Achtundvierzig. - Tu es.
Tim
Als Tobi mir in einem tonlosen Ton gesagt hatte, dass Stegi nicht zum Unterricht erschienen war, bekam ich eine Vermutung, die mich rennen ließ. Wortwörtlich. Nach der ersten Stunde, die ich ungeduldig abgesessen hatte, verließ ich rasend schnell das Gelände des Internats, um zum Keller zu kommen. Immer noch der Hoffnung, die Stimmen flüsterten mir Dinge zu, die nicht der Wahrheit entsprachen, erreichte ich den Keller. Doch schon bevor ich die gesamte Treppe runter gegangen war, musste ich wohl oder übel notieren, dass sie Recht hatten: Stegi war im Keller, denn ich wusste genau, dass ich das Licht, was nun unter der Tür hervor schien, ausgeschalten hatte.
Ich biss mir wütend auf die Lippe. Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich hätte wissen können, dass Stegi mein Verhalten komisch vorgekommen war, als er schon einmal hier gewesen war. Ich hätte wissen können, dass er zurückkommen würde. Und ich hätte wissen können, dass es ihn interessierte. Dass ihn interessierte, was sich hier befand. Was ich vor ihm versteckt hatte.
Aber trotzdem stellte ich mir eine Frage: Wie hatte Stegi die Tür aufbekommen? Woher hatte er den Schlüssel, oder war ich einfach so dumm gewesen, und die Tür irgendwie aufgelassen? Nein, da war ich mir sicher, dass ich sie geschlossen hatte. Außerdem fiel sie immer direkt zu, sobald sie die Möglichkeit dazu hatte, also konnte ich sie eigentlich nicht aufgelassen haben. War Stegi heute morgen in mein Zimmer geschlichen? Während ich nach gefühlten Jahren wieder beim Unterricht erschienen war? Was für ein Zufall.. Was für ein Glück..
So stand ich da. Nachdenklich, was ich tun sollte. Nachdenklich, wie Stegi es wagen konnte, den Raum zu betreten. Meinen Raum.
Bring ihn um! Jetzt hast du die Chance!, flüsterte eine Stimme, die gemeinste, und grausamste von allen. Ich schüttelte wild den Kopf, wollte die Gedanken, die Stimmen rausschütten, doch sie blieben.
Wie immer.
Tu es für mich.
Sasha! Woher kam diese Stimme? Hektisch drehte ich mich um, suchte nach ihm. Doch er war natürlich nicht da. Nur seine Stimme, die war da. Und das war schlimm. Sie redete mir ein, dass Messer aus meiner Jackentasche zu holen. Sie redete mir ein, damit Stegi die Kehle aufzuschlitzen. Und beinahe hätte ich dies auch getan, als sich die Tür öffnete, und Stegi raus kam. Er stolperte leicht, ging rückwärts, sah mich nicht. Und dann prallte er gegen mich.
Der Griff um das Messer wurde stärker, ich war kurz davor, es raus zu ziehen und es in Stegi zu rammen, so wie ich es bei Sasha getan hatte. Doch dann drehte sich der Blonde um und schaute mir in die Augen. Und ich in seine. Seine grünen Augen, welche mich so hilflos und verloren anschauten, lockerten den Blick um das Messer. Es war egal, wie sehr ich gerade dieses Messer in ihn rammen wollte, die Seite in mir, die es nicht wollte, war stärker.
"Was machst du hier?", fragte ich, ohne zu bemerken, wie bedrohlich ich dabei klang. Stegi sah mich stirnrunzelnd an und meinte dann leise, aber ernst: "Wer bist du? Was bist du?" Ich schüttelte den Kopf und sagte lässig: "Ach, dass ist gar nicht so, wie es aussieht" Stegi begann, tonlos und sarkastisch zu lachen. "Tim, was auch immer du da drin getan hast.. was auch immer du vor hast, oder vor hattest zu tun.. Lass mich in Ruhe und verpiss dich. Du bist krank. Das da drin ist krank. Von wem ist das ganze Blut? Und was bedeuten die Kreuze hinter den Namen? Nicht etwa.." Er brach ab und sah mich an. Er erwartete tatsächlich eine Antwort auf die lächerliche Frage? Doch ich blieb stumm, schaute nur zu Boden, und das war ihm anscheinend Antwort genug. "Du hast sie umgebracht?", fragte er leise, flüsterte es beinahe schon. Ich grinste und sagte düster: "Sie hatten es verdient" - "UND WOMIT HAB ICH DAS VERDIENT, TIM? WARUM WILLST DU MICH UMBRINGEN? WAS HAB ICH DIR GETAN?", brüllte er und schaute mich wütend und ratlos an. "Ich hasse dich", knurrte ich. Ich knurrte es so verdammt tief, dass Stegis Angst größer wurde, und er einen Schritt von mir zurück wich. "Du bist ein Freak. Du bist ein Psycho. DU BIST VERDAMMT NOCHMAL KRANK", sagte er, in einem immer lauter werdenden Ton. "ICH BIN KEIN FREAK!", brüllte ich und ging einen Schritt auf den kleineren zu.
