas anzuzünden. Ehrlich, ich werde keine Dummheiten machen!" flehte ich, denn wenn er die dusselige Schülerin mit schickte, kam ich nicht an die Lieferung heran.

Er nahm den Schlüssel vom Bord.

„Aber wenn du in zehn Minuten nicht wieder hier bist, geht's sofort wieder nach Trakt C!"

„Verstanden, Boss." murmelte ich und zog ab.

Schloß die Kellertür auf und ging die kalte Steintreppe hinunter. Packte schnell die Wäsche in die Maschine, stellte das Programm ein und dann schaute ich mich wachsam um, bevor ich mich hinhockte und in den kleinen Kriechgang krabbelte. Und yes, da lag die Lieferung! Lauter illegale Dinge. Ein neues Feuerzeug. Nur für die Kerzen, verstand sich, ich wollte wirklich nicht kokeln, wenn ich klar war, ja, ich hatte sogar Angst davor, doch ich liebte es, bei Kerzenlicht zu lesen. Dann tonnenweise Schokolade und Chips, was wegen der Essgestörten verboten war. Und das neue King- Buch. Warum es auch immer hier nicht erlaubt war, aber die Therapeuten meinten, es würde mich nur zu Unsinn verleiten. Ich schrieb eine neue Liste, auch Lauras Nähzeug auf, legte sie mit dem Geld hin. Mein Zeugs würde ich später in dem vollen Wäschebeutel verstecken. Dann lief ich schnell hoch und gab den Schlüssel wieder ab. Nun, wenn die Wäsche fertig war, würde der Nachtdienst da sein, und Manuela, die einzige Wache für Trakt B, hatte Besseres zu tun, als meinen Wäschesack zu filzen, obwohl es bestimmt angeordnet war. Ich holte Laura ab und bekam einen Riesenschreck.

„Wer ist das?" hauchte ich und starrte das Poster über ihrem Bett an.

„Na, Tom Hiddleston. Wieso?" lächelte sie.

„Ach, schon gut." murmelte ich.

Diese Augen. Es waren die Augen meines Großvaters! Meiner einzigen Liebe. Nur hatte mein Tom mehr Falten im Gesicht gehabt.

„Komm, wir müssen zum Abendbrot." lächelte ich dann und hielt Laura meine Hand hin.

Sie nahm sie.

„Ist es nicht irre, dass wir beide einen Tom lieben?" sinnierte sie.

„Frag mal, was hier noch normal ist. Selbst das Personal ist komplett durchgedreht." kicherte ich und zeigte auf Enrico, der immer noch herum alberte.

„Ist der immer so?"

„Nur, wenn er bald Feierabend hat. Und am Wochenende frei." blinzelte ich. „Wenn er Nachtdienst machen muss, ist er ungenießbar. Aber er verpennt regelmäßig seine Rundgänge und du könntest bis morgens um sechs durchfeiern, wenn du wolltest."

„Gut zu wissen. Sie haben meinen Laptop nicht einkassiert und ich hab noch einen WLan Stick, wir könnten Kong schauen, wenn du magst." lächelte Laura.

Hm. Anderthalb Stunden einen Kerl anschauen, der die gleichen Augen hatte, wie meine große Liebe? Normalerweise löste Thomas keine Psychose aus, das passierte meist, wenn ich Gewalt mitbekam, oder den Namen meiner Mutter hörte. Letzte Woche hatte eine Mitpatientin ihren neuesten Bestseller geschenkt bekommen. Ja, Mutters Romane standen nicht auf dem Anstalts- Index, wie mein geliebter King!

„Okay. Wenn Enrico Dienst hat." sagte ich also. „Hier gibt es feste Sitzplätze, damit wir uns nicht in die Wolle kriegen. Du sitzt hier, in der Nähe der Tür, wie alle Neuen. Sie wollen dich im Blick behalten. Ich bin da hinten am Oma- Tisch." blinzelte ich.

„Ach, hör auf. Da gehörst du gar nicht hin. Bis später!" lächelte Laura.

Ich wünschte ihr einen guten Appetit und ging zum Buffet. Ich hatte ja genug Nachschlag, also nahm ich mir nur ein Brot und etwas Käse. Dazu den Salat, den wir gemacht hatten und ging zu meinem Tisch.

„Hey. Guten Appetit." sagte ich, aber Luise kriegte es gar nicht mit.

Die ältere Frau war völlig in ihrer Welt versunken. Susi grinste.

„Hast du 'ne Neue?"

Ich stöhnte.

„Klar." brummte ich.

„Sie sieht nett aus." piepste Celine und atomisierte ihre halbe Gurkenscheibe.

Ich beugte mich zu ihr und raunte:

„Essanfall bei mir? Um halb neun?"

Sie kicherte und nickte.

„Oh, darf ich auch kommen?" tönte Susi und ich legte den Finger auf die Lippen.

Ach, sie war wirklich der Elefant im Porzellanladen! Und sie konnte nichts für sich behalten, ich musste Laura vorwarnen. Denn Susi hatte Laura schon im Visier. Sie checkte immer zuerst ab, ob vielleicht eine Lesbe mehr zu uns gekommen war, bei mir hatte sie es auch versucht gehabt und wußte mittlerweile, dass ich es früher zwar für Geld getan hatte, aber Frauen sonst nichts abgewinnen konnte. Alle mieden Susi, weil sie so plump war, und sie war einsam und allein. Manchmal besuchte ich sie aus Mitleid, nur um nach drei Minuten wieder zu gehen, weil sie mir irgendwelche Lügenstories auftischen wollte und über die anderen herzog. Auch jetzt fing sie wieder an, Celine und ich wechselten einen kurzen Blick. Susi spürte nicht, dass wir es nicht hören wollten, doch als sie anfing, über Luise zu reden, fuhr ich sie an:

„Genug jetzt! Ich verstehe ja, dass du nichts anderes hast, als deine Stories, aber das geht zu weit! Lu sitzt genau neben dir!"

Susi riss ihre blassblauen Augen auf.

„Ich habe doch gar nichts gesagt!"

„Du redest die ganze Zeit!" schoß ich zurück. „Ohne nachzudenken! Dabei weiß ich genau, dass du noch drei oder vier Gehirnzellen hast! Benutze sie gefälligst."

Susi sprang auf und nun zuckte ich zusammen.

„Ich bin doch nicht beschränkt!" schrie sie.

„Das weiß ich." stammelte ich und guckte auf meinen Teller. „Beruhige dich, bitte."

„Du hast angefangen!" schrie sie.

„Susi, setz dich." knurrte Luise.

Woah. Wir guckten sie alle drei überrascht an. Susi setzte sich und aß weiter, als wäre nichts passiert. Natürlich kam Enrico und fragte, was los war.

„Nichts." sagten wir drei aus einem Mund, Luise war still.

„Die anderen haben mich geholt, weil Susi herum gebrüllt hat." gab er zurück und starrte mich an.

„Sie hat sich verschluckt." lächelte ich, obwohl ich immer noch zitterte.

Gewalt. Ich sah die Männer vor mir, die ich nie gesehen hatte. Tom, am Boden. Er hatte keine Chance gehabt, und die Wärter hatten einfach zugesehen...

„Mir ist schlecht." murmelte ich. „Ich glaube, ich habe einen Infekt."

„Na, dann geh." murrte Enrico. „Aber merkt euch eins- noch einmal so einen Scheiß, und ihr wandert alle nach Haus C."

Susi prustete los.

„Da haben die gar nicht soviel Platz, Schlaumeier."

