Der Hüter meiner Panik 3
Gegenwart
Ich weinte. Ja, Clarissa's Tod hatte damals einen kleinen Absturz von unserem Höhenflug verursacht gehabt. Der Will und mich jedoch nur noch mehr zusammen geschweißt hatte!
Ich hörte ein Fiepen. Müller. Ich war zuhause. ZUHAUSE? Im Gefängnis! Mein Kopf dröhnte und ich spürte einen Schmerz im Oberschenkel, wahrscheinlich die Injektionsstelle. Ja, Hubert hatte nun bei mir verschissen, bis in die Steinzeit! Meine Beine waren schwer und mir war übel. Bekam nicht richtig zusammen, ob jetzt heute oder gestern war, ob ich noch in den tollen Polizisten verliebt war, oder ob ich mit einem Schlag darauf aufmerksam gemacht worden war, dass er mich fünf Jahre lang angelogen hatte. Weil er nichts weiter als mein besser bezahlter Bodyguard war! Ich meinte, nicht mit Geld bezahlt, sondern mit Orgasmen. Die kleine, süße Zugabe zu seinem harten Job, auf mich aufzupassen und aus mir raus zu kitzeln, was Juri mir über seinen Boss verraten hatte. Ich fuhr hoch und erbrach mich auf Will's Bettseite. Die Erinnerung war wieder da. Stunde für Stunde, Wort für Wort. Ich rannte ins Bad und kotzte weiter.
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„Ich kann sie nicht behandeln, bitte gehen sie. Ich habe schon zu viel gehört."
Juri stand vor mir, zitternd. Ein verschreckter, kleiner Junge.
„Nur einmal noch, bis ich jemand Neues gefunden habe!" hauchte er.
„Sie haben keine Angststörung. Sondern berechtigte Angst, umgebracht zu werden!" entgegnete ich. „Gehen sie zur Polizei!"
„Wenn ich von ihnen gekommen bin, ging es mir immer besser. Mein Boss ist stolz auf mich. Er weiß ja nicht, dass ich ihn beschissen habe..."
Ich hielt mir die Ohren zu.
„Nein! Ich will das nicht hören!" schrie ich.
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„Tanja! Was ist? Oh, Gott..." rief Will und beugte sich zu mir runter.
Ich lag neben der Toilette, meine Haare waren voller Erbrochenem und ich kauerte mich zusammen.
„Lass mich!" schrie ich. „Bitte! Ich habe doch gar nichts getan! Ich habe nichts gehört!"
Ich war immer noch mit Juri in diesem Raum, obwohl ich Will sah und ihn auch hörte. Fühlen konnte ich nichts mehr. Mein Körper war genauso in Watte gepackt, wie mein Geist. Der große Kerl rief:
„Ich bin es, Will! Du bist in Sicherheit. Komm, gib mir deine Hand..."
„Er sollte mich töten, nicht?" hauchte ich.
„Tanja..." stöhnte Will.
„Warum hat er es nicht? Seine Finger lagen um meinen Hals, er hat zugedrückt..."
„Dein anderer Patient hat dich gerettet, der, der immer zu früh zu den Stunden aufgetaucht ist. Er hat Juri gestört." erklärte mein Ehemann sanft.
Ich nickte.
„Geh bitte, ich möchte mich frisch machen. Du musst das Bett neu beziehen." hauchte ich und stand auf.
Meine Beine zitterten, doch als Will mich anfassen wollte, schlug ich nach ihm.
„Fass mich nie wieder an, hörst du?" zischte ich. „Sonst hacke ich dir die Finger ab und steche dir die Augen aus, wie Simmons es mit den Mädchen getan hat!"
„Das bist nicht du, Tanja." hauchte Will traurig.
„Du bist auch nicht der, der ich dachte, der du wärst! Du bist ein verdammter Verräter. Und ab sofort werde ich nicht mehr mit dir reden."
