Who ist the good one?
»Aurora, sieh nur. Cameron sieht zu dir rüber«, flüstert Ayla grinsend zu mir rüber. »Natürlich. Wir hatten ein Date, Ayla. Und ich mache nicht den ersten Schritt.« Trotzdem umspielt ein Lächeln meine Lippen. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass du mit dem Good-Boy der Schule auf ein Date gegangen bist!«, meint Ayla grinsend. »Er kommt auf dich zu!«, meint sie ganz hibbelig und ihr Grinsen wächst. Unauffällig sehe ich über meine Schulter, blicke direkt in die strahlendhellen, blauen Augen von Cameron. »Hey Aurora.« Er legt seine Hände auf meine Schultern und beugt sich über mich. »Cameron.« Ayla sieht uns grinsend an, bevor sie, ohne ein Wort zu sagen, aufsteht und geht. Cameron setzt sich mir gegenüber und greift nach meinen Händen. »Ich habe gewartet«, haucht er und streicht über meine Wange. Ein Kribbeln bildet sich in meinem Bauch. »Worauf?«, hauche ich ebenfalls. Ein freches Lächeln macht sich in meinem Gesicht breit. »Auf einige Worte deinerseits. Aber scheinbar muss ich den ersten Schritt machen.« Ich nicke. »Das ist korrekt.« Cameron nährt sich mir und küsst mich. »Also, was hälst du von einem zweiten Date?«, fragt er lächelnd. »Das klingt absolut...«
»Absolut nach keiner guten Idee. Kann ich mit dir reden, Bruder?« Cameron dreht sich genervt um. »Nein Cole. Ich bin gerade beschäftigt und ich sehe nicht ein, eine so wunderschöne junge Frau für dich sitzen zu lassen.« Geschmeichelt sehe ich auf unsere ineinander verflochtenen Hände. Wenn man Cole und Cameron ansieht, kann man sich nicht vorstellen, dass die beiden überhaupt verwandt sind. Cole ist mindestens 20 Zentimeter größer als Cameron, hat schwarze Haare und seine Muskeln sind eindeutig definierter. Doch nicht nur ihr Aussehen verbirgt ihre Verwandtschaft. Nein, auch ihre Charakterzüge sind komplett verschieden. Cameron ist der freundliche, soziale Typ, während alle Welt Cole wahrscheinlich als einen Bad-Boy bezeichnen würde. Und doch ergänzen sie sich wie Ying und Yang.
»Hör zu, Cameron! Es ist wichtig, entweder kommst du jetzt sofort mit, oder du wirst bereuen mich ignoriert zu haben«, zischt Cole. Cameron verdreht die Augen. »Dann bereue ich es eben, Cole! Und jetzt geh, verdammt nochmal!« Camerons Bruder wirft frustriert die Arme in die Luft, macht aber einen, durchaus dramatischen Abgang. »Vielleicht solltest du deinem Bruder folgen. Es schien wirklich wichtig«, werfe ich zögernd ein. Doch Cameron winkt bloß ab. »Ich bitte dich, Cole und ich sind Brüder. Wenn es dringend ist, dann kann er es mir ja Zuhause sagen. Apropos Zuhause: Was hältst du davon, wenn du Morgen nach der Schule mit zu mir kommst?« Ein wenig überrascht weite ich meine Augen. »Du willst unser zweites Date bereits nach Hause verlegen? Ist das nicht ein wenig voreilig?«, frage ich, spiele dabei verlegen mit meinen Händen, die ich Cameron entzogen habe. »Ich verstehe deine Bedenken. Aber du kannst mir vertrauen. Wir reden, lernen uns kennen und das war es. Versprochen.« Überlegend beiße ich mir auf die Unterlippe. Nachdem ich aber mehr Pros als Cons gefunden habe, stimme ich, trotz ungutem Gefühl, zu. Cameron lächelt breit. »Perfekt. Mach dir keine Gedanken. Ich nehme dich dann Morgen mit.« Ich nicke und Cameron verabschiedet sich. Lächelnd sehe ich ihm hinterher, auch als Ayla sich wieder zu mir gesetzt hat.
