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01 | Schwarzer Schnee

Entstehungszeitraum: 2012
POV: Kind des Kapitols


Fürchtet euch nicht, Bürger des Kapitols.
Wir haben einmal gesiegt, wir werden wieder siegen.
Es wird die Hungerspiele für immer geben!
Und damit wird unsere Macht für immer bestehen!

Wumm.

Wie gerne würde ich jetzt an diese Worte glauben. Aber wirst du uns wirklich retten?

Krach.

Die Schüsse der Rebellen verfehlen mich nur knapp. Mit einem letzten, verzweifelten Satz verschwinde ich hinter der nächsten Straßenecke. Vor langer Zeit schon habe ich die Schuhe verloren. Meine Füße sind blau, doch genau wie die Stiefel ist auch dieser Schmerz wieder verschwunden.
Atemlos warte ich auf den Moment, in dem die Rebellen ihre Gewehre nachladen. Das Feuer lässt nach. Statt der Knalle werden Schreie laut. Ich stürme los. Meine Haare peitschen mir ins Gesicht, doch ich renne nur schneller.

Bumm.

Von allen Seiten hageln neue Patronen auf uns ein. Links und Rechts stürzen die Menschen zu Boden. Vor mir sinken sie schreiend auf das Pflaster. Ich renne weiter.

Wir sind sicher.
Was könnten die Distrikte uns entgegensetzen?

Wirst du mich retten?

Zisch.

Aus dem Nichts flutet Gas die Straße. Lilafarbene Finger langen gierig nach mir. In letzter Sekunde stoppen meine Füße ihren Lauf.
Kreischend rennt ein Mädchen an mir vorbei, genau in den dichten Nebel. Augenblicklich sinkt sie zu Boden. Ein ersticktes Gurgeln verlässt ihre Kehle. Rot dringt aus allen ihrer Körperöffnungen.

„Gloria", quillt es zusammen mit einem Schwall Rot aus ihrem Mund heraus. Ihre Augen sind in Panik weit aufgerissen.

Wie von alleine drängen meine Füße fort. Sie tragen mich in eine der anderen Gassen.
Weiße Flocken durchnässen alles, die viel zu dünne Jacke und den Stoffhasen in meinen Armen. Den Blick starr auf das Ziel gerichtet stolpere ich vorwärts.
Plötzlich dreht die Welt sich, Himmel und rennende Menschen ziehen in einem schnellen Wirbel an mir vorbei. Als die Erde sich beruhigt, betrachte ich die weißen Flocken vom hartgefrorenen Boden aus. Angenehm kühl legen sie sich auf mich. Über mir ist nichts, außer eisgrauer Unendlichkeit. Die Schreie und das Rattern der Gewehre verklingen. Ist dies das Ende?

Bevor ich weiter nachdenken kann, rast der Schmerz durch mich. Tränen trüben die Sicht. Der Kampf dagegen ist sinnlos und ein spitzer Schrei verlässt meine trockene Kehle. Vorsichtig strecke ich die Hand zu meinem Kopf, dem Zentrum des Schmerzfeuers. Klebriges Rot färbt die Finger, als ich sie zurückziehe.
Ich beiße die Zähne zusammen. Es darf nicht das Ende sein! Renn weiter, verlangen die Füße.
Wankend richte ich mich auf, bringe die Welt wieder in ihre richtige Lage zurück. Meine Beine sind gebadet in der roten Flüssigkeit. Ich bin darauf ausgerutscht, genauso wie der Mann, der vor mir läuft. Er rudert einen Moment hilflos mit den Armen, dann fällt er. Er kommt nicht schnell genug wieder hoch. Sein Unterschenkel steht in einem unnatürlichen Winkel ab.
In eine ehemals stolze, weiße Rüstung gewandt nähert sich sein Schicksal. Der völlig verdreckte Friedenswächter stürmt auf ihn zu.

Peng!