Mehr hörte ich nicht, weil ich aufgestanden war und zur Toilette lief. Ich erbrach das Brot und begann, zu heulen. Versuchte, gegen das Schwirren im Kopf an zu atmen, es mich nicht völlig einnehmen zu lassen. Wurde wütend auf die dumme Susi, die mich dazu gebracht hatte...nein. Es war ganz allein mein Problem. Mein Nero. Komm, du hattest letzte Woche deine Show, dachte ich, nun lass mich bitte wieder Josi sein. Die Dirne. Ja, an dem Tag, als ich mit Thomas am Tisch gesessen hatte und die Mutzenbacher gelesen hatte, wußte der gute Kerl nicht, dass ich dieses Buch schon längst gekannt hatte. Ich hatte es als kleines Mädchen gelesen, weil ich geglaubt hatte, dass ich von einer erwachsenen Frau besessen wäre. Ich konnte nie etwas mit Gleichaltrigen anfangen und irgendwann hatte sich die fixe Idee festgesetzt, ich sei eine Frau in Kindergestalt. Deshalb war ich so geschockt gewesen, als Tom es mir genau so gesagt hatte. Und ich hatte ihn nie fragen können, woher er es gewußt hatte! Heute denke ich, dass diese Idee genauso wahnhaft war, wie Neros Existenz, doch damals war ich völlig davon überzeugt gewesen. Und das war der Grund gewesen, warum ich es niemals abwegig gefunden hatte, dass Tom mit mir schlafen wollte. Laura kam herein und nahm mich wortlos in den Arm. Ich legte meine um ihre knochigen Schultern und schluchzte auf.

„Ich vermisse ihn so sehr." weinte ich.

Obwohl er jetzt wohl auch nicht mehr da gewesen wäre, wenn er überlebt hätte. Doch hätte ich wenigstens noch zehn oder fünfzehn Jahre mit ihm haben können! Und ich wäre jetzt nicht in der Langzeittherapie.

„Magst du mir nicht ein bisschen von ihm erzählen?" murmelte Laura. „Manchmal hilft das."

Ich schüttelte den Kopf und machte mich los.

„Ich hab noch zu tun." hauchte ich. „Irgendwann erzähle ich es dir, aber nicht jetzt. Ach ja...wenn Susi dich anquatschen sollte...vertraue ihr besser nicht."

„Ich traue niemandem." murmelte Laura. „Aber wenn du mir sagst, was dir passiert ist, würde ich es umgekehrt auch tun."

„Mir ist nichts passiert. Ich bin nur ganz normal verrückt."

„Ich denke, deine Mutter hat deinen Freund umgebracht?"

Ich guckte sie an.

„Kennst du..."

Die Tür ging auf und zwei Patientinnen kamen herein.

„Wir reden ein anderes Mal." lächelte ich und ging.

Laura folgte mir.

„Ich habe auch keinen Appetit mehr. Müsst ihr nicht abräumen?"

„Nein. Das machen andere."

„Und...was kann man hier Abends so tun?"

„Bis zehn darf man den Gemeinschaftsraum benutzen. Aber da sitzt kaum jemand. Zimmerbesuche sind eigentlich nur am Wochenende erlaubt, aber wir machen es trotzdem." erklärte ich.

„Okay." murmelte sie traurig.

Ich erklärte:

„Hör zu. Ich kriege um halb neun Besuch und...sie mag es nicht, wenn noch jemand dabei ist. Meistens geht sie schnell wieder. Dann komme ich noch kurz zu dir, okay?"

Laura nickte erfreut.

„Bis später!"

Ich seufzte. Ja, ich war nicht nur Marple, manchmal auch Mutter Teresa. Ich wünschte, diese Persönlichkeiten würden die Oberhand behalten! Ich hörte ein bisschen beruhigende Musik und schrieb mein Tagebuch, dann machte ich meine Yoga- Übungen und schließlich war die Wäsche fertig und ich holte den Schlüssel. Ich brachte das Zeug komplikationslos ins Zimmer und versteckte das Feuerzeug gründlich. Das Buch schob ich ins Regal, selbst, wenn sie es durchsuchten und fanden, wäre es nicht schlimm. Punkt halb neun klopfte es und ich öffnete Celine. Wir hockten uns auf den Boden und ich legte ein Stück Schokolade vor sie. Sie begutachtete es, als wenn es sie fressen könnte und nicht umgekehrt. Ich stopfte mir Chips rein, weil ich nun natürlich Hunger hatte. Im Hintergrund lief der Soundtrack von „Penny Dreadful", eine meiner Lieblingsserien. Celine nahm das Stück Schokolade und führte es zum Mund. Kaum hatte sie es auf der Zunge, kippte sie nach hinten und stöhnte, als wenn sie einen Orgasmus bekommen hätte. Ich kicherte und dachte, dass ich meine Chips auch achtsamer essen sollte.

„Willst du noch eins?" nuschelte ich mit vollem Mund.

„Um Himmels Willen. Hm, sind das diese Rosmarin- Dinger, von denen du geschwärmt hast?" entgegnete sie und zeigte auf die Tüte.

Ich nickte und reichte sie ihr. Ihre dünnen Finger langten hinein und sie zog das winzigste Stück Chips heraus, das die Tüte wohl hergab. Betrachtete es wieder lange.

„Stehen die Kalorienangaben da drauf?" fragte sie unsicher.

„Ja, aber dieses Stück da wird nicht mehr als eine Kalorie haben." blinzelte ich. „Und die läufst du dir auf dem Weg zu deinem Zimmer wieder ab."

„Hör auf, mich zu veräppeln. Ich hab zugenommen."

„Oh, ja, du sprengst die Waage." seufzte ich. „Celine, du wiegst vierzig Kilo. Ich fast das Doppelte und du bist einen Kopf größer als ich. Finde den Fehler."

„Ich bin essgestört. Du nicht."

„Nennst du eine ganze Tüte Chips und ne halbe Tafel Schokolade zum Abendbrot etwa normales Essverhalten?" grinste ich.

„Nee, aber du bist trotzdem nicht so gestört wie ich. Hm. Lecker. Darf ich noch einen?" lächelte sie dann.

Und nach einem Stück Schoki und zwei Mini- Chipskrümeln drehte Celine voll auf. Sie verlangte nach tanzbarer Musik und ich wurde sie nicht so schnell los, wie erhofft. Natürlich mochte ich ihre Gesellschaft, wir waren so etwas wie Freundinnen, aber Laura wartete ja! Doch um Zehn war Runde angesagt und ich erinnerte Celine zehn Minuten vorher daran. Sie bedankte sich für das Fressgelage und verschwand, schnell versteckte ich die Fressalien und ging Zähne putzen. Dann zog ich mich um und schon klopfte es.

„Helwig. Hab schon gehört, dass du wieder da bist. Wenn noch einmal deinetwegen die Sprinkleranlage angeht, wirst du aus Trakt C nicht mehr rauskommen, glaube mir das!" knurrte die Schwester, die in meinem Alter war.

„Ich schwör, ey." sagte ich bierernst und plötzlich lachte Manuela los.

Ich grinste und sie gab mir Hi Five.

„Haben wir einen Deal?" grinste sie zurück.

„Yep. Ich habe doch noch nie gekokelt, wenn du Schicht hattest. Und schon gar nicht in der Nacht. Mein innerer Feuerteufel liebt Publikum!"

„Ich hoffe für dich, dass er langsam mal Ruhe gibt. Dass du Ruhe gibst. Gute Nacht."

„Gleichfalls."

Nun, wir kannten uns schon acht Jahre. Seitdem ich hier war, quasi. Kaum war Manuela raus, lauschte ich an der Tür. Ich hatte das vorletzte Zimmer auf dem Flur, Laura das Letzte. Manuela brauchte nicht lange bei Laura und als sie wieder ging, wartete ich, bis sie um die Ecke war, dann schlüpfte ich zu meiner neuen Nachbarin. Leider hatte Susi den gleichen Einfall gehabt und schaute mich erschrocken an. Ich kicherte und klopfte. Erklärte Laura, warum ich so spät war und entschuldigte mich nach fünf Minuten, dass ich müde sei. Ich ließ die Beiden sich beschnüffeln und ging wieder in mein Zimmer. Las noch ein wenig, doch ich schlief schneller ein, als gedacht.

Mein Wecker klingelte um halb sieben, damit ich rechtzeitig für den Eindeckdienst fertig war. Ich duschte und zog mich an, dann ging ich kurz zu Laura rüber, weil ich sie fragen wollte, ob sie mitmachen wollte, um schon mal rein zu kommen. Und ich könnte ihr die Küche zeigen. Ich klopfte an ihre Tür. Hörte etwas Poltern und ging ohne Antwort hinein, weil ich Schiss hatte, dass Laura Mist baute. Und stand vor der nackten Susi!

„Scheiße. Ich, äh...bin hier voll eingepennt." grinste sie. „Wie gut, dass du nicht der Frühdienst bist."

„Der kommt als nächstes. Hau bloß schnell ab." sagte ich, immer noch irritiert.

