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✧.* - Kapitel 4



Sonntag, 27. April

Am Sonntagvormittag durfte ich Mingi abholen. Ich war mir ziemlich sicher, dass das eine Ausnahmeregelung war und er andernfalls noch bis Montag hätte bleiben müssen. Vielleicht wollten sie auch nicht riskieren, dass er sofort allein war.

So lief ich kurz nach zehn Uhr erneut durch das Krankenhaus, suchte sein Zimmer auf und wurde direkt abgefangen. Der Arzt informierte mich, dass die Entlassungspapiere soweit fertig wären, er aber Sorgen hätte, bezüglich Mingis psychischen Zustands. Diesen bezeichnete er als fragil – nicht etwa labil. Dann runzelte er die Stirn und bat mich kurz in sein Büro.

„Ich habe mit dem Patienten gesprochen, ausführlich, und er lehnt jede psychologische Betreuung ab."

Betroffen senkte ich den Blick und nickte. Ja, das passte zu Mingi und war vorauszuahnen gewesen. So fröhlich und freundlich er auftrat, so schüchtern und verschlossen konnte er sein, wenn es auch nur einen Hauch persönlicher wurde. Dann wurde aus dem manchmal schusselig wirkenden Babybären, der herumtapperte und albern über seine eigene Tollpatschigkeit witzelte, ganz schnell ein verschüchterter kleiner Junge, der sich am liebsten in der nächsten Ecke verkriechen würde. In unserem Freundeskreis war Mingi überdreht, manchmal wild und offen für jeden Blödsinn, waren wir beide allein, zeigte sich eher seine verschmuste und liebesbedürftige Seite, die ich so sehr an ihm liebte, aber unter Fremden oder auch in Gegenwart seiner Arbeitskollegen, war er sehr still, zurückhaltend und meiner Meinung nach auch zu wenig durchsetzungsfähig.

Für mich war also ziemlich klar, warum Mingi eine psychologische Betreuung ablehnte, auch wenn es bestimmt wichtig gewesen wäre.

„Das toxikologische Gutachten hat eine extrem hohe Konzentration einer Substanz mit sedierender Wirkung ergeben. Ich spreche hier von GHB."

GHB? Ich war echt nicht sonderlich auf der Höhe, was irgendwelche Partydrogen oder ähnliches anging und das aus gutem Grund, aber das hatte selbst ich schon mal gehört, auch wenn ich gerade keine detaillierte Vorstellung von der Wirkung hatte.

„Sie meinen, er hat Drogen genommen?", hakte ich nach.

Das Stirnrunzeln des Arztes nahm zu, womöglich versuchte er auch meinen Kenntnisstand einzuschätzen.

„Davon ist auszugehen", antwortete er.

Ich wollte das gerade als unmöglich abtun, weil Mingi eben keine Drogen nahm, von wegen ‚mein Körper ist ein Tempel' und so. Er hatte ja quasi alle zwei Monate eine andere Phase von reinigender Glückseligkeit und bombardierte mich entsprechend mit angelesenem Fachwissen, das ernährungsphysiologisch vermutlich jeden Diätberater hätte alt aussehen lassen und auf der esoterisch-spirituellen Ebene auch einen hohen Stellenwert einnahm. Mingi nahm keine Drogen, er trank ja nicht mal Kaffee und Alkohol nur, wenn er im Zugzwang war, um sich nicht auszugrenzen, was meistens mit den Arbeitsessen einherging. Im Moment tendierte er zu vegetarisch, wir hatten aber auch schon vegane Phasen, er war sportlich aktiv, ja, er praktizierte sogar Yoga und nun erzählte mir der Arzt was von Partydrogen.

„Willentlich oder unwillentlich", ergänzte der Mediziner soeben und während ich diese Information noch verarbeitete, fuhr er fort.

„Etwas, das auch als Liquid Ecstasy bekannt ist, sogenannte Date-Rape-Drogen oder auch-"

„K.o.-Tropfen", fiel ich ihm entsetzt ins Wort. „Sie wollen mir sagen, jemand hat ihm k.o.-Tropfen gegeben?"

„Denkbar", wich der Arzt aus. Natürlich, er konnte sich hier nicht in Spekulationen ergehen und immerhin war es Sache der Polizei, diesen Umstand zu klären. Trotzdem ließ es mich ein Stück weit fassungslos zurück, weil auch dieses Detail etwas war, womit ich niemals gerechnet hätte. Wie auch?