Ich machte mein iTunes an und drehte auf volle Lautstärke. Hm, „Daddy Issues", was hatten wir dazu heiß getanzt...und gevögelt. Schnell machte ich Metal an, die einzige Musikleidenschaft, die Will nicht mit mir teilte. Ich hörte ihn drüben rumoren, bevor die ersten Gitarrenriffs von „Psychosocial" los dröhnten und ging unter die Dusche. Nach dem Song kam ein noch passenderer- „Go to hell for heavens sake!" und ich brüllte ihn mit, während ich mich hart abschrubbte. Kalt duschte, bis ich mich endlich wieder spürte. So war es damals auch gewesen, kurz nach der Vergewaltigung. Ganz toll, mein freundlicher Copper hatte mich mit Schwung wieder zurück zu den Anfängen meiner Traumaarbeit katapultiert!
https://youtu.be/C7cczTyQ4iY
„I'm burning down every bridge we made. I'll watch you choke on the hearts you break"
Will hasste „Bring me the horizon". Also gab es jetzt BMTH. Über die Anlage im Schlafzimmer! Will hatte das Bett abgezogen, den Fleck heraus gerubbelt und meine Betthälfte neu bezogen. War verschwunden, doch er hatte den Schlüssel mitgenommen, sodass ich mich nicht einschließen konnte. Ich schob die Kommode vor die Tür. Und schmiss „That's the spirit" rein. Drehte voll auf. Das ging gut, bis „Follow you" kam und ich wieder heulen musste. Eigentor! Ich warf mich in die duftenden Kissen und ließ den Tränen ihren Lauf. Döste irgendwann trotz der lauten Musik wieder ein.
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„Was wird das?" kicherte ich. „Ist dir etwas runter gefallen? Soll ich dir suchen helfen?"
Will's blaue Augen schauten süß zu mir auf und ich sagte:
„Ach, du willst mir bloss unter den Rock gucken. Das ist ganz schön frech, Delaney!"
„Mach deine Klappe zu." grinste er. „Dann geht diese hier auf."
Er zog ein Kästchen hinter seinem Rücken hervor und öffnete es.
„Fräulein Havemann, wollen sie mich heiraten?" fragte er auf deutsch, während der Ring mir entgegen funkelte.
Im Hintergrund dröhnte irgendein Rocksong aus dem Club, in dem wir gerade unser Einjähriges feierten.
„Du bist verrückt!" schnappte ich.
„Nach dir. Und umgekehrt. Ich lasse dich nicht mehr gehen, das kannst du vergessen." blinzelte er.
„Bitte...steh auf. Natürlich heirate ich dich, aber ich mag es nicht, wenn du vor mir kniest. Außer, wenn du mir unter den Rock willst."
„Das will ich auch. Aber erst der Ring- her mit der Hand."
„Das ist jetzt echt Hammer- romantisch." kicherte ich und reckte die Hand aus.
„Du hast damit angefangen." grinste er und steckte mir den Ring an.
Küßte meine Hand, lutschte an meinem Finger. Schob meine Hand in sein Haar und seine Nase zwischen meine Beine.
„Nicht!" zischte ich und blickte mich hektisch um.
„Hm. Es muss mit einem Kuss..." hauchte er und drückte seine Lippen auf meine Unterhose, „besiegelt werden."
Ich schloß die Augen.
„Können wir nach Hause?"
„Es ist nicht mal eins. Das wäre ein Armutszeugnis für uns."
„Ich will ja auch noch nicht schlafen." hauchte ich.
„Ich schon. Mit dir." knurrte er und schnappte noch einmal sanft nach meinen Schamlippen.
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Ich stöhnte laut auf und es knallte.
„Tanja? Was soll das?" rief Will.
Die Musik war verstummt. Durch das Fenster schien die Nachmittagssonne. Ich machte den Mund auf, dann fiel mir ein, dass ich nicht mehr mit ihm reden wollte.
„Nimm den Schrank da weg! Sonst geht noch etwas kaputt." rief er.
Ich antwortete nicht. Und blieb liegen. Nahm die Fernbedienung der Anlage und machte noch einmal „True friends" an. Nun krachte es richtig, als Will die Tür samt Schrank aufschob. Er stapfte zur Anlage und schaltete sie aus.
Dann erklärte er energisch:
„Ich hätte den Strom im Schlafzimmer kappen können, doch ich habe dich gelassen, weil du die Musik brauchtest. Aber irgendwann ist Schluss! Willst du was essen?"
