Kapitel 3
PoV Eren
Seit meinem letzten Brief waren vier Tage vergangen. Jeden Tag hatte ich in den Briefkasten geschaut. Dieser Levi interessierte mich.
Gerade saß ich auf meinem Bett – hatte heute Abend spontan frei bekommen – und spielte auf meinem Bass vor mich her. Hatte Kopfhörer angeschlossen und bekam erst mit, dass Armin ins Zimmer gekommen war, als er mir vor der Nase rumfuchtelte. „Sorry.", murmelte ich und setzte die Kopfhörer ab.
„Du hast Post bekommen.", säuselte der Blonde und reichte mir einen Stapel Briefe.
Werbung, ein Brief von meinem Vater, der warten könnte und ein Brief aus der Vollzugsanstalt. Armin verließ mein Zimmer wieder und neugierig öffnete ich jenen Brief.
Seine Handschrift war wirklich schön.
Da fühlte ich mich ja beinahe schlecht, wenn er meine Schrift ertragen musste.
Hallo Eren,
ich habe mich über das Foto gefreut. Ein Gesicht vor Augen zu haben, wenn ich deine Briefe lese, ist wirklich schöner. Ich habe leider kein Bild von mir vor meiner Zeit hier. Und momentan sehe ich ziemlich fertig aus. Da würde dich ein Bild sicher nur abschrecken. Allerdings habe ich in zwei Tagen einen Termin bei unserem Frisör bekommen. Vielleicht darf ich dann ein Bild für dich machen.
Damit kommen wir auch zum Tagesablauf hier. Wir werden um 7 Uhr geweckt, dann haben wir eine halbe Stunde Zeit zum Duschen. Die Duschen hier sind ziemlich eklig und immer voll. Ich will gar nicht genau wissen, wie viele nackte Männer ich in den letzten zwei Jahren gesehen habe. Ich glaube das reicht für eine ganze Ewigkeit.
Bei diesem Absatz musste ich leise lachen. Ich konnte mir auch schöneres vorstellen, als jeden Morgen in einem Haufen nackter Männer zu stehen. Obwohl – es kam auf die Männer an.
Doch egal. Ich las lieber weiter, als mich irgendwelchen ablenkenden Phantasien hinzugeben.
Nachdem wir geduscht haben und uns angezogen haben, gibt es Frühstück. Das ist eigentlich ganz ok. Es ist besser als Flugzeugessen. Ich bin früher viel geflogen, da war das Essen grauenhaft.
Nach dem Frühstück müssen wir zur Arbeit. Es gibt verschiedene Jobs hier. Es gibt auch Kurse für die, die Abschlüsse nachholen wollen oder unsere Sprache lernen müssen. Mein Zellengenosse und ich sind beim Bau. Eine neue Sporthalle wird gebaut und es ist billiger uns arbeiten zu lassen, als eine teure Firma zu engagieren.
Man kann aber auch in der Küche arbeiten und das Essen vorbereiten. Wenn es einen schlecht trifft, muss man in die Putzgruppe. Sie werden von den Machos nur die Dienstmädchen genannt. Sie müssen alles machen, was niemand anderes tun will. Toiletten und Duschen sauber machen. Zellen aufräumen. Den Essensaal feudeln und den Müll rausbringen. Niemand macht diesen Job gerne, aber er muss gemacht werden, sonst haben wir wieder Ratten.
Wenn wir gearbeitet haben, gibt es um 19 Uhr wieder etwas zu essen, dann haben wir Freizeit. Um spätestens 23:30 müssen alle in ihren Zellen sein und das Licht geht aus.
Es ist zwar ein strenger Plan, aber es hätte mich schlimmer treffen können. Meine Zelle ist auch keine wirkliche Zelle. Es ist mehr ein kleines Zimmer. Wir haben Sicht auf den Hof, haben zwei normale Betten, einen Tisch, zwei Stühle und einen kleinen Kleiderschrank. Auch, wenn wir nichts anderes tragen dürfen als unsere Arbeits- und Gefängniskleidung, irgendwo muss man den Scheiß ja verstauen.
Zu deiner Frage zu meinem Job. Ich war Bankangestellter. Oder anders gesagt: mir gehörte die Bank. Mein Onkel hatte sie mir vererbt, als er vorzeitig in den Ruhestand gegangen ist. Das ist auch der Grund, warum ich hier bin. Wer einmal viel Geld hat, kann sich selten daran gewöhnen, wie es ohne ist. Ich habe irgendwann Geld veruntreut. Nichts worauf ich stolz bin. Ich dachte nur das solltest du wissen. Ich würde nicht wollen, dass du denkst, ich wäre ein Schwerverbrecher oder hätte jemanden ernsthaft verletzt. So bin ich nicht.
Ich hoffe, dass dich folgendes nicht stört. Ich habe das Gefühl, dass ich in diesen Briefen ehrlich sein kann, ohne dass ich verurteilt werde. Ich hoffe, dass es dir nichts ausmacht, wenn ich mir ein bisschen was von der Seele rede. Falls doch, dann tut mir das leid.
Weißt du Eren, ich bin schwul. Mein Zellengenosse weiß das, für ihn ist es ok. Aber ich kriege hier jeden Tag aufs Neue mit, wie andere Schwule verprügelt werden. Es ist extrem nervig und ich bin es ehrlich gesagt ein bisschen leid das mit ansehen zu müssen. Doch wenn ich mich einmische, könnte meine Haftstrafe verlängert werden. Meine Bewährungshelferin sagt, dass ich das nicht tun sollte. Ich könnte in ein paar Wochen hier raus sein und soll mir meine Chancen nicht kaputt machen.
Doch ich fühle mich ein wenig nutzlos, deshalb schaue ich nicht hin. Ich hoffe, dass ich sowas nicht mehr so oft sehe, wenn ich hier rauskomme.
Das hat vermutlich die Stimmung gedrückt. Das tut mir leid. Vielleicht magst du mir etwas erzählen, was dich bedrückt? Dann gleicht sich das aus und ich stehe nicht, wie ein Idiot da.
Bis bald
Levi
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