Tim

Am nächsten Tag war wieder Unterricht. Es fühlte sich Jahre her an, seit dem ich das Letzte mal Unterricht gehabt hatte. Dabei war nur das Wochenende dazwischen gewesen.. Ein Wochenende, welches sich wie Jahre angefühlt hatte. 

Der Tag zog sich ins Lange, jede Sekunde dauerte gefühlte Stunden und jede Stunde gefühlte Wochen. Als es endlich hieß, dass der Unterricht für heute zu Ende sein würde, atmete ich erleichtert aus und packte meine Sachen zusammen. Daraufhin stand ich auf, um zu gehen. Ich musste augenblicklich zu Sasha. Er musste mir unbedingt wieder einreden, dass Stegi es verdient hatte, gequält zu werden. 

Gerade als ich den Raum verlassen wollte, hielt mich jemand am Arm zurück, woraufhin ich mich genervt umdrehte, und in Stegis grüne Augen blickte. "Was?", fuhr ich ihn an, woraufhin er leicht zusammenzuckte. "Ach, schon gut", murmelte er, warf mir einen entschuldigenden Blick zu und ging weiter an mir vorbei. Diesmal war ich es, der nach Stegis Arm griff und ihn zu mir zog. "Hey, heey. Sorry. Ich bin gerade im Stress und muss wohin, bin spät dran. Reden wir später?", fragte ich dann und lächelte leicht. Auch Stegis Gesicht zierten jetzt nach oben zeigende Mundwinkel. "Okay", meinte er zufrieden. 

Als ich mir meinen nun schon mehr als bekannten Weg vom Internat zum Keller suchte, begann es, wie in den letzten Wochen so oft, zu regnen. Es war Ende Mai, bald würde Juni anfangen. Allerdings hatte ich kein Problem mit dem Wetter. Ich liebte Gewitter, Sturm und Regen. Es war einfach perfekt, an solchen Tagen draußen zu sein. Die Luft war einfach toll,  außerdem waren zu solchem Wetter meist keine Menschen draußen. Mit der Kapuze überm Kopf erreichte ich mein Ziel, riss die Tür auf und rannte schon beinahe die Treppe runter. Beim Keller angekommen riss ich zwei weitere Türen auf und ließ sie hinter mir mit einem knarren zufallen. 

"Tim", begrüßte mich mein Onkel. Ich nickte ihm flüchtig zu. Sasha deutete auf den Stuhl, auf den ich mich daraufhin setzte. Er selber setzte sich gegenüber von  mir auf den Tisch und verkreuzte seine Arme vor seiner Brust. 

"Bitte", meinte ich in einem Flüsterton und starrte ihn an. Er nickte und sprang auf. 

Stegi

Ich ging auf mein Zimmer, verließ es allerdings direkt wieder, nachdem ich meine Tasche abgeliefert hatte, und ging den Flur entlang. An Tobis Tür angekommen klopfte ich und wartete darauf, dass er mir öffnete. In den letzten Tagen hatten wir so gut wie gar nicht gesprochen, hatten uns nicht mal gesehen. Ich war einfach viel zu beschäftigt gewesen, was das mit Tim anging. 
Die Tür ging auf und Tobi schaute mich an. Er war schon vor dem Internat mein bester Freund gewesen, dass sollte sich hier nicht ändern, auch wenn Tim ihm langsam Konkurrenz machte.. 

"Stegi", sagte er und schaute mich freundlich an. "Sorry das ich mich nicht gemeldet habe.. Hatte Stress", murmelte ich und biss mir leicht auf die Unterlippe. Er machte mir Platz, sodass ich durch kannte und sagte, während er die Tür schloss: "Und das wirst du mir jetzt genau erzählen, immerhin bin ich dein bester Freund" Er grinste und ließ sich auf seine Couch fallen, welche gleichzeitig sein Bett war. Ich seufzte und setzte mich im Schneidersitz neben ihn. Dann nickte ich und meinte: "Ich weiß aber nicht, wie ichs sagen soll.." Tobi schaute mich interessiert an und setzte sich auf. "Sag einfach Stegi. Ich merk schon seit längerem, dass dich irgendwas bedrückt" Ich runzelte meine Stirn und schaute ihn fragend an. Dann atmete ich tief ein und murmelte dann leise: "Es ist wegen Tim"

Nun hatte ich Tobis schon geweckte Interesse wohl wortwörtlich aus dem Bett gerissen, auch wenn ich kurz hoffte, ich hätte so leise geredet, dass er es nicht gehört hatte. 

Tobi riss seinen Kopf zu mir und meinte grinsend: "Erzähl" 

Und ich tat es. Ich erzählte alles, nur den weinenden Tim ließ ich raus. Ich wusste nicht, ob ihm es egal sein würde, wenn ich das rum erzählte, auch wenn es nur Tobi war. Aber ich schätzte eher nicht. Wer würde das schon wollen? 

"Und glaubst du er fühlt auch was für dich?", fragte Tobi neugierig und ich zuckte mit den Schultern. 

"Das ist es ja: ich weiß es nicht. Er hat schon mal so Sachen gesagt, wie "Und auf so n' Schisser steh' ich?", aber das war, denke ich, nur Spaß.. Er könnte jede haben.", murmelte ich, lächelte jedoch, nachdem Tobi sagte: "Oder jeden!" 

Tim

Zirka zwei Stunden später war es vollbracht. Ich saß immer noch auf dem Stuhl, nur sah ich die Dinge wieder anders. 

"Wer ist Stegi?", erklang die Stimme meines Onkels. "Ein Dreckskerl, den ich dazu bringen muss, auf mich zu stehen. Er ist Schuld am Tod meiner Eltern, und er hat seinen Tod verdient."

Dieses Frage-Antwort-Spiel hatte ich damals jeden Tag spielen müssen. Nur weil Stegi mit Messern durch meinen Kopf gerannt war, und mich somit nur unnötig verwirrt hatte, saß ich hier. 

"Was empfindest du für ihn?"
- "Nichts außer tiefsten Hass. Ich will ihn nicht sehen, nicht mehr mit ihm sprechen. Aber ich muss. Ich musste ihn suchen und habe ihn gefunden. Genauso wie seine Liebe. Ich muss ihm etwas bedeuten, er mir aber nichts. Und das wird er nicht. Das einzige was ich muss, ist die Bestie in mir zurückzuhalten. Ich brauche keine Liebe, ich brauche keine Gefühle und keine weiße Flagge, die er versucht über mein schwarzes Herz zu hissen. Er hat mich damals kaputt gemacht, wenn auch nicht mit Absicht. Ich werde ihn jagen, und die Jagd hat schon seit langem begonnen."

Ich atmete tief ein. 

"Gut. Das war's. Du kannst gehen. Wir werden das jetzt die Woche wiederholen. Bis morgen", meinte Sasha und ich stand augenblicklich auf. Ich hatte so einen Hass in so kurzer Zeit entwickelt. Nein, ich hatte ihn schon vor langer Zeit entwickelt. Die letzten Tage hatte er sich hinter meiner Menschlichkeit versteckt, doch nun war er wieder da und hatte meine Menschlichkeit in irgendeine Ecke gedrängt. Ich rannte die Treppen rauf und raus in den Regen. Ich riss mir die Kapuze vom Kopf und warf den Kopf in den Nacken. Regen prasselte mir ins Gesicht und gab mir ein gutes Gefühl. 

Ich war wieder da.
..Tim war wieder da. 

oooooooooh. Was geht jetzt, huh? ^^ 

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