⋆·˚ ༘ * 14. 𝔟𝔢𝔞𝔲 '𝔠𝔶𝔠𝔩𝔬𝔫𝔢' 𝔰𝔦𝔪𝔭𝔰𝔬𝔫
❧it's okay to feel both
Es ist Ende Dezember, alle Schüler der Akademie fahren zu ihren Familien, nur ich sitze in meinem Zimmer und starre aus dem Fenster und betrachte, wie der Schnee langsam zu Boden fällt.
Draußen wütet, so wie in meinem Inneren, ein Sturm. Eigentlich macht es mir nichts aus, dass ich keine Familie mehr habe. Wie denn auch? Ich habe sie nie kennengelernt, weswegen ich nichts anderes gewöhnt bin, aber immer zur gleichen Zeit, wenn alle anderen Schüler die Akademie verlassen, überkommt mich im entferntesten so etwas wie Eifersucht – sie alle kommen zuhause an, wo sie von ihren Liebsten empfangen werden, während mein Zuhause die Akademie ist.
Es klingt trauriger als es ist. Wie gesagt, ich bin es nicht anders gewöhnt. Oder ich rede es mir ein, damit es mir ein wenig besser geht.
Ein leises Klopfen an meiner Tür reißt mich aus meiner Starre. Ich antworte nicht, während mein Blick zu der Tür gleitet und sie augenblicklich geöffnet wird und Cyclone mein Zimmer betritt.
»Sir«, begrüße ich meinen Lehrer mit einem knappen Nicken. Eine Sekunde zu lang ruht mein Blick auf seinem engen Shirt, das seine Muskeln so perfekt betont, dass mir einen Moment die Luft wegbleibt.
Die Uniform der Top Gun steht ihm hervorragend, aber es sind seine einfachen Altagsklamotten, die mir die Luft zum Atmen rauben.
»Y/N, du bist immer noch hier«, stellt er fest. Ich verkneife mir ein Augenrollen und drehe mich um. Ich hasse Mitleid. Ich brauche kein Mitleid. »So wie auch schon zu Ostern«, erwidere ich.
Ich habe kein Zuhause. Keine Familie, die auf mich wartet und mich in ihre Arme schließt.
»An Weihnachten?« Er seufzt bevor er einfach mein Zimmer betritt, das ohne meine Zimmerpartnerin trostlos wirkt. Er fragt nicht, aber er ist auch mein Lehrer, weswegen er fast alles darf, was er will. Außer mich küssen, wobei ich nichts dagegen hätte.
Schon früher hatten meine Mitschüler einen Crush auf Lehrer. Ich habe es nie verstanden, bis ich auf Beau Simpson getroffen bin. Wenn man ihn das erste Mal sieht, denkt man, er hat einen Stock im Arsch, doch das alles ist nur Fassade, die er durchsickern lässt, wenn er denkt, dass niemand aufpasst. Doch ich konnte einen Blick hinter seiner eisernen Mauer erhaschen und was ich sehe, erinnert mich schmerzlich an mich selbst.
»Außer in meinem Geschenk ist eine neue Familie drin. Ach warte, ich kriege ja keine Geschenke.« Ich verziehe mein Gesicht und starre wieder nach draußen. Die Flocken haben etwas Beruhigendes an sich. So dass ich nicht bemerke, wie Beau sich einen Weg durch mein Zimmer bahnt und vor meinem Bett stehen bleibt.
»Y/N.« Seine Stimme ist leise. Flehend und so unendlich süß, dass ich hart schlucken muss. Beau ist einer der wenigen Lehrer, der mich versteht. Der nicht versucht, mir etwas schön zu reden, was nicht schön ist.
»Sir, es ist okay.« Ich zwinge mich zu einem Lächeln, was meine Augen nicht erreicht. Beau durchschaut mich sofort und hält mir mit einem Mal seine große Hand hin.
»Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du mich Beau nennen sollst, wenn wir alleine sind. Und aktuell haben wir – bis auf wenigen Ausnahmen – die ganze Akademie für uns«, erwidert er. Zögerlich lege ich meine Hand in seine. Sofort kribbelt mein ganzer Körper. Er zieht mich auf meine Beine, während ich ihn neugierig mustere. Was hat er vor? Sein Gesicht ist wie immer verschlossen, sodass ich nicht daraus lesen kann, was er vorhat.
»Wo bringst du mich hin?« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren zieht er mich durch die endlosen Gänge der Akademie, als er die Küche ansteuert.
»Ich habe die anderen immer über deinen Kuchen schwärmen hören und war tatsächlich enttäuscht, dass ich noch nie davon probieren durfte«, schmunzelt er und verwirrt sehe ich ihn an.
Wenn wir alleine sind, ist er weniger der grummelige Lehrer, der so penibel auf die Regeln achtet, dass es schon krankhaft ist. Er hat tatsächlich denselben Humor wie ich und es fühlt sich nicht so an, als wären wir Lehrer und Schüler – wobei ich bei ihm kein Fach habe.
»Jemand schwärmt über meine Kuchen?«, hake ich deswegen nach, als wir durch die Tür in die Küche gehen, die dunkel vor uns liegt. Schnell betätigt Beau den Lichtschalter und die große Küche strahlt in einem sanften Licht.
»Jemand? Selbst der Direktor liebt ihn und glaub mir, ich habe ihn schon oft erwischt, wie er ein Stück in der Schublade unter seinem Schreibtisch versteckt hat.« Unweigerlich kichere ich bei seinen Worten. »Das lockt aber Ratten an.«
»Das habe ich ihm auch gesagt, aber er wollte nicht auf mich hören.« Beau lacht und seine raue Stimme beflügelt mich. Er löst unsere Hände voneinander, was mich sehnsüchtig seufzen lässt. Ich sehe ihn nach, bevor mein Blick auf die Platte fällt, wo schon etliche Backutensilien stehen.
