[43] Thron
"Der beste Hwarang ist Meister Jidwi", die singenden Stimmen nähern sich, "Der König der Könige ist Meister Sunwoo!"
Skeptisch runzelt Yeowool seine Stirn. Erst nach ein paar Wiederholungen ist er sich sicher, die singenden Kinder nicht falsch verstanden zu haben. Der König der Könige?
Seufzend legt er das leuchtende Glas, das ihn so sehr an Hansung erinnert, zurück auf die Ladentheke. Er wird definitiv seinen Weg zurück zu dem Glas finden, doch das Schicksal meint noch nicht heute.
"Der beste Hwarang ist Meister Jidwi, der König der Könige ist Meister Sunwoo!"
Mit einem Grummeln verlässt Yeowool den Laden und tritt auf die gepflasterte Straße hinaus. Er hasst es, als letzter von Neuigkeiten dieser Art zu erfahren - insbesondere, wenn diese Neuigkeiten über seine Mitbewohner handeln. Doch kann man diesen Gerüchten trauen? Wer ist König Jinheung?
***
König Jinheung streckt seine Arme vom Oberkörper weg, als ihm seine Robe angezogen wird. An die vielen Bediensteten muss er sich noch gewöhnen, doch ihm gefällt das Gewicht des roten Samtes und der goldenen Verzierungen. Zu lange hat er auf diesen Moment gewartet! Nun kann er sein Geburtsrecht einfordern.
Das schwarze Stirnband, in das sein Drachenzeichen eingenäht wurde, bindet er sich allerdings selbst um. Zu guter Letzt wird ihm eine goldene Haarkrone im chinesischen Stil aufgesetzt und die letzten Strähnen gerichtet. Neugierig betrachtet er sich im Spiegel.
König Jinheung. Nun sieht er wirklich nach einem König aus. Doch ist sein Herz auch das eines Königs?
Leise lächelnd wendet Jinheung sich von seinem Ebenbild ab. Auf einer Ablage liegt sein königliches Armband. Vorsichtig nimmt er es und betrachtet das goldene Schmuckstück. So viel ist mit diesem schon passiert. Das Zeichen des Königs.
"Bist du bereit?", hört er ihre Stimme, als er sich sein Armband anlegt. Vor seinem inneren Auge sieht er das aufrichtige leichte Schmunzeln von Miyu. Bin ich das?
König Jinheung blickt auf das Gold an seinem Handgelenk hinab.
"Was hast du aus dem Gedicht gelernt?", spricht Miyu. Kleine gierige Maus in der Gerste. Wie wirst du regieren?
Jinheungs Herz wird schwer. Eine Krone tragen ist leicht, doch ein König sein verlangt viel mehr. Entschlossen ballt er seine Hand zur Faust. Er wird es versuchen!
"Für dein Schicksal bist du selbst verantwortlich", wiederholt er Miyus Worte, die sie bei ihrer letzten Begegnung gesprochen hat. Wenn er sich konzentriert, kann er sogar noch ihre Lippen auf seinen spüren und ihren leichten Geruch riechen. War das ein Abschied?
Er hofft es nicht, aber sein Herz zweifelt daran.
Erneut blickt König Jinheung in den großen Spiegel. Wie wäre es, eine Königin neben sich zu haben? Kann das nicht ihr Schicksal sein?
Jinheung stellt sich vor, wie Miyu in einem königlichen Gewand wie seines gekleidet ist und stolz auf seiner Seite steht. Seine Mundwinkel zucken. Es sieht so echt aus.
Doch von einem Augenblick auf den Anderen verschwimmt seine Sicht auf Miyu. Ihre Gesichtszüge verschwimmen und ihr Gewand verfällt in gewöhnliche Kleidung. Paoh steht hinter ihm und beäugt ihn neugierig.
Jinheung ringt sich ein Lächeln ab: "Wie sehe ich aus?"
"Sie sehen aus wie...", Paoh stockt, "der König." Seit Jinheungs Geburt weiß Paoh um diese Zukunft, doch seit dem Krieg wirkt dieses Bild für ihn unwirklich. Aber Jinheung steht nun vor ihm. Paoh hat es geschafft.
Mit einer Handbewegung schickt der König die Bediensteten fort und wendet sich vollständig an seinen Schützer und Berater.
"Sie treffen die Beamten zum ersten Mal", bemerkt dieser, "Später..."
***
Meister Wihwa hickst. Sein Körper dreht sich in die eine Richtung und seine Augen in die andere. Über diese Wirkung belustigt kichert er. Bemüht konzentriert fokussiert er sich auf das leere Glas vor ihm. Leer. Enttäuscht ruft er Pi Jooki. Er braucht dringend ein weiteres Glas, ehe sein Verstand sich an die Realität erinnert!
