Melody Rosenberg's Vermächtnis pt1
„Tom Hiddleston will ein Jahr keine Filme mehr drehen!" sehe ich im Promi- Ticker der GALA, die Frau Beimer gerade liest, während ich ihr dünnes Haar auf große Wickler drehe. Im Hintergrund läuft „Drag me down" von One Direction und ich denke, das wird das Motto für diese Woche!
„Anne? Kannst du bitte zum Chef kommen, wenn du fertig bist?" hatte mich Chantal vor zehn Minuten gefragt, und ich habe keine Ahnung, warum sie diese Order als Frage formuliert hatte, wenn sie doch gar keine ist.
Aber so läuft das eben, hm? Ich schaue das Bild von Tom an und muss trotz Allem lächeln. Ja, Tom Hiddleston's Lächeln ist ansteckend! Das war es schon vor dreißig Jahren, als er noch ein kleiner, schlauer Junge war und mir die Hölle heiß gemacht hat. Er war zwar ein ruhiger Junge gewesen, aber manchmal hatte er merkwürdige Einfälle gehabt und war sang- und klanglos aus meinem Blickfeld verschwunden, sodass ich in Panik geraten war. Ich wollte doch nicht mit sechzehn ins Gefängnis, weil ich meinen Schutzbefohlenen verloren hatte! Ja, ich war damals als Au Pair in England und die Familie Hiddleston hatte mich freundlich aufgenommen.
„Au!" zischt Frau Beimer und ich entschuldige mich schnell.
Setzte ihr die Trockenhaube auf und atme tief durch. Dann gehe ich aus dem großen, hellen Geschäftsraum und folge dem dunklen Gang nach hinten in den privaten Bereich. Klopfe an die schicke Eichentür.
„Herein!" höre ich Arnold flöten.
Oh, je, dieser Ton schon wieder! Er heißt wie der Terminator, sieht aus, wie Inspektor Clouseau und redet wie eine Queen. Das ist Arnold, mein Boss. Doch ich denke, nicht mehr lange...
„Anne! Ich habe schon vor einer halben Stunde nach dir schicken lassen!" quakt er und ich sehe, dass er sich gerade die Augenbrauen zupfen lässt. Er scheucht Ella, eine weitere hübsche, groß gewachsene Blondine, raus und deutet mir, mich zu setzen. Ich versinke in dem knarzenden Ledersessel.
„Du hast zugenommen." brummt Arnold. „Schon wieder! Und deine Haarfarbe gleicht einem Stück Kohle, furchtbar! Dein Makeup... willst du auf eine Beerdigung? Tut mir leid, aber so geht das nicht weiter! Bald passt du nicht mehr in dieses Kleid hinein, und du weißt, dass es zu unserem Salon gehört! Egal, wieviele Preise du abstaubst, ich ertrage deinen Anblick nicht mehr. Ich gebe dir noch eine Woche Zeit, dein Outfit zu ändern, Morticia! Ansonsten musst du gehen."
Ich schaue ihn unbeeindruckt an. Als wenn das jetzt überraschend käme! Nun, ich könnte das Spiel noch ein paar Wochen so weiterspielen, denn er weiß, dass Frau Beimer keine trottelige, ärmliche Hausfrau ist, sondern die Frau eines einflußreichen Politikers. Und sie mich liebt, besser gesagt, meine Arbeit. Natürlich betet sie mir auch oft genug vor, dass ich zu düster gekleidet wäre. Nun, unsere Salonuniform ist nun mal das "kleine Schwarze", dafür kann ich ja auch nichts! Und meine dunklen, langen Haare werde ich bestimmt nicht hundert mal einer schädigenden Blondierprozedur unterziehen, damit ich dem Blondinenclub beitreten kann! Ich bin einfach keine Barbie!
