⋆·˚ ༘ * 02. 𝔧𝔞𝔨𝔢 '𝔥𝔞𝔫𝔤𝔪𝔞𝔫' 𝔰𝔢𝔯𝔢𝔰𝔦𝔫
❧ kindness always come back.
»Y/N!« Jedes Mal geht mein Herz auf, wenn eines der Kinder meinen Namen so voller Begeisterung schreit.
»Hey, Finn!«, sage ich freudig und lache leise, als der blonde Junge meine Beine umarmt, weil er noch so klein ist.
»Warst du auch schön artig?«, will ich wissen, während ich durch seine lockigen Haare wuschle. Er hebt seinen Kopf und sieht mich aus seinen strahlend blauen Augen an. Mit diesem Blick wird er später sicherlich einige Frauenherzen brechen.
»Ja! Ich habe Jeannine beim Schnee schieben geholfen«, erzählt er ganz stolz und lächelt mich an.
»Er war wirklich sehr fleißig.« Jeannine taucht in einer dicken Winterjacke auf und hebt zur Begrüßung die Hand. Ich lächle der Heimleiterin freundlich zu, bevor Finn sich von mir löst und wieder zurück auf den Hof rennt, wo er mit den anderen Kindern gespielt hat, bevor er gesehen hat, dass ich komme.
»Ich habe heute nicht mehr mit dir gerechnet«, sagt Jeannine und ich seufze, bevor ich zu der dunkelhaarigen, älteren Frau blicke.
»Ich auch nicht, aber ich bin nur einmal in der Woche hier und Finn freut sich jedes Mal«, erwidere ich schulterzuckend.
Die Wahrheit ist, ich bin kaputt. Total übermüdet und überarbeitet – doch das ist zur Weihnachtszeit hin normal. Es ist nicht einfach, mich bei den ganzen steigenden Preisen über Wasser zu halten, aber ich gebe nicht auf. Und niemals würde ich mein Tag mit Finn aufgeben, um mir etwas Ruhe zu gönnen.
Dafür liebe ich die gemeinsame Zeit mit Finn und manchmal mit den anderen Kindern viel zu sehr. Ein Blick in glückliche und strahlende Kinderaugen ist viel mehr Wert als ein richtig gutes Nickerchen.
»Dann macht es dir ja nichts aus, wenn du einen Neuen mitnimmst und ihm ein wenig den Umgang mit den Kleinen zeigst«, lächelt Jeannine mich an und verwundert hebe ich eine Augenbraue.
Es gibt einen Neuen hier?
In dem Moment geht die Tür hinter ihr auf und mein Herz bleibt einen kurzen Atemzug stehen.
Nein. Das kann nicht wahr sein.
»Oh, die kleine Floyd.« Am liebsten würde ich in sein perfektes Gesicht schlagen, sein arrogantes Grinsen herausschlagen und mit einer Gabel in seine Augen pieksen.
Nach Monaten hätte ich niemals gedacht, Jake Seresin wiederzutreffen, aber das Schicksal meint es nicht gut mit mir.
»Oh, ihr kennt euch schon? Das ist doch prima!«, vergnügt klatscht die Heimleiterin in ihre Hände und am liebsten würde ich sie anschreien, dass hier nichts prima ist, doch da hat Finn schon Jake entdeckt und rennt auf den Piloten zu.
Jeannine verschwindet so schnell, wie sie auch gekommen ist und lässt mich mit Jake und Finn allein.
»Was willst du hier?«, frage ich mit kalter Stimme und vergrabe meine Hände in meiner Jackentasche. Am liebsten würde ich einfach wegrennen, aber Finn zu liebe, flüchte ich nicht vor dem Piloten.
»Glaubst du, nur du darfst gemeinnützige Arbeit verrichten?«, fragt er und kurz wandert sein Blick über meinen Körper. Ich bin dick angezogen und dennoch fühle ich mich unter seinem Blick nackt. Vielleicht, weil er genau weiß, wie ich unter meiner Klamottenschicht aussehe.
»Du und gemeinnützig? Du machst doch nichts selbstständig, wenn du keinen Nutzen daraus ziehst«, kontere ich. Ich weiß nicht, ob er einfach ein dickes Fell hat, oder ihn es wirklich nicht interessiert, aber er behält das Lächeln auf seinen Lippen.