„Die Einnahme dieser Substanz kann eine vorübergehende Bewusstlosigkeit verursachen, auch eine zeitlich begrenzte Amnesie, was durch die Aussage des Patienten unterstützt wird, dass er sich an nichts erinnern kann." Der Arzt seufzte. „Nichtsdestotrotz hat Herr Song eine massive traumatische Erfahrung machen müssen, körperlich wie auch psychisch und ich kann ihm nur dringend zu einer Gesprächstherapie raten. Leider zeigte sich Herr Song hierzu bisher nicht bereit oder deutlicher: er hat es rundheraus abgelehnt."

„Ich kann ihn nicht zwingen", entgegnete ich und zuckte hilflos die Schultern. Ich wollte helfen, aber ich hatte keine Ahnung wie.

„Nein, natürlich nicht, das wäre auch der falsche Ansatz." Freundlich legte mir der Arzt eine Hand auf die Schulter und führte mich nun zu Mingis Zimmer. „Aber Sie können als positiver Verstärker agieren, wenn sich abzeichnet, dass sich seine Haltung dahingehend verändert. Seien Sie für ihn da, sprechen Sie ihm Mut zu, aber setzen Sie ihn nicht unter Druck."

Ich nickte, auch wenn ich mich gerade etwas überfordert fühlte. Was wusste ich schon über psychische Dinge? Gar nichts. Ich war einer von den Kerlen, der 1000 Tode bei einem Männerschnupfen starb und regelmäßig froh war, dass Mingi mich in solchen Momenten betüdelte wie ein Baby. Und jetzt war ich plötzlich auf der anderen Seite.

„Seien Sie gesprächsbereit, wenn er mit Ihnen über diese Nacht reden will. Manchmal kommen Erinnerungsbruchstücke zurück oder bestimmte Gefühle drängen sich auf. Seien Sie da, aber versuchen Sie nicht, ihn auszuhorchen."

„Okay."

„Außerdem wäre es von Vorteil, wenn er die nächsten Tage nicht allein ist, können Sie das einrichten?"

Wieder zuckte ich die Schultern. „Ich kann einen Großteil meiner Arbeit im Homeoffice erledigen, wenn ich das mit meinem Chef abspreche, aber nicht vollständig."

„Soweit es eben umsetzbar ist", sagte der Arzt. „Für eine weiterführende Krankmeldung, müsste Herr Song ohnehin einen niedergelassenen Arzt aufsuchen, als sein behandelnder Arzt im Krankenhaus kann ich ihm eine Bescheinigung für die nächsten drei Tage ausstellen."

„Okay", sagte ich wieder, nickte schwach, in meinem Kopf ratterte es bereits, vor lauter Informationen.

Zusammen mit dem Arzt betrat ich das Zimmer, wo Mingi dieses Mal nicht im Bett saß, sondern fertig angezogen am Fenster stand und auf den Krankenhausgarten hinausstarrte. Er wirkte irgendwie verloren, wie er dort reglos am Fenster verharrte, die Hände tief in den Hosentaschen einer weiteren Jogginghose vergraben und mit zerzausten Haaren. Ein untypisches Bild, oder eines, das ich nur von regnerischen freien Tagen kannte, in denen wir weder aus den Gammelklamotten noch aus der Wohnung kamen und uns dafür lieber stundenlang schmusend im Bett oder auf der Couch herumrollten.

Kaum war der Gedanke da, spürte ich, wie unpassend er war und sperrte ihn entsprechend weit weg in den hintersten Winkel meines Kopfes.

Jetzt wo er uns gehört hatte, drehte Mingi sich um, nickte dem Arzt kurz zu und richtete den Blick auf mich. Seine Mundwinkel hoben sich gerade so weit und so lang, dass ich es als Lächeln einstufen konnte, dann war es schon wieder verschwunden.

„Der Arzt sagt, du darfst nach Hause", versuchte ich es, in der Hoffnung, dass es wenigstens positiv klang, wenn ich vermutlich schon genug Nervosität ausstrahlte, aber auch jetzt nickte Mingi nur stumm. Er bewegte sich in Richtung seiner gepackten Tasche, ich auch und fast gleichzeitig griffen wir danach.

„Ich nehm das", sagte ich.

„Ich kann das selber", er.