Ich hatte ihm den Rücken zugedreht und mich eingerollt.
„Hättest du es getan? Oder hast du es schon?" murmelte ich.
„Was?"
„Mir das Medikament gegeben. Was dein toller, deutscher Freund vorgeschlagen hatte."
„Das hätte ich nie tun können. Genau das hatte ich ihm geantwortet. Er war sauer, natürlich."
„Sagt man mit diesem Medikament die Wahrheit?"
„Ja."
„Dann nimm du es, damit du endlich zugibst, dass dein „Ich liebe dich" gefaked ist."
Will holte tief Luft und nickte.
„Ja, Tanja. Ich habe dich mit Vorsatz angebaggert. Der Kurs war eine abgekarterte Geschichte gewesen, selbst Evelin wußte Bescheid, doch sie dachte, es gehe nur um deinen Schutz. Nicht darum, dass das Yard an einem hochkarätigem Mafiaboss dran war und sie mich, den kleinen Provinzbullen, mit im Boot haben wollten. Ich habe dein Foto gesehen, doch als du live vor mir standest, war es um mich geschehen. Das ist nicht gelogen!"
„Evelin...steckt auch mit drinnen?" hauchte ich.
„Es tut mir leid." murmelte er traurig.
„Hättest du es mir irgendwann gesagt? Nein. Wenn ich dir von Juri erzählt hätte, wärst du weg gewesen, oder?"
„Schatz...ich hätte dich nicht heiraten müssen, um meinen Job zu machen. Du hast mich nie darum gebeten, hast immer betont, dass es auch anders für dich okay wäre. Ich wollte dich. Ich will dich immer noch, und selbst, wenn du mich zerstückelst, wie du mir angedroht hast, werde ich bleiben."
„Lass mich gehen, wenn du mich liebst."
„Das geht nicht, sorry. Du musst was essen, Schatz. Und trinken, das Zeug muss aus deinem Körper."
„Fick dich." knurrte ich und zog die Decke über den Kopf.
Ich hörte die Tür zugehen. Kaum waren seine Schritte verklungen, trank ich tatsächlich etwas. Ich trank die halbe Flasche aus! Dann nahm ich mir ein Buch und schaffte es, mich darin dermaßen zu verlieren, dass ich Will erst hörte, als er die Tür öffnete. Ich zuckte zusammen und schaute ihn mit großen Augen an.
„Ich gehe mit Müller laufen. Falls du abhauen willst- vergiss es, draußen stehen meine Jungs und passen auf."
„Fick dich." murmelte ich und er grinste.
„Dein Wortschatz ist ziemlich eintönig geworden."
„Leck mich."
„Hm. Gerne. Aber erst, wenn ich zurück bin, wir wollen doch nicht, dass Müller auf den Teppich pinkelt?"
Ich warf das Buch in seine Richtung, doch Will schloß schnell die Tür, sodaß es dagegen prallte.
„Bis später!" rief er lachend.
Ich wartete einen Moment, bis ich die Haustür klappen hörte. Dann stand ich auf und hob das Buch auf, strich über den Einband und entschuldigte mich leise. Nein, Bücher hatten es nicht verdient, so behandelt zu werden! Will schon! Ich beschloß, in die Küche zu gehen und mir etwas zu essen zu machen, denn ich hatte doch etwas Hunger und nun hatte ich ja sturmfreie Bude. Außerdem würde ich mir eine Fressalienbastion im Schlafzimmer errichten und dann brauchte ich den Schlüssel. Will würde garantiert eine Stunde unterwegs sein, er lief täglich. Als ich die Küche betrat, lag dort ein nagelneues iPhone auf dem Tisch. Ich nahm es und entsperrte es, es war schon komplett eingerichtet, aus dem Backup von meinem alten- ja, Will hatte auch meine Passwörter, falls mir mal etwas passieren sollte, hatte ich ihm gesagt. Ich lachte leise. Sah, dass eine Nachricht von Will darauf war.
„Hey Schatz, essen findest du im Kühlschrank. Hab Bolognese gemacht. Und Karamellpudding zum Nachtisch. Falls du den Schlüssel suchen willst, lass es, er ist in meiner Tasche. Sowie alle anderen Zimmerschlüssel auch. Bin bald wieder zurück. PS: Ich liebe dich."