»Willst du vor den Kleinen wirklich jetzt anfangen?«, fragt er. Jake weiß genau, dass er mich damit hat. Niemals würde ich vor einem Kind einen Streit anfangen. Auch nach Monaten kennt er mich noch genau und ich hasse es. Genau wie mein Herz, das verräterisch schnell schlägt.
~
Mit einem Lächeln auf den Lippen beobachte ich, wie Finn durch den Park fegt und er hinter sich einen Schlitten herzieht. Doch als ich neben mir eine Präsenz spüre, die mich regelrecht anstarrt, verschwindet dieses Gefühl.
»Was ist dein scheiß Problem?!«, knurre ich und funkle ihn wütend an. Mit verschränkten Armen drehe ich mich zu ihm.
»Das ist die kratzbürstige Y/N, die ich kenne. Ich habe schon gedacht, du bist ein braves Mädchen geworden. So wie dein Bruder.«
Er kann es nicht lassen, dass konnte er noch nie und immer noch treibt er mich damit in die Weißglut.
»Hast du nicht aus deinen Fehlern gelernt, Bagman?«, knurre ich und blicke ihn herausfordernd an.
Noch immer faszinieren mich seine Augen. Jedes Mal, wenn ich in seinen Augen versinke, fühlt es sich an, als könnte er mir in die Seele blicken. Ich fühle mich so nackt.
Um uns herum ist es kalt, doch unter seinem Blick wird mir siedend heiß und alte Bilder von längst vergangenen gemeinsamen Stunden flammen vor meinen inneren Augen auf.
»Du hast mich nicht ausreden lassen, Y/N. Du hast mich angeschrien, bist ausgerastet und dann warst du einfach weg. Ich sage nicht, dass ich immer ein braver Engel war, aber...«, er stoppt sich selbst und das erste Mal erkenne ich sein Gesicht etwas anderes als seine Maske, die er immer und überall trägt. Selbst als wir zusammen waren – oder zumindest kurz davor.
»Aber?«, hauche ich. Dass Finn sich einige Meter unweit von uns im Schnee wälzt, wie ein Hund, bemerken wir beide nicht.
»Du hättest mich reden lassen sollen. Mehr will ich doch nicht sagen«, seufzt er und fährt sich durch seine blonden Haare.
»Du glaubst doch selbst nicht, dass das irgendwas gebracht hätte. Jake, du legst dir alles auf der Welt zurecht, wie es dir passt. Ich kann genauso gut gegen eine Wand reden und selbst die wäre gesprächiger!« Wir sollten dieses Gespräch nicht hier im verschneiten Park führen. Nicht, wo uns so viele Leute hören und nicht dort, wo Finn aus seinem Heimalltag entfliehen kann.
»Es ist wahr – ich hatte etwas mit ihr. Aber das war vor deiner Zeit. Y/N ich wollte nur dich-« Jake kommt nicht zum Ende, weil ihn plötzlich ein Schneeball am Kopf trifft.
Es gibt gerade absolut nichts zum Lachen, vor allem nicht nach seiner Aussage, aber ich kann mich nicht halten, als er sich erschrocken durch sein Gesicht wischt und der Schnee einfach zu Boden fällt.
»Na warte!«, ruft Jake und rennt auf den lachenden Finn zu.
Einen Moment bleibe ich stehen. Meine Gedanken fahren Achterbahn. Ich war der festen Überzeugung, dass Jake mich betrogen hat, dass er mit mir gespielt hat, doch das gerade klang so ehrlich aus seinem Mund.
»Y/N!«, kreischt Finn meinen Namen, der vor Jake immer noch wegrennt und dabei eine Menge Schnee aufwirbelt. Ich stelle meine Gedanken ab. Jake ist Vergangenheit und das sollte ich akzeptieren und in die Zukunft schauen.
Ich greife in den kalten Schnee und während ich den beiden Jungs hinterherrenne, forme ich einen Schneeball.
»Hey, Jake!«, rufe ich und sofort bleibt er stehen und sieht sich zu mir um. Sein Fehler. Ich ziele auf sein Gesicht und treffe den überraschten Piloten sofort. Finn lacht begeistert auf, bevor er Jake von hinten anspringt, der sofort sein Gleichgewicht verliert und mit dem kleinen Jungen in den tiefen Schnee plumpst.
»Elegant«, kichere ich, als ich auf die beiden herabblicke.