Der Kopf des Mannes fliegt nach hinten. Rosa, rot – es ist überall. Ich wage nicht, zu atmen. Jetzt kommt er in meine Richtung, sein Mund aufgerissen, wild schreiend.

„..uf!"

Ich verstehe nicht. Wird er mich töten? Über die glitschige rotgefärbte Straße krieche ich auf die nächste Häuserwand zu. Nur den Stoffhasen lasse ich nicht los. Im Gegenteil, meine Hand krallt sich fester um ihn.

„... lauf!"

Kommt der Tod schnell? Unfähig, mich zu regen, blicke ich den Friedenswächtern an, der nicht länger aussieht, als würde er Frieden bewahren. Tränen rinnen mir ohne Schluchzen die Wangen herab.

„LAUUUF!", brüllt er mir entgegen.

Ich springe auf und stürze fort, wie mechanisch. Unter meinen Füßen spüre ich das, was ich sonst nur von Zeichnungen aus dem Biologiebuch kenne – das Gehirn des Mannes. Es fühlt sich unreal an. Nur ein schlechter Traum. Es darf nicht real sein. Meine Knie zittern, jeden Moment drohe ich erneut auszurutschen.

Du wirst mich doch retten?

Knall.

Hektisch suche ich die Häuserreihen ab. Wo sind die Rebellen? Schutzlos, in der Mitte der Gasse, erspähe ich sie.
Dunkel und bedrohlich zeichnen sie sich vom Himmel ab, schwarz gewandt und bereit zu töten. Mit hölzernen Schritten versuche ich, zurück in die Schatten zu flüchten.

Eine Hand packt mich an der Schulter. Eiskalt breitet der Schreck sich aus, lähmt meine Muskeln und lässt erneut einen Schrei aus mir hervorbrechen. Ich werde zurückgerissen, bevor ich weiterlaufe. Oben, auf den Dächern der Häuser drehen die Rebellen sich um. Ob sie das Feuer eröffnen, bekomme ich nicht mehr mit.

Alle Geräusche sind fort. Ich höre meinen eigenen, panischen Atem. Der Griff um mich lockert sich. Ich ... bin in Sicherheit?

Zumindest die grausigen Laute von der Straße sind abgeschnitten, nur ein dumpfes Gewehrknallen dringt zu mir durch. Ich fühle mich wie in Watte eingepackt, jetzt, wo auf einmal so etwas wie Stille herrscht.

Eine Frau, die bestimmt fünf Mäntel übereinander trägt, lässt sich vor mir auf die Knie fallen. Ihr Gesicht gleicht mehr einer Fratze, denn einem Gesicht. Lippenstift, Kajal, Eyeliner – alles verwischt. Nasse schwarze Strähnen hängen unter ihrer Perücke hervor. Unmöglich zu erkennen, von was sie durchtränkt sind.
Als ich ihre Hände auf den Schultern spüre, stolpere ich zurück und drücke mich gegen die Wand. Es sind noch mehr Personen in dem prächtig ausgestatteten Raum. Allesamt tragen gruselige Fratzen. Sie starren in meine Richtung. Ich versuche durchzuatmen.

Sollten sie wieder erwarten in die Hände der Rebellen geraten, so gilt oberste Regel:
Zeigen sie keine Furcht!

Sind es überhaupt Rebellen? Macht das einen Unterschied?

Solange du mich rettest ...?

Ein zartes Lächeln gleitet über das Gesicht der Frau, die vor mir auf die Knie gefallen ist. Die Fassade fällt. Schreiend kauere ich mich zusammen, in der Hoffnung, dass es schnell vorbei ist. Angst verdrängt jedes andere Gefühl! Wie wird der Tod sein? Mein Verstand arbeitet nicht mehr, alle Gedanken sind bloß von einem besessen: Wie wird es sich anfühlen?

Eine Hand gleitet über meinen Rücken.
„Shhh ... Es wird alles gut. Ich verspreche es." Die Frau wischt sich ihre Schminke mit dem Ärmel ab.
Das macht es nicht besser, aber ihre ruhige Stimme lässt mich verstummen. Mit der freien Hand rupft sie sich die Perücke vom Kopf. Lange, schwarze Locken fallen ihr auf den Rücken.