„Kontrollfreak." schrieb ich.
„Ah, du weitest deinen Wortschatz aus...Ist das ein Zeichen der Besserung?"
„Ich bin nicht krank. Du bist es. Meine Liebe war echt."
Ich spürte, wie sich mir die Kehle zuschnürte und Tränen in meine Augen sprangen. Bevor mir wieder schlecht vor Kummer wurde, schob ich die Bolognese in die Mikrowelle. Ließ das Telefon brummen und sammelte Chipstüten, Schokoladen- und Pralinenpackungen zusammen und brachte sie nach oben ins Schlafzimmer. Außerdem nahm ich den Wasserkocher und meine Dose Cappuccinopulver mit. Das Telefon ließ ich unten, machte es mir mit Bolognese und Karamellpudding gemütlich und schaltete den Fernseher ein. Lachte über „Scary Movie", sodass es mir nach einer Weile wirklich etwas besser ging, physisch wie psychisch. Will's Matratze war immer noch nicht getrocknet und ich föhnte sie ein wenig. Dann räumte ich schnell das schmutzige Geschirr weg und legte mich hin. Wieder überkam mich eine schwere Müdigkeit, wahrscheinlich Restwirkung der Injektion. Ich konnte nichts dagegen tun, wieder einzuschlafen.
Ich hörte ein leises Scharren und zuckte zusammen. Es war nur Müller, der mal wieder ins Schlafzimmer wollte. Fragte mich, warum, Will war doch...ich hörte ihn leise schnarchen. Ja, er lag neben mir, auf meiner Betthälfte, nur die Decke trennte uns, denn er lag darauf. Wie immer, splitternackt. Er stöhnte gequält. Ja, sofort quoll mein Herz auf vor lauter Liebe. Er wirkte so verletzlich, trotz seiner Größe. Seine wunderschönen, langen Finger krallten sich in die Decke. Er trug seinen Ring und mir fiel ein, dass ich meinen ebenfalls die ganze Zeit nicht abgenommen hatte. Ich griff nach seiner Hand und drückte sie sanft, er seufzte im Schlaf- so süß! Sodaß ich nicht anders konnte, als näher heran zu rücken und sanft sein Gesicht zu küssen. Will wurde sofort wach und schnappte nach meinen Lippen. Ich stöhnte, weil ich ihn so brauchte. Er begann, meine Decke weg zu ziehen und Küsse über meinen Körper zu verteilen, ich wehrte mich nicht. Schon gar nicht, als er unten angekommen war. Normalerweise liebte Will es, stundenlang um das Ziel herum zu wandern, vielleicht mal sanft gegen meine Scham zu stupsen, aber dann wieder meine Beine zu küssen. Doch er wußte anscheinend, das ich heute keine Geduld hatte. Und Himmel, war dieser Mann gut in oral. Oder es war die Liebe, die ich für ihn empfand, auf jeden Fall kam ich nach kurzer Zeit, obwohl mein Kopf mich eigentlich hätte irritieren müssen. Doch meine Gedanken waren still und alles, was ich wollte, war, das köstliche Gefühl solange auszukosten, wie möglich. Will machte weiter, stieß seine Finger in mich und plötzlich kam ich anders. Es war total irre, das hatte ich noch nie gespürt! Manchmal war ich kurz davor gewesen, doch dann war ich klitoral gekommen und es war wieder vorbei gewesen. Ich schrie vor Überraschung leise auf, was Will so heiß machte, dass er hoch schoß und mich nahm. Und das war irre, der Aftershock des Orgasmus wirkte noch nach und überrannte mich mit wundervollen Schauern, und dann passierte es noch einmal. Ich starrte Will an, er lächelte und kam mit mir zusammen. Ja, ich hatte befürchtet, dass nun wieder die Flennerei los ging! Sie war unvermeidbar, nach allem, was ich in den letzten vierundzwanzig Stunden erlebt hatte. Will tröstete mich sanft, obwohl ich wußte, dass er immer das Gefühl hatte, er hätte mich mißbraucht, wenn ich nach dem Sex weinte. Ich klammerte mich an ihn und japste nach Luft.