„Yep. Du verrätst doch nichts, oder?"

Ich hätte beinahe laut gelacht. Fragte die, die immer alles verriet!

„Nein. Wo ist Laura?"

Das hübsche Mädchen kam aus dem Bad und ich sah, dass ihre Augen leuchteten. Susi hatte mittlerweile Jogginghose und Shirt an und sie küssten sich.

„Leute!" ermahnte ich und luscherte aus der Tür.

„Bin schon weg. Bis später, Babe." blinzelte Susi.

„Ich dachte, du magst Tom Hiddleston?" fragte ich Laura.

„Ja. Er ist der einzige Kerl, den ich mag. Ansonsten stehe ich mehr auf Frauen."

Ich nickte.

„Bitte sei vorsichtig, was du ihr erzählst, ja?"

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich niemandem vertraue. Wir haben nicht geredet. Nicht viel..." blinzelte sie.

Ich kicherte und fragte:

„Alles klar. Möchtest du mit in die Küche kommen? Deshalb bin ich hier."

„Gerne. Gib mir nur fünf Minuten zum Anziehen."

Nach dem Frühstück war Basteln angesagt. Als Kind hatte ich es gemocht, jetzt war ich davon genervt. Ich bemalte ein Seidentuch und dann ging es in die Gruppe. Da ich letzte Woche einen Ausraster hatte, musste ich erzählen. Dann berichtete der Therapeut etwas über Wahnerleben und brachte uns etwas über Medikamente bei. Alles schon hundert Mal gehört. Beim Hinausgehen fragte mich Laura: „Gibt es eigentlich Besuchszeiten?"

„Ja. Frag die Schwestern. Ich vergesse sie immer, weil ich eh keinen Besuch bekomme."

„Hast du keine Verwandten?"

„Doch, aber die mögen mich nicht besonders, weil ich versucht habe, sie anzuzünden. Besser gesagt, ihre Häuser. Mama würde mich lieber im Gefängnis sehen, glaube ich."

„Dabei gehört sie doch dahin!"

Ich seufzte. Beschloß, Laura aufzuklären, dass meine Mutter nur indirekt für den Tod meines Liebsten verantwortlich gewesen war. Wir setzen uns in ihr Zimmer und ich himmelte das Poster an.

„Er ist wirklich ein Hübscher." lächelte ich.

„Hm. Also, erzähl."

Ich seufzte. Naja, verdient hatte sie es doch, irgendwie, und passieren konnte mir nichts, meine Geschichte war lange kein Geheimnis mehr, wenn man einigermaßen auf zack war, konnte man sie sogar in einem  Roman meiner Mutter herauslesen.

„Kennst du die Autorin Anne Leonard?"fragte ich.

Laura rollte mit den Augen.

„Oh, ja. Meine Mutter ist ganz begeistert von ihrem New Me- Schund!"

Ich klatschte in die Hände.

„Yes! Endlich mal jemand, der sich nicht von Mama blenden läßt! Sie war eine schreckliche Mutter, sie ist nie da gewesen. Und dann hat sie den einzig gebliebenen Menschen, der sich wirklich um mich gekümmert hatte, verraten, nur, weil es ihr nicht gepaßt hat, dass es ihr eigener Vater war."

Laura's riss ihre Augen auf.

„Ich kapier's nicht...ihr Vater? Dein Opa?"

Ich nickte.

„Mein Opa war TH. Thomas Helwig. Die einzig wahre Liebe meines Lebens."

Nun, diese Reaktion kannte ich. Ihr Blick veränderte sich, von Überraschung, zu Unglauben und endete in einem Ausdruck abgrundtiefen Abscheus. Ich stand auf, doch sie hielt mich fest.

„Nein, warte. Ich habe nur...das hat mich..."

Ich zuckte zusammen.

„Hab ich dich getriggert?"

Sie schüttelte ihr langes, rotbraunes Haar.

„Nicht direkt. Ich kapier' nur nicht...weißt du, ich habe alles getan, damit dieses Arschloch seine Strafe bekommt, und du...hast ihn geliebt?"

Wieder guckte ich auf das Poster von dem anderen TH, dessen Blick mich irgendwie beruhigte.

„Nicht er war der Täter, Laura. Ich war es." hauchte ich.

„Du hast ihn...verführt?"

„Ich brauchte es nicht. Tom hatte verstanden, was in mir ist, er hat..." ich schnappte nach Luft. „...erkannt, dass ich kein Mädchen war. Ich...dachte es. Weißt du, ich war als Kind schon kreuzverrückt, und er...ist absolut in die Falle gelaufen, im Prinzip habe ich ihn auf dem Gewissen. Wäre ich ein normales Mädchen gewesen...das ihren Opa lieb hat..." Ich weinte bitterlich und Laura, die halb so jung war, wie ich, nahm mich in den Arm.

Ich hatte es noch niemandem so erzählt. Hatte immer darauf beharrt, dass Tom nicht Schuld gewesen war, aber das ICH mich schuldig fühlte, hatte ich verschwiegen.

„Wer hat ihn getötet?" murmelte Laura.

„Er war im Gefängnis. Dort..."

Ich jaulte auf, wie ein verletztes Tier. Laura nickte.

„Verstehe. Das habe ich mir auch für Rüdiger erhofft. Meinen Stiefvater. Aber er kannte wohl Leute im Knast, die ihn beschützt haben. Obwohl er ein brutaler Kinderschänder war."

Mir wurde übel und ich ließ Laura los.

„Dagegen ist meine Story ein schlechter Witz. Was ist mit deiner Mutter?"

„Die denkt, ich hätte das Schwein dazu getrieben, mich zu vergewaltigen und dass er mich an seine Kumpel verhökert hat, sei eine Lüge."

Ich erwiderte:

„Genauso eine blöde Kuh, wie meine Mutter. Mir ist gerade was eingefallen. Heut ist Donnerstag, nicht?"

Sie nickte.

„Heute nachmittag ist Besuchszeit. Denn meine Mutter war mal an einem Donnerstag hier gewesen, an meinem Geburtstag. Vor...keine Ahnung. Ist lange her. Ach, und noch was. Zwischen fünf und neun dürfen wir Wäsche waschen. Ich hol dich vor dem Abendbrot ab und zeig dir alles, okay? So, jetzt muss ich zum Sport..."

Laura seufzte.

„Ich hab Einzel. Werd' der Therapeutin eh nichts erzählen. Lieber dir."

Ich lächelte.

„Pass mit Susi auf, ja? Ich will nicht, dass sie dir weh tut."

„Sie ist total vernarrt in mich, das hast du doch heute morgen mitbekommen?"

„Ja. So war sie noch nie, aber...pass einfach auf. Bis später. Hilfst du wieder beim Eindecken?"

Sie nickte und stand ebenfalls auf. Ich lief zum Gymnastikraum, war spät dran. Von den dreißig Frauen waren gerade mal fünf dort, mit mir sechs. Einige schwänzten einfach, andere dachten sich eine Krankheit aus, und wenige hatten, wie Laura, eine andere Therapie. Ich mochte die Physio- Gruppe, denn dort konnte ich vergessen. Setzte mich neben Luise auf den Gymnastikball und erhielt einen tadelnden Blick von der Therapeutin Frau Kallies, die gerade die Namen aufschrieb.

„Tschuldigung." lächelte ich.

„Hast du Kummer?" hauchte Luise.

Ich schaute sie überrascht an. Sie kriegte selten etwas mit, aber wußte genau, wann sich jemand umbringen wollte, ich hatte sie mal „Die Suizidgefährdetenflüsterin" genannt und nun war sie bei allen SGF. Ich wollte mich nicht umbringen, aber die Unterhaltung von eben hatte mich schwer getroffen, das Gefühl der Schuld, den Verlust meines Geliebten. Ich nickte.

„Wir legen los, die Damen." unterbrach die Kallies.

„Aber bitte keine Ballermann 6- Schlager." stöhnte ich und schon dröhnte irgendein verpoppter Latino- Song durch den Raum.

