10 - Winterwonderland Orni-Village (Weihnachts-Special Teil 1)
»»Du««
Gemeinsam mit Revali sitzt du im Zug. Obwohl du erfahrungsgemäß davon ausgegangen bist, dass es ziemlich voll sein wird, ist in eurem Abteil wenig los. Ihr habt es sogar ganz bequem auf euren Vierersitzen.
Endlich ist die stressige Prüfungszeit vorbei und du kannst voll und ganz entspannen und dich auf das bevorstehende Weihnachten freuen.
Dein dunkelblauer Lieblings-Ornis scheint jedoch nicht mal halb so sehr in Feiertagsstimmung zu sein, wie du. Emotionslos blickt Revali aus dem Fenster und lässt die verschneite Landschaft des Hyrule-Gebirges an sich vorbeiziehen.
Gerade fragst du dich, was wohl in seinem Kopf so vorgeht. Im Grunde kannst du dir gut vorstellen, dass Revali sich gerade an nicht so schöne Zeiten erinnert, die er mit Orni-Village in Verbindung bringt. Dir ist wohl bewusst, dass dein Schwarm diese Reise bloß wegen dir macht, deshalb bist du ihm auch sehr dankbar und freust dich, da Revali dir damit deutlich gezeigt hat, dass er dich sehr gern hat und sich dir zu Liebe bemüht, über seinen Schatten zu springen.
»Genießt du die Fahrt?«, fragst du Revali, als du es nicht mehr länger ertragen kannst, dass ihr die Fahrt die ganze Zeit über schweigend verbringt.
Grüne Augen wandern träge in deine Richtung. Lange stehst du unter der Beobachtung dieser schimmernden Smaragde, bis Revali einen überheblichen Laut von sich gibt und wieder zum Fenster hinausblickt.
»Für gewöhnlich hege ich eine Abneigung öffentlicher Verkehrsmittel gegenüber,« antwortet dir der dunkelblaue Orni.
Seine Bemerkung bringt dich natürlich zum Schmunzeln. »Aber... Von Hyrule nach Hebra wäre es ein verdammt langer Flug.«
Als du dann auch noch zu kichern anfängst, sieht dich Revali verdutzt an. Einen Moment lang wirkt er sogar etwas beleidigt, bis ihm anscheinend kommt, dass du ihn nicht auslachst, sondern einzig und allein seine Antwort lustig findest.
So gewinnt sich Revali ein mildes Schmunzeln ab und verschränkt die Flügel. »Hmpf, für mich wäre nichts zu weit. Meine Flügel sind stark genug um jeder Entfernung zu trotzen.«
Der Kapitän der Bogenschützen klingt dabei auch noch so überzeugt, dass dein Lächeln nur noch intensiver wird.
»Natürlich, ich hab noch nie stärkere Flügel gesehen. Dein knallhartes Training hat sich sehr bewährt. Deshalb sieht es auch immer so spektakulär aus, wenn du dich in der Luft bewegst« nimmst du dir die Freiheit heraus, mit Revali zu flirten und beobachtest aufmerksam, wie er reagiert.
Nun legt Revali den Kopf schief und versucht wohl anhand deiner Gesichtszüge zu lesen, ob du deine Sätze ernst meinst oder ob du gerade von Sarkasmus Gebrauch machst, um ihn aufzuziehen. Doch als er bemerkt, dass du ihn nicht verspotten willst und du offenbar versuchst, ihm Komplimente zu machen, wird seine Mimik plötzlich abenteuerlich, während seine Augen zu leuchten beginnen.
»Lobenswert, dass du meine Qualitäten zu schätzen weißt,« entgegnet dir mit einem gesunden Maß an Unbescheidenheit.
Sofort nehmen deine Wangen eine rosige Intensität an. Wie es aussieht, wird Revali dir gegenüber wirklich mit jedem Tag zutraulicher. Dieser Moment gerade bestärkt dich in deinem Glauben, dass euch euer gemeinsamer Winterurlaub noch näherbringen wird.
»Ich freue mich schon riesig, den Weihnachtsmarkt in Orni-Village zu besuchen und auf dem zugefrorenen See Schlittschuh...«
Verwirrt blinzelst du, als dein Vali dich plötzlich unterbricht, während du schwärmst. »Wissen Bronco und Alora überhaupt, dass ich dich begleite?«
»Ja...«, erwiderst du Revali und lächelst sanft. »Mama hat dir bestimmt schon deine Hängematte vorbereitet.«
Während du zur traumhaft schön verschneiten Landschaft hinausblickst, erinnerst du dich an das Gespräch mit deiner Mama. Du hast sie von deinem Shiekah-Stein aus angerufen. Sie war gerade dabei einen Bericht über Schneeeulen zu katalogisieren, hat sich aber sehr gefreut, dass du dich gemeldet hast. Deine Mama hat schon von dem bevorstehenden Lichterfest geschwärmt und dir gesagt, dass Papa dein Lieblingsessen kochen wirst zur Feier deiner Ankunft. Ewig lang hat sie ohne Punkt und Komma geredet. Als du sie schließlich unterbrochen und behauptet hast, dass du dieses Jahr nicht allein kommst. Sofort war deine Mama überrascht und hat dich gefragt, wen du zu Besuch mitbringen wirst. Natürlich ließ sie es nicht nehmen zu raten. Erst einmal meinte sie, dass du Urbosa oder Mipha anschleppst, doch als du ihr dann ganz zögerlich gebeichtet hast, dass Revali dich begleiten wird, war es plötzlich still auf der anderen Seite der Leitung. »Mama?«, hast du gefragt. Erst dann gab sie wieder ein Lebenszeichen von sich. Es hat auch nicht lange gedauert, da wollte deine Mama unter einem verschwörerischen Ton, der glatt von Urbosa hätte stammen können, wissen, warum du Revali mitnimmst. So hast du deiner Mama geantwortet, dass du ihm zeigen willst, dass man im Leben auch Spaß haben kann und dass nicht alles schlecht ist. Damit hast du sie auch nicht angelogen, trotzdem war es nur die halbe Wahrheit. Deine Mama wusste das natürlich und hat dir kurzdarauf zu verstehen gegeben, dass sie es toll findet, dass du wieder mehr Kontakt hast mit deinem Vali hast und dass es wohl keine so schlechte Sache war, dass du dich ausgerechnet für die Uni entschieden hast, wo auch Revali sein Sportstudium absolviert. Die Lippen zu einer gekräuselten Linie verzogen, hast du dich bei deiner Mama beschwert, dass sie nicht so sein soll. Dann hat sie gelacht und gemeint, dass sie Papa erstmal nichts von deinem Überraschungsbesuch erzählen wird, schließlich weiß sie ja, dass Broncos Verhältnis zu Revali wegen Hebari eher etwas schwierig ist. Danach habt ihr euch noch ein wenig über deine Prüfungen und die Forschungen deiner Mama unterhalten.
»Nur Alora weiß also von meinem Besuch,« schlussfolgert Revali, da du in deiner letzten Antwort lediglich deine Mama erwähnt hast.
Entschuldigend lächelst du und zuckst mit den Achseln. »Das habe ich nicht gesagt. Bestimmt sagt Mama es Papa.« Dabei klingst du allerdings nicht sehr überzeugend.
Seufzend lehnt sich Revali in seinen Sitz zurück. »Wenn sie schlau ist, wird sie es nicht tun.«
Da du nicht länger über deinen Papa und seine Meinung zu Vali reden willst, wechselst du das Thema. Natürlich bist du sehr bemüht, mit viel Einfühlsamkeit an das folgende Gespräch heranzugehen. »Wie geht es dir eigentlich mit den Gedanken, zurückzukehren?«
Revali sieht dich nicht an. Stattdessen guckt er lieber zum Fenster raus. Schließlich bist du bereits der Auffassung, dass der dunkelblaue Orni dir nicht antworten wird, als er sich dann doch zögerlich äußert. »Es ist... seltsam.«
Augenblicklich schenkst du deinem Vali ein sanftes Lächeln und bedankst dich bei ihm. »Danke, dass du dir trotzdem Mühe gibst. Ich weiß, dass es dir schwerfallen muss. Du wirst es nicht bereuen, das verspreche ich dir.«
Sein Blick nimmt eine gleichgültige Intensität an, denn offenbar scheint er dir nicht recht zu glauben. »Wir werden sehen,« erwidert er dir lediglich.