„Schhh...atme. Komm, mit mir zusammen...ein...aus..." raunte er.
Nach ein paar Minuten war es besser und ich stieß ihn von mir runter. Sein Blick weitete sich erschrocken.
„Wenn du glaubst, jetzt ist alles wieder gut, hast du dich geschnitten!" schniefte ich. „Ich brauchte nur einen Orgasmus."
Nun zuckte es um seine Mundwinkel.
„Stets zu Diensten, Madam." lächelte er und stand auf.
Hielt mir die Hand hin. Als er mich hochzog, fiel ich sanft gegen ihn und roch mich in seinem Bart. Sofort war ich wieder auf dem Trip, ich schnappte nach seinen Lippen und saugte gierig meinen Saft aus dem weichen Haar. Will stöhnte und drückte mich zurück in die Matratze. Legte sich langsam auf mich und ich piepste leise.
„Möchten Madam noch einmal bedient werden?" raunte er in mein Ohr.
Ich überlegte, ob ich ihm erzählen sollte, was gerade geschehen war. Der Vorteil wäre, dass er mir gezielter noch so einen Mega- Orgasmus verschaffen könnte. Der Nachteil, dass er wiederholt bestätigt werden würde, dass er unersetzlich für mich war. Gerade lief seine Zunge über meinen Hals, er kam hoch und drehte mich auf den Bauch. Ich zog scharf die Luft ein und er hielt inne.
„Alles okay?" flüsterte er.
„Gestern wäre es noch okay gewesen." zischte ich. „Lass mich bitte aufstehen."
„Es tut mir leid. Ich dachte..." murmelte er zerknirscht.
Ich sagte nichts und ging ins Bad, um mich zu säubern. Natürlich war sowas immer gegangen, ohne, dass ich Flashbacks bekam, weil er Will war und nicht mein Vergewaltiger. Will konnte nicht ahnen, dass es nun nicht mehr so war. Als er hinterher kam, erklärte ich es ihm. Seine Augen füllten sich mit Tränen, er schaute zu mir runter, da ich auf Toilette saß. Dann hockte er sich vor mich und nahm meine Hände.
„Was kann ich tun?" raunte er sanft.
„Lass mich gehen." hauchte ich.
„Selbst, wenn ich dich gehen lassen könnte...willst du das wirklich?"
„Ich weiß nicht, was ich will. Ich will diese doofen Flashbacks loswerden. Und..." ich stöhnte, beinahe hätte ich mich verraten!
„Und was?" hakte er sanft nach.
Ach, diese wunderbaren Augen. Wenn ich ein Verbrecher wäre, würde ich diesem Kerl sofort alles gestehen! Andererseits konnte Will auch furchteinflößend sein, ich hatte es in der letzten Woche mit bekommen, als er eingreifen musste, weil einer seiner Männer einen Verdächtigen angegangen war. Danach hatte ich meinen Mann, der furchtbar erregt gewesen war, in die Tiefgarage gelockt und ihn dort gechillt. Nein, er brauchte mich genauso, wie ich ihn, oder?
„Tanja? Bist du noch da?" fragte er lauter.
Ich nickte.
„Welcher Tag ist heute?" wollte er wissen.
„Ich bin nicht dissoziiert." grummelte ich. „Das passiert nicht mehr. Auch, wenn ich ihn fast spüren kann...das wollte ich sagen." schloß ich und hoffte, das Will es schluckte.
Will verzog das Gesicht.
„Ich wünschte, ich hätte ihn erledigen können. Ein Kopfschuss war noch viel zu human für jemanden wie ihn."
„Erkläre mir alles. Von Anfang an." murmelte ich und stand auf.