Frau Kallies zeigte vor, was wir tun sollten und ich vermied es, mich bei den Übungen im Spiegel zu betrachten. Wie immer, empfand ich mich als fett und häßlich. Anders als damals, als Tom mich noch geliebt hatte. Dieses Gefühl hatte ich immer wieder gesucht, doch nie gefunden. Ich hatte den Freiern nicht abnehmen können, dass sie wirklich mich wollten. Sagte ich, bei Sport würde ich abschalten können? Heute ging es nicht.

„Arme hoch! Gut so! Luise, schlaf nicht ein!" tönte die große Brunette.

Plötzlich rutschte Luise vom Ball. Sie zuckte und hatte Schaum vor dem Mund.

„Holt schnell eine Schwester!" rief ich, kniete mich zu ihr und drehte Luise auf die Seite.

Und dann hörte sie auf, zu atmen.

„Nein! Verdammt." heulte ich.

Ich drehte sie wieder zurück und begann mit der Wiederbelebung. Wir hatten alle regelmäßig Erste Hilfe- und Reanimations- Kurse angeboten bekommen. Denn oft war eine von uns zuerst bei denjenigen, die sich umbringen wollten.

„Komm schon!" fluchte ich.

Die Schwestern waren da und drängten mich weg. Auch ein Arzt kam und die Kallies scheuchte uns alle raus. Ich zitterte. Mona, eine übergewichtige Mittvierzigerin wie ich, nahm meine Hände.

„Das hast du gut gemacht, Josi. Ich hätte das nicht geschafft." lobte sie mich.

„Das war Reflex. Gott, hoffentlich schafft sie es."

Wir schauten uns wissend an. Ich meinte nicht, dass sie überleben sollte, und auch Mona hatte verstanden. Es war kein Leben mehr, das unsere Anstaltsoma Luise geführt hatte, sie war völlig mit Medikamenten zugedröhnt gewesen und wäre hier niemals lebend heraus gekommen, weil niemand ihr zuhause eine Chance geben wollte. Alle hatten Angst vor ihr, vor ihren Dämonen, sie war schizo, wie ich. Nur ich hatte meine besser im Griff und wußte fast immer, dass sie nicht echt waren, während Luise von ihnen völlig besetzt war. Die Schwestern hatten eine Trage geholt und brachten die leblose, ältere Frau weg. Ich weinte leise.

„Mach's gut, SGF. Ich hab's nicht kapiert. Verrückt, nicht?"

Mona grinste.

„Was ist denn hier nicht verrückt? Denkst du echt, sie hat 'ne Überdosis genommen?"

Ich nickte.

„Irgendwie hat sie es geschafft, zu sammeln. Oder sie ist ins Schwesternzimmer, während Enrico die Schülerin flach gelegt hat." knurrte ich verärgert.

„Das würde Enrico niemals tun!" schnappte Mona.

Oh, je, ich hatte vergessen, dass ich es hier mit einem eingefleischtem Fan zu tun hatte! Ich lächelte entschuldigend. Dann ging ich in mein Zimmer, machte mich frisch und zog mich um. Hörte noch ein wenig Musik, bis es Zeit war, für das Mittagessen aufzudecken. Ich zog gerade die Kopfhörer aus den Ohren, da ging die Tür auf. Laura, Susi und Celine kamen herein und hockten sich zu mir. Laura umarmte mich fest.

„Wir haben schon gehört, was los war."

„Wisst ihr, was mit Luise ist?" fragte ich.

Susi schüttelte den Kopf.

„Sie werden uns vielleicht nach dem Essen Bescheid sagen."

„Ich hab gar keinen Hunger." murmelte ich.

Erzählte den Frauen, was Luise zu mir gesagt hatte, dass sie gesprochen hatte. Und dass ich es doch hätte schnallen müssen, doch ich war von meinen eigenen Erinnerungen wieder mal viel zu besetzt gewesen! Celine winkte ab.

„Hör auf damit. Sie wollte gar nicht gerettet werden, vielleicht wollte sie nur Tschüß sagen."

Nun war es ganz aus und ich heulte. Laura bot an, meinen Küchendienst zu übernehmen, aber ich sagte, dass ich genau das jetzt brauchen würde. Klatschte mir kaltes Wasser ins Gesicht und zog mit der Gang los. Ich musste grinsen. Was waren wir nur für ein merkwürdiger Haufen! Zuerst die dürre Celine, die genauso groß wie Susi war, aber bestimmt zwanzig mal in Susi hinein passte. Celine's spitzes Mausgesicht sah immer so aus, als wäre sie mies gelaunt, und wenn sie lächelte, sah es eher gruselig aus, weil die Haut über den Knochen spannte. Ihre Kleidung war konservativ- Stoffhosen und Blusen, die sie noch älter aussehen liessen. Sie war neunundzwanzig. Dann Susi mit dem Pausbackengesicht, den leuchtenden Kinderaugen und der Figur eines Wrestlers. Sie trug immer Sportkleidung. Laura hingegen war eine Schönheit, wenn man von den Narben absah. Sie hatte sie unter einem langärmeligem Pulli versteckt, trug Jeans, wie ich. Meine Metal- Shirts durfte ich hier nicht tragen, da sie die anderen Patientinnen stören könnten, so trug ich einfaches Schwarz. Passte ja heute prima. Passte fast jeden Tag, denn ich war ja Witwe.

Das Mittagessen verlief schweigend, wie immer, wenn so ein Vorfall das Haus erschüttert hatte. Die Schwestern hatten erlaubt, dass Laura sich zu uns setzen durfte und ich beobachtete mit Vergnügen, wie süß die beiden Frauen miteinander waren. Erfreute mich an ihrer Verliebtheit. Susi hofierte Laura gerade zu, trug ihr alles zum Tisch, ich war fast versucht, sie zu fragen, ob sie sie nun auch füttern wolle. Und prompt war die Erinnerung da. Wie ich eine Darmgrippe hatte und Thomas versucht hatte, Suppe in mich hinein zu bekommen. Ich war noch recht klein gewesen, vielleicht vier oder fünf, hatte auf seinem Schoß gesessen und ihn ständig angespuckt. Er war ruhig geblieben, bis ich schließlich, nach Ewigkeiten, einen Löffel herunter geschluckt hatte. Ich war völlig verrotzt gewesen, vom Heulen und Spucken, doch er hatte mich sanft gekuschelt. Als Belohnung für den einen Löffel, ich wollte mehr Kuscheleinheiten, so hatte ich mir schließlich die Hälfte der Suppe einflößen lassen. Doch er hatte seinen Deal gebrochen und mich sofort danach in die Badewanne gesteckt. Ich war so sauer gewesen, dass ich mir vorgenommen hatte, nun nichts mehr von ihm anzunehmen. Doch das hatte gerade mal einen halben Tag gehalten gehabt!

Wieder spürte ich, wie sehr ich Thomas vermisste. Ich realisierte, dass ich mein Essen nicht angerührt hatte, genau, wie Celine ihre eine Brokkolirose. Doch ich würde daran nicht sterben und so versuchte ich, Celine zu überzeugen, sie zu essen. Tatsächlich kam der Anstaltsleiter, als sie gerade die Gabel zum Mund führen wollte und ich hätte ihn erschießen mögen!

„Sie haben sicher alle schon von dem Vorfall aus der Gymnastikgruppe heute morgen gehört." begann der Typ, der aussah, als wäre er in den Siebzigern hängen geblieben. „Leider ist Frau Markmann verstorben. Sie hatte wohl versehentlich ihre Medikamente verwechselt."

Susi schnaubte los.

„Na, klar doch, Hippie."

Er fuhr fort: „Aufgrund dessen haben wir die Besuchszeit für heute um zwei Stunden verkürzt. Bitte informieren sie ihre Angehörigen, dass sie nur bis achtzehn Uhr bleiben können."

Viele protestierten, denn der Besuch war für sie das Highlight der Woche. Nun, mir machte es nichts aus. Selbst, wenn jemand kommen würde- meine Cousinen oder mein Bruder- hätte ich nicht sechs Stunden mit ihnen verbringen wollen, selbst die vier, die jetzt noch übrig waren, wären mir zu viel.

„Ich muss mich umziehen!" tönte Celine und sprang auf. „Papa kommt."