Genau das sage ich Arnold, denn ich habe die Nase voll. Habe keine Lust mehr, jede Woche zu ihm zitiert zu werden. Er schaut mich an, kratzt sich an der Nase. Überlegt wohl, was jetzt schlimmer wäre- mich so, wie ich bin, behalten zu müssen, oder Frau Beimer zu verlieren. Naja, ich passe wirklich nicht in diesen Nobel- Salon. Doch sie haben sich damals um mich gerissen und ich mache meinen Job gerne.
„Nun gut, du hast einen Monat Kündigungsfrist." murmelt Arnold dann.
Wahrscheinlich hofft er, dass ich bis dahin doch noch zur Blondine mutiere. Zur schlanken Blondine. Ich esse nun mal gerne!
Als ich am Abend nach Hause komme, ist mein Verlobter mal wieder ausgeflogen, das kenne ich schon. Und eine Nachricht, wo er steckt, hat er auch nicht hinterlassen. Ich seufze und öffne den Kühlschrank. Da klingelt das Telefon.
„Wer stört?" brumme ich.
„Oh, du Misantrop!" lacht Sarah Hiddleston, Tom's Schwester und meine Freundin.
Ich maule: „Ich habe noch nichts gegessen, seit acht Stunden! Mein Boss wollte mich wieder feuern, zum dritten Mal in diesem Monat und ich bin kurz vor'm kommunistischen Einmarsch. Also, meine allerliebste Freundin, warum sollte ich fröhlich sein? Puh. Sorry, Liebes..." schließe ich sanft.
„Ist okay, ich weiß ja, du hast es nicht leicht. Und deshalb werde ich dir jetzt einen Vorschlag machen, der dich garantiert begeistern wird! Kannst du dich an das Haus auf Gugh erinnern?"
„Das Rosenberg- Anwesen? Von irgendeinem reichen Ur-Urgroßonkel?"
„Yep. Unser Großcousin Nathaniel ist letzte Woche gestorben, der letzte Erbe. Jetzt hat Mum das Haus geerbt, sie will es aber nicht. Wir sind vorgestern rüber gefahren- ich sag dir, wir waren schockiert. Das schöne Haus ist völlig heruntergekommen! Tom hat fast geweint. Naja, die ganzen Erinnerungen, du weißt das ja besser als ich. Kurz und gut: wir wollen es renovieren."
Ich sitze am Küchentisch und stopfe Weintrauben in mich hinein, während ich meiner Freundin Sarah zuhöre.
„Das ist schön! Aber was habe ich damit zu tun?" nuschele ich.
„Wir brauchen euch dafür. Vor allen Dingen Kai. Die Heizungsanlage ist nicht mehr die Neueste dort. Was sage ich da- es ist alles völlig veraltet!"
„Und warum Kai? Warum sucht ihr euch nicht eine Firma vor Ort?"
„Ach, du weißt doch, wie solche Typen sind, mit denen hast du nur Ärger! Nein, das Rosenberg- Anwesen soll unser Sommerprojekt werden und wir wollen soviel wie möglich alleine machen. Dass wir nachher stolz sagen können: Das haben wir ganz alleine geschafft! Tom ist völlig begeistert, Callum, naja, er zieht mit, muss er ja. Und Emma bringt ihre neue Flamme Chris mit. Natürlich werdet ihr auch bezahlt, wenn ihr einsteigt."
„Ich will kein Geld von euch." brumme ich.
„Hab' ich mir gedacht, aber Kai doch bestimmt, hm? Läuft die Firma besser?"
„Ach, wir hangeln uns so durch. Wie lange haben wir Bedenkzeit?"
„Naja, wir sind schon fast startbereit. Tom will morgen die Wohncontainer bestellen und es wäre gut, wenn wir schnell wissen, ob wir für euch auch einen aufstellen sollen."
Ich seufze leise. Mein Unterleib grummelt. Oh, je, die Weintrauben!
„Gut, ich kläre das mit Kai, wenn er heim kommt. Schicke dir dann eine Nachricht."
„Am besten gleich an Tom, Süße. Bitte, komm mit, das wird ein Riesenspaß!" bettelt sie.
Ich lache.
„Spaß? Hast du schon mal renoviert?"
