
Fensterbänke und Erkältungen
Unsere Ortschaft besteht aus Häusern, die dicht aneinandergereiht sind. Die Häuser sind alle gleich und den Nachbarn kann man in die Räume sehen. Oft genug kam es dazu, dass ich meine ehemaligen Nachbarn bei ihren Liebeleien erwischt habe und mit hochroten Wangen und Bildern im Kopf, die niemand haben möchte, ins Bett gehen musste. Bis sie endlich ein Kind bekam und die junge Familie aus irgendeinem Grund nicht mehr in dem dichten Wohnort leben wollte. Seitdem kann ich auch wieder normal schlafen.
Bis vor einer Woche stand das Haus leer, dann zog eine Familie neben uns ein. Sie schmeißen heute Abend eine Art Einweihungsparty, ein Grillfest mit den neuen Nachbarn. Bereits zwei Stunden vorher bin ich duschen gegangen, damit meine Eltern nicht plötzlich ins Bad platzen und ich genug Zeit habe, mich fertig zu machen. Nachdem ich meine blonden Haare geföhnt und leicht gelockt habe, ziehe ich mir ein schwarzes Top mit V-Ausschnitt und eine dunkelblaue Shorts an. Danach trage ich ein wenig Mascara auf und benetze meine Lippen mit einem rosafarbenen Lippenstift. Zufrieden sehe ich in den Spiegel. Mein Handy packe ich in meine Hosentasche und meinen Haustürschlüssel in die Tasche eines schwarzen Cardigans, den ich mir elegant überstreife.
Tatsächlich habe ich fast zwei Stunden gebracht, weshalb meine Eltern mich bereits von unten rufen. Schnell schlüpfe ich in meine schwarzen Sportschuhe und laufe die Treppe runter. Gemeinsam gehen wir raus und während meine Mutter die Tür abschließt, albere ich mit meinem Vater herum. Meine Eltern haben zwar einen Vollzeitjob, doch trotzdem ist unser Verhältnis enger als manch ein Verhältnis zu Freunden. Doch sobald wir bei den neuen Nachbarn sind, uns bei den Erwachsenen vorgestellt haben und etwas zu trinken haben, erblicke ich meine beste Freundin, die bereits lachend bei einem jungen Mann, nicht älter als 18, steht.
Grinsend schleiche ich mir an sie heran, stelle mein Getränk auf einen Biertisch und halte Evelyn die Augen zu. »Rate«, hauche ich mit verstellter, tiefer Stimme in ihr Ohr. »Haha, wie witzig«, kommentiert Eve, nimmt meine Hände von ihren Augen und dreht sich um. Quietschend umarme ich sie, was sie zum Lachen bringt. »Paris, das ist Parker. Parker, das ist Paris. Meine beste Freundin.« Ich nicke ihm zu und lege einen Arm um meine Seelenverwandte. Parker hat blonde Haare und blaue Augen. Er ist größer als Evelyn und ich. Außerdem ist er ziemlich muskulös und hat es Eve voll angetan. Ihre roten Wangen, als er mir kurz ein Grinsen schenkt und sich dann wieder Evelyn zuwendet, ist zum Brüllen lustig.
»Ich lass euch dann Mal alleine. Hey, wenn die Würstchen scheiße sind, ist es dir nicht erlaubt, mit meiner besten Freundin auszugehen«, scherze ich. Jeder Blinde sieht, dass Parker genauso Interesse an Eve hat, wie die rothaarige Kämpferin neben mir. Lächelnd wende ich mich von den beiden Rotgesichtern ab und greife nach einem Pappteller, den ich mit Würstchen und ein wenig Salat bestücke. Gerade als ich meinen Becher in der einen Hand habe und den Teller in der anderen, drehe ich mich um und erblicke einen Typen, etwa in Parkers Alter, vielleicht ein Jahr älter oder jünger.
