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II. Atemberaubende Lippenbremse

Chris war normalerweise ein Idiot. Ich kannte ihn schon meine ganze Schulzeit lang, deswegen konnte ich mir dieses Urteil erlauben. Aber heute schien jemand den Idiot in ihm deaktiviert haben. Zwar war ich mir bewusst, dass das nur von kurzer Dauer sein würde, aber immerhin hatte Chris gerade den Anstand, keinen dummen Spruch rauszulassen.

Stattdessen reichte er mir mein Asthmaspray, damit ich noch einmal inhalieren konnte. Geübt meisterte ich es, gleichzeitig runterzudrücken und tief einzuatmen, um dann anschließend die Luft für ein paar Sekunden anzuhalten. Das Spray legte ich dann wieder auf den Küchentisch und stützte mich auf meinen Beinen ab. Ich fand es mehr als unangenehm, dass unsere beiden Gäste Heiner und Chris das als erstes von mir mitbekamen. Dass ich wie ein kleines Kind hilflos auf dem Stuhl saß und mich bemühte, nicht zu husten.

»Bianca-Schatz, mach noch eenmal diese Lippenübung, die wir jelernt haben, ja?« Meine Mutter schaute mich lächelnd an. Ich fragte mich manchmal, ob sie wirklich so beherrscht war, oder ob sie ihre Nervosität einfach sehr gut versteckte.

»Die Lippenbremse?«, fragte ich bemüht um einen ruhigen Ton. Heiner sah aus, als würde er am liebsten den Film abschalten, in dem er gerade gelandet war. Mir kam es eher so vor, als sei ich im falschen Film gelandet. Heiner erinnerte sich mit seinem glatt gebügeltem Lächeln und den blonden kurzen Haaren sehr an einen Barbie Ken mit Bierbauch. Ich wusste nicht, was mir lieber gewesen wäre. Dass Heiner wirklich ein Opa mit Latzhose und Schnauzer gewesen wäre oder diese schmierige Variante.

In Chris' sonst so spöttisch glitzernden braunen Augen lag der Anflug von Besorgnis. Als ob der sich jemals darum gekümmert hatte, wenn ich mein Asthmaspray rausgeholt hab. Als ob er noch nie einen Witz darüber gerissen hatte. Heuchler. Als wäre mir nicht aufgefallen, dass sein Lächeln in meine Richtung genau so lange anhielt, wie Heiner zu ihm rüber schaute.

Meine Atmung wurde immer besser und so richtete ich mich wieder auf. Heiner stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, dass ich nicht vollständig krepiert war. Dieser konnte glücklich darüber sein, dass ich aufgrund des Asthmas keinen Kommentar über seine Erscheinung abgegeben hatte. »Barbie-kenn ich dich irgendwo her? Lass mich überlegen. Ach, ich weiß wieder. Ihr unsympathisches Lächeln und die wegoperatierten Falten erinnern mich an Barbie-Ken!«

Der Teil mit den Falten war vielleicht ein wenig überspitzt. Aber seine Falten wirkten nicht richtig. Nicht so herzlich wie die von meinem Vater. Wie konnte Mama Heiner als Ersatz überhaupt in Betracht ziehen?

Wieder sah ich den Brief vor mir und ein kalter Schauer kroch über meinen Rücken. Der Asthma-Anfall hatte das Ereignis ein wenig in meinen Hinterkopf gedrängt, doch jetzt war alles wieder präsent. Die Schrift ... die Worte ... die Bedeutung.

»Bibi-Mäuschen, willst du dich lieber hinlegen? Du bist noch so blass im Gesicht.« Mama schaute mich besorgt an und ich war froh, dass ich einen Grund hatte, mich zu verziehen. Ich konnte jetzt nicht hier an diesem Tisch sitzen und lachen, als sei nichts passiert. Kurz zog ich es in Erwägung, Mama einzuweihen, ließ es dann aber bleiben. Sie sollte ihren Abend noch genießen. Sie sollte nicht mit dieser Information konfrontiert werden. Heute nicht.

Ich nickte und ging zur Treppe.

Hinter mir sagte Heiner zu Mama: »Sarahlein, ich hab da übrigens noch was für dich.«

Es raschelte und meine Mutter sog überrascht die Luft ein.

»Die Blumen sind ja echt wunderschön!«, hörte ich Mamas Stimme, während ich die Treppen nach oben ging.