„Naja, so ein paar Tapeten runter geholt. Aber es ist doch Rosenberg Manor und nicht irgendeine Vorstadthütte! Wir sind es diesem Haus schuldig, es hat uns durch eine schwere Zeit gebracht, wie du weißt." murmelt Sarah.
„Oh, ja, die Scheidung eurer Eltern. Aber es war auch eine schöne Zeit, irgendwie." hauche ich. „Ich meine, dieser Großcousin war ziemlich strange und Tom hatte ihn immer auf dem Kieker."
Sarah kichert.
„Ich hatte dauernd befürchtet, das Onkel Nate irgendwann vor Schreck einen Herzinfarkt kriegt. Tom war echt krass drauf."
Ich lache leise. Ich weiß es wirklich fast besser, als seine Schwestern, denn Tom hatte oft bei mir gelegen und geweint.
Ich war 1987 das erste Mal als Au- Pair bei den Hiddleston's gewesen. Am Anfang war der damals sechsjährige Tom höflich, aber distanziert zu mir gewesen, er hatte ja genug Frauen um sich herum und war weiterer weiblicher Gesellschaft, denke ich, überdrüssig geworden. Doch als Tom bemerkt hatte, dass man mit mir prima Burgen bauen oder Waldabenteuer erleben konnte, war ich ihn kaum wieder los geworden. Das hatte mir nichts aus gemacht, denn ich war eh immer ein Aussenseiterin gewesen und hatte nicht viel mit den gleichaltrigen Mädchen der Schule am Hut. Während die anderen Studentinnen abends feiern gingen und mit Jungs herum gemacht hatten, war ich damit beschäftigt gewesen, mit Tom Fantasiewelten zu besuchen, ihm vorzulesen oder wild auf dem Bett herum zu hüpfen. Irgendwann hatte mich Diana, seine Mutter, aufgesucht und gefragt, ob alles in Ordnung wäre. Damit sie sich keine Sorgen machen mußte, war ich dann doch ein paar Male ausgegangen. Als ich einmal erst nach Mitternacht wieder gekommen war, hatte Tom eine Kerze in sein Fenster gestellt gehabt. Am nächsten Morgen hatte er mir erklärt, dass er Angst gehabt hätte, dass ich nicht wieder kommen würde.
Ich starre auf Tom's Nummer und erinnere mich, wie sehr er geweint hatte, als das Jahr in England vorbei war und ich wieder zurück nach Deutschland musste. Und wie froh er gewesen war, als ich sieben Jahre später mit der Familie den Sommer auf Gugh verbracht hatte. Nun, wir hatten uns über Jahre immer wieder geschrieben. Es wurde weniger, je mehr Zeit vergangen war, und jetzt lebt Tom in seiner Hollywood-Welt und ich immer noch in Berlin- Mitte. Die einzige Freundschaft, die gehalten hatte, war die zu seiner Schwester Sarah, mit der ich seit dem Sommer 1994 häufigeren Kontakt habe, doch sehen tun wir uns ebenfalls kaum.
Die Tür geht auf und ich schaue hoch. Kai wirft stöhnend seinen Rucksack in die Ecke und geht ohne einen Gruß ins Bad. Ich stöhne auf. Das wird ein langer Abend!
Drei Tage später stehen Kai, sein Kumpel und Geschäftspartner Leon und ich am Hafen einer kleinen, englischen Stadt und warten auf die Fähre. Mein Verlobter schaut von seiner iWatch auf und brummt:
„Mann, wie lange dauert das noch?"