Wir kuschelten uns ins Bett und Will begann, zu reden. Erzählte von Thomas, mit dem er zusammen einen Vorfall betreut hatte, in dem zum ersten Mal der Name „Karl Ljubew" aufgetaucht war. Damals war er in Stoke- on Trent Bulle gewesen und hatte einen Hehler hochgenommen. Dann hatte London sich plötzlich eingeschaltet und ihm den Fall weggenommen, doch Will hatte den Kontakt zu Thomas nicht abgebrochen. Bis Juri auftauchte und es eine neue Möglichkeit gab, an den Mafiaboss heran zu kommen. Der Zufall wollte es, dass ich nach England gezogen war, und da man Will nicht komplett aufklären musste, hatten sie ihn ausgewählt. Natürlich auch, weil er noch unverheiratet war. Er hatte sich einverstanden erklärt, Leslie für die Karriere zu opfern. Denn er hatte mich auch damit nicht angelogen- es hatte gestimmt, dass sie gerade erst zusammen nach Manchester gezogen waren, in Stoke hatten sie noch getrennte Wohnungen gehabt. Will hatte es eigentlich so geplant, dass er mit ihr Schluß machen wollte, bevor er nach Manchester gehen würde. Doch Leslie hätte ihn angefleht und so gebettelt, dass er nachgegeben hätte, obwohl er wußte, dass er ja mit mir anbändeln sollte. Nun, der Auftrag war nicht direkt gewesen, mich zu seiner Geliebten zu machen, eine tiefe Freundschaft hätte ausgereicht. Da hätten sie Will freie Bahn gelassen, aber als er gemerkt hätte, dass ihm eine Freundschaft nicht ausreichte, hatte er Leslie endgültig verabschiedet. Sie war verzweifelt gewesen, ich wußte, dass Will an dem Abend, als wir im Kino gesessen haben, sein Telefon hatte ausschalten müssen. Er hatte mir nie erzählt, dass sie ihn Tag und Nacht terrorisiert hatte. Sie hatte nach einem Monat aufgegeben, als sie gemerkt hatte, dass es ernst mit Will und mir war. So, wie wir es allen bewiesen hatten!
Ich musste weinen. Es war alles nur ein Spiel gewesen! Will fragte sanft:
„Soll ich...aufhören?"
„Nein. Wie läuft das, mit den Berichten?"
„Ich musste London jeden Monat einen kurzen Bericht schreiben. Sie sind ziemlich enttäuscht gewesen, dass ich ihnen nicht mehr Futter geben konnte. Letztes Jahr meinten sie, ich könne abbrechen, anscheinend wäre aus dir nichts heraus zu holen. Natürlich habe ich es nicht getan. Ich meine, ich habe ihnen gesagt, dass ich mich nur melden würde, wenn es was Wichtiges gäbe. Aber ich würde dich ganz sicher nicht verlassen. Mit Thomas habe ich weiter Kontakt gehalten, denn er tut mir wahnsinnig leid. Er war so nahe dran gewesen..." seufzte Will.
Ich schaute ihn an. Wir lagen uns zugewandt, er hatte die ganze Zeit mein Haar gestreichelt und ich seinen Rücken. So, wie wir es gewohnt waren, ich hatte nicht mal bemerkt, dass ich ihn anfasste.
„Er hat keinen Namen genannt. Es würde nichts bringen." hauchte ich und Will zuckte zusammen.
„Du erinnerst dich?"
„Hm. Nicht an alles. In der ersten Stunde habe ich gedacht, er wäre paranoid. Hab mit meinem Oberarzt besprochen, dass ich ihm Psychopharmaka geben sollte. Natürlich hat Juri abgelehnt, er war ja schon polytox. Also habe ich mit ihm Atemübungen und Aufmerksamkeitslenkung gemacht. Beim Zweiteren sollte er mir eine Situation beschreiben und ich könnte schwören, er hat von Ljubew geredet. In der nächsten Stunde erklärte er mir stolz, dass es mit dieser Technik geholfen hätte, er hätte einfach gedacht, das sein Boss so brüllen musste, weil er einen kleinen Schwanz hätte."
Will lachte auf und ich ebenso. Fuhr fort:
„Ja, ich habe ihm erklärt, dass das nicht der Sinn von Aufmerksamkeitslenkung wäre. Wir haben es noch einmal probiert gehabt und plötzlich hatte Juri angefangen, mir Inhalte aus dem Gespräch mit seinem Boss zu berichten. Ich hatte ihm Einhalt geboten, weil ich schnell gemerkt hatte, dass es um illegale Dinge gehen musste, obwohl er kein Wort über Drogen oder Waffen gesagt hatte. Das habe ich alles genau aufgezeichnet und habe auch mit meinem Supervisor darüber gesprochen, der nun plötzlich meint, ich hätte es nicht getan. Er riet mir, Juri abzugeben. Naja, den Rest kennst du. Er...hat mich nicht mal ausreden lassen."