Genau in diesem Moment fährt der Zug über die große, lange Tabanta-Brücke, die auch unter dem Namen Great-Tabanta-Bridge bekannt ist. Mit strahlenden Augen riskierst du einen Blick über die Kukudja-Schlucht, dessen Grund sich weit unter der Brücke befindet.
»Doch ich gebe zu, dass ich beinahe vergessen habe, wie schön unsere Heimat doch ist,« bemerkt Revali plötzlich ganz überraschend.
Warm lächelst du, bevor du gemeinsam mit Revali die Aussicht auf den Ort eurer Herkunft genießt.
Nachdem der Zug die Brücke passiert hat, führt ihn sein Weg am Schnepfenhügel vorbei, wo sich laut einer alten Orni-Legende eine Quelle der vier großen Feen-Schwestern befinden soll. Den Schienen folgend passiert der Zug eine weitere Schlucht. Trotz den vielen Felswänden kannst du die Spitze des Shiekah-Turms, der ganz Tabanta mit Energie versorgt, über die Schlucht ragen sehen. Und dann kommt auch schon der Adebar-See, wo du, Revali, Teba und Medohli als Kinder immer im Sommer baden wart.
Weitere schöne Erinnerung ziehen an dir vorbei, bis der Zug schließlich an eurer Haltstelle anhält.
Ein akustisches Signal ertönt, bevor eine Durchsage folgt: »Nächster Halt, Orni-Village, Hotel „Zum alten Stall".«
»Wir werden wohl gebeten auszusteigen,« sagst du zu Revali und greifst nach deinem kleinen Koffer.
»Werden wir wohl...«, entgegnet dir der dunkelblaue Orni und klingt dabei nicht sonderlich begeistert.
Der Bahnhof in Orni-Village liegt gleich bei einem Hotel an einem Oronini-See. Es nennt sich „Zum alten Stall", weil es im Mittelalter wirklich ein Stall war, an dem Gäste bewirtet und Pferde als Transportmittel verliehen worden sind.
Während du mit Leichtigkeit dein Köfferchen mit der herumträgst, hat Revali mit seiner weitaus schwereren Reisetasche mehr Schwierigkeiten. Also hilfst du deinem blaugefiederten Freund das schwere Ding aus dem Zug rauszuschaffen.
»Sag mal, Vali, du weißt aber schon, dass wir nur ein paar Tage über Weihnachten weg sind und nicht einen ganzen Monat.«
»Ich weiß nicht wovon du sprichst,« äußerst sich Revali leicht pikiert und erhebt den Schnabel, während er Probleme damit hat, seine Reisetasche aus dem Zug zu bekommen, weil sich die Rollen unten verhakt haben. »Ich habe nur das Nötigste eingepackt.«
Während du seine Tasche leicht anhebst, damit die anderen Gäste nicht weiterhin aufgehalten werden, erinnerst du dich schmunzelnd an Revalis Einkauf bei dir im Supermarkt. Bestimmt hat Revali seine ganzen Pflegeprodukte mitgenommen. Wahrscheinlich ist die Reisetasche deshalb so sperrig.
Schließlich habt ihr zwei es doch noch auf den Bahnsteig geschafft. Beide seht ihr euch an. Den Kopf schieflegend schenkst du deinem Vali ein liebes Lächeln. Erst weiß Revali nicht so recht, was er dir darauf erwidern soll, dann gewinnt auch er sich einen liebevolleren Gesichtsausdruck ab.
Einen Moment überlegst du sogar, ob du nicht auf Revali zugehen und ihn am Flügel nehmen sollst, damit ihr so gemeinsam nach Orni-Village schlendern könnt, doch du zögerst. Wieder bist du dir nicht sicher, ob Revali das will. Zu sehr fürchtest du dich davor, dass er dich als aufdringlich ansieht. Also verziehst du missmutig das Gesicht und lässt es lieber bleiben. Schließlich sieht er auch nicht so aus, als würde er Händchenhalten mit dir wollen, denn Revali nimmt einfach seine Reisetasche und zerrt sie an dir vorbei. Noch im Zug hat er dir kurz das Gefühl gegeben, dass er dir gegenüber anschmiegsamer geworden, doch jetzt wirkt er wieder so unnahbar und reserviert.
Seufzend folgst du Revali vom Bahnhof runter und hoffst, dass sein Verhalten nur von der Tatsache herrührt, dass der Orni-Felsen in Sicht ist und er von unliebsamen Erinnerungen heimgesucht wird.
»»Revali««
Dieser verdammte Bahnhof! Ich will nur noch schnell weg von hier, denn ich will erst gar nicht daran denken, wie viel Zeit ich hier damit verbracht habe, meinen Vater anzubetteln, doch in Orni-Village zu bleiben. Doch er kannte nie erbarmen, obwohl ich hierbleiben wollte, ganz egal, ob ich mich gut fühlte oder nicht, mein Vater zerrte mich immer in den Zug auf den Weg zu einem neuen Küken-Turnier, das ich für ihn gewinnen sollte.
»Nicht so schnell, Revali. Warte auf mich!«, höre ich plötzlich jemanden hinter mir rufen.
Erst jetzt merke ich, dass ich diesen entsetzlichen Bahnhof am Hotel bereits hinter mir gelassen habe. Überrascht flimmern meine Augen, als ich hinter mich blicke und (D/N) keuchend auf mich zulaufen sehe, die sichtlich darum bemüht ist, mit mir Schritt zu halten.
Wortlos warte ich auf den Engel. Auch wenn es mir leidtut, dass ich nicht auf sie gewartet habe, so sage ich ihr das nicht und schäme mich stumm für meine Rücksichtslosigkeit. Kaum hat der „Angel" zu mir aufgeschlossen, gebe ich einen Laut von mir und wende mich bereits nach vorne, um weiterzugehen.
Während ich dem immer größer werdenden Orni-Felsen entgegentrete, spüre ich (D/N)s Blick auf mir. Bestimmt fragt sie sich, was mit mir los ist. Jeder andere, der nicht ich wäre, würde sie über sein Empfinden in Kenntnis setzen, doch ich weigere mich darüber zu reden. Sie soll nicht wissen, dass ich nur schlechte Erinnerungen an den Bahnhof habe.
Und dann stehen wir plötzlich vor der ausladenden Brücke, die über die hochgelegenen Inseln des Sees nach Orni-Village führen. Mich an den Schnabel fassend verharre ich an der Stelle und lasse meinen Blick über die bekannte Umgebung schweifen.
Vor zwei Jahren habe ich Orni-Village den Rücken gekehrt, doch seither hat sich nichts verändert. Unter uns laufen Einheimische und Touristen auf dem zugefrorenen See. Die Brücken vor uns sind mit Lichterketten und weihnachtlichem Schmuck dekoriert. Über jedem Holzbogen, der sich vor den Brücken befindet, hängt ein Mistelzweig. Das Dorf selbst, das auf der großen Insel mitten im See in den Baumwipfeln erbaut wurde, erstrahlt selbst bei Tag in seinem winterlichen Glanz, während in der Mitte des Dorfs imposant der Orni-Fels in Form eines Vogelkopfes in den Himmel ragt.
Überall, wo ich nur hinblicke, sehe ich mich als Küken wieder. Bei meiner ersten Flugstunde, bin ich in den See gefallen. Mein Vater hat mich erst rausgeholt, nachdem ich ihn unter Tränen versprochen habe, dass ich es wieder mit dem Fliegen versuche, obwohl ich nicht wollte. Einmal habe ich bei den vielen Brüstungen der Promenade entlang meinen Kopf hindurchgesteckt. Ich bin steckengeblieben, doch mein Vater meinte nur ich sei eine Schande und ist einfach weitergegangen, ohne mir zu helfen. Auch der Orni-Felsen erinnert mich an ein schlechtes Erlebnis, denn mein Vater hat mich gezwungen bis zur Spitze hinaufzufliegen. Meine Flügel waren damals noch zu klein, ich schaffte es kaum, bis zur Mitte. Als Strafe bekam ich kein Abendbrot.
Plötzlich schrecke ich zusammen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre. Unter einem stechenden Blick drehe ich mich um und sehe geradewegs in das besorgte Gesicht meines Engels.