***
Als König Jinheung den Thronsaal betritt, stockt ihm der Atem.
So sollte sich der König mit den Beamten treffen, doch Meister Youngshil scheint beides für sich beanspruchen zu wollen.
Überheblich schreitet der alte Mann die Treppen hinauf und setzt sich überschwänglich auf den goldenen Königsstuhl. Das entsetzte Gesicht des jungen Mannes unter ihm kostet er vollständig aus. Für Youngshil braucht ein König mehr als nur ein rotes Gewand und eine Krone! Dieser Emporkömmling aus einem fremden Land ist kein König!
Das Treffen mit Meister Youngshil hat sich Jinheung wirklich anders vorgestellt. Die Beamten Sillas sind mächtige Männer, doch auch sie sollten dem König Respekt zeigen! Krone und Thron sollten nicht so herablassend behandelt werden!
Jinheung treibt es beinahe Tränen in die Augen, als er den Anblick von Youngshil ertragen musste.
"Er ist so dreist", flucht er und kniet sich vor den leeren Thron. All diese Hürden, die ihm auferlegt werden, und er hat nicht einmal die Krönungszeremonie hinter sich!
"Und ich bin schwach", weint er leicht. Den Mut, den er im Ankleideraum gefasst hat, verpuffte im gleichen Augenblick als Youngshils hässlicher alter Hintern das Gold des Throns berührt hatte.
"Ich kann nichts tun", flucht Jinheung mit zusammengebissenen Zähnen, "Ich habe keinerlei Handhabe!"
Als er hinter sich Schritte hört, verkrampfen sich seine Hände.
"Wer ist da?", ruft er, "Ich befahl, niemanden hereinzulassen." Doch sein Wunsch, dass sich diese Person mit seinen Worten in Luft auflöst, wird nicht erfüllt.
"Ich bin es", meint die Prinzessin, "Sookmyung."
Jinheung dreht sich zu seiner Schwester.
"Du hast dich selbst zum König ernannt", erkennt diese emotionslos.
Keine Freude, keine Umarmung, nicht einmal Wut - so kennt er seine kalte Schwester.
"Ist das dein Eindruck von mir?", fragt er und tritt näher an die junge Frau heran. Etwas an ihr ist dennoch anders.
"Nein."
Ihre Antwort ist kurz, aber Jinheung erkennt die wahre Bedeutung ihrer Verneinung.
"Das stimmt", gibt er zu, "Im Moment bin ich nichts." Er ist kein König.
"Ich bin nicht die einzige, die davon weiß", spricht Sookmyung weiter, "Ganz Silla weiß es. Mutter drängt auf die königliche Hochzeit."
Augenblicklich taucht eine andere schwarzhaarige Gestalt in den Gedanken des Königs auf.
"Hochzeit?", fragt er. Die Gestalt vor seinem inneren Auge verblasst. Unmöglich.
"Meinst du unsere Hochzeit?", fragt er stattdessen.
Prinzessin Sookmyung nickt.
"Die Blutlinie des Heiligen Knochen fortführen, den Thron schützen, die Hochzeit..."
Jinheungs Gedanken überschlagen sich. So etwas hat er nicht geplant.
"Ich verabscheue die Hochzeit", spuckt Sookmyung beinahe aus.
"Ich", ihre Stimme zittert fast schon unsicher, "Ich will Meister Sunwoo. Du musst Mutter überzeugen. Als König musst du etwas unternehmen!"
Als König... Hat er überhaupt die Macht dazu, etwas zu unternehmen, etwas zu verändern?
***
Sooho ist still, doch sein Herz schlägt schnell. Unbemerkt streicht er sich seine offizielle Robe als Hwarang glatt. Dieser Auftrag ist vielleicht weniger wichtig als die Reise nach Baekje, aber für Sooho bedeutet sie sein Leben. Immer wieder linst er zu der Frau neben sich. Ob er das darf? Darf man die Königin ohne Erlaubnis ansehen?
Sooho tut es. Sein Auftrag ist klar. Als privater Leibwächter der königlichen Hoheit wird er sie schützen, sollte Gefahr drohen. Doch bis dieser Fall eintritt, steht er sich stumm die Beine in den Bauch und schweigt. Manch andere Hwarang hätten sich beschwert, aber Sooho würde für die Königin seine Beine in den Bauch stehen, bis sie absterben und von seinem Körper fallen.
Leicht zuckt der junge Mann zusammen, als herrisch die Tür geöffnet wurde und Jidwi hineinstürmt. Jidwi. Er sieht so merkwürdig in der Robe aus. Doch Jidwi ist der König, nicht Sunwoo. Sooho kann noch immer nicht begreifen, welche Spiele im Königshaus gespielt werden, doch solange er in der Nähe der Königin sein darf und ihr Leben schützen soll, ist er mit dem zufrieden.