„Weiß ich." Unsere Blicke trafen sich. „Lass mich einfach und nimm du den Rest." Wenigstens ließ er jetzt die Tasche los und wandte sich an den Arzt, der ihm ein ganze Bündel Papiere in die Hand drückte, darüber hinaus auch noch ein halbes Dutzend verschiedener Medikamente. Salbe, Zäpfchen, gleich vier verschiedene Röhrchen mit Tabletten landeten in einer kleinen Papiertüte, dazu gab es einen ganzen Schwall an Anweisungen. Ich bemühte mich, diesen zu folgen, damit ich wenigstens auch Bescheid wusste, während Mingi kommentarlos sämtlichen Papierkram einmal zu einem Komplettpaket faltete, dieses zu den Medikamenten in die Tüte stopfte, welche er nun krampfhaft festhielt.

Wir wurden mit „alles Gute für Sie", verabschiedet und dem Hinweis, dass wir uns natürlich jederzeit melden sollten, wenn wir noch irgendwas bräuchten, Fragen hätten oder unerwartete Beschwerden aufträten. Mingi wurde ermahnt, die Kontrolluntersuchung unter keinen Umständen zu vernachlässigen und plötzlich standen wir beide ganz alleine auf der Straße. Es war Mittag, unangenehm warm und die grelle Helligkeit machte den Moment irgendwie unwirklich.

Mein Wagen stand auf dem Klinikparkplatz für Besucher, leider in der prallen Sonne und entsprechend kochte das Innere bereits. Trotzdem luden wir schweigend die Sachen ein, Mingi schlüpfte ebenso schweigend auf den Beifahrersitz und ich klemmte mich hinter das Lenkrad.

„Willst du noch irgendwas Bestimmtes? Hast du Hunger, soll ich was besorgen, oder erst mal nur nach Hause?"

„Nach Hause", murmelte Mingi schwach, lehnte den Kopf an die Seitenscheibe und schloss die Augen. Ich wusste nicht, ob er einfach nur müde war, ob er womöglich Schmerzen hatte oder ob das die Nachwirkungen der Medikamente waren, aber ich beließ es dabei. So fand die Heimfahrt in drückendem Schweigen statt und ich spürte, wie mir der beengte Raum im Wagen mehr und mehr zu schaffen machte. Ich wollte nicht, dass jetzt plötzlich alles zwischen uns anders war oder seltsam wurde, aber gerade hatte ich auch keine Idee, wie ich das Gefühl abstreifen sollte. Da war es fast eine Wohltat, als wir endlich zuhause ankamen und aus dem Wagen flüchten konnten.

Dieses Mal nahmen wir den Aufzug und auch jetzt sagte keiner von uns beiden ein Wort, bis wir an der Wohnungstür angekommen waren. Ich gab den Code ein, ließ Mingi den Vortritt und folgte ihm schließlich. Ich sah zu, wie er sich mechanisch die Schuhe abstreifte, dann sofort in den Wohnbereich abbog und kurz darauf hörte ich den Wasserspender gurgeln. Bis ich um die Ecke kam, bekam ich gerade noch mit, wie er die Tablettenröhrchen in der Schublade darunter verschwinden ließ. Hatte er nun etwas genommen oder nicht? Ich wusste es nicht und ich wollte nicht fragen, nahm mir aber vor, später, wenn er vielleicht schlief, zumindest die Etiketten zu lesen, damit ich wenigstens wusste, um welche Medikamente es sich handelte.

„Brauchst du irgendwas? Ich kann auch für uns kochen, wenn du willst, oder..."

„Nein", nuschelte Mingi nur, was es mir echt schwer machte, Ruhe zu bewahren. Ich machte ein paar Schritte in den Raum hinein, blieb wieder stehen, rieb mit den Händen über die Seiten meiner Jeans und fuhr mir dann durch die Haare.

„Und Tee? Willst du vielleicht einen Tee?"

An der kleinen Küchenzeile atmete Mingi tief durch und drehte sich dann zu mir um. „Ich will gar nichts, ehrlich. Danke. Ich bin nur irgendwie..." Er beendete den Satz mit einer vagen Geste und wandte sich wieder ab.

Was für eine unmögliche Situation! Ich wurde immer zappeliger, lief hinaus, schnappte mir seine Tasche und wollte sie ausräumen, doch kaum hatte ich den Reißverschluss offen und sah das Kleiderpaket, eingeschlagen in Papier, schloss ich sie wieder und warf sie im Flur in die Ecke. Das konnte ich jetzt nicht, später vielleicht, wenn ich – nein, wenn wir endlich wieder ein bisschen Normalität erreicht hatten. Also machte ich mich wieder auf ins Wohnzimmer, wo ich im Durchgang stehenblieb und sah, wie Mingi unschlüssig an der geschlossenen Balkontür stand.

