[41] Freundschaft
Während der Wagen mit der Medizin das Dorf erreicht und nach all dem Leiden für etwas Ruhe sorgt, ist es in der Hauptstadt weniger ruhig.
Ahro soll zur Wonhwa werden. Sie wird trotz ihrer inneren Einstellung der Königin zu Treue verpflichtet werden. Im Palast erfährt Lehrmeister Wihwa von der Einführung dieser weiblichen Führungsebene, die den Thron schützen soll. Gleichzeitig jedoch konfrontiert Sunwoo seinen Vater mit dem königlichen Erbe. Sunwoo, der Sohn des Lords Kim Hwikyung und somit ein Anwärter auf den Thron, fürchtet sich. Doch er fürchtet nicht um sich - seine Liebe zu Ahro, die schon von Beginn an jede Hürde auf sich nehmen musste, bereitet ihm Gänsehaut bei dem Gedanken, Ahro auf diese Weise zu verlieren.
Doch weiß Sunwoo nicht, dass ihn ein ganz anderes Leben nur wenige Zeit später verlassen wird.
***
Danse schließt seine Augen, als er von der Ferne das Verhalten seines Großvaters erblickt. Zitternd ballt er seine Hände zu Fäusten und versucht die Geräusche zu überhören. Doch trotz seines Widerstands hört er die Füße von Meister Youngshil, wie sie sich auf dem Rücken seines Großvaters abstützen und den Träger zu Boden bringen.
Danses und Hansungs Großvater muss allerdings nicht nur vor Youngshil buckeln, sondern auch kommentarlos die Sticheleien ertragen, die zwischen den Ministern gesprochen wurden. Mit einem letzten Blick auf seinen Großvater, wie er eine Beleidigung seiner Familie ablächelt, wendet sich Danse ab.
Seine Fäuste rufen nach Youngshils Gesicht, aber er weiß, dass er damit Hansung in Gefahr bringt. Auf der Suche nach einem Schwert und Hwarang Minho läuft er die Wege im Hwaranghaus entlang. Wie lange soll seine Familie noch unter den Ministern leiden? Soll Hansung bloß der Hund eines anderen Hwarang werden?
Hansung ist sehr träumerisch, das weiß Danse. Sein kleiner Bruder ist blind für die Schrecken, die die Realität Danse gezeigt hat. Und solange er auf ihn aufpassen kann, soll es so bleiben. Er hasst es, jeden Fehltritt bei Hansung befürchten zu müssen, aber er liebt seinen kleinen Bruder. Bruderliebe ist unbegründet und bedingungslos.
Ein kleines Lächeln ziert Danses Lippen, als er an das letzte Treffen mit seinem Bruder denkt. Hansung wird erwachsen. Er hat geweint, als Danse von ihrem Großvater geschlagen wurde, aber sogar der verträumte Hansung erfasst die Realität vor ihm. Hinter seinen Tränen schimmerte ein Funke voller Entschlossenheit, den Danse zuvor nie gesehen hat. Wie ist dieser Funke entstanden? Danse weiß es nicht genau. Was hat er vor?
Hansung hüpft energisch den Weg entlang. Seine Augen fangen die Strahlen der Mittagssonne ein, doch sein Lächeln wird breiter, als er sein Ziel gefunden hat.
"Sunwoo", trällert er glücklich und setzt sich neben seinen Freund hin. Augenblicklich wird er ernster. Nie zuvor hat Hansung so einen Schritt gewagt. Er weiß nicht einmal, ob es tatsächlich das Richtige ist, aber sein Herz fühlt sich bei dem Gedanken weniger schuldig.
"Ein Weg muss begangen werden, damit ein Pfad entstehen kann."
Hansung erinnert sich an Sunwoos Worte sehr gut. Es ist ein weiterer Grund, seinem Freund zu danken. Dank ihm wird er sich gegen seinen Großvater aussprechen können.
Jidwi sitzt etwas abseits auf den oberen Stufen im Ort der Lehre. Still hat er die Augen geschlossen und denkt nach. Erst als Paoh in seiner orangenen Robe zu ihm kommt und ihn bedeutungsschwanger anstarrt, wendet sich seine Aufmerksamkeit von einer ganz bestimmten Schönheit zu seinem weniger schönen Leibwächter.