Seine recht braunen Hände sind desinteressiert in die Hosentaschen vergraben und sein braunes Haar fällt ihm ins Gesicht. Seine eisblauen Augen suchen die Menschenmenge nach jemandem ab. Als sein Blick zu mir gleitet, er merkt, dass ich ihn anstarre, legt sich ein verschmitztes Grinsen auf seine vollen, weichaussehenden Lippen. Zwei Grübchen bohren sich liebevoll in seine gebräunten Wangen und seine dunklen, perfekten Augenbrauen zieht er nach oben. Ich räuspere mich, wende meinen Blick schnell ab und suche mir einen Platz zum Essen.
Als ich wenig später endlich sitze, auf einer Steinmauer, relativ nahe an meinem Garten, da die Bierbänke bereits von quatschenden Erwachsenen belegt wurden, merke ich, dass ich mein Besteck vergessen habe. Ich möchte schon seufzend meinen Platz aufgeben, als sich jemand lässig neben mich an die Mauer lehnt. »Ich denke, das hier hast du vergessen.« Mir wird Messer und Gabel hingehalten. Als ich merke, wem diese wundervolle Hand gehört, wird mein Atem automatisch flacher. »Ähm... Danke«, murmle ich verlegen, greife nach dem Besteck, streife dabei seine weiche Haut. »Derek«, stellt der Junge von vorhin sich mit rauer Stimme vor. Ich räuspere mich erneut, schlucke den dicken Klos in meinem Hals hinunter und bringe ein piepsiges Paris hervor. »Ich hab es dir also angetan«, erläutert Derek mit, vor Selbstbewusstsein tropfender Stimme. Das Maß an Selbstbewusstsein ist mir jetzt schon zu viel und katapultiert mich zurück in die Realität. Egal wie attraktiv er ist, sein Selbstbewusstsein verschreckt mich.
»Nein. Wieso? Sollte es das?«, frage ich keck nach. Entgegen meiner Erwartungen entgleisen Dereks Gesichtszüge nicht für eine Millisekunde. Stattdessen sieht er mich mit einem charmanten Lächeln an. »Eigentlich schon. Immerhin ist mein Interesse geweckt«, gibt er zu. Ich nicke, versuche mir nicht anerkennen zu lassen, das er gerade wieder ordentlich Pluspunkte gesammelt hat. »Tatsächlich? Mein Interesse muss man sich aber verdienen, Derek.« Der Braunhaarige grinst. »Ach ja? Soll ich dir noch mehr Besteck holen?« Ein leises, tiefes Lachen entwicht seiner Kehle und auch ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Nope.« Derek studiert meine Gesichtszüge, bleibt kurz an meinen Lippen hängen und sieht dann wieder in meine Augen. Das kalte und doch so strahlende Blau seiner Augen versetzt mir einen Stich ins Herz.
»Lass mich etwas probieren.« Neugierig sehe ich ihn an. Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht, dass seine sanfte, weiche Hand mir eine Strähne aus dem Gesicht streicht und auf meiner Wange ruht. Er kommt mir näher. Seine zweite Hand platziert er gekonnt auf meiner Taille. Seine Augen schließen sich und seine langen, schwarzen Wimpern werfen einen noch längeren Schatten auf seine hohen Wangen. Mit zittrigem Atem schließe ich meine Augen ebenfalls, und kurz darauf berühren unsere Lippen sich kurz. Es ist nur ein Hauch, ich spüre seine Lippen praktisch nicht einmal. Er versichert sich, dass es für mich okay ist. Völlig vernebelt lasse ich zu, dass seine Hand von meiner Wange zu meiner Hüfte wandert und seine Finger sich sanft in meine Haut bohren, damit er mich hochheben kann. Sofort schlinge ich meine Beine um seine Hüfte. Meine Haare fallen in Wellen hinab, verdecken unsere Gesichter und verschleiern unseren leidenschaftlichen Kuss.
Schweratmend lässt Derek mich runter. Wenn ich nicht gerade an ihm hänge wie ein Koala an seiner Mutter, bin ich knapp zwei Köpfe kleiner als er und starre ihm praktisch auf seine muskulöse Brust. »Du kannst gut küssen«, stellt er fest, fährt sich dabei durch die Haare, um sie wenigstens halbwegs zu richten. Verlegen blicke ich weg, doch Derek sorgt dafür, dass ich ihn wieder ansehe. »Kein Grund, sich zu schämen«, grinst er und haucht mir einen weiteren Kuss auf den Mundwinkel. Mit geröteten Wangen und ohne einen Mucks von mir zu geben, greife ich nach dem Teller und dem Becher, drehe mich auf dem Absatz um und suche das Weite.