Ich zucke mit den Schultern. Blicke auf den Atlantik, in weiter Ferne sind die Umrisse der kleinen Inseln vor der Küste Englands zu sehen. Hier ist es wunderschön, doch Gugh ist ein Traum! Ich habe mich damals sofort in diese Insel verliebt und bedauere, dass wir nur ein einziges Mal da waren. Endlich sehe ich die kleine Fähre auf den Anleger zusteuern. Sie fährt allerdings nur bis zur nächst liegenden Insel, die die Größte der Inselgruppe ist. Von dort aus will Tom uns mit dem Boot abholen. Kai strotzt schnellen Schrittes voran und ich verdrehe die Augen. Er ist immer noch sauer auf mich, weil ich mich auf diesen Trip eingelassen habe. Er mag Sarah nicht besonders und auf Tom ist er wahnsinnig eifersüchtig. Dabei hat er gar keinen Grund dazu! Während Kai und Leon sich ein Plätzchen im Inneren der Fähre suchen, stelle ich mich an die Reling und geniesse den Ausblick. Die Seeluft tut gut und ich atme tief ein. Ich bin trotz allem irgendwie entspannt. Mit trotz allem meine ich, dass ich meinen Chef um einen Auflösevertrag bitten musste, Arnold ihn mir aber nicht geben wollte und ich mich jetzt einfach so verdrückt habe, was wohl Ärger geben wird. Und dann ist da noch meine schwierige Beziehung, die sich schon seit Jahren im Kreis dreht...
Als wir nach einer Viertelstunde auf den Anleger zusteuern, sehe ich Sarah und ihren Mann Callum wild winken. Sie rufen uns laut und ich brülle zurück.
„Wie peinlich! Ich drehe gleich wieder um." brummt Kai.
„Dann viel Spaß beim Schwimmen! Die Fähre macht jetzt eine Stunde Pause." kichere ich und werde mit einem grimmigen Blick bestraft. „Kai, niemand hat dich gezwungen, mitzukommen!" füge ich ernst hinzu und schnappe mir meinen Koffer.
Unten am Anleger nimmt Tom ihn mir sofort ab und schaut meinen Verlobten tadelnd an. Sarah fällt mir um den Hals und wir halten uns eine Ewigkeit. Dann umarme ich Callum und zum Schluß Tom, während Kai allen förmlich die Hand reicht. Obwohl wir vor acht Jahren alle zusammen auf Ibiza waren! Und super viel Spaß hatten. Naja, der Trip endete in einer Katastrophe. Kai meinte, sich von einer süßen Blondine nach einem Streit mit mir trösten lassen zu müssen. Danach war ich alleine nach Deutschland zurück geflogen. Kai war reumütig hinterher gekommen und hatte mir einen Heiratsantrag gemacht. Seitdem nervt er mich fast täglich, die Hochzeit endlich durch zu ziehen. Nun, der Steg, an dem Tom nach einer Viertelstunde anlegt, sieht ein wenig morsch aus und wieder stöhnt Kai. Leon klopft ihm grinsend auf den Rücken, doch Kai springt wortlos aus dem Boot, ohne sich auch nur nach mir umzudrehen. Sarah schüttelt den Kopf und schaut mich verärgert an.
„Ich verstehe dich nicht." raunt sie mir zu. „Was findest du noch an dem?"
„Später." hauche ich und nehme Toms Hand, die er mir wortlos hinhält.
Er hilft mir aus dem Boot und zieht meinen Trolley hinter sich her, obwohl ich das locker alleine geschafft hätte! Ich bedanke mich leise und wir lächeln uns an. Wir gehen voraus, Sarah und Callum hinter uns und Leon und Kai bilden die Nachhut. Der Weg zum Anwesen ist so dicht zu gewuchert, dass ich es erst sehen kann, als wir um eine Biegung gehen. Ich bleibe abrupt stehen und atme erschrocken ein.
„Ja. Genau." murmelt Tom.
„Was ist hier nur passiert?" hauche ich.
„Nichts ist passiert, ganze fünfzehn Jahre lang. Nate hat es einfach verkommen lassen." seufzt Tom.
Ich schaue traurig zu ihm hoch und er lächelt. Höre Kai sich hinter uns räuspern und gehe weiter.
Wir müssen quer durch das Foyer hindurchgehen, um in den Hinterhof zu gelangen, denn um das Haus herum sind die Hecken so dicht wie in Dornröschens Schloß gewachsen. Ich begrüße Emma und ihren Freund Chris, der schon völlig eingestaubt ist. Dann bringt uns Sarah in den Garten, in dem die Wohncontainer aufgebaut sind. Und ein Zelt! Ich schmunzele.