»Ziemlich frech, Y/N«, lacht Jake. Finn rollt sich von dem Piloten ab und macht einige Meter neben Jake einen Schneeengel, während Jake mir seine Hand hinstreckt und mich herausfordernd ansieht.
Tatsächlich vergesse ich in diesem Moment unsere ganze Vorgeschichte und genieße die Gesellschaft von Jake. »Sei so nett«, versucht es Jake und während ich mit meinen Augen rolle, greife ich nach seiner Hand.
Gerade als ich ihm auf die Beine helfen will, zieht er mich zu sich runter. »Jake!«, schreie ich erschrocken und will mich mit meinen Händen irgendwo abstützen, aber Jake zieht mich einfach auf sich rauf.
»Jake...«, murmle ich seinen Namen etwas leiser. Er hat seine Arme um mich geschlungen und auch wenn wir beide dicke Winterkleidung tragen, spüre ich, wie seine Wärme in mir übergeht.
Der plötzliche Körperkontakt überrumpelt mich. Seine Augen ziehen mich in den Bann und seine Lippen laden mich nahezu ein, sie zu küssen.
»Mag Jake dich?« Erschrocken schnappe ich nach Luft und drehe meinen Kopf zu Finn. Immer noch liegt er neben Jake im Schnee und macht einen Schneeengel, während seine blauen Augen neugierig zu uns blicken.
»Was?«, krächze ich. Ich will mich lösen, aber Jake hält mich fest, sodass ich mich nicht bewegen kann.
»Manchmal kommt ein Mann und eine Frau zu uns. Die halten immer Händchen und drücken ihre Münder aufeinander«, erzählt Finn.
»Sie küssen sich«, erklärt Jake, während ich den Piloten verdattert ansehe. Jakes Nähe nimmt mich zu sehr ein, als dass ich irgendwie klar denken kann.
»Küsst du Y/N auch?«, fragt der Junge weiter und ich kann es nicht verhindern, dass meine Wangen vor Verlegenheit rot brennen.
»Nicht mehr, Finn«, sagt Jake und seine Augen treffen auf meine.
»Willst du das nicht mehr?«, fragt Finn weiter. Doch so sind Kinder eben. Sie sind die neugierigsten Wesen auf dieser Welt. Stumm starre ich Jake an, der meinen Blick erwidert, bevor seine Zunge über seine Lippe befeuchtet.
»Mehr als alles andere auf dieser Welt«, murmelt er leise. Mein Brustkorb zieht sich zusammen. Alte Gefühle überrumpeln mich – sie waren nie weg, ich habe sie lediglich unter einer dicken Schicht begraben. Doch diese wird gerade eingerissen.
»Willst du ihn küssen, Y/N?«, fragt Finn nun mich und ich fühle mich, als würde ich gerade beim Standesamt stehen. Woher hat der Junge das nur?
»Finn, weißt du, manchmal ist es viel komplizierter. Auch wenn man sich ganz doll mag«, versuche ich dem Jungen zu erklären.
Er erwidert meinen Blick mit seinen blauen Augen. »Ich mag Lisa. Das ist nicht kompliziert«, sagt er und ich weiß beim besten Willen nicht, was ich darauf antworten soll. Er ist eben noch ein kleiner Junge, der noch eine so unbeschwerte Sichtweise hat, nach der ich mich manchmal auch sehne.
»Nein, der Junge hat recht«, flüstert Jake unter mir. Ich kann gar nicht richtig reagieren, als Jake meinen Kopf zu sich dreht. Er schenkt mir einen tiefen Blick, der mir unter die Haut geht, bevor ich seine Lippen auf meine spüre.
Einen Moment versteife ich mich, als das altbekannte Kribbeln einsetzt, so wie immer, wenn Jake mich küsst. Doch dann entspannt sich mein Körper. Die ganze Last fällt von meinen Schultern. Ich kralle mich in seinen blonden Haaren fest, während ich den Kuss erwidere.
»Ich sag doch, das ist nicht kompliziert!«, höre ich Finns Stimme neben uns, der mich aus der Blase mit Jake rausholt. Jake und ich können nicht anders, als über die Worte des Jungen zu lachen.
Vielleicht hat Finn recht. Vielleicht muss man sich manchmal seiner Angst stellen, Wagnisse eingehen, um glücklich zu werden. Denn auch wenn es nicht einfach ist. Am Ende wird immer alles gut.
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