Ich finde Zuflucht bei Eve und Parker, die zwar ziemlich stark flirten, aber immer noch besser sind, als Derek. Als Parker mich sieht, grinst er. »Und? Wie gut ist mein kleiner Bruder wirklich im Küssen?«, fragt er amüsiert. Meine Augen werden groß. »Oh Gott. Ich habe meinem Nachbarn geküsst? Oh Gott, das soll ein Scherz sein, oder? Ist das peinlich.« Eve lacht. »Keine Sorge, das wird sich schon alles regeln«, spricht sie mir grinsend Mut zu. »Ja, in zwanzig Jahren lachen wir darüber und erzählen unseren Kindern davon«, höre ich die tiefe Stimme Dereks hinter mir. Als ich mich umsehe, erblicke ich das charmante Grinsen auf seinen sanften Lippen. »Nirgends hat man seine Ruhe«, seufze ich leise, drehe mich mit funkelnden Augen um und verpasse ihm eine deftige Ohrfeige. Das Klatschen bringt einige wenige zum Verstummen. »Wenn ich irgendwann einmal Kinder planen sollte, dann nicht mit jemandem, den ich seit zwei Minuten kenne«, zische ich und will nach Hause laufen. »Aber abschlecken geht?«, ruft Derek mir lachend hinterher. Kurz überlege ich, ob ich ihm vielleicht doch besser in den Magen boxe. Doch nachdem ich tief ein- und wieder ausgeatmet habe, gehe ich einfach weiter und lasse die feiernde Gesellschaft hinter mir, verziehe mich gleich in mein Zimmer.
Gedankenverloren sitze ich bis tief in der Nacht auf meiner Fensterbank, die mit Kissen und Decken gemütlich gedeckt ist und blicke in den Sternenhimmel. Langsam verstummt auch die letzte Unterhaltung und im Garten meiner Nachbarn kehrt Ruhe ein. Im Zimmer gegenüber von mir geht ein Licht an. Schnell schließe ich meine Augen, tue so, als wäre ich eingeschlafen. Durch das Glas höre ich, wie ein Fenster geöffnet wird. Langsam öffne ich meine Augen, sehe dabei direkt in das Eisblau, welches mir einen Schauer über den Rücken jagt. Seufzend muss ich feststellen, dass meine Tarnung aufgeflogen ist. Also öffne ich mein Fenster ebenfalls. »Tut mir leid«, ist das erste, was Derek sagt. Ich schlucke. »Mir... mir auch. Tut's noch weh?« Ich weise mit einem Nicken auf seine Wange. Derek schüttelt bloß den Kopf. »Unsinn. Ist bloß noch rot«, lächelt er und beugt sich etwas weiter aus dem Fenster. Verstohlen sieht er in meinen Raum. »Willst du mir in den nächsten Tagen dabei helfen, meinen Raum einzurichten? Vielleicht bekomme ich dann ja auch so eine schöne Fensterbank, wie du sie hast«, bietet er an. Ich lächle, bringe nichts weiter als ein verlegenes Nicken zustande. »Ich sag dir Bescheid, wenn ich mich endlich dazu aufraffe von dieser Matratze aufzustehen und ins Möbelhaus zu fahren.« Lachend weist er hinter sich. Nichts weiter als ein paar Kartons und eine Matratze steht in seinem Zimmer. »Okay. Gute Nacht.« Verlegen streiche ich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Er lehnt sich etwas weiter aus dem Fenster und greift nach meinen Händen. »Schlaf gut.« Kurz sehe ich auf unsere Hände, fasse dann aber den Entschluss, dass ich zu müde bin, um etwas zu unternehmen. Lächelnd lässt Derek meine Hände wieder los und ich schließe das Fenster, bevor ich mich in mein Bett lege und in einen tiefen, traumlosen Schlaf gleite.