Sie streicht mir über die Wange, das verklebte Haar aus dem Gesicht. Ich lausche ihren Worten und verstehe doch nicht, was sie flüstert, aber es hört sich so heimisch, so vertraut an. Wie die Stimme einer Mutter.
Ich sinke endgültig zu Boden, strecke die Beine von mir und lehne mich gegen die Wand. Die Frau wendet sich wieder den Anderen zu. Stumm spüre ich, wie etwas Salziges meine Lippen berührt. Tränen.

Irgendwann werde ich hochgehoben und fortgetragen. Lange Zeit umgibt uns tiefe Dunkelheit. Wie ein Schlaf mit offenen Augen. Doch echte Entspannung kommt nicht. Unruhige Bilder rasen mir durch den Kopf.

Warum der Krieg?

Warum wurden wir belogen?

Warum tun die Distrikte das?

Und immer wieder Rot. Der Geruch von Eisen. Pinke Masse an den Hauswänden.

Rette mich!

Aus diesem Strudel werde ich erst erlöst, als wir das nächste Haus erreichen. Ich finde mich in einem bunten Wohnzimmer wieder, dass nicht den Eindruck macht, etwas Böses könne hier geschehen. Auf einem rosa Plüschsofa werde ich niedergelassen. Mein Träger, ein hochgewachsener Mann, ist der Einzige komplett in Schwarz, wie mir auffällt.

Erst jetzt, in Ruhe, fällt mir auf, dass noch ein Kind bei der Gruppe ist. Orange Löckchen rahmen ihr Gesicht. Mit großen Augen sieht sie sich um, die Hände fest an den Mantelsaum einer Frau geklammert.
Mit meiner Linken umklammere ich immer noch den Stoffhasen. Es ist ein eigenartiges Gefühl, die verkrampfte Hand nach Stunden das erste Mal zu lösen.
Zittrig halte ich dem Mädchen das Stofftier entgegen. Interesse blitzt in ihren Augen, zumindest glaube ich das. Dennoch löst sie ihre Finger nicht vom Saum der Frau. Unschlüssig lasse ich die Hand sinken.

Tränen steigen in mir auf, als ich den Hasen näher betrachte. Sein Stoff hat sich mit Blut vollgesogen, das dunkelbraune Flecken hinterlassen hat. Er ist längst nicht mehr das reine, weiße Kuscheltier, das ich bei der Flucht in Panik gegriffen habe. Es ist nicht einmal mein Liebstes. Aber es blieb keine Zeit.
Sie erreichten unseren Straßenzug ohne Vorwarnung. Wir waren unvorbereitet. Ich griff ihn und rannte. Katy haben wir an der ersten Querstraße verloren. Mum in einer Kapsel keine zehn Straßen weiter. Und dann Dad, in einem Kampf zwischen Rebellen und Friedenswächtern. Nur Nanni und ich blieben übrig. Bis zur lila Nebelwand. Was mit dem Rest der Verwandtschaft ist, weiß ich nicht.
Die Erkenntnis trifft mich wie der Schlag. Sie sind tot. Niemand wird sie zurückholen. Ist dies das Ende? Schwarzes Nichts erfüllt den Raum. Ich habe sie verloren. Alle. Ich schüttle nur den Kopf, immer schneller, bis die Welt vor meinen Augen verschwimmt. Irgendwann sind keine Tränen übrig.