"Ist etwas passiert?", fragt Jidwi unnötig, denn er sieht die brennenden Worte auf seiner Zunge.
Kurz darauf fallen sie Paoh wie ein Wasserfall aus dem Mund. Ahro soll zur Wonhwa werden und das sogar schon in drei Tagen.
Hansung erhält ein Paket.
Neugierig betrachtet er es. "Danse", liest er den Namen. Was er wohl geschickt bekommen hat?
Schulterzuckend und mit einem Lächeln im Gesicht gibt er es dem eigentlichen Empfänger. Wenn es toll ist, wird Danse sowieso ihm davon erzählen. Hansung hofft es sehr. Bedenkenlos wendet er sich von seinem Bruder ab, der angespannt den Schwertkampf vor ihm betrachtet. Auch Hansung blickt kurz zu den Kämpfern. Ja, Sunwoo ist ein sehr guter Kämpfer. Danse kann viel von ihm lernen.
Er ist ein guter Kämpfer, denkt auch Danse, ein viel zu guter.
***
Ihre Wange brennt leicht, als Miyu unschuldig Jidwi angrinst. Augenblicklich lässt sie es sein, als sich seine Augen verdunkeln. Mit zwei schnellen Schritten steht der König vor der jungen Frau. Vorsichtig wendet er ihr Gesicht zur Seite, um den Schnitt besser betrachten zu können.
"Wer war das?", fragt er leise und lässt dann schnell wieder von ihr ab. Immerhin sind sie nicht die einzigen Hwarang, die auf den Beginn der Lehrstunde warten.
Augenblicklich wird Miyu nervös und ihr Herz schlägt noch schneller als sie es neben Jinheung gewohnt ist.
"Vielleicht ein Fehler", murmelt sie so schnell, dass Jidwi kaum hinterher kommt, "Vielleicht auch nicht. Ich hoffe letzteres."
Kurz ist es still und gemeinsam blicken sie wartend auf die Empore für Meister Wihwa. Doch dann wendet sich Jinheung erneut zu Miyu.
"Wo warst du diese Nacht?", flüstert er. Aber er erhält keine Antwort. Auf diese Frage wird er nie eine Antwort erhalten.
Miyus Nervosität steigt an. Wie wird Silla reagieren, wenn ein Hwarang stirbt?
Vor ihrem inneren Auge sieht sie es ablaufen.
Der Körper wird nach der Todesursache untersucht. Gift. Das wird die erste Erkenntnis sein.
Wodurch? Der Schnitt mit einem Schwert. Das ist das Zweite.
Wird das schon ausreichen, um Panik zu säen? Vielleicht. Doch was ist mit der dritten Erkenntnis? Wie wird Silla reagieren, wenn sie erfahren, dass der tote Hwarang eine japanische Samurai ist? Wird es Krieg geben? Ist es das, was Japans Delegierte wollen?
Miyu erinnert sich an die letzten Worte, die ihr im Wald genannt wurden. Dieser Schnitt ist ihr Prozess. So lautet das Ritual der Samurai. Entweder werden die Samurai ihr Glauben schenken und ein gewöhnliches Katana benutzt haben - oder eine vergiftete Klinge wird ihr Ende sein.
Bei dem lauten Krachen, mit dem die Tür aufschwingt, zucken die Hwarang zusammen. Sunwoo kommt herein, doch er ist nicht alleine.
In seinen Armen trägt er eine Gestalt. Langsam tritt er die Stufen hinunter und bahnt sich seinen Weg durch die jungen Männer. Wie in Zeitlupe trägt er das Gesicht von Hansung an ihnen vorbei.
Hansung. Mehr kann Miyu nicht begreifen.
Starr blickt sie auf den leblosen Körper, den Sunwoo zu Boden legt. Bloß von der Ferne hört sie Yeowool weinen.
Ihre Augen wandern über seinen Körper. Gift. Durch eine Schwertwunde.