Am nächsten Morgen werde ich von einem Klopfen geweckt. Allerdings nicht gegen die Tür, sondern gegen mein Fenster. Müde vor mich hingrummelnd stelle ich fest, dass die Häuser viel zu dicht aneinander stehen. Mit zerzausten Haaren und Augenringen richte ich mich auf und sehe in Dereks belustigtes Gesicht. Ächzend zeige ich ihm den Mittelfinger, wuschle mir durch die Haare und öffne das Fenster. »Deine Haare sehen immer noch aus wie ein Vogelnest«, prustet Derek los und fällt fast aus dem Fenster. »Halt die Klappe und sag mir, warum du mich um...« Schnell drehe ich mich um, um einen Blick auf meine Uhr zu erhaschen. »9:30 Uhr auf?«, knurre ich gähnend. »Mach dich fertig, in einer halben Stunde wollte ich losfahren«, meint Derek weiterhin belustigt grinsend. »Ich kenn dich seit zwölf Stunden und könnt dir einen Stein an den Kopf werfen«, murmle ich, schließe mein Fester und ziehe die Vorhänge zu, um mich umzuziehen. Danach kämme ich mir meine Haare, verdecke meine Augenringe ein wenig und gehe Zähne putzen.
Eine halbe Stunde später stehe ich, ohne Frühstück und mit schlechter Laune vor der Tür und warte darauf, dass es klingelt. Lange muss ich nicht warten. Schnell reiße ich die Tür auf. »Was?«, fauche ich, direkt in eine Brottüte hinein. »Verschone mich. Nimm lieber dieses Schokoladenbrötchen«, jammert Derek theatralisch und lacht kurz darauf laut auf. Grinsend nehme ich das Essen entgegen und lasse mich in sein Auto führen. »Halten wir fest, mit einem Brötchen geschmiert mit Schokolade kann man dich also entführen«, grinst Derek, als ich meine Tür geschlossen habe. Genüsslich beiße ich ab, gehe nicht weiter auf seine Aussage ein, stöhne stattdessen genießend. Derek macht grinsend den Motor an und fährt los.
»Du kaufst dieses Bett unter keinen Umständen, Derek! Du hast mich um Hilfe gebeten, die gebe ich dir: das kaufst du nicht«, schimpfe ich, als Derek sich auf ein Bett in Form eines Autos schmeißt und mir mitteilt, dass er genau das haben möchte. »Aber wieso nicht?«, fragt er mit einer viel zu großen Schnute. »Weil nicht einmal eine notgeile Nonne mit dir in dieses Bett steigen würde«, plappere ich etwas zu schnell. Derek grinst siegessicher. »Also, wenn ich das Bett kaufe, dass dir auch gefällt, dann schläfst du mit mir?« Ich ziehe verwirrt die Augenbrauen zusammen. »Darum geht es doch nicht. Aber nein. Es braucht mehr als ein hübsches Bett, um mich ins Bett zu kriegen«, meine ich augenverdrehend. Derek steht seufzend auf und umarmt mich von hinten, da ich mich bereits abgewendet habe, um die anderen Betten zu betrachten. »Ich mag dich wirklich, Paris. Du hast was verdammt attraktives an dir, was ich gerne näher kennenlernen würde«, flüstert er mir ins Ohr. Eine Gänsehaut überzieht meine Arme. »Schön. Aber wir sind nicht hier, weil du mich näher kennenlernen möchtest«, erkläre ich streng und zerre ihn zu einem Boxspringbett, welches ich ans seiner Stelle kaufen würde. »Was hältst du hiervon?«, frage ich und mustere sein Gesicht. Kritisch betrachtet er das gute Stück und nickt dann. »Das will ich.« Erleichtert atme ich aus. »Gott sei Dank. Jetzt muss dieses Prozedere nur noch bei etwa fünf anderen Möbelstücken und der Deko durchgeführt werden«, seufze ich und stemme die Hände in die Seiten, während Derek sich den Namen des Bettes aufschreibt.