Es scheint einiges an Zeit vergangen zu sein, denn draußen senkt sich langsam die Dämmerung über dem Kapitol. Vereinzelte weiße Flocken fallen weiterhin vom Himmel. Hier ist es bedeutend ruhiger als in dem anderen Haus.
Den hastigen, schnellen Gesprächen zwischen den Männern und Frauen entnehme ich, dass die Rebellen nicht bis hier vorgedrungen sind. Ich kann nicht sagen, ob es sie freut oder nicht.
Die Frau, die mich vorhin schon beruhigt hat, kommt wieder zu mir. „Sie sammeln alle Kinder am zentralen Platz. Nimm Brianna mit dir. Bitte. Ihr müsst nicht weit. Nur eine Querstraße noch."
Während sie das sagt, drückt sie meine Schulter. Stumm nicke ich zur Antwort. Dort wird man uns helfen. Wir werden in den Präsidentenpalast gebracht. Ganz bestimmt.

Dem kleinen Mädchen, Brianna, kommen die Tränen, als sie versuchen, ihre Hand von dem Saum der Frau zu lösen. Ihre dünne, aber dennoch durchdringende Stimme droht, uns zu verraten. Ich begreife, dass wir schnell weiter müssen. Ohne nachzudenken, drücke ich ihr den Hasen in den Arm. In dem Moment, in dem sie nicht aufmerksam ist gelingt es der Frau, ihre Finger von dem Saum loszureißen. Eilig ergreife ich die verschwitzte Hand und reiße Brianna mit mir. Ihr Geheule beachte ich nicht.

Zwei der Männer laufen vor und geben uns Deckung. An der Kreuzung verharren sie.
„Dort längs.", weisen sie mich an. „Viel Glück."
Kein „Möge das Glück stets mit euch sein". Bloß viel Glück. Ohne Abschiedsworte fange ich an zu rennen.

Endlich kommt der große Platz in Sicht. Von allen Seiten strömen die Flüchtlinge herbei. Ich hebe Brianna hoch, schließlich habe ich versprochen, sie zu retten. Ohne Rücksicht zu nehmen, drängle ich mich durch die Menge, schubse Menschen in Morgenmänteln und Pantoffeln beiseite.
Rund um die Residenz des Präsidenten ist ein Zaun errichtet, um den sich Friedenswächter gruppiert haben. Ihre Rüstungen sind noch weiß und glänzend. Die Todesangst, die mich bis eben fest im Griff gehalten hat, lockert sich. Das Kapitol wird uns wirklich beschützen! Erleichtert taumle ich zu der Absperrung. Die Soldaten lassen uns anstandslos passieren.

Hinter der Barrikade sitzen bereits viele Kinder auf dem Boden. Die meisten weinen, manche tragen, wie ich, kaum richtige Kleidung. Fast sehen wir aus wie die Kinder aus den ärmeren Distrikten bei der Ernte für die Hungerspiele. Auf engsten Raum zusammengepfercht, voller Angst, verdreckt.
Ich suche einen kleinen Platz. Am liebsten wäre mir einer in der Nähe des Palastes, doch dort drängen sich so viele, dass wir nicht weit kommen. Ich knie mich auf den kalten Boden, auf dem sich zusehends helle Flöckchen sammeln. Brianna greift nach ihnen und beobachtet mit Staunen, wie sie auf ihren Handflächen kleben.

„Ist das Schnee?", fragt sie mit glockenheller Stimme.
Ich zucke mit den Schultern. Nie in meinem Leben habe ich Flocken wie diese gesehen. Einige sind mehr schwarz als weiß und sie schmelzen nicht auf der Haut, noch sind sie kühl.

Du wirst mich retten.

Müde lässt Brianna sich in meine Arme gleiten. Draußen, hinter der Absperrung tobt der Krieg, doch hier innen fühle ich mich geschützt. Schreie werden laut. Die Erwachsenen fordern, ebenfalls hereingelassen zu werden. Immer heftiger werden ihre Forderungen, je näher die Gewehrschüsse kommen. Niemand regt sich. Eine Frau, im Morgenmantel und mit Lockenwicklern auf dem Kopf, versucht, über die Barrikade zu klettern.

Peng!