Augenblicklich wandert ihre Hand an die kleine Schnittwunde an ihrer Wange. Das kann nicht sein.
***
Hansung war ihr Freund. Nein, er ist es noch immer.
Auch wenn sie es ihm nicht wirklich gezeigt hat, freute Miyu sich immer über seine Nähe. Seine lebhafte Art steht so sehr im Kontrast zu ihrer Vergangenheit, dass sie sich manchmal wundert, ob er tatsächlich existieren kann.
Ihn nun allerdings nie wieder an ihrer Seite zu wissen, hat einen ganz anderen Beigeschmack. Wird die Sonne je wieder so scheinen können, wie die Spiegelung in seinen Augen? Wird Miyu sein Lachen im Geplätscher des Baches hören, wenn sie ihre Kleidung wäscht?
Sie wird ihn niemals wieder entspannt und mit geschlossenen Augen in purer Zufriedenheit sehen.
Manche würden sagen, dass Hansung zum starken Krieger Minho aufgesehen hat. Doch in Wahrheit bewunderte Miyu seine Art.
Es waren die kleinen Dinge im Alltag, die ihm ein Lächeln auf die Lippen gezaubert haben. Bei Problemen wurde er nicht enttäuscht, sondern seine Augen wuchsen in Neugierde und ehrlicher Faszination. Seine Ausstrahlung dämpft jeden Streit alleine durch seine Anwesenheit. Und wenn er mit Miyu sprach, wärmte es ihr das Herz. Er war der erste, der sie als Freund bezeichnete. Hansung war ihr erster Freund im Leben.
Doch sie hat ihm nie gedankt. Und sie wird nie mehr eine Möglichkeit dazu haben.
"Er war mein Freund", spricht sie es leise aus und lächelt dabei. Er hat mich so akzeptiert, wie ich bin.
Miyu hebt kurz den Kopf und blickt Danse an. Er sieht allerdings nicht danach aus, als wären es die Worte, die er gerne hören möchte. Am liebsten würde er auch nicht gegenüber von ihr sitzen wollen, doch den Schuppen will er noch weniger verlassen.
"Ich habe es ihm nie gesagt, aber er war mein Freund", fährt Miyu fort, "Hansung war jemand besonderes."
Mit einer kurzen Bewegung wirft sie die Scherbe zu Danse zurück. Sie weiß genau, was er damit vorhatte.
"Wenn du dich so schuldig fühlst, dann tue es", bestimmt sie und nickt auf das zerbrochene Glas, "aber wenn dir Hansung etwas Wert ist, dann respektiere seinen Tod. Er ist durch deine Hand gestorben, aber es war nicht deine Schuld. Nun hast du die Möglichkeit, die Welt für Hansung zu bessern oder möchtest du, dass er grundlos gestorben ist?"
Geduldig wartet Miyu seine Reaktion ab. Lange bleibt es still, doch dann wirft Danse die Scherbe wieder zu Miyu zurück. Sie lächelt leicht.
"Du kannst stolz auf deinen Bruder sein. Hansung hat eine Stärke, die ich nie zuvor sah. Er sah die Sonne auch in der Dunkelheit. Sein Lächeln war immer ehrlich. Hansung war kein Krieger, aber seine Stärke machte ihn zu einem größeren Hwarang, als die anderen jemand könnten. Er ist ein Hwarang für den Frieden. Er hat die Welt zu einem besseren Ort gemacht. Und er hat mich zu einem besseren Menschen gemacht."
Danses Mundwinkel zucken leicht, doch sitzt in ihm die Trauer noch zu tief. Miyu versteht es. Gemeinsam sitzen sie in der Dunkelheit und hören in der Ferne Wihwas Worte zu seiner Beerdigung.
"Manche Menschen wollen die Hwarang kontrollieren und tun, was ihnen gefällt. Aber das ist vorbei. Wir verlieren keine Freunde mehr. Lasst euch nicht in ein System drängen, das ein anderer erschaffen hat. Ihr seid keine Schachfiguren. Ihr seid freier als andere. Ihr seid Hwarang. Vergesst das nie!"
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