»Alles gut bei dir?«, erkundigt sich (D/N) bei mir.
»Natürlich!«, erwidere ich ihr umgehend und wische ihre Hand sanft von mir herunter. Schließlich soll sie nicht der Auflassung sein, dass sie mich trösten müsste. »Lass uns weitergehen! Deine Eltern erwarten dich sicher schon.«
»Okay...«, flüstert das geflügelte Mädchen enttäuscht klingend, bevor ich weitergehe und sie mir folgt.
Über die Brücken begeben wir uns zur großen Insel. Auf einem Gerüst aus Holz erbaut erstreckt sich ein großes Dorf über dem Boden, Orni-Village. Die gesamten Baumwipfelwege sind in einer Decke aus fluffigem Weiß eingehüllt.
Gerade als wir eintreffen, beginnt es zu schneien. Küken kommen uns entgegen, rasen spielend und lachend an uns vorbei. Einige Orni kehren vor ihren Häusern den Schnee weg. Die vielen Läden sind mit weihnachtlicher Dekoraktion geschmückt. Das schönste und farbenprächtigste Geschäft ist dabei der „Frechspatz" ein Gemischtwarenladen, den ich seit meiner Kindheit kenne. Auch das „Schwalbennest", das berühmteste und langlebigste Gasthaus in Orni-Village, erfreut das Auge mit festlichen Girlanden aus beerenförmigen LED-Lämpchen und Tannenzweigen. Als schließlich die Schneiderei folgt blicke ich gezielt weg und gehe schnell weiter. Ich weigere mich mit den noch viel schmerzvolleren Erinnerungen, die dieses Gebäude enthält, konfrontiert zu werden.
(D/N), die von der Schönheit ihrer Heimat sehr angetan zu scheint, bemerkt erst einige Zeit später, dass ich mich von ihr entfernt habe. Als sie versucht, zu mir aufzuholen, verliert sie ihre Mütze, die sie schnell wieder aufhebt.
Schließlich gelangen wir an den Dorfplatz, wo bereits viele Eisskulpturen die Atmosphäre mit ihrer glitzernden Pracht erheitern. Der Brunnen ist ebenfalls einen Blick wert, denn er wurde mit hübschen Gestecken aus blauen Weihnachtsbaumkugeln und Frostkraut verziert.
Nach dem wir den Dorfplatz, an dem einige eulenähnliche Orni uns grüßen, hinter uns gelassen haben, steigen wir eine Treppe hoch und begeben uns in eine Straße, die sich laut den Schildern „Unterer Tannenweg" nennt.
Auch diese Straße kommt mir nur allzu bekannt vor. Als ich klein war, war ich oft hier, um meine einzige Freundin zu besuchen.
Gerade in diesem Moment fällt mein Blick auf dem Engel, der immer noch damit beschäftigt ist, ihre Mütze anständig aufzusetzen und sich den Schnee von dem Bommel anzuklopfen.
Mit einem verträumten Schmunzeln auf dem Schnabel erinnere ich mich, wie sie als Kind ausgesehen hat. Bronco hat ihr immer Zöpfchen gemacht und im Winter trug sie eine rosafarbene Strickmütze mit Sternen drauf. Eingehüllt war sie in eine dicke Jacke in pinker Farbe. Ihr Stiefel waren lila und mit Federn in derselben Farbe verziert. Wenn ich so recht überlege, (D/N) hat wohl durchaus das Bild eines süßen, kleinen Mädchens verkörpert. Außerdem war sie immerzu gutgelaunt und wollte immer spielen. Auch wenn ich des Öfteren keine Lust hatte, hat ihre Laune mich dazu angesteckt, rauszugehen und mit ihr im Schnee zu tollen. In der Tat war der kleine Engel einfach bemerkenswert.
Ehe ich mich versehe, fängt (D/N) plötzlich breit zu grinsen an. Gezielt sieht sie in eine bestimmte Richtung. Es kommt ein Haus in Sicht, das im typischen Orni-Stil erbaut wurde und eher eine mittlere Größe aufweist. Im Grunde sieht es aus, wie ein asiatisches Vogelhaus aus Holz.
Ein männlicher Orni mit getigertem Federkleid und hellbrauner Brust ist gerade dabei die großen Tannenzweige, die auf seine Behausung hinunterhängen mit großen, Weihnachtsbaumkugeln in (D/N)s Lieblingsfarbe zu schmücken. Eine Frau mit weißen Haaren und andersfarbigen Strähnen steht neben ihm und überreicht ihn die glitzernden Kugeln. Der männliche Orni sagt irgendetwas und bringt die Shiekah-Hylianerin neben ihm zu lachen.
Einen Schritt vor mir bleibt der Engel stehen, bevor wir das Haus erreichen. Genau in diesem Moment erhebt der Mexika-Orni den Blick und sieht... seine Tochter.
»Prinzessin!«, ruft Bronco und lässt die Kugel vor Wiedersehensfreude fallen.
Nur Alora ist es zu verdanken, dass der Baumschmuck nicht zu Bruch geht. Umständlich fängt sie die Kugel mit ihrer behandschuhten Hand auf.
Mit verschränkten Flügeln und skeptischem Blick sehe ich dabei zu, wie der ehemalige Bogenschützen-Champion mit ausgebreiteten Flügeln auf seine Tochter zuläuft.
»Papa!«, höre ich den Engel quietschen, bevor sie Bronco anspringt.
Lachend fängt er sie auf und nimmt seine Tochter in die Flügel. Sichtlich erfreut darüber, seine kleine Prinzessin wiederzusehen, herzt er ihren Kopf mit dem Schnabel.
Ernüchtert stehe ich da und beobachte dieses freudige Wiedersehen zwischen Vater und Tochter. Tatsächlich muss ich doch zugegeben, dass ich etwas neidisch bin. Die Beziehung, die die beiden zueinander pflegen, ist genau das, was sich jedes Kind wünschen würde. Es ist nicht schwer zu übersehen, dass Bronco seine kleine (D/N) über alles liebt. Ich für meinen Teil konnte immer froh sein, wenn ich überhaupt ein „Hallo" von meinem Vater zu hören bekam. Elterliche Zuneigung, so wie bei den beiden, hat mir mein Erzeuger nie gezeigt. Davon konnte ich nur träumen.
Seufzend wende ich meinen Blick von Bronco und (D/N) ab und bedauere meine missratene Kindheit.
»»Bronco««
Wie froh ich doch bin, mein kleines Mädchen wiederzusehen. Das letzte Mal war sie in den Sommerferien hier. Das ist schon viel zu lange her. Insgeheim wünschte ich mir oft, meine kleine Prinzessin hätte sich in eine Uni eingeschrieben, die sich irgendwo in der Nähe befinden würde, doch ich weiß ja, wie wichtig es ihr war, in Hyrule-Stadt zu studieren. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie stolz (D/N) war, als sie auf der Uni angenommen wurde.
Plötzlich spüre ich, dass meine Kleine in meinen Flügeln zappelt. Es kitzelt mich an meinen Brustfedern, als sie unter gedämpfter Stimme hineinnuschelt: »Papa, ich bekomm keine Luft!«
Sofort lasse ich mein Töchterchen los. Lachend tätschle ich ihren Kopf, bevor ich ihre Stirn schnäble.
»Tut mir leid, Prinzessin, ich bin nur so froh, dich zu sehen,« erwidere ich meinem süßen Mädchen, bevor ich ihre Haare streichle, die sie größtenteils von ihrer Mutter hat. »Was macht dein Studium?«
»Läuft alles gut, Papa!«, antwortet mir (D/N) ganz glücklich. Ihre Ohren zucken dabei ein wenig, das passiert immer, wenn sie meine Stimme vernimmt, denn sie liebt meinen mexikanischen Akzent, der zwar leicht aber deutlich herauszuhören ist.
Sie lächelt dabei so strahlend, dass mir ganz warm wird ums Herz. Mit diesem Lächeln konnte sie mich schon immer um den Finger wickeln.
»Schön, dass du endlich da bist. Ich und deine Mutter hängen gerade deinen Lieblingsbaumschmuck auf. Alles (deine Lieblingsfarbe), genauso wie du es m...« Abrupt halte ich in meinem Satz inne, als ich plötzlich vor mir eine Bewegung ausmache.