Ein einzelner Schuss ertönt und ihre Brust verfärbt sich rot. Mit einem erstaunten Gesichtsausdruck sackt sie auf der Absperrung zusammen. Verschüchtert zieht sich die Menge zurück, doch gleichzeitig erreichen die Rebellen den Platz. Unmittelbar um uns herum versinkt die Welt erneut in Chaos. Schützend lege ich meine Hände über Briannas Ohren, obwohl ich sie genauso dringen bräuchte.

Ich selber versuche, den Tumult auszublenden, doch die markerschütternden Schreie werden mich für immer verfolgen. Ich erschaudere.
Der Tod ist nahe, viel zu nahe. Ironischerweise denke ich genau jetzt an die Kinder aus den Distrikten.
Jedes Jahr gab es die Hungerspiele. Jedes Jahr sind 23 von ihnen, in meinem Alter, gestorben. Wie hat es sich für sie angefühlt? Wenigstens wussten sie, was sie erwartete. Konnten sie sich damit abfinden?

Durch eine Lücke in der Absperrung beobachte ich das Geschehen. Alles in mir drängt danach, den Blick abzuwenden, doch ich kann nicht. Es ist einfach nicht möglich.
Und dann sehe ich sie. Das Gesicht der Rebellion. Die gefeierte Katniss Everdeen. Mit wildem Gesichtsausdruck und blutbesudelt hängt sie an einem Fahnenmast. Ihr Blick kontrolliert die ganze Szene. Was sieht sie wohl? Erinnern wir sie auch an die Hungerspiele?

Plötzlich spiegelt sich Ungläubigkeit in ihrem gen Himmel gewandten Gesicht. Ich wende meinen Blick ebenfalls nach oben und erkenne den Grund: Ein riesiges Hovercraft mit dem Wappen des Kapitols schwebt über unseren Köpfen.
Nie zuvor habe ich eines aus dieser Nähe gesehen. Es ist wahrlich gigantisch. Mit leisem Piepen fliegen urplötzlich lauter kleine Silberfallschirme gen Boden. Dieselben, wie in den Spielen. Die meisten Kinder stürzen sich sofort auf die Präsente.

Keine Frage, das Kapitol lässt uns Hilfe zukommen. Aufgrund des mehr als unvorteilhaften Platzes am Rande der Gruppe kommen jedoch kaum Fallschirme in meine Reichweite. Brianna springt ebenfalls auf, ihre kleinen Kinderhände begeistert ausgestreckt. Schmal, wie sie ist, läuft sie mühelos zwischen den Beinen der Älteren hindurch.
Angespannt wage ich, einmal tief ein und auszuatmen. Sie schlängelt sich geschickt durch die Menge und fängt einen der zarten Schirme auf. Strahlend hält sie ihn hoch, während sie mit der zweiten Hand nach einem weiteren schnappt. Ein älteres Mädchen beobachtet Brianna und versucht, ihr einen der Fallschirme wegzureißen. Mit Erfolg. Wütend stehe ich auf, entschlossen, das Geschenk zurückzuholen. Da passiert es.

Bumm.

Schwarzer Schnee. Um mich herum ist überall schwarzer Schnee. Weinen. Stöhnen. Mehr Schreie. Feuer. Viel Feuer.
Ein sengender Schmerz schießt durch mein Bein. Es dauert, bis ich begreife. Die Fallschirme sind explodiert. Ich rolle mich mit zusammengebissenen Zähnen auf die Knie.

Der Oberschenkel ist versengt. Vor lauter Pein breche ich zusammen. Doch die Angst um Brianna siegt. Der Anblick der unzähligen Kinderleichen auf dem Platz lässt mich würgen. Es hat sie in winzige Teile gerissen. Nichts daran wirkt länger menschlich.
Kleine, Große, sie alle sind tot. Wimmernde Kinder mit schweren Verletzungen liegen um mich herum. Ein paar leben, aber die Menge der Toten ist unglaublich. Tränen schießen mir in die Augen, als ich Briannas zerfetzten Körper sehe.