Geschlagene fünf Stunden verbringen wir bei den Möbeln, bevor wir zu den Kissen und der Dekoration kommen. Während Derek sich für ein dunkles Zimmer entschieden hat und wir ihm deshalb nur schwarze, graue und zwei weiße Kissen holen, greife ich nach hellen Kissen mit Frühlingsfarben. Außerdem kann ich meine Finger einfach nicht von den Lichterketten und den Plastikpflanzen lassen. Echte Pflanzen gehen bei mir immer ein, dass habe ich schnell gelernt.
Für die Möbel und Dereks Deko muss die Kreditkarte seiner Eltern herhalten. »Ich lade dich noch auf einen Hotdog ein.« Lächelnd sehe ich zu Derek auf, der an die Seite fährt. »Pass bloß auf meine Möbel auf, während ich dir was zu Essen hole«, grinst er amüsiert und lässt mich dann mit seinen neuerworbenen Möbelstücken zurück.
»Morgen streichen wir dann also dein Zimmer?«, frage ich auf dem Weg nach Hause. Derek sieht nickend zu mir. »Jep. Ich bin echt froh, dass wir Sommerferien haben.« Zustimmend nicke ich, während ich aus dem Fenster sehe und seufzend feststelle, dass wir bereits in meine Einfahrt fahren. »Bis Morgen.« Ich schnalle mich ab, steige aus und schließe die Tür, damit Derek die paar Meter zu sich auch noch fahren kann.
Wie am Tag zuvor werde ich durch ein Klopfen an meine Fensterscheibe geweckt. Seufzend öffne ich meine Augen, rapple mich auf und öffne das Fenster. »Du nervst.«
»Und du bist eine Schlafmütze«, erwidert Derek lächelnd. »Guten Morgen Schönheit«, hängt er noch dran und verschafft mir damit ein wohliges Kribbeln im Bauch. »Gib mir eine Stunde, dann bin ich bei dir«, murmle ich gähnend und schließe das Fenster, ohne auf eine Antwort meines Nachbarn zu warten.
Exakt eine Stunde später stehe ich vor der Tür und möchte klingeln, doch Derek ist schneller. »Komm rein.« Ich sehe mich um und merke, dass alles exakt so gebaut ist, wie bei uns. Schnell gehen wir die Treppen hoch und schließen hinter uns die Tür. Erstaunt stelle ich fest, dass Derek bereits alles vorbereitet hat und wir nur noch anfangen müssen. »Also, junge Dame. Nehmen Sie sich einen Pinsel und fangen Sie an«, grinst Derek und greift nach einer Rolle.
Eine Zeit lang malen wir und hören dabei Musik. Dann erklingen die ersten Melodien von Kings & Queens von Ava Max. Freudig tanze ich umher, bespritze die Folie mir schwarzen Flecken und fahre einmal über Dereks Malerkleidung. Erschrocken sieht dieser an sich hinab und revanchiert sich dann bei mir. Quietschend springe ich zurück und eine wilde Farbschlacht entsteht, in der wir verbittert lachend um den Sieg kämpfen.
Völlig außer Atem versuche ich mir Schutz an einer noch nicht bemalten Wand zu suchen, doch auch davor schreckt Derek nicht ab. Er fährt einmal quer über meinen Körper und hinterlässt einen dicken schwarzen Strich an der Wand. Sein Atem geht genauso schwer wie meiner und er sucht Halt an der Wand. Dabei kommt er mir gefährlich nahe und sein Blick landet auf meinen Lippen. Auch ich kann mir nicht verkneifen, einen Blick auf seinem Mund zu werfen. Langsam senkt Derek seinen Kopf. Ich könnte jederzeit ausweichen, ihn wegschubsen, oder mich wehren. Doch obwohl ich völlig klar im Kopf bin, lasse ich es zu. Genießend schließe ich meine Augen. Viel sanfter als unser erster Kuss lässt Derek es geschehen. Er ist nicht wild, leidenschaftlich, verlangend. Er gibt mir meinen Raum und ist bereit, sich jederzeit zurückzuziehen. Ich vergrabe meine Hände in seinem dichten Haar und beflecke es mit schwarzer Farbe.