»Wow! Bin ich jetzt abgeschrieben? Hallo? Kannst du bitte auf mich reagieren?«, fragt meine beste Freundin lachend und wedelt mit einer Hand vor meinem Gesicht herum. »Ist ja gut, ich bin ja wieder bei dir«, nuschle ich verlegen. Ayla sieht lächelnd zu mir. »Also, erzähl! Was wollte Cameron?«, hakt sie sofort nach. Ich grinse sie an. »Ein zweites Date. Bei sich zuhause«, erkläre ich lächelnd. Ayla sieht mich mit großen Augen an. »Das ist ja wahnsinnig! Ich freue mich so für dich, Aurora«, meint sie laut. Ihre Augen funkeln, als wäre sie diejenige mit dem Date und deshalb liebe ich meine beste Freundin so. Sie versetzt sich in meine Lage und zeigt größte Empathie.
Der Tag zieht vorüber und schneller als mir lieb ist, ist der Unterricht am nächsten Tag beendet. Meine Eltern waren damit einverstanden, dass ich direkt nach der Schule mit zu Cameron fahre. Jetzt wo es soweit ist, steigt das Kribbeln in meinem Bauch, meine Kehle ist staubtrocken und meine Hände schwitzen. Die pralle Sonne scheint auf mich hinab, als wäre ich in einem Solarium. »Hey.« Erschrocken wende ich mich um. Cameron lehnt lässig an der Wand. Ein Grinsen schleicht sich auf seine Lippen, als er merkt, wie sehr ich mich erschreckt habe. »Keine Sorge, ich bin kein Mörder«, grinst er. Sanft greift er nach meiner Hand und führt mich zu seinem Auto. Cole sitzt bereits vorne auf der Beifahrerseite, was mich dazu veranlasst hinten einsteigen zu wollen, doch Cameron hält mich auf. »Warte einen Moment. Cole geht nach hinten«, meint er. Coles Fenster ist offen, weshalb er die Worte seines Bruders mitbekommen hat. »Ich geh ja schon«, seufzt der Ältere und steht auf. »Bitte junge Dame. Steig ein.« Lächelnd blicke ich kurz zu Cole, bevor ich einsteige. »Du kannst Cole nicht vertrauen, Aurora«, flüstert er mir ins Ohr, bevor er mir einen Kuss auf die Wange haucht. Neugierig und verwirrt sehe ich Cameron an, doch er winkt bloß ab. Im Rückspiegel sehe ich, wie Cole seine Augen verdreht und angewidert den Kopf schüttelt.
Gleich bei ihm Zuhause nimmt Cameron mich mit nach oben, in sein Zimmer. »Setz dich«, meint er und weist auf sein Bett. »Also, weshalb kann ich Cole nicht vertrauen?«, frage ich erneut. Cameron seufzt und setzt sich neben mich. »Er benutzt jede Person des weiblichen Geschlechts für seine Befriedigung und lässt sie dann fallen. Wenn nicht noch schlimmer.« Unwissend sehe ich Cameron an, doch er winkt bloß ab. »Willst du was trinken? Ich hole uns was hoch.« Entschlossen steht er aus weicht meinem fragenden Blick aus. Schnell verschwindet er. Kopfschüttelnd stehe ich auf und sehe mir die Bilder an, die in seinem Zimmer sind, als die Tür aufgeht, die Cameron geschlossen hat.