Meine Schwanzfeder beginnt vor Unruhe zu vibrieren, als ich dunkelblaues Gefieder sehe.
Unter diesem unverfrorenen Blick in diesen stechend grünen Augen und diesem arroganten Gang stolziert dieser Tunichtgut auf mich zu. Kaum bekomme ich ihn zu Gesicht, höre ich in Gedanken den Song „I knew you were trouble" von Taylor Swift. Kein Titel könnte besser zu seinem Erscheinen passen, denn der Spross von diesem Estupido namens Hebari bedeutet immer nur Ärger.
Sofort nehme ich mein kleines Mädchen beiseite und plustere meine Brustfedern auf.
»Was machst du dir denn hier?«, zische ich diesen Strolch mit drohender Stimme an.
Er allerdings mustert mich lediglich mit einem unbeeindruckten Blick und meint dann auch noch ganz frech: »Freut mich auch, dich wieder zu sehen, Bronco. Wie macht sich der Nachwuchs an Bogenschützen?«
Natürlich hat er nicht vergessen, dass ich seit meinem unerfreulichen Unfall, Bogenschützenlehrer für Küken bin.
»Hmpf!«, gebe ich bloß von mir und bedenke den kleinen Quälgeist mit einem finsteren Blick. »Sie machen sich prächtig. Trotzdem hast du nicht meine Frage beantwortet. Was - machst - du - hier?«, betone ich jede Silbe meiner wiederholten Frage einzeln.
»Deine Tochter hat mich eingeladen,« entgegnet mir der kleine Angeber mit einer solchen Arroganz, dass ich ihn am liebsten vor meinem Töchterchen von der Brüstung werfen möchte.
Erst nach einigen Atemzügen realisiere ich, was er da überhaupt von sich gibt. Langsam weiten sich meine bernsteinfarbigen Augen und mein Kamm zappelt wie verrückt. Meine Tochter hat ihn eingeladen? Prompt rutscht mir das Herz zum Bürzel runter. Hoffentlich bedeutet das nicht, was ich gerade denke.
Mein Blick fällt auf mein Mädchen. Stumm verlange ich eine Erklärung von ihr. Doch (D/N) versucht mich mit ihrem süßen Lächeln zu bestehen und breitet versöhnlich die Arme aus.
»Aber Papa, ich wollte nicht, dass er an Weihnachten alleine ist,« erklärt sie mir.
Skeptisch betrachte ich meine kleine Prinzessin, von der ich hoffe, dass sie diesen Galgenvogel wirklich nur aus Mitleid angeschleppt hat. »Und warum weiß ich dann nichts davon. Du hättest ruhig Bescheid...«
»Ups, das ist wohl meine Schuld,« unterbricht mich die amüsiert schelmische Stimme meiner Frau.
Während ich immer noch schützend den Flügel um unsere kleine Prinzessin geschlungen habe, wende ich meiner Alora mein unzufriedenes Gesicht zu.
Die schimmernde Kugel in den Händen haltend kommt die Shiekah, in die ich mich einst unsterblich verliebt habe, auf mich und unsere gemeinsame Tochter zu, während ihr heimtückischer Blick bereits verrät, dass sie mir Revalis Besuch absichtlich verschwiegen hat.
»Tut mir leid, Tigerchen, aber das muss mir einfach so durchgerutscht sein,« entschuldigt sie sich nicht sonderlich überzeugend bei mir.
Mein Blick ruht immer noch auf meiner Frau, die immer wieder für Überraschung gut, beziehungsweise schlecht, ist.
»Alora...«, beschwere ich mich unter einem kritischen Ton bei ihr. »Wenn unsere Tochter Besuch mitbringt, würde mich das doch sehr interessieren. Vor allem, wenn es sich dabei...« Beabsichtigt fällt mein Augenmerk auf Hebaris Ableger. »... um alte Bekannte handelt.«
Der junge Orni erhebt unter einem empörten Geräusch seinen Schnabel und bemerkt anschließend mir gegenüber. »Ich kann auch wieder gehen, wenn ich nicht erwünscht bin.«
Sofort schaut mein Töchterchen gar nicht glücklich aus und schaut mich flehend an. Brummend verdrehe ich die Augen und gebe bei, obwohl ich ihn doch durchaus am liebsten wieder in den Zug setzen würde.
»Mach dich nicht lächerlich! Zum Lichterfest schicken wir niemanden nach Hause,« behaupte ich und schaue dann in Aloras Richtung, die bestimmt heimlich bereits seine Hängematte aufgebaut hat. »Aber ich hoffe doch sehr, seine Hängematte hängt im Wohnzimmer.«
Doch meine Frau muss mich nur ansehen und ich weiß schon, wo die Hängematte hängt. Sofort gehen mir die Augen über. Oh, nein! Dieser Galgenvogel schläft bestimmt nicht mit meiner Tochter in einem Zimmer.
»Ja, die Hängematte hängt definitiv in wenigen Augenblicken im Wohnzimmer,« sage ich nachdrücklich, bevor ich mich von meiner Frau abwende und mich in mein warmes Haus begebe, um den Schlafplatz unseres Besuchs dorthin zu befördern, wo ich ihn im Auge behalten kann.
»»Du««
Das mit Papa und Vali hat ja nicht so gut angefangen. Jetzt sitzen sich die beiden am Tisch gegenüber und werfen sich gegenseitig dunkle Blicke zu. Laut stößt du die Luft aus und siehst zu deiner Mama rüber, die als einzige am Tisch sehr entspannt wirkt und euch Punsch einschenkt.
»Wenn ich gewusst hätte, dass wir Besuch haben, hätte ich natürlich mehr gekocht,« meint dein Papa ganz sarkastisch klingend in Valis Richtung, während sein grimmiger Blick an Intensität zunimmt.
Deine Mama jedoch steht auf, gibt dem getigerten Brummvogel einen Kuss auf die Stirn und teilt die Burritos/Tacos/ Enchiladas aus, die dir dein Papa extra gemacht hat, weil du sie so gerne magst.
»Hör auf zu mosern! Du kochst sowieso immer zu viel,« bemerkt deine Mama ganz liebevoll frech zu ihm.
Papa verdreht über Mamas Kommentar bloß die Augen, während sie vergnügt Revali seine Portion geben möchte. Doch dieser macht plötzlich einen alarmierten Eindruck und hält die Shiekah-Hylianerin mit dem Flügel auf.
»Sind da Chilis drin?«, möchte Revali von ihr wissen.
Fragend sieht Mama deinen Papa an, denn der ist ja hier der Koch.
»Sicher!«, brummt dein Papa etwas unwirsch.
Umgehend verzieht Vali das Gesicht und schiebt den Pfannenwender, womit deine Mama ihm das Essen auf den Teller legen wollte, mit dem Flügel weg. »Dann werde ich wohl auf den Salat ausweichen müssen.«
»Pfft! Anspruchsvoll ist er auch noch,« murmelt dein Papa erbost.
Nachdenklich legst du den Kopf schief. Dein Blick wechselt zwischen deinem Lieblings-Orni und dem mexikanischen Gericht. Auch letztens, als du und Revali in diesem latinischen Restaurant im Orni-Viertel essen wart, hat er ausdrücklich gesagt, dass sich in seinem Essen kein Chili befinden darf. Umgehend fragst du dich, wieso der dunkelblaue Orni so darauf achten muss. Vielleicht mag er den Geschmack von Scharfem einfach nicht.
Während Revali einfach nur seinen Salat isst und dein Papa ihm immer wieder missgelaunte Blicke zusendet, erzählt Mama wieder von ihren Forschungen über Schneeeulen. Irgendwann fragt dich Papa dann, was du zur Zeit für Themen in deinem Medizin-Studium hast. Du antwortest ihm und berichtest ihm außerdem von den Prüfungen, die deines Erachtens gut gelaufen sind. Doch die Stimmung am Tisch bleibt nach wie vor etwas trübe.
Später gibt es Plätzchen. Stolz verkündet dein Papa, dass er dieses Jahr 15 verschiedene Sorten gebacken hat. Während du erstmal große Augen machst, präsentiert Papa dir einen Riesenteller mit einem schönen, bunten Berg Weihnachtskeksen. Beherzt greifst du zu. Auch Revali bekommt von deinem Papa welche angeboten, doch Vali sieht nicht besonders begeistert aus.