»Genau so wie du, Sarahlein.«

Ein Barbie Ken vom Feinsten. Ich verzog angewidert das Gesicht und wünschte mir, Heiner und Mama hätten sich nie getroffen. Dann hätten Mama und ich zusammen ferngesehen oder wären ins Kino gegangen und Chris wäre nicht in meinem Haus. Vielleicht wäre ich auch nicht zum Grab meines Vaters gegangen. Aber hätte ich es wirklich vorgezogen, den Brief nicht zu finden?

Meine Mutter lachte hell und gackernd auf und erwiderte auf Heiners Kommentar: »Du bist so ein Witzbold. Wir wissen beide, dass die Blumen jung und ich alt bin.«

Ich hörte, wie jemand anderes mir die Treppen nach oben folgte und ich drehte mich um.

»Chris, was machst du?«

»Willst du mich ernsthaft dort unten allein mit dem hormonaufgeladenen Pärchen lassen? Vergiss es.« Chris hatte seine dunklen Augenbrauen zusammengezogen und kam die restlichen Stufen nach oben.

»Ach ... so ist das. Chris ist auf mich angewiesen.« Ich legte den Kopf schief. »Das tut mir jetzt wirklich leid, mein Allerliebster, aber ich brauche ganz viel Ruhe.«

Was er konnte, konnte ich schon lange. Es war nicht wirklich ein Spiel, eher eine stumme Abmachung. Er ließ keine Möglichkeit aus, mich zu nerven oder mir ein Bein zu stellen, aber ich ebensowenig. Ich drehte mich um und lief in mein Zimmer. Wieder folgten mir Chris' Schritte.

»So wie ich auf dich angewiesen bin, bist du auf mich angewiesen. Denn ich stehe dir gerne zur Seite, falls du nochmal keine Luft mehr bekommst«, konterte Chris. Er betrat hinter mir mein Zimmer und ich kickte schnell die Unterwäsche unter das Bett. Ich konnte echt nicht gebrauchen, dass Chris noch Herr Nielson aus Pippi Langstrumpf darauf zu Gesicht bekam.

»Danke, weil es auch so eine Unterstützung ist, wenn Leute einem beim Verrecken zuschauen. Außerdem hab ich nicht unbedingt das Bedürfnis, die Luft hier oben mit dir zu teilen.« Ich verdrehte die Augen, während mein Inneres gar nicht so gelassen war. Mein Herz schlug unangenehm schnell und ich schluckte nervös. Chris stand - die Hände in die Tasche seines schwarzen Hoodies gesteckt - in meinem Zimmer. In meinem verdammten Zimmer, welches von Peinlichkeiten nur so überfüllt war. Ich konnte mir schon vorstellen, wie er mit Ali den nächsten Witz darüber plante.

»Ach ... nimmt dir meine Anwesenheit die Luft?«, fragte Chris und sah mich verschmitzt an. Ich stierte mit bösem Blick zurück.

»Schon verstanden. Du lässt dir lieber die Luft von Harry Styles nehmen.« Während Chris leise anfing, »What makes you beautiful« zu summen, lief ich hochrot an und versuchte, die Schleich-Pferde und den Plastik-Schmetterling auf dem Regal mit meinem Körper zu verdecken. Die Bandposter hatte er offensichtlich sowieso schon gesehen.

»Oder stehst du bei Asthmaanfällen eher auf Mund zu Mund Beatmung?«, fragte Chris. Blut schoss mir in die Wangen.

»Ich stehe eher auf Klappe halten.«

»Brauchst du einen Testdurchlauf für die Mund zu Mund Beatmung?«

»Willst du riskieren, dass ich kotze?«

»Kotz ich dich etwa an?«

»Ha ha, Chris. Schon verstanden. Du bist superwitzig. Jetzt wäre ich dir wirklich dankbar, wenn du leise sein könntest. Du weißt ja - ich brauche ganz viel Ruhe.«

»Leise zu sein war noch nie meine Stärke, meine liebste Bianca«, kam die ironische Antwort.

»Nein?«, seufzte ich und schaute ihm erneut böse in die braunen Augen. »Sicher, dass du das nicht kannst? Soll ich dir das Maul stopfen, oder was?«

»Ist das eine Einladung?«, fragte Chris, wackelte mit den Augenbrauen und ging einen Schritt auf mich zu.

»Och bitte, Chris, nicht dein Ernst. Verschon mich bitte von nicht wirklich atemberaubenden Witzen.« Chris zog nur einen Mundwinkel nach oben und sah mich herausfordernd an.