»Hey.« Ich wende mich von einem Familienfoto ab und sehe zur Tür. Cole steht im Türrahmen und mustert mich interessiert. »Hey.« Cole seufzt, kommt auf mich zu. »Ich nehme an, mein geschätzter, kleiner Bruder hat dir Sachen über mich erzählt.« Ich nicke. Cole hat irgendwas an sich, das mich in seinen Bann zieht. »Lass mich raten: Ich nutze das weibliche Geschlecht aus und lasse sie dann wie einen plumpen Stein fallen.« Erneut nicke ich. Cole macht es mir nach. »Habe ich mir gedacht. Aber das stimmt nicht. Ich zeige dir was.« Er geht an eine Schublade unter Camerons Bett und zieht ein Buch hervor. Er will das Buch gerade aufschlagen, als er aufblickt. »Cameron kommt. Wenn du wissen willst, wer von uns wirklich der gute Bruder ist, dann komm mit mir mit.« Er steht auf und hält mir eine Hand hin. Zögernd lege ich meine in seine und lasse mich von ihm hochziehen. Er geht aus dem Zimmer und huscht in einen gegenüberliegenden Raum.
Keine zwei Sekunden später hört man Cameron in sein Zimmer gehen. »Okay, pass auf. Die Rückwand meines Schrankes ist eine Tür. Geh dadurch, du kommst in einen Raum mit einer Treppe. Diese Treppe führt auf den Dachboden. Geh dorthin und such die hinterste Ecke. Am Besten hinter einem der vielen Schränke. Ich versuche Cameron abzuhalten«, weist Cole mich an. Ich nicke und folge Coles Weganweisung.
Sobald ich auf dem Dachboden bin, höre ich Cole und Cameron streiten. Ungeduldig fange ich an meine Taten zu überdenken. Nicht umsonst ist Cole als der Bad-Boy der Schule bekannt. Bin ich auf einen seiner leichtesten Tricks reingefallen? Habe ich seiner Ausstrahlung zu sehr vertraut? Wer sagt mir, dass er mich nicht anlügt? Er ist der Ältere, was sollte Cameron schon groß gegen ihn in der Hand haben?
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als Schritte auf dem Dachboden erklingen. Schnell verkrieche ich mich noch tiefer in meine Ecke. Mit angehaltenem Atem schaue ich gebannt auf. Trotz meiner Zweifel bin ich erleichtert, als Cole erscheint. »Ich konnte Cameron davon überzeugen, dass du schon gegangen bist«, flüstert er. »Warum? Ich kenne dich nicht einmal. Vielleicht sollte ich lieber wieder zu Cameron runter«, flüstere ich, aus unerfindlichen Gründen, ebenfalls. Cole scheint bis in meine Seele sehen zu wollen. Seine blauen Augen sind das einzige Merkmal, welches zeigt, dass die beiden Brüder sind. Doch Coles sind dunkler.
»Das willst du nicht, glaub mir, Aurora.« Ein kalter Schauer lässt mich erzittern, als seine raue, tiefe Stimme meinen Namen ausspricht. »Warum nicht?« Wortlos überreicht Cole mir das Buch. Mit zittrigen Händen berühren meine Fingerspitzen das harte Cover des Buches. Ein letztes Mal atme ich tief ein und aus, bevor ich die erste Seite aufschlage. Zwei Fotos von Mädchen aus meinem Englischkurs und dazugehörige Steckbriefe füllen die Seiten. »Was ist das?«¸ frage ich immer noch flüsternd. Cole sieht seufzend zu mir. »Die Errungenschaften von Cameron.« Ungläubig blättere ich die Seiten durch. So viele Mädchen sind hier aufgelistet, mit einigen von ihnen verstehe ich mich sogar ziemlich gut. Irgendwann in der Mitte des Buches hören die Aufzählungen auf. »Weiter ist er noch nicht«, haucht Cole. Mit vor Schock geweiteten Augen fahre ich über das letzte Bild. Ich strahle mir selbst entgegen. »Tut mir leid. Ich dachte, du solltest vielleicht wissen, wer von uns der Gute ist«, meint Cole leise und streicht mir eine Träne aus dem Gesicht. »Wer sagt mir, dass du Cameron das Buch nicht untergeschoben hast und ich deine Aufmerksamkeit erregt habe, als Cameron mit mir ausgegangen ist?«, frage ich schnell. Cole sieht mich zweifelnd an. Dann seufzt er und sieht auf seine Hände. »Weil ich sowas nicht könnte. Ich kann dir nicht erklären wieso. Ich kann dir nur sagen, dass es genau andersrum war. Ich habe angefangen für dich zu schwärmen, als ich das erste Mal gesehen habe, wie herzlich du lachst und wie wunderschön deine Augen leuchten, wenn du von deinen Freunden umgeben bist. Scheinbar verlieren sie ihren Glanz, wenn du Leuten, wie mir, nicht vertraust.« Ich hole tief Luft.