"Vielen Dank, aber ich passe", lehnt Revali ab.
Dein Papa verdreht dann daraufhin die Augen und grummelt vor sich hin: "Dann halt eben nicht."
Mit geschürzten Lippen schaust du Vali an und versuchst ihn doch noch zum Probieren zu überreden. Doch besonders viel Erfolg erntest du nicht. Erst als deine Mama dir hilft und Revali vorschwärmt, wie gut Broncos Plätzchen sind, scheint ihr ihn nachdenklich zu stimmen.
Doch dann kommt dir eine Idee. Da es schließlich eine von Papas Plätzchen waren, die bei eurer ersten Begegnung dafür gesorgt haben, dass er dir vertraut, schnappst du dir einen Keks und hälst ihn ihm hin. "Und wenn ich mit dir teile, so wie damals als wir klein waren."
Prompt flimmern seine grünen Augen. Er erinnert sich wohl und ist selbst erstaunt darüber, was für eine Wirkung diese Erinnerung bei ihm hat.
So nimmt er, wenn auch zögerlich, dir den Keks aus der Hand. Revali stockt. Ihn gehen die Augen über. Kichernd sehen du und deine Mama dabei zu, wie Revali genüsslich das Plätzchen verputzt, während dein Papa selbstgefällig auflacht.
Der weitere Abend gestaltet sich jedoch nur halb so spaßig, wie du es dir erhofft hattest. Mama schlägt doch tatsächlich vor, dass ihr alle miteinander Orni-ärgere-dich-nicht spielt. So ist es auch nicht überraschend, dass Revali und dein Papa sich eine geheime Schlacht liefern, in der einer dem anderen die Figuren vom Feld fegt. Am Ende gewinnt Revali und dein Papa ist beleidigt.
Du sitzt einfach nur da und wischst dir mit der Hand aufstöhnend über das Gesicht. Ganz ehrlich, das hattest du dir wirklich anders vorgestellt.
»»Revali««
In der Hängematte liegend starre ich auf die bunten Lichter des Tannenbaums, der das Wohnzimmer ziert. Ein genervtes Geräusch von mich gebend verdrehe ich die Augen, als ich das Klackern von Krallen über den Dielen höre. Zum bereits fünften Mal verlässt Bronco das Schlafzimmer, um einen ganz „heimlichen" Blick ins Wohnzimmer zu wagen. Dann tut er so, als würde er sich etwas aus der Küche holen oder raus zum Schmutzsteg zu gehen, damit es nicht auffällt, dass er eigentlich nur prüft, ob ich brav in meiner Hängematte liege oder mich ins Zimmer seiner Tochter gestohlen habe.
Die Flügel vor der meiner Brust verschränkend, die lediglich mit einem Shirt bedeckt ist, warte ich, bis der Helikopter-Daddy wieder in seinem Schlafzimmer verschwunden ist. Als ich endlich wieder meine Ruhe habe, beschwere ich mich murmelnd über die Tatsache, dass ich im Wohnzimmer nächtigen muss und ständig unter Beobachtung stehe.
Soweit ich es bisweilen beurteilen kann, war es ein Fehler nach Orni-Village zurückzukehren. Es war doch von vornherein klar, dass mich niemand hier will. Seit ich denken kann, bin ich hier unbeliebt. Doch zuweilen liegt es mehr an meinem Vater als an mir, denn ihn kann niemand leiden, was bei mir selbstverständlich nicht auf Verwunderung stößt. Alora scheint meine Anwesenheit zu respektieren und das Beste daraus zu machen. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass sie das nur für ihre Tochter macht, weil sie weiß, dass dem Engel etwas an mir liegt. Die Einzige, die tatsächlich froh darüber wirkt, dass ich hier bin, ist (D/N). Sie hat ihr Bestes gegeben, den stummen Zwiespalt zwischen mir und ihrem Vater zu glätten. Leider stießen ihre Bemühungen immerzu auf Widerstand.
Plötzlich höre ich wieder ein Rascheln. Jemand verlässt sein Zimmer. Wieder gebe ich einen nörgelnden Laut von mir und blicke auf die Uhr über dem Türbogen. Eigentlich wäre es erst in den nächsten 20 Minuten so weit, dass Bronco sich wieder blicken lässt, doch offenbar hat er seinen Rhythmus geändert.
Da taucht auch schon ein Kopf vor der Tür auf, aber es ist nicht der von dem getigerten Mexika-Orni, sondern der seiner liebreizenden Tochter.
»Schläfst du schon?«, flüstert der „Angel" in den Raum hinein.
»Ich wüsste nicht, dass ich dazu fähig wäre, mit offenen Augen zu nächtigen,« erwidere ich ihr reserviert.
»Bist du mir böse, weil du im Wohnzimmer schlafen musst?«, fragt sie mich vorsichtig, während sie durch den Raum schleicht, um zu mir zu kommen.
»Nein, dir nicht,« antworte ich ihr und sehe geradewegs in die Richtung, in der das Schlafzimmer ihrer Eltern liegt. »Deinem Vater ist es schließlich zu verdanken, dass ich zwischen Fernseher und Tannenbaum ruhen darf.«
»Tut mir leid, dass er so unentspannt ist,« entschuldigt sich (D/N) bei mir und setzt sich neben mir auf die Couch, während sie sich verdrossen am Hinterkopf kratzt.
So bedenke ich den Engel eine Weile mit einem nachdenklichen Blick. Schließlich vollziehe ich eine wegwerfende Bewegung mit meinem Flügel und verschränke meine Schwingen im Anschluss hinter meinem Kopf.
»Im Grunde... zeigt er dir damit nur seine Zuneigung zu dir. Er sorgt sich um dich. Das sollte ein Vater meiner Meinung nach auch tun, wenn er sein Kind liebt,« behaupte ich dem Engel gegenüber, nachdem ich eine halbe Ewigkeit lang an die Decke gestarrt habe.
Lange sieht mich der Engel an, bevor sie plötzlich an mich heranrutscht und sich auf die Couch kniet, um mit mir auf Augenhöhe zu sein.
»Weißt du, ich habe gehofft, dass es dir vielleicht guttäte, wenn du hierher zurückkommst. Ich wollte dir zeigen, dass nicht alles an Orni-Village schlecht ist,« wispert sie mir zu.
Ihr ins Gesicht blickend blinzle ich einige Male. Gerade frage ich mich, warum (D/N) sich eigentlich solche Mühe gibt, mir zu beweisen, dass es auch gute Erinnerungen gab, die ich mit Orni-Village in Verbindung bringen könnte. Ja... Wieso ist ihr das wichtig? Während ich überlege, kommt mir plötzlich die Schneiderei in den Sinn, an der wir heute vorbeigelaufen sind. Dieses Gebäude beinhaltet Erinnerungen, die eigentlich schön waren. Leider ist diejenige, die diese Zeit mit mir geteilt hat, längst einst mit Wind geworden. Deshalb ist jeder Gedanke daran nur traurig.
»Hast du heute... Ist dir die Schneiderei aufgefallen?«, erkundige ich mich zögerlich bei dem Engel, ohne sie anzusehen.
»Ja...«, flüstert sie leise und klingt dabei selbst ein wenig melancholisch.
»Kümmert sich der neue Besitzer gut um das Gebäude?«, versuche ich mehr über den Zustand der Handwerkstatt zu erfahren.
Plötzlich ist es still. Einzig und allein das Rascheln von Stoff ist zu hören, als (D/N), die in einem Weihnachts-Pyjama bekleidet ist, noch näher rückt und ihre Hände auf den Rand meiner Hängematte legt.
»Die Schneiderei hat mal deiner Mutter gehört, nicht?« Ihre Stimme klingt dabei so ruhig und einfühlsam.
Ausdruckslos nicke ich lediglich. Die einzige Antwort, die der Engel zu erwarten hat, denn über meine Mutter rede ich nicht. Der Schmerz, der ihr Verlust bei mir hinterlassen hat, ist noch immer viel zu groß.