Sie bewunderte ihren Vater, dass es fast an Besessenheit grenzte. Nun, wir waren nicht hier, weil wir Fußpilz hatten, sondern weil wir alle gaga waren. Außerhalb der Norm. Dennoch war Celine ganz unschuldig in ihrer Liebe zu ihrem Vater und überhaupt nicht mit mir zu vergleichen. Sie war ein Kind in Frauengestalt, bei mir war es umgekehrt gewesen. Ich betrachtete traurig ihren Teller, sie hatte nichts gegessen. Laura und Susi fragten, ob ich mit ihnen später Uno spielen wollte, sie würden auch keinen Besuch bekommen. Ich schüttelte den Kopf.

„Ich möchte mich ein wenig sortieren. Und mein Yogaprogramm machen. Vielleicht komme ich später darauf zurück."

Die beiden nickten und ich verließ den Speisesaal, nachdem ich meinen und Celines Teller weg geräumt hatte. Sie hatte ihn nicht mit Absicht stehen lassen, normalerweise war sie darin total zwanghaft und musste sich tausendmal vergewissern, was noch auf dem Teller lag. Susi hatte sie einmal angeschnauzt, weil sie zu lange vor dem Essenabwurf gestanden hatte. Dafür hatte ich Susi angeschnauzt und wir hatten eine Woche lang Funkstille gehabt. Ich seufzte. Ja, das war mein Leben. Lauter Verrückte, anstatt Kinder und liebevoller Ehemann. Ich machte mir überhaupt keine Illusionen mehr, dass ich jemals aus der Psychomühle heraus kommen würde, ich war einfach zu krank und außerdem musste ich die Strafe dafür absitzen, meinen Opa umgebracht zu haben. Hätte ich nur nein gesagt, mich gegen meine Sehnsucht gewehrt, abgewartet, bis es legal gewesen wäre...Hätte, hätte, Fahrradkette. Ich versuchte, mich auf die Yogaübungen zu konzentrieren, doch immer wieder tauchte Luise vor meinem Geist auf.

„Hast du Kummer?"

Ich warf mich vornüber auf die Matte und schrie leise auf. Atmen. Atmen.

„Hast du Kummer?"

Ein, aus. Ganz ruhig... Ich kam hoch und schaute zum Schrank, in dem das Feuerzeug lag. Dann dachte ich an das Fixbett und schüttelte den Kopf. Sprang auf und machte laute Musik an, begann, wie Irre herum zu springen und zu tanzen, und ja, das brachte es endlich! Ich spürte die Endorphine durch mein Blut rauschen und drehte mich, stieß gegen meinen Schreibtisch, aber egal. Plötzlich ging die Tür auf, natürlich hatte ich es nicht Klopfen gehört. Klar, jetzt gab es Ärger. Mittagsruhe! Enrico guckte mich genervt an. Ich grinste und winkte dieses Mal ihm. Er zögerte, dann drehte er sich um, schloß die Tür und begann, seine Hüften zu kreisen. Ich lachte, weil er so merkwürdig tanzte, und wir flippten herum, bis die Tür wieder aufging und die kleine Schülerin mich mit ihren Blicken durchbohrte, als wäre ich ernsthafte Konkurrenz. Enrico blieb sofort stehen und rief: „Es ist Mittagsruhe, Josi. Mach die Musik aus."

Ich folgte seiner Aufforderung.

„Ina, schau bitte nach, ob die anderen Patientinnen in Ordnung sind." befahl er dann und die Schülerin verzog ihr hübsches Gesicht.

Dann machte sie kehrt und verschwand. Enrico raunte: „Ich habe die Milka- Schoki nicht bekommen. Ansonsten alles da. Gern geschehen."

Ich nickte. Er blinzelte mir zu und ich fragte mich wiederholt, ob er es wirklich nur des Geldes wegen tat, ich musste natürlich einen Aufpreis bezahlen. Er wußte, dass meine Mutter reich war und mir immerzu Geld gab, damit ich die Klappe hielt. Und weit genug von ihr fern blieb. Enrico ging. Mein Puls kam langsam wieder runter. Ich legte mich hin und las ein wenig im neuen King, doch der war tatsächlich super schräg und ich spürte, dass er mich aufregte, so legte ich ihn weg und nahm mir etwas leichte Kost. Terry Pratchett. Das war besser! Ich war total in der Scheibenwelt versunken, als es plötzlich wieder klopfte. Ich guckte auf die Uhr, es war halb drei, also keine Rundenzeit. Die Pfleger würden erst um vier wieder herum gehen.

„Ja?" fragte ich.

Ina öffnete. Sie schien verwirrt.

„Äh, ich soll dich holen. Oder...Bescheid sagen, du hast Besuch."

„Wer?"

„Ein Kerl. Ich soll dich nur holen." seufzte sie genervt.

Ich schmunzelte innerlich. Sie hasste es, wenn Enrico sie herum scheuchte, doch das war nun mal ihr Job! Ich dachte sofort daran, dass Micha mich besuchen gekommen war, so ließ ich mein Haar verwuschelt und die schlampige Yogahose, die alle Mängel meines Körpers schonungslos präsentierte, an, denn mein Bruder konnte ruhig sehen, wie kaputt ich war. Er hatte mir zwar nie etwas getan, aber er war immer Mamas Liebling gewesen und nun ebenfalls erfolgreich. Ich schlurfte hinter Ina her, sie deutete auf den Besuchsraum, der voll war. Und viel zu laut. Ich wollte nicht hier sein!

„Da hinten sitzt er. Mit dem Hund. Keine Ahnung, warum er den mit rein nehmen durfte..." brummte sie. „Viel Spaß."

Seit wann hatte Micha einen Hund? Oh, war der süß! Noch klein und tapsig. Er schaute sich irritiert um. Bestimmt war es ihm auch zu laut! Der große Mann, der gerade seinen Kopf streichelte, war nicht Micha. Mein Bruder war nur etwas größer als ich und hatte graue Haare, auch, wenn er drei Jahre jünger war. Sie waren ergraut, nachdem ich sein Haus angezündet hatte. Mein Besuch hatte rötliche, lockige Haare und einen Wuschelbart. Er trug eine schwarze Sonnenbrille und einen kurzen Moment dachte ich, dass er vielleicht blind war, aber für einen Blindenhund war das Tier noch zu jung. Nun, vielleicht ein Gutachter oder Anwalt meiner Mutter. Darauf hatte ich noch weniger Lust, als auf meinen Bruder! Nun schämte ich mich doch etwas für meinen Aufzug, aber umziehen ging auch nicht mehr. Ich durchquerte den Raum und spürte den leichten Schwindel, der aufkam, wenn ich neue Situationen meistern musste, mich mit Fremden unterhalten musste. Normalen Fremden, hieß das. Der Hund stand auf und kam mir entgegen, ich erstarrte.

„Keine Angst, er tut nichts." sagte der Mann und ich wurde fast ohnmächtig, denn er hatte Thomas' Stimme.

Sie war etwas anders, nicht ganz so rau und brüchig, wie es bei einem älteren Mann eben war, denn dieser Kerl war ja noch nicht alt. Doch die Betonung...und dieser kaum hörbare, englische Akzent. Wirklich, jeder andere konnte ihn nicht hören, doch ich hatte es von klein auf getan.

„Ich..." begann ich, ich wußte nicht, was ich sagen sollte.

Der Mann sprang auf.

„Entschuldigen sie. Ich sollte mich vorstellen. Also, ich bin..." er stockte, denn ich hatte mich zu dem Hund runter gebeugt, der sich an mein Bein geschmiegt hatte.

Und da ich einfach zu wenig Zärtlichkeiten bekam, hatte ich unhöflicherweise die Chance genutzt und mich zu dem Fellknäuel gekniet, um ihn zu knuddeln. Der Mann lachte leise. Der Hund leckte über mein Gesicht, weil mir schon wieder eine Träne hinunter gekullert war, warum auch immer.

„Na, lass." kicherte ich und stand wieder auf. „Entschuldigen sie. Ich mag Hunde. Ich bin Josi- Josefine Helwig."

„Ich weiß." lächelte der Mann und reichte mir die Hand. „Mein Name ist Tom."

Und nun sah ich es. Mit dem Bart hatte ich ihn nicht erkannt, und die Augen waren versteckt, jetzt wußte ich, warum. Ich kniff die Augen zusammen und griff nach seiner Brille. Nahm sie sanft runter und stieß überrascht die Luft aus.