»Und wenn das so ist, was hat Cameron gegen dich in der Hand? Du bist Älter, muskulöser und vielleicht auch der mit dem größeren Gehirn. Warum also setzt du den Gerüchten und Lügen kein Ende?«, stelle ich die einzig logische Frage. Coles Blick wird dunkler, er sieht aus, als würde er Höllenqualen ertragen müssen. Sanft lege ich eine Hand auf seine. Cole sieht auf. »Ich habe... entschuldige, dass kann ich dir nicht sagen. Du hättest ein schlechtes Bild von mir und wir sind nicht einmal mehr in der Anfangsphase«, seufzt er und beißt sich auf die Lippe. »Ich sehe doch, dass es dich von innen auffrisst. Warum vertraust du dich niemandem an? Warum lässt du dich von deinem Bruder so tyrannisieren?« Cole beißt die Zähne aufeinander, kämpft gegen seine Tränen an und weicht meinem Blick aus. »Ich habe in meiner Vergangenheit zu viele, zu große Fehler begangen. Fehler, die ich nicht mehr ausbügeln kann. Und nur Cameron weiß davon.« Seufzend und ohne groß nachzudenken, lege ich eine Hand auf seine Wange. »Du kannst dich mir anvertrauen. Ich werde nicht über dich urteilen. Versprochen.« Cole sieht zweifelnd in meine Augen, drückt mir einen Kuss auf die Handinnenfläche und beginnt zu erzählen: »Ich hatte vor einigen Jahren Probleme mit einem Typen aus einem Box-Club, in dem ich trainiert habe.« Er macht eine Pause und beißt sich erneut angestrengt auf die Lippe, darauf bedacht, keine funkelnde Träne zu vergießen. »An einem Sonntag, nach einem Wettkampf, hat er mich in eine Seitengasse gezogen und bedroht. Er hat sich vor mir aufgebaut, hat mich angeschrien, gegen die Wand geschlagen. Ein Schlag war zu nah an meinem Körper. Ich dachte, er würde mich treffen. Aus Angst habe ich ein Taschenmesser aus meiner Jackentasche gezogen, welches ich nicht rausgeholt habe, nachdem ich geschnitzt hatte. Panik brach in mir aus. Ich...« Seine Augen werden glasig und er sieht in die Ferne. »Ich habe auf ihn eingestochen. Mehrmals. Dann habe ich eine Stelle getroffen, die tödlich war. Er ist verblutet. Ich war 13, als das passiert ist. Cameron kam genau in dem Moment um die Ecke und hat meine Tat mit angesehen. Er war 12, wie hätte ich wissen können, dass er meine Panik irgendwann gegen mich ausspielen würde? Ich habe den Typen liegengelassen und bin mit Cameron abgehauen. Das hat er gegen mich in der Hand, damit ich schweige und die Gerüchte nicht aus der Welt schaffe.«
Mitfühlend lege ich meine Hände auf seine Schultern. »Ist schon gut, Cole. Es war Notwehr«, versuche ich ihn aufzumuntern, obwohl der Schock tief in meinen Knochen sitzt. Camerons großer Bruder nickt. »Vielleicht, aber damit habe ich mir ein glückliches Leben verbaut. Der leblose Körper wird immer in meinen Träumen sein.« Trotz seiner Bemühungen hat er es nicht geschafft und einige Tränen rennen über seine Wangen. »Wenn du willst bleibe ich bei dir und du kannst zu mir kommen, wenn dich etwas bedrückt«, schlage ich hauchend vor. Cole nickt stumm. »Okay. Ich bleibe solange du willst. Versprochen.« Sanft und unsicher umarme ich den Älteren. Doch spätestens als Cole sich stürmisch an mich schmiegt, weiß ich, dass er ein herzensguter Mensch ist.