„Tom, nicht wahr?" grinse ich.
„Yep. Und Ben, er kommt später nach, muss noch drehen."
„Ben kommt auch?" staune ich.
Sarah antwortet:
„Ja. Emma hat außerdem diese Mel angeschleppt, die total auf Tom abfährt. Ich habe ihr gesagt, dass ich hier keine Liebesdramen haben möchte, aber sie hatte es ihr wohl versprochen. Nun ja, je mehr wir sind, desto mehr schaffen wir!"
Ich nicke und betrete den engen Container. Hier werde ich die nächsten Wochen, Monate verbringen. Nicht, dass ich viel Platz bräuchte, doch die Aussicht, Kai so dicht bei mir zu haben, nervt. Mein Verlobter legt nur schnell seine Sachen ab und verschwindet dann mit Leon, der seinen eigenen Container neben an hat. Als die Tür zugefallen ist, fragt Sarah: „Süße...mal ehrlich...warum bist du immer noch mit diesem Kerl zusammen? Er kümmert sich kein Stück um dich! Ich meine, so haben wir hier einen Heizungsinstallateur, aber zur Not hätten wir es auch ohne ihn geschafft."
Ich seufze und setze mich auf die Liege.
„Naja... wir versuchen gerade...ach, keine Ahnung. Meine Eltern liegen mir in den Ohren, sie meinen, ich finde in meinem Alter und mit meiner Diagnose sowieso keinen anderen Kerl mehr. Und da haben sie gar nicht so Unrecht..."
Nun, eine Endometriose hatte es mir unmöglich gemacht, schwanger zu werden. Ich habe mich schon lange damit abgefunden, doch Kai drängt darauf, mich künstlich befruchten zu lassen, obwohl ich finde, dass ich jetzt zu alt dafür bin.
Sarah schüttelt empört den Kopf:
„Quatsch mit Soße! Guck dich doch mal an, du siehst aus, wie knapp dreißig und bist ziemlich süß, Schneewittchen!"
Ich lache.
„Danke, liebste Freundin! Vielleicht ist es auch einfach nur die Macht der Gewohnheit, keine Ahnung. Und jetzt bin ich ja von ihm abhängig, wenn ich keinen neuen Job finde..."
„Oh, nein, bevor das passiert, bezahlen wir dich!" tönt sie und ich umarme sie fest.
Emma ruft uns zum Mittagessen. Wir sitzen alle an der alten Mahagonitafel und futtern aufgewärmte Bolognese. Tom sitzt neben mir und nach fünf Minuten schwelgen wir kichernd in Erinnerungen. Wow, es ist noch da!
„Er dachte tatsächlich, du wärst in den Brunnen gefallen!" lache ich und Tom nickt.
„Der arme Nate, er war völlig außer sich!" stimmt Sarah mit ein.
„Ja, und mich hat er angesehen, als wäre ich dafür verantwortlich gewesen, dabei habe ich nur artig Nintendo gespielt!" kichert Emma. „Ihr habt doch immer den ganzen Quatsch gemacht!"
Callum, der schon lange mit Sarah zusammen ist, amüsiert sich, doch ich spüre, dass sich die anderen vier ausgeschlossen fühlen. Nun, das sind sie wohl auch, sie können unsere Erinnerungen an diesen Ort nicht teilen. Tom schaut mich lächelnd an, dann wird er ernst und nickt. Komisch. Nein, eigentlich auch nicht, das konnte er damals schon. Er ist sehr sensibel, was Stimmungen angeht. Tom steht auf und holt einen Plan, wir versammeln uns alle um ihn herum und besprechen die nächsten Schritte der Renovierung. Dann beschließen wir, zuerst in den Keller zu gehen, um die defekte Heizungsanlage zu überprüfen. Und irgendwie wollen alle mit. Nun, alte Keller sind ja auch wahnsinnig spannend! Ich stehe staunend vor dem riesigem Kessel. Hinter mir quietschen Emma und Mel plötzlich auf und ich sehe eine fette Ratte an uns vorbei laufen. Da es schnell etwas eintönig wird, den Fachmännern Kai, Leon und Tom, der wohl plötzlich eine Heizungsinstallateur- Karriere anstrebt, bei der Arbeit an den Rohren zuzusehen, beschließen wir anderen uns, die zahlreichen, stockdunklen Gänge zu erkunden.