„Ach du meine...oh." japste ich. „Tom..." ich senkte meine Stimme und flüsterte: „Hiddleston?"

Er nickte verlegen. Setzte sich in den Sessel, ich mich gegenüber und der Hund legte seinen Kopf neugierig in meinen Schoß.

„Und wer bist du?" lächelte ich.

„Bobby. Ich...wußte nicht, dass du...mich kennst. Nun muss ich mir eine neue Rede überlegen."

Ich kicherte.

„Lass dir Zeit. Obwohl...heute haben wir nur bis sechs Besuchszeit."

„Sie haben mir das schon gesagt. Ich wäre fast gar nicht zu dir gelassen worden, weil...wir ja nicht verwandt sind."

„Und? Wie hast du es geschafft?"

„Mit viel Geld und einer kleinen Lüge." grinste er.

„Dann herzlichen Glückwunsch. Aber...was führt dich zu mir? Ich meine, du bist...Hollywood, und ich Bargfeldt- Stegen, Langzeitherapie."

Tom rieb sein Gesicht und stöhnte.

„Siehst du, jetzt wollte ich den Text aufsagen, den ich nun nicht mehr benutzen kann. Doch. Ich könnte...dir sagen, dass ich der Junge bin, den dein Opa gerettet hat."

Ich fuhr zusammen.

„Was?"

Diese wunderschönen Augen ruhten auf mir. Ich hielt immer noch seine Sonnenbrille und reichte sie ihm rüber.

„Mum hat es mir erst vor ein paar Tagen erzählt." lächelte er entschuldigend. „Sonst wäre ich eher gekommen."

Ich stammelte:

„Aber...was...hat das mit mir zu tun? Opa ist lange tot und...oh Gott. Du kennst unsere Geschichte, oder? Woher?"

Tom stöhnte und rieb wieder über sein Gesicht. Schaute sich um.

„Weil ich eigentlich auch auf deine Seite gehöre." murmelte er. „Nicht auf die der Besucher."

„Du bist eigentlich eine Frau?" blinzelte ich.

Er lachte.

„Das wäre ich gerne, dann könnte ich hier bei dir sein und..." er stockte.

Ich guckte ihn verwirrt an.

„Ich glaube, ich bin gerade in einer akuten Psychose...vielleicht habe ich dein Bild zu lange angeschaut. Du hast die gleichen Augen wie..." ich stockte.

Blickte mich hektisch nach dem Pflegepersonal um, doch Tom sagte ruhig: „Können wir ein bisschen raus gehen? Die frische Luft wird uns helfen, klarer zu werden und ich kann dir alles erklären, ohne, dass jemand zuhört."

„Mein Ausgang ist gestrichen. Ich habe letzte Woche gegen die Regeln verstoßen."

„Ich bin doch bei dir und passe auf. Wen soll ich fragen?"

„Vergiss es, die lassen mich nicht raus." murmelte ich.

„Doch, das werden sie." erklärte der große Mann entschieden und stand auf.

Bobby hob seinen Kopf, blieb aber bei mir, als Tom loszog. Ich wunderte mich, dass der Hund schon angedockt hatte, obwohl er mich nicht kannte. Kuschelte mich in sein weiches Fell und holte tief Luft. Beschrieb seinen Geruch achtsam, langsam wurde ich ruhiger. Wir hatten schon oft um ein Therapiehaustier gebeten, doch es wurde uns immer versagt. Zehn Minuten später kam Tom zurück und ich schaute zu ihm auf. Bobby tapste auf ihn zu und fiepte.

„Zieh dir was Warmes über." grinste Tom mich an.

„Du...musst ein Zauberer sein!" murmelte ich beeindruckt und stand auf.

„Hm. Ich wünschte, ich wäre es."

Schnell flitzte ich auf mein Zimmer und zog mir wieder die Jeans und den Pulli über. Meine Winterjacke, Mütze, Schal. Unterwegs begegnete mir Laura und ich hatte eine Idee. Doch erst wollte ich mit Tom alleine reden, deshalb sagte ich ihr, dass ein alter Freund zu Besuch wäre. Sie freute sich für mich und ich flitzte schnell zurück zu dem wartenden Schauspieler. Er hatte die Sonnenbrille wieder auf.

„Hallo." grinste ich.

„Hallo. Darf ich bitten?" raunte er.

Ich machte einen Knicks und er knurrte angeregt. Ich erinnerte mich daran, dass Thomas es einmal getan hatte, nachdem wir miteinander herum gemacht hatten und wir eigentlich wieder in die brave Opa- Enkelin- Rolle hätten zurück müssen. Mein Liebster hatte etwas zu mir gesagt gehabt und ich hatte geknickst, und sein Blick auf mir hatte einen himmlischen Effekt gehabt. Ich hatte ihn sofort wieder ins Bett zerren mögen. Nein, ich war nicht normal gewesen. Hatte immerzu an diesen Kerl gedacht. Doch dies hier war ein englischer Schauspieler, der zufälligerweise Opas Gallenblase in sich trug, ein unscheinbares Organ, das ausschlaggebend dafür gewesen war, dass wir nun zusammen waren und dieser tolle Mann mir seinen Arm hinhielt. Ich zögerte, ihn anzufassen. Nicht, weil es mir zuwider war, ganz im Gegenteil. Er erinnerte mich zu sehr an den anderen Thomas. Dieser verzog den Mund und ging los.

„Tut mir leid." piepste ich. „Es hat nichts...mit dir zu tun."

War gelogen. Aber ich wollte nicht, dass er sich mies fühlte.

„Doch, hat es. Mit dem, was ich dir angetan habe." raunte er, während er mir die Tür aufhielt.

„Wie bitte?" hauchte ich irritiert.

Wir gingen in den Garten, in dem sich zwar auch Patienten aufhielten, aber nicht so viele, wie im Sommer. Den meisten war es zu kalt und auch ich fröstelte. Tom schaute mich ernst an.

„Du wirst mich für verrückt halten." seufzte er.

„Ich bin total schizo, also, was kann dir passieren?" lachte ich leise.

„Du bist nicht schizophren."

„Ich zünde Sachen an, haben sie dir das nicht gesagt? Das Rom brennen muss?"

„Ich hätte dir den Mist nicht immer vorlesen sollen. Ich meine, es ist eine wunderbare Story, aber...sie war nicht passend für ein Kind in deinem Alter."

„Du sprichst gut deutsch." hauchte ich, weil ich nicht wußte, was ich dazu sagen sollte, dass dieser Mann redete, als würde er mich gekannt haben!

„Erst seit zwei Wochen. Ich bin ein Genie." lachte er zynisch. „Oder ein absoluter Fall für den Psychiater."

„Tom, ich verstehe nicht, was du mir sagen willst." erklärte ich seufzend. „Warum bist du Schuld an...meiner Krankheit?"

„Weil ich dein Vertrauen missbraucht habe."

„Ich kenne dich doch gar nicht!" rief ich und jemand drehte sich zu uns.

Ich schnappte nach Toms Ärmel und zog ihn hinter die Laube, wo manchmal Drogen versteckt wurden. Ich nutzte es aber selbst nie. Zu sehr hing mir der heftige Trip von früher noch nach! Tom lehnte sich an das Holz und seufzte. Bobby fiepte leise und ich streichelte ihn sanft.

„Ist schön hier." murmelte Tom.

„Siehst du das Gebäude da drüben? Das ist Trakt C, da war ich letzte Woche noch eingesperrt. Nur drei Tage, aber ich kann dir sagen, dass es Horror gewesen war. Also wünsche dir nicht, mit mir hier zu sein." brummte ich.

„Wie ist es jetzt? Möchtest du etwas anzünden?"

„Nope. Nero ist gerade still. Ich bin die harmlose Josi."

„Warum hast du einen anderen Namen, Birgit?" fragte Tom sanft.

Ich schaute ihn an und fand es bedauerlich, seine Augen nicht sehen zu können.

„Mit wem hast du über mich gesprochen? Und bitte, lass uns ein bisschen gehen, sonst friere ich hier gleich fest." entgegnete ich und ging los.

Tom folgte mir, er holte auf und sein Arm streifte meinen. Ich sehnte mich danach, mich an ihn zu lehnen...aber er war doch ein Fremder!