»Sie war eine wundervolle Schneiderin, hat Mama mir mal gesagt,« versucht der Engel dieses einzige Gespräch aufrecht zu erhalten, bevor sie auf meinen Hals zeigt. »Sie hat dir auch deinen Schal genäht, richtig?«
Wortlos fasse ich mir an meinen blauen Schal, den ich auch für gewöhnlich zum Schlafen trage. Traurig lächle ich. Ja, meine Mutter hat mir diesen Schal zu meinem ersten Geburtstag geschenkt. Natürlich kann ich mich nicht daran erinnern, aber es gibt da eine Bestickung auf der Rückseite, wo geschrieben steht: „Zu deinem ersten Geburtstag, mein kleiner Spatz". Deshalb weiß ich, dass es so ist, schließlich kann ich mich daran erinnern, dass sie mich so immer genannt hat. Anhand der Qualität dieses Kleidungsstück merkt man auch, dass sich meine Mutter sehr viel Mühe damit gegeben hat.
»Trägst du ihn trotzdem zu jeder Jahreszeit, auch im Sommer?«, fragt mich der „Angel" schließlich, da ich ihr nicht antworte.
Lange stoße ich die Luft aus. Diese Unterhaltung ermüdet mich. So versuche ich, die Konversation in eine andere Richtung zu lenken. »Was gedenkst du morgen zu tun?«
Breit lächelt mich der Engel an. »Orni-Village unsicher machen.«
Unverzüglich erhebe ich die Augenbrauen. »Und ich nehme an, du erwartest von mir, dass ich dich begleite.«
Kichernd sieht sie in die Richtung, in der das Schlafzimmer ihrer Eltern liegt. »Außer du willst lieber bei meinem Papa bleiben.«
Umgehend lache ich auf. »Vermutlich würde er jenes sogar bevorzugen, damit ich bloß von seiner kleinen Prinzessin fernbleibe. Darüber hinaus...« Mit dem Schnabel deute ich in Richtung Uhr. »Hoffentlich bist du dir im Klaren, dass dir lediglich fünf Minuten für unsere Konversation bleiben, denn Bronco wird gleich erneut seinen Rundgang als Gefängniswärter beginnen und prüfen, ob ich in meiner Hängematte verweile.«
Plötzlich fängt der Engel schelmisch zu grinsen an. »Was das betrifft, da mach dir mal keine Sorgen. Mama hat mir vorhin per Shiekah-Stein geschrieben, dass sie Papa ablenken wird, deshalb hab ich mich auch ins Wohnzimmer geklaut.«
»Was...«, gebe ich noch von mir, bevor ich erst jetzt diese leisen, aber verdächtigen Geräusche von nebenan vernehme. »Bei allen Winden!«, rufe ich mit rotem Schnabel aus, als mir klar wird, was Alora gerade macht, um Bronco zu beschäftigen.
»Auf Mama ist eben immer Verlass, hehe,« lacht der Engel mit gedämpfter Stimme und kommt mir noch ein Stück näher.
Plötzlich legt sie ihre Hand auf meine Brust. Septisch betrachte ich den Engel. Was gedenkt sie zu tun? Ihr erwartungsvoller Blick lässt mich nervös werden.
»Hast du noch Platz in deiner Hängematte?«, flüstert sie mit roten Wangen und diesem schüchternen Blick.
Ich verdrehe die Augen, als ich daran denke, dass es Bronco bestimmt nicht gefallen wird, wenn er mich zusammen mit seiner Tochter in der Hängematte erwischt. »Dein Vater wird nicht ewig beschäftigt sein.«
»Da kennst du Mama aber schlecht,« antwortet sie mir unter vielsagender Stimme. »Als Kinder haben wir auch oft eine Hängematte geteilt. Weißt du noch?«
Ein Schmunzeln zeichnet sich auf meinem Schnabel ab, als ich daran denke, dass mich (D/N) als Kind nur zu oft als Kuscheltier missbraucht hat.
»Nur mit dem Unterschied, dass wir etwas gewachsen sind,« bemerke ich ihr gegenüber.
Doch die geflügelte Studentin lässt nicht locker. »Ich mach mich auch ganz dünn.«
»Du wirst mich ja doch nicht in Frieden lassen,« gebe ich nach und erhebe einen Flügel.
Sofort strahlt der Engel über das ganze Gesicht hinaus und krabbelt zu mir in die Hängematte. Sie macht es sich bequem und legt ihren Kopf auf meine Brust. Obwohl es halb dunkel ist im Raum, bemerke ich, dass ihre Wangen an Röte zugenommen haben. Trotz ihrer offenkundigen Verlegenheit wirkt sie neben mir so... glücklich.
Auch für mich ist es seltsam, mit ihr eine Hängematte zu teilen, nach allem was bereits zwischen uns geschehen ist. Schließlich weiß (D/N) nun, was ich für sie fühle und ich weiß, dass auch sie nicht abgeneigt von mir ist. Doch tatsächlich fühlt es sich gar nicht so übel an, sie neben mir zu spüren. Eigentlich ist es sogar ganz angenehm.
Zögerlich lege ich den Flügel um sie und schließe die Augen. Ihr ruhiger Atem und der Duft ihrer Haare, sowie die Wärme ihres zierlichen Körpers beruhigen mich so sehr, dass ich mit einem Mal eingeschlafen bin.
»»Du««
Papas Laune ist, seit er dich und Revali unter einem aufdringlichen Räuspern im Wohnzimmer aufgeweckt hat, ganz schlecht. Deine Mama hingegen, die kichernd hinter dem böse dreinblickenden Brummvogel gestanden ist, hat die Tatsache, dass du bei deinem Vali übernachtet hast, ganz locker genommen. Eigentlich wirkte sie darüber sogar recht amüsiert.
Auch als dein Papa dir Waffeln/Pfannkuchen/Rührei macht, sagt er kein Wort, während Mama summend ihre Zeitung liest. Revali hingegen wirft deinem Papa lediglich einen unverschämt amüsierten Blick zu, der dich zum Schmunzeln bringt.
Schließlich hast du es dank der Hilfe deiner Mama geschafft, dich mit Revali nach dem Frühstück davonzustehlen. Endlich kannst du mit deinem Vali unbeschwert den Tag verbringen.
»Gehst du mit mir in den Weihnachtswald?«, fragst du deinen Lieblings-Orni, während du ihn deinen großen Kükenaugen aussetzt.
Dieser Blick scheint bei Revali wohl genauso gut zu funktionieren, wie bei deinem Papa, denn der dunkelblaue Orni schaut dich zwar lange an, meint aber dann mit verschränkten Flügeln: »Meinetwegen...«
Der Weihnachtswald liegt auf einer anderen, kleineren Insel im Oronini-See. Von dem nächsten Steg, der sich auf dem Baumwipfelpfad befindet, stößt ihr euch ab und schwebt über den zugefrorenen See hinweg. Leider hast du vergessen, dass du schon seit Ewigkeiten nicht geflogen bist, aus diesem Grund hast du etwas Schwierigkeiten dich in der Luft zu halten. Du zappelst mehr, als dass du fliegst und verlierst immer mehr an Höhe.
»Wie ich sehe, hast du offenbar Flugstunden nötig,« meint plötzlich ein kleiner, blauer Angeber, der mühelos an dir vorbeifliegt.
»Fliegen gehört eben nicht gerade zu meinen Stärken,« erwiderst du Revali und versuchst die Strähnen, die dir ins Gesicht peitschen aus deiner Sicht zu wischen.
»Ich kann ja kaum zusehen!«, ruft der Vogel, der dir gerade keine sonderlich große Hilfe ist, mit einer Mischung aus Vergnügtheit und Hochmut, bevor er sich im Flug den Flügel an den Kopf klatscht. »Du solltest dich an mir festhalten, bevor dich die anderen noch für ein Küken halten.«
Irritiert starrst du ihn mit großen Augen an. »Ich soll dich als Flugstützte benutzen? Ist das dein Ernst?«
»Du solltest mein Angebot annehmen, bevor ich es mir anders überlege.« Dabei klingt Revali aber kein bisschen grummelig, sondern eher bespaßt.
Vorsichtig versuchst du dich von deinem Gleitflug aus zu nähern, leider bist du dabei etwas ungeschickt. Mit einer Bauchlandung landest du auf Revalis Rücken. Umgehend gibt er einen gepressten Laut von sich.
»Tut mir leid! Hab ich dir wehgetan?«, entschuldigst du dich und reibst schuldbewusst seinen Rücken.