Nach mehreren Minuten, in denen wir nur ruhig dort saßen, schreckt Cole auf. »Schnell, setz dich in den Schrank.« Verwirrt tue ich, was er mir sagt und lasse zu, dass er mich einschließt. Ich halte den Atem an und lausche an der Tür. »Was machst du hier?« Eindeutig Cameron. Panik kriecht in mir hoch. »Ich habe bloß Zeit für mich gebraucht«, antwortet Cole. An dem Schatten von dem Schrank erkenne ich, dass er einen kleinen Schritt von dem Schrank wegtritt. »Was machst du hier?«, hakt der Ältere dann nach. »Ich dachte, ich hätte Stimmen gehört. Oder sprichst du seit Neustem mit dir selbst?« Ich breche ich puren Angstschweiß aus. »Nein. Vielleicht hast du nur die Stimmen in deinem Kopf gehört«, kontert Cole ruhig. Trotz der angespannten Lage muss ich schmunzeln. »Und was hast du mit meinem Buch vor? Neidisch auf all die schönen Mädchen, die ich bekommen habe?« Augenblicklich kommt purer Fremdscham in mir hoch und ich könnte mich übergeben. »Das Schönste von allen ist dir abgehauen. Was ich verstehen kann.« Gerührt lege ich, so sanft und ruhig wie möglich, eine Hand an die Tür. »Du glaubst ja wohl kaum, dass ich dir abkaufe, dass du alleine hier oben sitzt und dir meine Trophäen ansiehst«, faucht Cameron nun aufgebracht und anhand der lauten Schritte, vermute ich, dass er auf Cole zugeht. Bevor ich reagieren kann, ist die Schranktür bereits auf und Cameron sieht böse auf mich hinab. Schnell stehe ich auf, damit Cameron sich nicht noch größer fühlt. »Habe ich mir gedacht. Komm raus!« Grob packt er mich am Arm und zerrt mich aus dem Schrank. Vor Schmerz zischend verliere ich den Gleichgewichtssinn und falle geradewegs in Coles Arme. Dieser fängt mich auf und stellt sich schützend vor mich. »Weißt du, was Cole getan hat? Dass er jemanden umgebracht hat?«, fragt Cameron aggressiv und sieht mir dabei tief in die Augen. Irgendetwas verleiht mir Mut und ich trete hinter Cole hervor. Trotz des Größenunterschieds zwischen Cameron und mir, baue ich mich vor ihm auf. »Ja, weiß ich. Und ich weiß noch etwas! Du bist ein verlogenes, dreckiges Arschloch, dass die Schwächen der anderen ausnutzt. Aber meine Schwäche findest du nicht, Dreckssack!«, zische ich wütend und verpasse Cameron eine Ohrfeige. Verdattert hält er sich die Hand an die Wange, bevor er wütend auf mich hinabblickt. Bevor ich reagieren kann, hat er seine Faust gegen mich erhoben und mir in den Bauch geschlagen. Zischend krümme ich mich, als ich zwei sanfte Hände an meiner Taille merke, die mich zurückziehen.