„Mit deinem Bruder." antwortete der große Kerl. „Aber das mit dem Namen wußte ich, bevor ich zu meinem...äh...Thomas Helwigs Haus gefahren bin."

„Micha hat sich da einfach breit gemacht. Es hätte mir gehören sollen." brummte ich.

„Dein Opa hatte kein Testament hinterlassen, hieß es."

„Wozu auch? Er wußte nicht, dass man ihn umbringen würde!" schnappte ich und ich spürte, wie Tom zusammen zuckte.

„Tut mir leid." hauchte ich dann. „Du kannst nichts dafür, bitte, mach dir keine Gedanken. Opa hat dir sehr gerne geholfen."

„Birgit, ich bin dein Opa." raunte er nun und ich spürte, wie meine Beine nach gaben.

Schnell packte Tom mich und hob mich auf seine Arme. Setzte mich auf eine Bank und schaute mich ernst an. Ich nahm ihm wieder die Sonnenbrille ab.

„Du denkst es nur, weil...deine Mutter dir davon erzählt hat. Und du einen Teil von Opa in dir hast." erklärte ich leise.

Ich hatte seine Hände in meine genommen. Keiner von uns hatte auf Bobby geachtet, dessen Leine Tom los gelassen hatte, doch der Hund hatte sich brav unter die Bank gelegt.

Tom schüttelte den Kopf. Dann erzählte er mir, dass er am Valentinstag Stunden auf der Couch gelegen hätte, während in seinem Kopf die Geschichte von Thomas Helwig abgelaufen wäre. Und dass seine Mutter ihm erst hinterher gebeichtet hätte, dass er die Gallenblase eines Anderen in sich trug. Tom erklärte, dass er sogar wisse, wer das erste Mädchen gewesen war, das mein Opa geküsst hätte. Ein Mädchen aus Cornwall, wo Thomas Helwig geboren war. Langsam würden sich die Erinnerungen jedoch so verheddern, dass er teilweise nicht mehr wußte, was zu welchem Tom gehöre. Dieser Tom legte seinen Kopf in die Hände und jaulte gequält. Ich konnte nicht anders und umarmte ihn. Er schob seinen Kopf an meine Brust und schluchzte auf.

„Und das Schlimmste ist die Schuld. Und die Sehnsucht nach dir..." weinte er leise.

Nun musste ich auch weinen. Es klang verrückt, ja, absolut, aber ich glaubte ja auch, dass ich Rom anzünden musste, warum sollte Tom Hiddleston also nicht auch die Realität verdrehen dürfen? Und ich konnte mir kaum vorstellen, dass Micha ihm wirklich ALLES über mich erzählt hatte.

Wir hielten uns eine Weile, doch langsam war ich völlig durchgefroren. Ich bibberte und Tom rubbelte über meine Arme.

„Lass uns wieder rein. Gibt es einen Ort, wo wir ungestört reden können?"

„Ich dachte, wir hätten uns alles gesagt?" lächelte ich nun.

„Noch lange nicht. Wir haben dreißig Jahre nachzuholen, Spatz." lächelte er zurück.

Ich warf meine Arme um seinen Hals und schluchzte. Er drückte mich fest an sich und raunte:

„Es ist gut...ich bin bei dir. Dieses Mal können sie uns nicht trennen."

Ich schaute ihn zweifelnd an.

„Du weißt nicht, was ich alles Schlimmes getan habe. So willst du mich ganz bestimmt nicht."

„Komm rein und erzähle es mir. Aber ich sage dir, dass es meine Gefühle zu dir niemals ändern wird."

Ich führte ihn in mein Zimmer. Nun, Besuch mit auf das Zimmer zu nehmen, war nicht erlaubt, aber das war mir egal. Ich stellte die Uhr auf fünf vor vier, um Tom rechtzeitig zu verstecken. Der große Kerl setzte sich auf mein Bett und ich kuschelte mich an ihn. Er seufzte und Bobby auch. Ich kicherte.

„Bobby, du musst ganz leise sein, okay? Sonst kriege ich noch zwei Wochen Ausgangssperre."

„Das sollen sie mal wagen! Ich werde dich hier heraus holen." murrte Tom. „Aber erst deine Geschichte."

„Wieviel weißt du von Micha?"

„Nur, dass du versucht hättest, sein Haus anzuzünden und nun in einer psychiatrischen Langzeiteinrichtung wärst. Und einen anderen Namen hättest."

„Weil ich nicht mehr das unschuldige Kind sein wollte. Ich meine, ich...war es nie. Ich war immer schon Josefine gewesen. Ach, Tom. An dem Tag, als wir...als der andere Tom..."

„Das war ich. Welchen Tag meinst du?"

Ich seufzte und schaute ihn an. Nein, sein Blick war ernst und er sah nicht so aus, als würde er sich alles ausgedacht haben.

„Du hast gesagt, dass ich dir wie eine Frau vorkomme." hauchte ich.

Tom nickte.

„Ja, und du warst total erschrocken und ich habe mich darüber gewundert, weil...ich es vorher irgendwie bemerkt habe, dass du dich nicht so gibst, wie ein Mädchen in deinem Alter."

„Mit sechs hab ich die Mutzenbacher gelesen, weil ich dachte, dass ich eine Frau in Kindergestalt wäre. Ich weiß nicht, warum. Wahrscheinlich war ich da schon verrückt. Ich habe mich immer mehr in diese Vorstellung hineingesteigert und mich von anderen Kindern entfernt. War stolz, wenn du...er...oh, Himmel, ist das durchgedreht!"

„Wem sagst du das, ich weiß nicht mal mehr, wer ich bin. Und hör dir meinen deutschen Wortschatz an, ich verstehe alles! Sogar plattdeutsch! Weil dein Großvater-ich- es von Eduard gelernt hat. Deinem Ururopa."

Ich schaute ihn durchdringend an und fragte: „Aber was denkst du jetzt über mich? Ich war nie das unschuldige Mäuschen, das sich verführen lassen hat. Und ich habe dich vom ersten Moment an geliebt, als ich auf diese Art lieben konnte. Hatte oft überlegt, ob du mich auch mögen würdest, so. Und dann habe ich dich dazu getrieben und dich umgebracht."

Tom schüttelte den Kopf.

„Nein, lass uns aufhören, nach Schuld zu suchen. Und schon gar nicht bist du Schuld gewesen. Und das soll mich jetzt von dir abbringen?" lächelte er.

„Nein. Das war ja nur der Anfang. Wieviel Zeit hast du?" seufzte ich.

„Die nächsten dreißig Jahre." grinste Tom. „Wahrscheinlich länger."

„Dann bin ich siebenundsiebzig!" lachte ich. „Und in der Gerontopsychiatrie."

„Nein, wir sind dann in unserem Strandhaus und beobachten Bobbys Urenkel beim Spielen."

„Okay. Ich sag dir mal was, was deine Blase gleich zum Platzen bringen wird. Ist ja schon peinlich genug, dass du deine Braut aus der Klapse holen musst. Weil sie glaubt, dass sie Nero ist, plus die Reinkarnation einer Hure. Naja, ich weiß, dass...es Quatsch ist. Aber damals habe ich es wirklich geglaubt, und vor allen Dingen wollte ich mich an Mama rächen, wollte ihr Leben zerstören. So, wie sie deines zerstört hat. Nachdem sie dich weg gebracht hatten, bin ich mit einem Messer auf Mutter los gegangen und sie musste noch einmal die Polizei rufen. Sie haben mich sediert, in eine psychiatrische Jugendeinrichtung gebracht. Und versucht, mich davon zu überzeugen, dass du ein Täter gewesen wärst. Mutter wollte mich nicht mehr und ich bin zu Papa gegangen, hab mich dauernd mit seiner Neuen gestritten und dann hab ich mir diesen Film über Christiane F. angeschaut. Gesehen, dass Drogen die schlimmen Gedanken vertreiben. Ich kannte einen Jungen aus der Klinik, er hatte mir erzählt, wo man Cannabis bekommen könnte und ich bin losgezogen. Hab mich mit Absicht auf Razzien erwischen lassen und Mamas Adresse angegeben, sie ist jedesmal im Erdboden versunken, wenn sie ihre vierzehnjährige Tochter zugekifft von der Polizei geliefert bekommen hatte. Und als sie mich fragte, woher ich die Kohle hätte, hatte ich ihr geantwortet, dass ich dem Dealer einen geblasen hätte. Sie hatte mir eine gescheuert und mich wieder in die Therapie geschickt, ich bin abgehauen und habe mich von einem älteren Mann aushalten lassen. Er wollte mir aber wirklich helfen und so bin ich wieder in die Szene, bis ich mit sechzehn einen heftigen Trip gezogen hatte, der mich fast umgebracht hatte. Nicht körperlich, aber ich hatte solche Panik, dass ich aus dem Fenster springen wollte. Danach habe ich einen kalten Entzug gemacht und bin nach Hamburg gegangen, auf die Reeperbahn, wo ich meine wahre Identität ausleben wollte. Außerdem war meine Rache noch nicht abgeschlossen, ich konnte nicht einfach sauber werden."