Sollte er gegen einen seiner Freunde sein Schwert ziehen müssen, würde er es tun - widerstrebend, aber er würde es tun.
Angespannt zeigt er sich regungslos, so wie man es von einer Wache erwartet. Selbst als Jinheung ihm einen überraschten Blick zuwirft, unterstückt Sooho den Drang, ihm neckisch entgegen zu grinsen.
Doch das was Sooho in dem königlichen Gespräch erfährt, überrascht ihn.
König Jinheung muss seine Autorität mit einer Hochzeit stärken. Aber wird das genug sein? Sunwoo - der scheinbar beste Freund von Jidwi - ist Prinz Hwikyungs verlorener Sohn und damit ein heiliger Knochen. In der instabilen Zeit von Jinheungs Machtantritt will er nun um den Thron kämpfen. Meine beiden Freunde?
Der beste Hwarang ist Meister Jidwi. Der König der Könige ist Meister Sunwoo!
***
"Der König der Könige ist Meister Sunwoo", murmelt Jinheung gedankenverloren auf seinem Thron. Der Saal, der sonst mit Licht durchflutet ist und die mächtigsten Würdenträger Sillas vereint, liegt dunkel und trostlos vor ihm.
Er ist verlassen. Keiner unterstützt ihn. Keiner berät ihn.
Was soll er nun tun? Er wurde in eine königliche Familie geboren, doch es ist für ihn auch das erste Mal. Seine erste königliche Entscheidung, sein erstes königliches erlassenes Gesetz, sein erster königlicher Krieg. Das wird alles erst noch kommen und jeder erwartet, dass er das Richtige tut. Doch woher soll er wissen, welche Entscheidungen zu dem Richtigen führen?
"Der König der Könige ist Meister..."
Der Eingang des Thronsaals wird aufgestoßen und eine bekannte Gestalt tritt ein.
"Sunwoo."
Der junge Krieger ist in gewöhnlicher Gewandung gekleidet. Er trägt weder eine Robe der Hwarang noch ein königliches Exemplar. Soll er wirklich Kim Hwikyungs Sohn sein?
Stumm betrachtet er seinen besten Freund von oben herab. Er scheint wie immer zu sein. Bloß das Feuer in seinen Augen ist neu. Diese lodernde Entschlossenheit und unterdrückten Hass wallt als starke Woge durch den Raum.
Es schmerzt Jinheung, seinen einzigen wahren Freund so verändert zu sehen. Doch er ist nun der König - er ist jetzt auch verändert.
Jinheung weiß, was ihn nun erwartet. Er blickt auf den schmalen goldenen Armreif. Zu lange ist er davongelaufen. Heute wird er es nicht mehr tun. Das habe ich ihr versprochen.
Langsam, aber entschlossen tritt König Jinheung die Stufen hinunter und begegnet seinem Freund auf Augenhöhe.
Das Metall schnarrt, als es aus der Scheide gezogen wird. Schneller als ein Atemzug liegt des Königs Klinge an der Kehle seines Freundes. Doch auch Sunwoos Schwert wird an seinen Hals gehalten.
Für einen Moment steht die Zeit still. Ich bin mutig. Ich habe es ihr versprochen. Ich werde ein guter König sein.
Langsam sinkt Jinheungs Schwert. Eine Hand zuckt. Fast hätte er einen Fehler begangen.
"Wenn es dann ein Ende hat, töte mich", bittet er. Ein kleiner Funken in ihm, verlangt es tatsächlich. Dieser Tag wird nur ein kleiner sein in den Zeiten des Königs. Doch Sunwoo bleibt regungslos. Ein erlischender Funke in einem trockenen Reisfeld kann jederzeit das Land zerstören. So ist Sunwoo in einem verteufelten System der Politik. Wird er das Feld verbrennen?
"Aber hat es ein Ende, wenn du das tust? Wie oft wirst du töten müssen? Musst du auch die Beamten und die Adligen töten? Es endet nie."
Es wird niemals enden.
"Jemand anderes wird deren Platz einnehmen und genauso handeln. Wen tötest du dann?"
Sunwoo schweigt weiter. Bloß das Feuer aus Entschlossenheit und Hass lodert rege in ihm.
"Ich wollte Silla mit dir zusammen verändern", verkündet Jinheung. Doch er klingt weniger wie ein erfahrener König, "Ich wollte verhindern, dass Menschen durch das Knochenrangsystem sterben. Ich träumte davon, die drei Königreiche zu vereinen. Aber wenn es hier endet, töte mich."
Es ist still.
Langsam verhallen seine Worte in der großen Halle. Nicht einmal das Atmen der beiden Männer ist zu hören. Für einen Moment ist es friedlich.
Dann richtet Sunwoos Schwert über den König.
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