Verdammt, warum war das gerade so schwer? Warum hatte ich sogar Angst davor, einen Raum zu betreten in dem er war? Das war doch absurd. Und doch verharrte ich dort an der Schwelle, hatte das Gefühl, dass wir beide riesige Schatten warfen, die irgendwo in der Mitte kollidierten und einander zu verdrängen versuchten.

Für die üblichen Verhältnisse hier in der Stadt, war mein Appartement mit seinen fast 50 m², inkl. Balkon, fast luxuriös groß und wir waren auch immer bestens damit zurechtgekommen, hatten hier mit sechs oder noch mehr Leuten gefeiert. Doch gerade schien der Platz für zwei erwachsene Kerle, und wir waren ja beide nicht klein und zierlich, völlig unzureichend und jeder Raum winzig und erdrückend. Es fühlte sich an, als hätte man uns zusammen in einen Schrank gesperrt, ohne Licht, ohne Luft.

„Warum stehst du denn in der Tür wie ein Wächter?", sagte Mingi da und sah mich an. „Ich werde nicht explodieren, wenn du dich bewegst, okay?"

„Tut mir leid", murmelte ich und trat in den Wohnraum. „Ich will mich gar nicht so blöd verhalten", raunte ich. „Ich weiß nur gerade nicht, was ich tun kann und ich würde so gerne etwas tun."

„Hast du nicht jede Menge Arbeit, die liegengeblieben ist?", fragte Mingi mit einem schiefen Lächeln. Es wirkte echt, aber auch traurig.

„Ich setze mich jetzt garantiert nicht hin und arbeite", schnaubte ich aufgebracht. „Als ob ich mich gerade auf irgend so einen Scheiß konzentrieren könnte." Auch wenn ich besagten Scheiß für gewöhnlich liebte. Ich seufzte unhörbar und rieb erneut den Stoff meiner Jeans.

„Stattdessen willst du mir lieber folgen wie ein Schutzgeist?", fragte Mingi und klang damit tatsächlich ein wenig bissig und provokant, auch wenn er sich wieder um ein Lächeln bemühte. „Das ist nicht nötig, ich komm schon klar. Ich... vielleicht lege ich mich einfach ein bisschen hin. Ich bin echt kaputt und diese doofen Krankenhausbetten sind auch nicht das Wahre."

„Okay, ja, dann... nein, mach das. Du ruhst dich ein wenig aus und ich..."

Bevor ich ein Ende für diesen Satz fand, war Mingi neben mir. Seine Hand legte sich auf meinen Arm, sodass ich augenblicklich verstummte, dann hauchte er mir einen federleichten Kuss auf die Wange.

„Es ist alles okay, Babe, hm?", raunte er dabei. Gleich darauf fiel seine Hand herab und er wandte sich ab. Der Moment war so schnell vorbei, dass ich gar nicht reagieren konnte und meine zuckenden Finger griffen ins Leere.

„Okay", murmelte ich und sah ihm nach. Ich hörte ihn im Bad und nur wenig später wurde die Tür zu unserem Schlafraum zugeschoben und erst jetzt ließ meine Anspannung etwas nach. Ich stieß die angehaltene Luft aus, raufte mir die Haare und drehte mich einmal um mich selbst.

„Komm runter", flüsterte ich zu mir selbst. „Komm endlich runter, du Idiot." Nun, leichter gesagt als getan. In der Folge kochte ich erst mal Kaffee, dann gleich noch eine Kanne Tee – sicherheitshalber – durchforstete unsere Vorräte, um zu überprüfen, ob wir wenigstens genug Lebensmittel im Haus hatten, um was Vernünftiges zu kochen und riss die Schublade auf, um die Etiketten der Medikamente zu lesen. Nur eins davon erkannte ich auf Anhieb, es war ein Antibiotikum, den Rest suchte ich im Internet. Ein pflanzliches Beruhigungsmittel sowie zwei verschiedene Schmerzmittel. Warum es gleich zwei waren, dafür hätte ich wohl ebenfalls das Internet bemühen müssen, aber dafür hatte ich jetzt keinen Nerv, also tat ich nun doch genau das, was Mingi vorgeschlagen hatte. Ich setzte mich an den Schreibtisch und versuchte zu arbeiten. Gelang eher weniger und nachdem ich mich zum dritten Mal dabei erwischte, wie ich nur gedankenverloren aus dem Fenster stierte, die Computermaus umklammert, als wäre sie ein lebensrettender Anker, gab ich es endgültig auf. Ich klappte den Laptop zu, wechselte auf die Couch, stellte fest, dass ich auch nicht fernsehen wollte und sprang wieder auf.