Ich mochte Tom nicht ansehen. Er hatte jedoch meine Hände nicht losgelassen.

„Du warst Prostituierte?" raunte er.

Ich nickte.

„Da habe ich mich in Josefine umbenannt. Josi. Jedoch hatte ich meinen Nachnamen als Leonard angegeben, damit alle mitkriegten, dass die Tochter der tollen Bestsellerautorin auf den Strich ging. Im Nachhinein ärgere ich mich, denn ich denke, nur dadurch wollten alle Mamas Schund lesen."

„Ich habe eines ihrer Bücher im Flieger angefangen. Puh. Es ist kein Schund, sondern reine Provokation, wenn man es mit unserem Hintergrundwissen liest. Ich bin wahnsinnig wütend geworden und musste aufhören. Weißt du, ich habe nie was auf Anne kommen lassen, habe sie mehr geliebt, als Lothar. Jetzt bereue ich es, und ich kann es ihm nicht mehr sagen, wie sehr ich ihn liebe..."

Ich starrte den Schauspieler an und dachte, dass er wirklich gut darin war, etwas vorzugeben. Oder war er wirklich mein Großvater? Woher sollte Tom wissen, dass er Mama bevorzugt hatte? Sie hatte nie darüber geschrieben. Wenn man Bescheid wußte, konnte man es zwischen den Zeilen lesen, aber ich glaubte nicht, dass es einem englischem Schauspieler, der in einer ganz anderen Welt lebte, aufgefallen wäre. Tom spürte, dass ich zerrissen war.

„Es ist alles ziemlich paradox, nicht?"

Ich nickte. Er seufzte.

„Ich nehme an, du hast deine Rache nicht gehabt."

„Nein. Ich habe plötzlich diese Art Anfälle bekommen, habe eine Schaufensterpuppe in unserer Straße angezündet und die anderen Huren haben Angst vor mir bekommen. Ich bin sofort freiwillig in Therapie gegangen. Da war ich zwanzig gewesen. War vier Jahre in einer Klinik, und wieder haben sie immer davon gesprochen, dass du der Auslöser warst, dann habe ich endlich die Wahrheit gesagt. Sie attestierten mir eine Schizophrenie. Nach meiner Entlassung bin ich zu dem Kerl zurück gegangen, der mir hatte helfen wollen. Er war mittlerweile ein Pflegefall gewesen und habe mich um ihn gekümmert, bis er starb. Ich hatte das Gefühl, ich könnte so etwas wieder gut machen. Er hatte schon damals nicht mit mir schlafen wollen und ich war froh darüber gewesen. Ich habe deinen Namen angenommen, Helwig, und habe allen erzählt, dass ich deine Witwe wäre. Ludwig, der alte Mann, hatte mir sein Haus hinterlassen, doch ich hatte ja keine Ausbildung oder so etwas gehabt. Mutter hatte mir Geld geschickt, damit ich mich nicht wieder prostituierte, doch das wollte ich nicht mehr. Hab eine Schwesternlehre angefangen, aber dann ging es wieder los, als ich auf der Traumastation war. Ich habe immer dich vor mir gesehen. Sie haben ja nie gesagt, was genau geschehen war, nur, dass es einen Unfall gegeben hätte und du einen Hirnschlag bekommen hättest. Naja, ich bin zu Mama und hab ihr Haus angezündet. Danach haben alle ihr Buch gekauft und ich musste in die Forensik. Dort wurde ich ständig getriggert, irgendwann haben sie geschnallt, dass ich Gewalt nicht aushalten konnte und mich verlegt. Doch ich war schon zu kaputt, beim nächsten Ausgang habe ich Michas Haus angezündet. Danach hatte ich versucht, mich anzuzünden, doch es ging nicht. Ich habe eine Überdosis Schlaftabletten genommen und war eine Woche im Koma. Sie hatten  davon abgesehen, mich wieder in die Forensik zu stecken. Erst in den letzten zehn Jahren bin ich etwas zur Ruhe gekommen." schloß ich. „Jetzt habe ich dich total zu getextet. Und ich hoffe, du hast deine Meinung geändert."

„Warum?" raunte er heiser.

„Tom! Hast du mir nicht zugehört?" hauchte ich.

„Doch. Denkst du, ich habe Angst, dass du meine Wohnung abfackelst?"

„Zum Beispiel! Vor allen Dingen wird dich die Presse in der Luft zerreissen, bei meiner Vergangenheit."

„Dann kriegst du eben noch einmal einen neuen Namen. Ich finde Birgit sowieso schöner...Birgit Hiddleston. Hm."

„Du hast sie ja nicht mehr alle." schnappte ich.

„Das sage ich doch die ganze Zeit." brummte Tom. „Und ich sehe immer noch das schlaue Mädchen vor mir. Es tut mir so furchtbar leid, dass niemand da war, der dich zurück in die Bahn gebracht hat."

„Ludwig hatte es versucht, er hatte gemeint, ich müsse unbedingt wieder zur Schule gehen. Aber damals konnte ich noch nicht aufgeben, zehn Jahre später hatte ich mich darüber geärgert. Naja, ich hatte die mittlere Reife ja nachgeholt, aber das war es dann auch schon gewesen. Tom, deine Zukünftige hat nicht mal einen anständigen Beruf!"

Er lachte leise.

„War das ein Ja?"

Ich verzog das Gesicht.

„Natürlich nicht! Außerdem hast du nicht gefragt. Direkt, gefragt."

Er lächelte.

„Und wie ist es, wenn meine Zukünftige erst einmal die Chance bekommt, einen anständigen Beruf zu lernen, und wir dann heiraten?"

„Ich bin fast fünfzig. Dann noch eine Ausbildung?"

„Dann mach Abitur und studiere. Was immer du möchtest. Ich lasse es nicht zu, dass du weiter hier vor dich hin vegetierst."

Ich schaute ihn ernst an.

„Das ist mein Leben. Das da draußen macht mir Angst."

„Verstehe ich. Sorry...ich bin einfach zu...radikal vorgeprescht. Du sagst, was geht. Ich halte dir den Rücken frei und bin für dich da." erklärte dieser Traummann ernst.

Nun weinte ich bitterlich und er tröstete mich, bis der Wecker klingelte. Tom versteckte sich mit Bobby im Bad und ich hoffte, dass man nichts roch. Zog das Bett glatt und tat so, als ob ich lesen würde. Ina öffnete nach dem "Herein".

„Ist dein Besuch schon gegangen?" fragte sie.

„Hm."

„Wer war es denn?"

„Ein Bekannter."

„Von früher?"

„Ja. Seit wann interessiert dich das?" seufzte ich.

„Naja, hab nur gedacht...er sieht nicht so aus, wie ein...Freier."

„Sag mal...spinnst du?" fuhr ich hoch, doch dann fiel mir ein, dass Tom ja da war.

Ich schloß die Augen und atmete tief durch. Und erklärte: „Es geht dich nichts an, wer er ist und woher er kommt. Und versuche, nicht nach dem Aussehen zu urteilen, da kannst du schnell mal ins Fettnäpfchen treten."

Nun ging sie. Bingo. Tom war blaß geworden, als er zurück kam. Ich lachte leise.

„Keine Sorge, das war kein Trigger."

„Aber für mich. Wie hältst du das nur aus mit solchen...? Ich nehme dich jetzt mit. Hab schon meinen Anwalt angerufen, wie wir das am Besten bewerkstelligen."

Ich schaute Tom erschrocken an. Er hatte immer noch nicht kapiert!

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