Die Tage vergehen, Derek und ich küssen uns des öfteren und geben uns irgendwann eine Chance, richtig zusammen zu sein. Sein Zimmer ist noch nicht fertig, als mich, wie aus dem Nichts, eine dicke Erkältung einholt. Mit schniefender Nase, kratzendem Husten und 39 Grad Fieber liege ich im Bett und lasse mich nicht einmal durch Dereks wildem Geklopfe ans Fenster wecken. Erst als er mich sanft wachrüttelt, öffne ich verschlafen die Augen. Trotz meines eingeschränkten Riechvermögens steigt mir der Duft von starkem Pfefferminztee in die Nase. »Ich habe dir was mitgebracht. Dir muss es ja echt Scheiße gehen, wenn du nicht einmal auf mein Klopfen reagierst.« Stöhnend halte ich mir den Kopf und nehme den Tee entgegen. »Was machst du hier? Du steckst dich bloß an, wenn du hier bleibst«, ächze ich völlig neben der Spur. »Ist mir egal. Ich bleibe bei dir«, flüstert Derek und greift nach meiner Hand. »Dann kannst du mein Zimmer ja zu Ende machen, wenn ich krank werde«, versucht er einen Witz zu reißen, doch mir ist nicht nach Lachen zu Mute. »Sei mir nicht böse, aber ich will nur schlafen«, hauche ich erschöpft, stelle den Tee auf meine Fensterbank und vergrabe meinen glühenden Kopf in meinem Kissen. »Klar. Ruh dich aus und werde wieder gesund«, höre ich ihn noch sagen, bevor ich einschlafe.
Als ich Nachmittags wieder aufwache, sitzt Derek immer noch auf meinem Bürostuhl. Lächelnd möchte ich auf mich aufmerksam machen, als mir klar wird, dass er mit jemandem telefoniert. »Du glaubst gar nicht, wie glücklich ich bin, dass wir umgezogen sind, Jacob.« Jacob ist sein bester Freund. Er hat mir viel von ihm erzählt. »Sie ist so wundervoll. Und sie hat Temperament. Ich bin wirklich in sie verliebt. Du glaubst gar nicht, wie sehr. Ich würde alles für sie tun«, flüstert er. »Hey Rek«, krächze ich lächelnd. Überrascht sieht Derek auf, lächelt dann aber. »Hey Paris. Wie geht's dir?« Ich zucke mit den Schultern. Er setzt sich, trotz meiner Proteste neben mich und macht mich mit Jakob bekannt. »Schön dich kennenzulernen«, meine ich lächelnd, schmiege mich an Dereks Brust und schließe vor Erschöpfung erneut die Augen. »Find ich auch. Ist bloß nicht der beste Zeitpunkt«, erklärt Jakob und sieht mich mitfühlend an. Ich nicke zustimmend. Dereks Duft umhüllt mich und bringt mich erneut zurück ins Land der Träume.
Als ich das nächste Mal aufwache, ist Derek weg. Dafür ist der Mond hervorgekommen und leuchtet hell in mein Zimmer. Stöhnend halte ich mir eine Hand vor die Augen und richte mich auf. Erschrocken drehe ich mich um, als es an meinem Fenster klopft. »Hey«, flüstert Derek, als ich mein Fenster geöffnet habe. »Warum bist du noch auf?« Derek zuckt mit den Schultern. »Ich habe was für dich.« Hinter seinem Rücken holt er einen großen Teddy hervor. »Damit du auch kuscheln kannst, wenn ich nicht da bin.« Gerührt danke ich ihm. »Und den hier.« Er überreicht mir einen seiner Hoodies. Meinen Lieblingshoodie. »Du bist so süß«, seufze ich leise und nehme die Sachen entgegen. »Danke.« Derek nickt, als wäre es selbstverständlich. »Ich möchte bloß, dass du schnell wieder gesund wirst«, meint er und sieht mir lächelnd in die Augen. »Und jetzt geh wieder schlafen, damit dein Körper sich erholen kann.« Lächelnd werfe ich ihm einen Luftkuss über die kurze Entfernung rüber und schließe dann das Fenster, um mit dem Teddy und dem Hoodie, den ich mir vorher noch überstreife, schlafen zu gehen.
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