Auf meinem Weg ins Bad fiel mir die Tasche wieder ins Auge und ich griff sie mir widerwillig. Besser jetzt als später, damit bugsierte ich das Ding ins Bad, stellte sie auf dem Waschtisch ab und räumte die Sachen heraus. Es waren seine persönlichen Dinge, wie Brieftasche und Schlüssel sowie eine große Papiertüte, in der die schmutzige Kleidung verstaut war. Es war grauenhaft. Das Hemd war eindeutig für die Tonne, die Hose ebenfalls, also warf ich beides in die Dusche. Dem folgten die Socken, von denen eine ebenfalls zerrissen war, ein einzelner Schuh, den ich erst noch hilflos in der Hand hielt, weil ich wusste, wie teuer diese beschissenen Schuhe gewesen waren und mich ernsthaft fragte, ob man den zweiten wohl wiederfinden würde. Dann erst wurde mir die Absurdität meiner Gedanken bewusst und der Schuh landete ebenfalls in der Dusche. Ich griff nach dem Gürtel, der – und das sah ich erst jetzt – immer noch verschlossen und knapp hinter der Gürtelschnalle aufgeschnitten war. Hatten sie das im Krankenhaus gemacht? Aber er war kein lebensbedrohlicher Notfall gewesen. Mein Finger fuhr über die grobe Schnittkante und ein Schauer jagte meinen Rücken hinab, als mir wieder einfiel, wie er hier gelegen hatte, das lose Ende des Gürtels über ausgerissene Gürtelschlaufen herabhängend. Nein, jemand hatte das getan... jemand, dem es zu mühevoll gewesen war einen Gürtel zu öffnen... Angewidert warf ich den Gürtel zu den anderen Sachen. Wut und Hilflosigkeit vermischten sich und hinterließen einen ekelhaften Geschmack in meinem Mund. Ich schluckte, aber ich wurde ihn nicht los. Mit dem letzten Griff in die Papiertüte hielt ich seine Unterwäsche in den zitternden Händen. Graumelierte Pants, die ich so oft an ihm gesehen hatte, aber das Stoffbündel in meiner Hand war dreckig, der Stoff stellenweise ganz steif und hart von dem getrockneten Blut, dass sich dunkel, in rostroten fast braunen Flecken, darauf abzeichnete. Mir wurde schlecht.

Abrupt ließ ich das Wäschestück fallen, drehte mich auf dem Absatz um und riss den Toilettendeckel auf. Ich erbrach den Kaffee sowie mein klägliches Frühstück, bevor ich den Deckel wieder zuklappte und mich darauffallen ließ, weil ich mich plötzlich so wackelig auf den Beinen fühlte.

Für eine ganze Weile saß ich also einfach nur da, das Gesicht in den Händen verborgen, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, atmete mit offenem Mund, bis ich mich wieder einigermaßen gefasst hatte. Schließlich stand ich auf, schlug mit einer Hand auf die Spülung, hielt mich mit der anderen bereits am Waschbecken fest, damit ich nicht schwankend wieder umkippte. Ich spülte mir den Mund aus, fuhr mit den nassen Händen über mein Gesicht und hob den Blick in den Spiegel.

Da war ich drauf und dran hinauszurennen, eine Mülltüte zu holen und den ganzen Kram hineinzustopfen. Ich wollte ihn auf der Stelle loswerden, am liebsten gleich selbst verbrennen, doch während ich mit dem Plastiksack zurück in das Bad kam, holte mich ein anderer Gedanke ein.

Warum waren die Sachen hier? Warum nicht bei der Polizei? Gehörte das nicht auch zur Spurensicherung? Herrgott ich war so ein Idiot! Und jetzt hatte ich alles angefasst! War das wichtig? Machte das noch einen Unterschied? Widerwillig griff ich mir alle Kleidungsstücke, die in der Duschwanne lagen und schob sie zurück in die Papiertüte, welche ich ebenfalls wieder in die Tasche zurücklegte und selbige verschloss. Und wohin jetzt damit?

Fürs erste landete sie auf der oberen Ablage der Garderobe und ich nahm mir vor, Mingi zu fragen, warum die Sachen nicht an die Polizei weitergegeben worden waren.


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