»Hast du das alles geplant?«, will ich wissen. Meine Stimme zittert ein wenig, weil ich überrascht und etwas überfordert bin. Will Beau mich etwa aufmuntern?
Ich verdränge es zwar und spiele es immer runter, aber in einigen Augenblicken vermisse ich etwas, was ich eigentlich nicht vermissen kann, weil ich es nicht kenne. Doch ich höre die Geschichten der anderen, wie liebevoll sie über ihre Familie reden und dann wünsche ich mir auch sowas.
Aber entweder man hat eine Familie, oder man hat keine. Und weil Gott es so wollte (wenn es denn einen gibt), hatte er keine für mich. Oder er hatte eine, aber eine, die mich als Kind einfach vor einer Kirche ausgesetzt hat.
»Danke.« Ich lächle ihn dankbar an. Er erwidert es, bevor er die langen Ärmel seines Oberteils hochzieht und kurz meine Augen auf seinen hervortretenden Adern ruhen. Heilige Scheiße.
Schnell wende ich meinen Blick ab und sehe in seine Augen. Doch auch das stellt sich als Fehler heraus. »Ich habe mir gedacht, dass du es mir vielleicht zeigen kannst. Ich bin nicht sonderlich begabt«, erwidert er.
»Gibt gerade, der Beau Simpson, bei seiner Schülerin zu, dass er etwas nicht kann?« Ich kann den frechen Unterton meiner Stimme nicht unterdrücken. »So gesehen bist du nicht meine Schülerin und ich bin bereit, etwas Neues zu lernen«, erwidert er. Der Blick, den er mir schenkt, lässt tausende Schmetterlinge in meinem Magen umherfliegen. Ich bin so hoffnungslos verloren und die Tatsache, dass er mich wie ein Welpe ansieht, damit ich ihm beibringe, wie man richtig Kuchen backt, macht es nicht gerade besser.
»Okay.« Ich atme tief durch, versuche meine aufgescheuchten Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen, bevor ich ihm Anweisungen gebe, was er tun soll. Leise summe ich mit, während Beau den Teig nach meinen Anweisungen beginnt zu mischen. Irgendwann hat er die Musik angemacht und auch wenn es Weihnachtsmusik ist, die in meine Ohren dringt, kann ich mich nicht zurückhalten.
Seitdem Beau mich aus meinem Zimmer geholt hat, ist meine schlechte Laune wie weggeblasen und ich fühle mich zum ersten Mal an einem Feiertag... Okay. Einfach nur okay. Vielleicht mit einer Menge Schmetterlinge in meinem Bauch. Aber dennoch nur okay.
»Y/N?« Seine fragende Stimme lässt mich umdrehen und erschrocken reiße ich meine Augen auf, als er mir seinen Finger hinhält, den er zuvor in den Teig gesteckt hat.
»Nur als kleine Kostprobe.« Seine Stimme ist einige Nuancen tiefer. Mein Unterleib zieht sich bei seiner Wortwahl zusammen und ohne überhaupt nachzudenken, nehme ich seinen Finger zwischen meine Lippen und lecke den Teig davon.
Seine Pupillen werden größer, als unsere Blicke sich ineinander verhaken. Meine Zunge schlängelt sich um seinen Finger, bevor er ihn langsam und ohne den Blickkontakt abzubrechen, seinen Finger herauszieht.
Stumm sehen wir uns an, während sich die Stimmung zwischen uns auflädt. Ich verharre auf der Stelle, während Beau einen Schritt auf mich zu macht. Er lässt mich nicht aus seinen Augen, doch ich kann mich auch nicht aus dem sanften Grün lösen, der mich an den endlosen Wald erinnert, der sich vor meinem Waisenhaus befindet.
»Keiner sollte an Weihnachten alleine sein«, flüstert er. Sein Blick wandert über mein Gesicht, was sich wie die süßeste Liebkosung auf der Welt anfühlt. Mein Herz flattert nervös in meiner Brust. »So wie du?«, bringe ich schwach über meine Lippen. Beau nimmt mich alleine mit seinen Blicken und seiner Präsenz so ein, dass mir gleichzeitig warm und kalt wird.
»Komm mit mir. Dann müssen wir beide nicht alleine sein«, erwidert er, und mein Atem stockt. Er lädt mich zu sich nach Hause ein?
»Ich bin deine Schülerin«, erwidere ich mit zittriger Stimme. Mein Atem geht schneller, aber auch sein Atem ist erhöht, während er meine Lippen streift.
Er schiebt seine Hand in meinen Nacken und legt seine Lippen auf meine. Ich bin wie erstarrt, während der Käfig in meinem Bauch geöffnet wird und tausende Schmetterlinge durch ihn tanzen, was mich zurück ins Hier und Jetzt holt, wie Beau mich küsst.
Ich sollte ihn von mir wegstoßen, aber eigentlich sollte auch jedes Kind eine Familie haben. Also schlinge ich meine Arme um seinen Nacken und erwidere den Kuss, der schnell intensiver wird.
»Fühlt es sich so an?« Seine Lippen lösen sich von meinen und unser Atem vermischt sich. Seine grünen Augen strahlen mir entgegen und sind dabei so wild wie der Dschungel. Ich stelle mich auf meine Zehenspitzen und drücke ihm einen weiteren kurzen Kuss auf seine Lippen, doch bevor er ihn intensivieren kann, löse ich mich von ihm.
»Nein«, antworte ich ihm ehrlich. Mehr muss ich nicht sagen, er braucht auch keine richtige Antwort auf seine Frage, denn die kann er in meinen Augen lesen.
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