Kaum etwas ist übrig. Dennoch krieche ich zu ihr. Berühre das, was von ihrer Brust bleibt. Taste nach einem Puls. Ein Schrei ringt sich in die Freiheit. Verzweifelt sinke ich neben den Resten von Brianna auf die Knie.
Rot. So viel Rot. Die Farbe klebt an den Händen, die ich von Briannas Körper hebe. Ein trockenes Lachen verlässt meine Kehle. Jetzt spielen wir also die Hungerspiele. Wir sind die Tribute in diesem Krieg. Bereitwillig geopfert für etwas, das ich nicht verstehe.

Warum hast du mich nicht gerettet?

Immer noch lachend finde ich Briannas kleine Hand. Durch die Explosion ist sie weggeflogen von dem Rest ihrer Leiche. Selbst im Tod umklammert sie den Stoffhasen. Ich reiße ihre toten Finger auseinander und nehme letzte Stück Heimat wieder an mich, drücke ihn fest an die Brust. Auch wenn er reichlich angesengt ist, so ist er alles, was mir bleibt.
Endlich höre ich auf zu lachen. Um uns herum sind überall Sanitäter. Aber sie können uns nicht mehr helfen. Wir haben doch schon verloren.

Unser Blut strömt auf die Straßen, unsere Eingeweide liegen in der Gegend verstreut. Wir wurden belogen. Der Tod ist real. Und jetzt ist es an uns, zu sterben. Unsere Organe versagen, unsere Körper brechen. Unser Atem versiegt. Wegen dem, was wir getan haben. Wegen dem, was uns erzählt wurde. Wegen dem, was wir geglaubt haben.

Konntest du uns nicht retten?

Still fällt der schwarze Schnee. Ich stehe auf, taumle zurück. Klettere über die niedergerissene Absperrung. Bloß fort von hier. Weit komme ich nicht, bevor die zweite Explosionswelle mich von den Beinen reißt.

Bumm.

Ich fliege, den Kopf vorne über. Asphalt fängt meinen Sturz unsanft auf. Hinter mir sind die übrigen Fallschirme in Flamme und Tod aufgegangen. Das Opfer ist vollkommen.

Wir können nicht verlieren.

Der Himmel weint schwarze Tränen und begräbt mich unter ihnen. Ich weine mit ihm, Tränen, so schwarz wie der Schnee.

Du hast mich nicht gerettet.

Einige Wochen später

Es wird ein letztes Mal die Hungerspiele geben. Sie können uns nicht alle töten, das ist ihnen rasch klar geworden. Das finale Gefecht hat unzählige Opfer gefordert. Auf beiden Seiten. Tausende sind im Krieg gestorben und Tausende werden an seinen Folgen sterben. Nicht nur das Kapitol liegt in Trümmern, auch die Distrikte.

Unbewegt stehe ich im Wind, der durch die Ruinen von Distrikt 12 weht. Es ist die letzte Ernte. Wenn man ihnen glauben kann.

Niemand spricht ein Wort, während Effie Trinket ihre Hand zum letzten Mal im Glas versenkt. Mit spitzen Fingern zieht sie einen Zettel. Ohne jegliche Regung liest sie den Namen ab, ehe sie ihn laut ausruft.

„Gloria. Gloria Snow."

Ich weine nicht. Ich wusste es. Sie brauchen nicht zu ziehen. Es gibt nur unsere Namen. Nur die Namen der 24 Kinder und Enkelkinder der einflussreichsten Politiker. Aber sie tun es trotzdem. Sie belügen uns so, wie wir sie belogen haben. Es gibt keine Zufälle.

Ich steige auf die bunt dekorierte Bühne. Die Angst vor dem Tod ist fort. Eigentlich bin ich schon lange tot. Seit er mich nicht gerettet hat. Ich habe bei seiner Hinrichtung nicht geweint. Ich weine nicht mehr. Es ist nur gerecht. Was wir ihnen angetan haben, tun sie nun uns an. Ich schließe die Augen.

„Fröhliche Hungerspiele", flüstere ich in das Mikrofon.

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