»Natürlich nicht!«, erwidert dir Revali unter Überheblichkeit, die eigentlich nur seine Verlegenheit überspielen sollen, denn er findet es niedlich, wie du dich um ihn sorgst. »Halt dich fest!«
So tust du, was Revali von dir verlangt und schlingst deine Arme um seinen Hals. Umgehend wird dir trotz der eisigen Hebra-Winde ziemlich warm. Ohne es zu wissen, geht es deinem Vali ganz ähnlich. Heimlich kuschelst du dich in Revalis Gefieder. So zu fliegen, macht dir wirklich unheimlich viel Spaß und ist dabei auch noch sehr bequem.
Galant landet der dunkelblaue Orni nach einem kurzen Flug mit dir auf der Weihnachtswaldinsel. Geduldig wartet er, bis du von ihm abgestiegen bist. Hurtig springst du in den Schnee.
»Dann komm!«, quietscht du und ergreifst Valis Flügel, denn du kannst es kaum erwarten, mit ihm die Insel zu erkunden.
Sofort musst du kichern, als der Kapitän der Bogenschützen ein krächzendes Geräusch von sich gibt, als du ihn durch den Wald ziehst.
Auch wenn es erst Vormittag ist, befinden sich bereits einige Touristen im weihnachtlich geschmückten Wäldchen. Kein Wunder, denn der Weihnachtswald ist einer Touristenattraktionen schlecht hin am Oronini-See. Jeder einzelne Baum auf dieser Insel ist verziert. Schneemänner in allen erdenklichen Variationen, die von den Besuchern erbaut wurden, bewohnen den märchenhaften Hain. Und immer wieder huscht ein süßes Eichhörnchen von Baum zu Baum, die in Orni-Village keine Winterruhe halten, weil sie auch im Winter genügend Futter finden.
Obwohl Revali wie üblich etwas braucht, bis er auftaut, amüsiert ihr euch prächtig im Weihnachtswald. Ihr baut einen Schneemann, der so aussehen soll, wie Revali, aber eher eine Ähnlichkeit mit Guy hat, also baut er um ihn herum, noch ein paar weitere Schneefrauen, damit er sich nicht so alleine fühlt.
Auf einer Brücke versuchst du dann zu balancieren, was gehörig schiefläuft, weil du ausrutschst. Zum Glück ist Revali da, um dich kleinen Tollpatsch aufzufangen. Lange schenkt ihr euch einen tiefen Blick, bevor dich der dunkelblaue Orni unter einem verlegenen Räuspern und aufgebauschten Federkleid wieder freilässt.
Später beschwert sich Revali wegen irgendetwas, da formst du einfach einen Schneeball und wirfst ihn dem an den Kopf. Überrascht krächzt dein Lieblings-Orni auf und konfrontiert dich mit seinem süß erbosten Gesichtsausdruck. Es folgt ein weiterer Schneeball und noch einer und noch einer. Bis es Revali zu bunt wird.
»Na warte, Fräulein, du kannst etwas erleben!«, ruft er dir zu.
Kreischend und kichernd drehst du dich um, als Revali auch schon Anlauf nimmt, um dich von der Luft aus zu verfolgen. Kaum wenige Flügelschläge vergehen, da packt er dich schon mit den Krallen und drückt dich mit den Rücken voran in den Schnee.
Überheblich grinst Revali auf dich herab. Langsam beugt er sich unter diesem überlegenen Schimmer in seinen Augen zu dir herab.
Plötzlich werdet ihr beide tiefrot, als ihr bemerkt, in welcher intimen Position Revali sich über dir befindet, während du unter ihm im Schnee liegst.
Doch, was tust du? Entweder räuspert ihr euch nun beide und springt auseinander. Oder du gibst dich besonders frech und streust Revali etwas Schnee ins Gesicht.
»»Revali««
Nach diesem peinlichen Moment im Weihnachtswald beschließt der Engel mit mir Schlittschuhlaufen zu gehen. Es ist bereits Mittag und es nicht noch nicht viele Leute auf dem Eis. Also haben wir unsere Ruhe.
Zu meiner eigenen Verärgerung stelle ich fest, dass ich mich etwas unbeholfen auf dem Eis fortbewege. Schließlich war ich schon lange nicht mehr Eislaufen.
Der Engel dagegen tanzt auf dem Eis, wie eine kleine Eisprinzessin. Schwungvoll zieht sie Kreise um mich herum und dreht sogar ein paar Pirouetten.
»Zugegeben, Eislaufen gelingt dir besser, als Fliegen,« äußere ich mich dem Engel gegenüber.
Gekonnt bewegt sie sich auf mich zu. Auf ihrem Gesicht befindet sich dabei ein hellstrahlendes Lächeln.
»Und du bist wohl etwas eingerostet!«, kichert sie, bevor sie mich einfach am Flügel nimmt. »Komm! Ich helfe dir!«
Bevor ich Einwände dagegen erheben kann, werde ich auch schon von ihr mitgerissen. Noch setze ich einen erbosten Gesichtsausdruck auf und bin drauf und dran mich zu beschweren. Da merke ich plötzlich, dass es mir unter (D/N)s Führung besser gelingt, mich auf dem Eis zu halten. Offenbar liegt es wohl daran, dass ich mich bei dem Engel sicher fühle.
»Viel besser, nicht?«, will sie von mir wissen, während sie mich warm anlächelt.
»Besser!«, antworte ich ihr murmelnd, als ich mich von ihren Blicken fesseln lasse.
Allmählich fängt es an, mir Spaß zu machen. Mit dem „Angel" am Flügel flitzen wir beide über den See. Wir lachen und amüsieren uns prächtig. Irgendwann fühle ich mich sogar so sicher, dass ich mich auch alleine fortbewegen und meiner Eislaufpartnerin zeigen kann, dass ich auch alleine eine gute Figur auf dem Eis mache.
Tatsächlich kommt es so, dass wir den ganzen Nachmittag auf dem zugefrorenen See verbringen, bis die Sonne untergeht.
Nachdem ich den Engel, dessen Flügel wohl tatsächlich bloß zur Zierde taugen, wieder ins Dorf hochgeflogen habe, stellen wir fest, dass wir vom funkelnden Lichterschein des herannahenden Lichterfestes umgeben sind. Überall erstrahlen leuchtende Lichterketten in allmöglichen Farben und Formen. Obwohl es mir doch ein wenig unangenehm ist, lasse ich mich von (D/N) am Flügel nehmen und spaziere gemeinsam mit ihr durch das Dorf, das jetzt in der Nach vor Heiligabend zu einem einzigen, großen Weihnachtsmarkt geworden ist.
Die Luft riecht angenehm nach Glühwein und Plätzchen. Im Hintergrund hört man die liebliche Stimme einer Orni, die „Stille Nacht" wundervoll zu singen weiß.
Zusammen lassen wir uns verzaubern, sehen uns die Stände an und genießen unsere gemeinsame Zeit, bis wir beide plötzlich ein aufdringliches, tiefes Lachen vernehmen, das mir allzu bekannt sind.
Gemeinsam mit dem Engel blicke ich zur rechten Seite und erkenne dort Hemba, der sich gemeinsam mit Balthasar und Bronco über alte Zeiten amüsiert.
»Ich werde Balths Gesichtsausdruck nie vergessen, als du zu ihm gesagt hast, dass du seinen hochheiligen Bogen verschlampt hast,« prustet Hemba.
»Hab ich nicht!«, verteidigt sich Bronco, der ebenfalls lachen muss. »Ich hab ihn nur in der Werkstatt verlegt. Er ist ja wieder aufgetaucht.«
»Da kannst du froh darüber sein,« bemerkt Balthasar kichernd in Broncos Richtung. »Sonst hätte ich dich gerufen.«
Die ehemaligen Schützenkameraden stehen mit ihren Frauen gemeinsam in der Nähe eines Glühweinstandes. Langsam nähern wir uns ihnen.
Bevor die drei einstigen Bogenschützen uns jedoch bemerken, vernehme ich hinter mir eine Stimme, die mir ebenfalls bekannt vorkommt.
»Hey! Sag mal, Teba! Siehst du auch, was ich sehe!«, höre ich plötzlich Medohlis aufdringliche Stimme.
Mit einem Mal stehen Teba und Medohli neben uns. Beide grinsen uns schelmisch an.
»Ja! Was ist denn das?«, meint Teba hintergründig und deutet mit dem Schnabel auf Flügel und Hände, die nach wie vor verbunden sind.