Du bist ein Freak.
Du bist ein Psycho.
Du bist ein Mörder.
"NEIN BIN ICH NICHT", antwortete ich den Stimmen laut und schlug dabei über Stegis Kopf gegen die Eisentür. Stegi wich mir aus, stand hinter mir und ging sicherheitshalber ein, zwei Stufen der Treppe hoch. "Doch, Tim. Du bist krank" Ich drehte mich um, sah ihn mit funkelnden Augen an und meinte leise: "Geh" Doch Stegi verstand wohl nicht, was ich sagte, denn er fragte: "Was?" Ich wiederholte mich, nur das ich diesmal schrie: "GEH!" Stegi stolperte vor Schreck zurück und rannte dann, immer noch ab und zu am stolpern, die restlichen Stufen hoch. Als er aus dem Gebäude war, öffnete ich die Eisentür und stand dann im mir bekannten Raum. Wut durchfuhr mich. Mal wieder. Alles Gute, das ich in mir angestaut hatte, war weg. Wie vom Winde verweht.
WARUM HAST DU IHN NICHT UMGEBRACHT?, brüllte Sashas Stimme aus dem Nichts mich an. Am Waschbecken abgestützt schüttelte ich nur den Kopf und atmete tief ein und aus. "Sasha.. Es tut mir so leid.. Ich war so blind.. so blind vor Liebe.. giftiger Liebe.. Stegis Liebe, sie hat mich vergiftet, mich so erblinden lassen, dass ich dich erstochen habe.. Dabei brauche ich dich doch.. FUCK! Ich werde dich rächen.. Ich werde deinen Tod rächen.. Mein Herz ist in einem Dynamit-umhangendem Save eingeschlossen, sodass keiner mehr dran kommen kann.. nicht mal er. Seine grünen Augen werden mich nicht nochmal bekommen.. Ich werde ihn töten. Und es gibt kein Weg mehr dran vorbei.."
Ich blickte in die Reste des Spiegels und sah, wie mir nasse, warme Tränen übers Gesicht rannten, die ich augenblicklich wegwischte. Liebe war der letzte Dreck, ich wusste schon, warum ich keine Gefühle haben wollte. Stegi hatte mich so aus der Bahn geworfen.. Ein Schluchzen. Ein weiteres. Ich sackte weinend auf dem Boden zusammen, mit dem Rücken an der Wand und wollte einfach nur in den Arm genommen werden. Nicht von Stegi, nicht von Sasha. Nein, einzig und allein von meinen Eltern.
"Es tut mir so leid..", flüsterte ich stockend und schaute an die Decke, damit mir nicht noch mehr Tränen entfliehen konnten. "Ich werde es vollbringen, versprochen.. Für dich, Papa. Für dich, Mama. Und für dich, Sasha..", murmelte ich, bevor mir die Augen zufielen und ich einschlief.
Als ich fünf Stunden später durch Nackenschmerzen aufwachte, waren es bereits 13 Uhr. Die Trauer war weg, von der Liebe spürte ich ebenfalls nichts mehr. Nur Hass war da; reiner Hass. Hass, der immer mehr wuchs, Hass, den nicht nur ich fühlen wollte. Ich biss mir auf die Lippe, stand auf und riss ein Blatt aus meinem Block. Danach griff ich nach einem Stift und schrieb den letzten Teil meines letzten Teils auf. Diesen Zettel schaute ich zufrieden grinsend an und legte auf die Mitte des Tisches.
Stegi würde leiden.
Er würde dafür leiden müssen, dass meine Eltern tot waren.
Er würde dafür leiden müssen, dass Sasha tot war.
Er würde dafür leiden müssen, mich Freak, Psycho und krank genannt zu haben.
Er würde dafür leiden müssen, mir mein Augenlicht genommen zu haben.
Ich würde ihn töten. Er hatte die Bestie in mir geweckt, dass Monster. Und es war wacher den je. Alles was es noch brauchte war Futter. Und ich würde dem Biest das Richtige Futter anbieten können. Warten musste die Bestie auch nicht mehr lange..
Naa ^^
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