Es war, als hätte er eine Linie überschritten. Eine Linie, die mich verwirrte. Meinte er es ernst? Wollte er mich verarschen? Auf den Arm nehmen? Es wurde mir zu viel. Ich brauchte Stille, Stille zum Nachdenken. Der Brief in meiner Tasche fühlte sich schwerer an als jegliche Schlüssel, die ich sonst darin hatte. Dabei war der Brief nur Papier.

»Tschüss, Chris«, sagte ich bestimmend und schob Chris an den Schultern die Tür hinaus. Er wehrte sich nur halbherzig. Fast kam es mir so vor, als hätte er gemerkt, dass ich Ruhe brauchte. Dabei kam es mir absurd vor, dass Chris sowas wie Feingefühl besitzen sollte. Hinter ihm schloss ich die Tür und drehte den Schlüssel um.

Es war, als würde endlich jemand eine laute Bohrmaschine ausmachen. So, als würden jegliche verschleierten Bilder einer bedrückenden Klarheit weichen. Als würden diese vier Wände, die mich umschlossen, mir mehr Freiheit bieten und mir die Möglichkeit eröffnen, jegliche Mauern fallen zu lassen.

Fast bedauerte ich die Stille. Denn plötzlich schienen meine Gedanken um so lauter zu sein. Ich ließ mich an der Tür hinuntersinken und schloss die Augen. Jegliches Herzklopfen war mit einem Mal verschwunden und wurde durch eine Leere ersetzt, die mein Herz nach unten zu ziehen schien.

Jeden Tag hörten wir zu viele Worte, so viele Informationen, so viele Details, die wir als unwichtig abstempelten und dann wieder vergaßen. Und manchmal fragte ich mich, wann es zu viel sein würde. Ich dachte daran, dass meine Gefühle manchmal wie ein komplexes System an Zahnrädern waren. Irgendwann würden zu viele Worte darin hängen bleiben und das System zum Stillstand bringen. Sehr viele Worte müssten es sein.

Aber erst, als ich diesen Brief gelesen hatte, wurde mir klar, wie falsch ich lag. Die Menge der Worte war egal. Egal wie grob die Worte waren, sie lösten erst dann eine einen Stillstand in den Zahnrädern aus, wenn sie von einer Person eine Bedeutung bekamen. Manchmal konnte ich monatelang fremde Kritik an meinen nicht so guten Noten oder Kritik von meiner nervigen Mitschülerin Xuan einstecken und sie gut verarbeiten. Warum brachten mich dann diese Sätze auf dem Papier so aus dem Konzept?

Weil sie über meinen Vater waren. Weil sie damit nicht nur meinen Vater, sondern auch mich betrafen. Ich kramte den Zettel aus meiner Tasche und blickte auf die geschwungene, aber an einigen Stellen zittrige Schrift. Tinte auf rauem Papier.

Mein Vater wurde vor acht Jahren ermordet. Ich konnte es nicht mehr bestreiten, dass ich immer mehr verstanden hatte, was das bedeutete. Es bedeutete nicht, dass mein Vater jetzt weniger tot war als gestern noch. Es bedeutete auch nicht, dass ich ihn mehr vermissen würde, als davor. Es bedeutete aber, dass jemand ihn umgebracht hatte, und dass dieser jemand sich die Mühe gemacht hatte, einen Autounfall zu inszenieren. Aber ... Warum?

Man wählt einen Autounfall nicht, um jemanden loszuwerden, wenn der Mord nicht schon länger geplant war. Da war ich mir sicher. Wenn jemand durch Zufall meinen Vater umgebracht hätte, aus Emotionen heraus, dann hätte man ihn in einem Streit mit dem Messer erstochen oder die Treppe herunterstürzen lassen. Aber nicht mit einem Auto überfahren, weil es »die einzige Möglichkeit« war. Warum sollte man meinen Vater aus dem Weg räumen wollen? Was würde man sich von seinem Tod erhoffen?

Und wer waren »sie«, die den Briefschreiber aus den Weg räumen würden? Und warum sollten sie das tun? Fragen über Fragen, mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment platzen.

»Denn ich vermisse dich und alles, was mit dir gekommen ist.« Diese Zeile hatte sich wie ein Brandmal in mein Gedächtnis gestanzt. Denn sie brachte eine Schlussfolgerung mit sich. Der Mörder musste jemand sein, der meinem Vater nahegestanden hatte. Aber wenn man sich nahe stand, warum sollte man die andere Person dann umbringen wollen? Und wie hatte mein Vater sich in der Wahl seiner Freunde so gravierend täuschen lassen können? Oder vielleicht war es ein Arbeitskollege gewesen? Oder jemand ganz anderes? Kannte ich den Mörder meines Vaters überhaupt?

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