Will hatte mich an seine Brust gezogen.
„So, Officer, das war meine Aussage. Darf ich jetzt gehen?" hauchte ich.
„Hm hm. Wie oft muss ich es wiederholen, dass ich dich nicht gehen lasse?" murmelte er und küsste meinen Kopf. „Du hast mich verzaubert, Schatz. Ich könnte ohne dich nicht leben."
Ich seufzte leise.
„Und wie geht es jetzt weiter? Muss ich immer im Haus bleiben, wie eine Gefangene?"
„Kommt darauf an, was London sagt. Ich werde berichten, was du mir erzählt hast. Wenn du zur Kronzeugin gemacht wirst, werden wir dich in Sicherheit bringen müssen."
„Zum Beispiel auf die Malediven?" blinzelte ich und er kicherte.
„Sowas ähnliches."
Ich strich zärtlich durch seine spärliche Brustbehaarung und stupste mit der Nase dagegen.
„Wirst du mitkommen?" flüsterte ich.
„Nein. Das wäre zu...hm... gefährlich." hauchte er erregt, denn ich war schon weiter runter gerutscht und küsste seinen weichen Bauch. „Schatz, er ist nicht der sauberste."
„Woher weißt du, was ich will?" kicherte ich.
„Du willst mich von irgendwas ablenken. Ab...bringen. Uh. Bitte..."
„Garnicht. Ich...mag...ihn...nur...so gerne." murmelte ich unter Küssen.
Die ich zärtlich auf seine weiche Männlichkeit gedrückt hatte. Hm, nein, er war nicht ekelig, Will hatte sich ja eben kurz gewaschen und so ließ ich seinen Penis in meinem Mund verschwinden, noch passte er genau hinein. Will stöhnte laut auf. Ja, ich war schon merkwürdig, in dem einen Moment verschreckt, im nächsten konnte ich sexuelle Handlungen ausüben, ohne zu zögern. Doch ich war mir sicher, dass es an Will lag, den ich einfach nur heiß fand. Und der so süß war, wenn man ihm einen blies! Er legte ganz sanft seine Hand auf meinen Kopf und ich stöhnte, als seine Männlichkeit wuchs.
„Okay. Was immer du willst, ich tue es." keuchte er.
„Lass uns zusammen verschwinden." raunte ich.
„Das...geht doch nicht."
Ich setzte mich auf.
„Warum nicht?"
Er legte den Finger auf den Mund. Ich begriff sofort, dass jemand mithörte. Schüttelte den Kopf und legte mich auf den Rücken. Will stand auf und ging ins Bad, und ich schrie laut auf. Sofort kam er zurück gestürmt.
„Was ist?"
„Ich war gerade kurz davor, einen Fehler zu begehen. Das passiert mir garantiert nicht wieder. Fahr zur Hölle, Detective Delaney. Ich hoffe, sie bringen mich ganz weit von dir weg!"
Das Namen- Problem war tatsächlich eines, doch nur ein Kleines. Denn ich hatte ein Bonbon für den grauhaarigen Typ vom Yard im Gepäck. Erinnerte mich, dass ich meine Supervisions- Berichte auch privat gespeichert hatte, falls sie verloren gingen. Ich suchte nach dem Stick, den ich irgendwo in meinem Deutschland- Karton vergraben hatte. Und fand ihn. Und siehe da, Juri Goldmann, Stunde eins bis drei! In der Vierten hatte er mich vergewaltigt und fast umgebracht. Die hatte ich natürlich nicht dokumentiert. Dann ging alles ganz schnell. Ich hatte keine Möglichkeit, Sara, Evelin, Müller und meinem Mann auf Wiedersehen zu sagen, blieb nach dem ewig langem Verhör über Nacht in London und wurde dann mit zwei Bodyguards in einen Flieger nach nirgendwo gesetzt.
Und bereute es sofort, was ich zu Will gesagt hatte. Weil ich ihn vielleicht nie wieder sehen würde...
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