„Schau mal! Großtante Melody's alter Kleiderschrank!" ruft Sarah plötzlich.
„Wie spannend!" mault Mel, die naserümpfend die riesigen Spinnenweben betrachtet.
„Sag mal, hab ich euch schon von dem Rosenberg Phänomen erzählt?" sagt Sarah dann düster.
„Nein..." kichere ich. „Aber du wirst uns sicher gleich erleuchten."
Plötzlich schaltet Sarah die Taschenlampe aus. Emma und Mel kreischen und ich stehe wie erstarrt im Dunkeln, obwohl ich echt kein Angsthase bin. Dann leuchtet Sarah ihr Gesicht an und sagt mit tiefer Stimme:
„Jede Nacht erscheint ein wütender Geist im Lesesaal...uahh..."
„Und warum tut er das?" frage ich schmunzelnd.
„Weil er seine Lesebrille verloren hat." antwortet Callum nüchtern.
Ich pruste los.
„Er ist ein Geist! Da braucht er doch keine Brille mehr..." lacht Chris. „Hey, Mel, kannst du mich bitte mal loslassen?" brummt er dann.
Sarah leuchtet in seine Richtung und Chris blinzelt. Schnell läßt Mel den Freund ihrer BFF los, Emma guckt sie verärgert an. Sarah lacht:
„Oh, doch! Er weiß ja nicht, dass er tot ist und hält sich immer noch für weitsichtig. Es ist übrigens Großonkel Harold Rosenberg."
„Ach, der mit der promiskuitiven Ehefrau?" grinse ich.
„Ja, genau der. Aus Gram über Melody's Affairen hat er sich im Lesesaal erschossen." antwortet Sarah unheilvoll.
„Oh, Sarah, nicht dieser Scheiß wieder..." stöhnt Emma.
„Hey, zu jedem alten Gebäude gehört doch eine gute Grusel- Geschichte, oder? Und dann ist da noch der Geist von Melody Rosenberg, der die Bewohner des Hauses angeblich zu sexuellen Handlungen verleitet." schließt Sarah dann.
„Ach, jetzt verstehe ich, warum wir gestern Nacht so komische Geräusche aus eurem Container gehört haben..." lacht Chris. „Und warum Mel gerade an mir herumgefummelt hat..."
Der Lichtkegel ist immer noch auf Chris, Emma und Mel gerichtet, ich stehe im Schatten. Langsam schleiche ich mich von hinten an Sarah und Callum heran. Als ich dicht hinter den beiden stehe, verwuschele ich meine schwarzen Haare vor mein Gesicht und mache das knarzende Geräusch nach, das Samara in "The Ring" von sich gibt. Sarah kreischt panisch los, als wäre nicht ich, sondern der Teufel hinter ihr und selbst Callum klingt erschrocken, wie ein Mädchen.
„Gott, Anne! Willst du mich umbringen?" keucht Sarah und hält mir den Lichtstrahl ins Gesicht.
Ich blinzele und halte meine Hand vor's Gesicht. Chris lacht:
„Hey, du könntest echt in einem japanischem Horrorfilm mitspielen!"
Na, danke! Ich will gerade antworten, da sagt Mel:„Ich hab mich auch voll erschrocken, finde das gar nicht lus..."
Doch sie wird von einem lautem Zischen unterbrochen, das uns alle zusammenfahren lässt. Dann ein Knall, der Boden unter uns erzittert. Wir rennen panisch in Richtung des Heizungsraumes.
Als wir in den Raum stürmen, stockt mir der Atem.
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