»Pass auf Cameron! Es ist mir scheißegal, dass du mich erpresst. Aber damit bist du zu weit gegangen«, knurrt Cole seinen kleinen Bruder an. Doch Cameron lacht nur. »Was willst du tun? Mich auch umbringen?« Ächzend richte ich mich auf und funkle Cameron böse an. »Wenn du mir keine andere Wahl lässt.« Cole schlägt ebenfalls zu. Bevor er jedoch ein zweites Mal seine Faust gegen Cameron erheben kann, halte ich ihn fest. »Hier bringt niemand niemanden um. Cameron, du glaubst doch nicht wirklich, dass dir jetzt noch jemand glaubt? Du müsstest schon wirklich von dir überzeugt sein, um das zu glauben«, zische ich wütend. Verdutzt sieht Cameron zu mir. »Hör zu, du kleines Miststück...« Weiter kommt er nicht, da er sich erneut eine von mir gefangen hat. »Ich hätte gleich merken müssen, was für ein Idiot du bist! Komm noch einmal jemandem zu Nahe, der dein wahres Gesicht nicht kennt, und ich bringe dich um! Ich hoffe, dass war deutlich genug.« Damit wende ich ihm den Rücken zu, streife im Vorbeigehen Coles Arm und verlasse dann das Haus.
Am nächsten Tag kommt Cameron mit blauen Flecken übersäht in die Schule. Ayla sieht fragend zu mir, doch ich zucke nur wissend grinsend die Schultern. »Aurora.« Lächelnd drehe ich mich um und sehe in Coles dunkle Augen, die aber im Grunde genau so strahlend blau sind, wie die von Cameron. »Willst du mir das Aussehen deines Bruders erklären?«, frage ich grinsend und lasse zu, dass er einem Arm um mich legt. Cole grinst ebenfalls. »Er hat versucht mich anzugreifen. Und ich habe gestern von einer wundervollen Person gelernt, dass man sich wehren muss, damit man auch seine Liebsten schützen kann«, seufzt er und sieht mir dabei tief in die Augen. Wir schrecken erst auseinander, als Ayla sich neben uns räuspert. »Vorschlag: Ich frage nicht nach und ihr geht dafür auf ein Date, bevor ich euch abknutscht und in zwei Monaten nicht mehr zusammen seid.« Verlegen löse ich mich von Cole und richte meinen Blick auf den grauen Boden.
»Ich finde die Idee nicht schlecht. Was sagst du, Aurora?« Mit geröteten Wangen sehe ich zu Cole hoch. »Eigentlich habe ich fürs erste genug von Dates mit Leuten aus der Grayson-Familie«, fange ich leise an. Coles Blick wird schlagartig unsicher. »Aber ich denke, du kannst nichts für die Fehler deines Bruders und hast eine Chance verdient. Aber wirklich nur eine.« Ein liebevolles Lächeln legt sich auf seine Lippen. »Ich werde sie nutzen, nicht so wie Cameron. Versprochen. Wenn du willst, dann hole ich dich am Freitag ab und wir gehen einen Kaffee trinken, ins Kino und danach spazieren oder so?« Ich nicke und küsse Cole sanft auf die Wange, bevor ich mich verabschiede und in den Unterricht gehe.
Es war nicht einfach, doch Cole und ich haben das Chaos unter Kontrolle bekommen. Gemeinsam, Hand in Hand, als Paar. Nur so konnten wir das Leben von Cole wieder in die richtige Richtung lenken, ohne Erpressung, ohne die Heimsuchung von toten Leuten und mit einem Therapeuten. Cole hat sich auch selbst angezeigt, doch seine Strafe wurde aufs extremste gelindert, dadurch das er sich gestellt hat, es Notwehr war und Cole erst 13 war und die Panik ihn übermannte. Nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde, hat er mir einen Antrag gemacht. Wir hatten eine wundervolle Hochzeit, haben zwei Kinder bekommen und einen Hund aufgenommen. Nach ein paar Jahren haben Cameron und Cole sich ebenfalls wieder vertragen, nur ich konnte ihm das ganze nicht wirklich verzeihen. Da es aber nie um mich, sondern immer nur um die zwei Brüder ging, habe ich dabei nichts mitzureden. Und so können wir mit Stolz sagen, dass wir unser Leben genauso genossen haben, wie den Kaffee, den wir an unserem Lebensabend jeden Morgen auf der Terrasse genießen.
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