Vor Schreck lasse ich sofort die Hand des Engels los. Offenbar habe ich mich so wohl gefühlt, dass ich ganz vergessen habe, dass sich Bronco in der Nähe befindet. Ein Glück, dass er nicht gesehen hat, dass ich mit seiner Tochter Händchen halte.
»(D/N) hatte kalte Hände,« versuche ich mich rauszureden.
Daraufhin werfen sich Teba und Medohli, die beide wie Geschwister aufgewachsen sind, verschwörerische Blicke zu. Natürlich, sie glauben mir nicht.
Also lasse ich jede weitere Ausrede sein und frage die beiden stattdessen unter verschränkten Flügeln: »Nehmt ihr etwa an Familien-Feierlichkeiten teil oder wieso habt ihr euch heute vollzählig versammelt?«
»Wir haben dieses Jahr beschlossen, das Lichterfest bei Opa Medon zu verbringen,« klärt Teba mich auf.
»Und wir haben uns angeschlossen,« fügt Medohli gut gelaunt hinzu, bevor sie mir einen weiteren verräterischen Blick zuwirft. »Und was tust du hier? Ich dachte, du hasst Orni-Village.«
»Ich habe versucht, den Rat einer guten Freundin zu befolgen,« antworte ich Balthasars Tochter mit einem Blick zu (D/N).
»Also wenn das so ist, solltest mit zu den anderen kommen und eine Tasse Glühwein trinken,« lädt mich Teba ein und legt seinen Flügel um meine Schulter, um mich zu dem Stehtisch zu geleiten.
»Punsch!«, verbessere ich meinen Stellvertreter und lasse mich widerwillig dazu überreden, ihm und Medohli gemeinsam mit meinem Engel zu den anderen zu folgen.
So sehe ich auch Alari, Tebas Mutter und Hembas Frau wieder, eine Passerie-Orni, die in Hyrule-Stadt als Modell arbeitet. Ebenso treffe ich auf Silver, die Mutter von Medohli und Balthasars Frau. Jedes Mal erschrecke ich mich fast vor der blausilbernen Erscheinung der Mandarin-Berg-Orni, die beinahe so groß ist, wie Hemba. Neben ihr fühle ich mich immer wie ein Zwerg-Spatz.
(Ist Tebas Mama nicht hübsch?)
(Und diese Orni-Dame hier ist die starke Silver, die sich von nichts und niemanden unterkriegen lässt)
So grüße ich jeden, als wir uns zu den anderen an den Tisch stellen. Und jeder wirkt zunächst überrascht, mich zu sehen. Trotzdem wird die Atmosphäre bald entspannter und jeder unterhält sich gelassen. Silver versucht sogar hin und wieder ein paar Worte mit mir zu wechseln. Ich jedoch habe nur Augen für den Engel, der heimlich meine Nähe zu suchen scheint. Irgendwann wird mir allerdings die aufgedrehte Stimmung zwischen Balthasar, Hemba und Bronco zu viel. Daher beschließe ich einen ruhigeren Platz zu suchen.
Wie erwartet, folgt mir (D/N) auf die Landerampe, die ich aufzusuchen gedenke.
»»Du««
Gerade nippst du von deinem heißen Wildbeeren-Glühwein, den es nur hier in Orni-Village gibt, als du bemerkst, dass Revali den Stehtisch verlässt. Sofort zeigst du dich alarmiert und stellst deine Tasse weg, um ihn zu folgen.
Durch die Leute bahnt er sich seinen Weg, bis er auf einem Steg anhält. Dort legt er seine Flügel auf die Brüstung aus Holz und blickt zur sternenklaren Nacht hoch. Irgendwie wirst du jedoch das Gefühl nicht los, dass er auf dich zu warten scheint.
»Alles in Ordnung?«, fragst du Revali vorsichtig, nachdem du ihn erreicht hast.
Unter einem charmant verwegenen Lächeln wendet Revali dir sein Gesicht zu, ohne sich von der Brüstung zu lösen. »Ich wollte lediglich alleine sein... mir dir.«
Total überwältigt von seiner Antwort blinzelst du. »Mit mir?«, quietscht du bis in die Maßen hinaus verwundert.
Sofort beginnt dein Herz wie wild zu hämmern, als du langsam an Revali herantrittst und dich immer wieder fragst, was seine Worte zu bedeuten haben.
»Du hast dir in der Tat Mühe gegeben diesen Tag angenehm für mich zu gestalten. Das ist mir nicht entfallen,« raunt Revali mit gedämpfter Stimme, als er gezielt den Mond betrachtet.
Wunderschön wirkt Revalis dunkelblaues Gefieder, das vom Licht des Mondes und den leuchtenden Schimmer der Lichterketten angestrahlt wird.
»Schön, dass der Tag dir gefallen hat. Ich fand es auch schön mit dir,« gestehst du Revali unter glühenden Wangen.
Plötzlich dreht sich der dunkelblaue Orni dir ganz zu. Seine grünen Augen schimmern vor Zärtlichkeit. So einen Blick hast du noch nie zuvor an ihm gesehen. Mit einem Mal wird dir ganz komisch, angenehm komisch.
»Willst du eines deiner Geschenke bereits heute haben?«, fragt dich dein Vali.
»Eines meiner Geschenke? Ich bekomm zwei? Und... Heute?«, überschüttest du Revali mit fragen, da du so perplex bist.
Leise lacht Revali, bevor er irgendetwas hervorzieht, was er zuvor unter seiner Kleidung versteckt gehalten hat. »Hier!«, sagt er und wickelt dir plötzlich einen Schal in deiner Lieblingsfarbe um den Hals. »Das habe ich im Weihnachtsmarkt in Hyrule-Stadt für dich erstanden.«
Geschmeichelt betastest du den Schal, der sich wirklich weich und samtig anfühlt. »Deshalb hast du also einen Schal gesucht,« merkst du strahlend an.
Revalis Smaragde flimmern liebevoll. »Gefällt er dir?«
»Oh ja! Danke, Vali!«, quietscht du und freust dich riesig. »Dein Geschenk bekommst du allerdings erst morgen.«
Unbeeindruckt lacht der dunkelblaue Orni auf. »Bis dahin kann ich warten.«
»Weißt du...« Plötzlich wirst du ganz schüchtern. Trotzdem willst du den romantischen Moment nutzen. Du hoffst nur, dass du Vali damit nicht verschreckst. »Dieser Tag heute mit dir hat mir viel bedeutet. Ich wünschte... du wärst immer so unbeschwert. Ich mag dich gerne so.«
Eine Weile sieht er dich an. Der Wind zupfst sachte an seinem Gefieder und spielt mit seinen attraktiven Zöpfen.
Dann macht Revali plötzlich etwas, was du nicht von ihm erwartest hättest, nicht heute und nicht so früh in eurer „Beziehungsaufbauphase".
Er geht auf dich zu, wenn auch zögerlich, aber er streckt den Flügel aus und berührt unter einem irritiert emotionalen Blick dein Gesicht. Er betrachtet dich lange wie ein verwirrtes Küken, das zum ersten Mal in seinem Leben einen unvorstellbar wertvollen Schatz entdeckt hat. Du fühlst dich so... so vollkommen. Bist du etwa endlich zu Revali durchgedrungen. Zeigt er sie dir endlich, seine Gefühle?
»»Revali««
Verliebt streichle ich (D/N)s Wange. Keinen blassen Schimmer, was mich zu dieser Tat verleitet. Es muss wohl dieser Moment sein, der nahezu perfekt ist. Gerade bin ich kurz davor, mich zu ihr herunterzubeugen und ihre Nase mit meinem Schnabel zu herzen, da höre ich plötzlich eine Stimme, die mein Gefieder zum Erschüttern bringt.
»Na, wenn das nicht der verlorene Sohn ist!«
Augenblicklich schrecke hoch und reiße meinen Kopf herum. Kurz meine ich einen Geist zu sehen, aber nein, es ist real. Zutiefst entgeistert schüttle ich den Kopf, kann es nicht wahrhaben, dass tatsächlich derjenige dort steht, den ich mein Kindheitstrauma zu verdanken habe.
»Nicht du!«, knurre ich feindselig, als ich zusehe, wie mein Vater sich mir humpelnd nähert.
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