[10] Najeong
Gaesae, der nun als Sunwoo leben und leiden muss, wird am Abend aus den königlichen Räumlichkeiten entlassen.
Seine vermeintliche Schwester Ahro empfängt ihn sehnsüchtig am Palasttor, doch kurz vor ihr realisiert sein Körper die Erschöpfung seiner Tat und er fällt geschafft in ihre Arme. Mit viel Mühe trägt sie ihn im Schutze der Dunkelheit nach Hause.
Aber nicht nur die beiden machen sich die Dunkelheit zu Nutzen. Sooho und Banryu treffen sich wie vereinbart an der Quelle Najeong.
An der Grenze zum Quellbereich trifft Sooho seine Freunde. Wenn sie schon an einem heiligen Ort kämpfen, wird er Unterstützung mitbringen. Das gleiche erwartet er schließlich auch von Banryu.
"Ich dachte nicht, dass du wirklich kommst", wird er von einem Freund leise begrüßt. "Es ist verrückt, um diese Zeit herzukommen."
Es ist verrückt, hier zu kämpfen. Egal um welche Zeit, denkt sich Sooho, aber lässt sich davon nicht abbringen. Er darf vor Banryu nicht weich werden!
"Du hast Recht", sagt er hingegen, "Ich hätte es vorschlagen sollen. Ich hätte ihn herbestellen sollen. Jetzt habe ich schon verloren." Geschockt blicken seine Freunde ihn an. Er hat wirklich den Verstand verloren!
"Wie ärgerlich", murmelt er, bevor er mit einem Kopfnicken seine Freunde zum Gehen animiert.
Vor den Tempelsäulen, hinter denen sich seine Gruppe versteckt hat, treffen sie auf Banryu und sein Gefolge. Wie erwartet wird er von seinen Freunden begleitet.
"Du bist spät", kommentiert Banryu sein Auftreten lässig.
"Du warst früh dran", entgegnet er neckisch. Ein Schauer durchzieht Soohos Körper wie jedes Mal, wenn er mit Banryu aneinander gerät. Es ist das Gefühlt der Kampfeslust kurz vor einem Krieg. Ein Gemisch aus Adrenalin und Dopamin. Er kann es kaum erwarten, dem Dreckskerl gegenüber eine reinzuhauen!
"Ich bin überrascht, dass du den Mut hast, herzukommen", meint Banryu kühl. Er ist tatsächlich überrascht, denn er selbst zweifelte schon den gesamten Weg. Da sollten Sooho schon die Beine schlottern bei der Aussicht, gleich eine riesige Straftat zu begehen! Wenn sein Erbsenhirn es überhaupt geschaltet hat. Daran zweifelt Banryu etwas, als er in das grinsende Gesicht Soohos blickt.
"Meine Rede", meint dieser bloß freudig, "Mach dich auf was gefasst."
Doch bevor die erste Faust fliegen kann, drückt Banryu noch einen hinterher: "Du kannst nicht schön schreiben, aber fest zuschlagen."
Etwas irritiert entgegnet Sooho: "Lass meine Handschrift da raus!" Deine eigene ist doch noch viel schlechter. "Deine Hand zittert. Machen wir kurzen Prozess."
Sooho überwindet die letzten Meter zu seinem Feind und schlägt kräftig seine Faust in das Gesicht. Lange brauchen auch nicht die Begleiter, um kurz darauf selbst in einem Zweikampf verwickelt zu sein. Es wird geschlagen, getreten, an den Füßen gezogen und wild herumgetollt. Sie stecken ein und teilen aus. Es ist ein wildes Hin und Her aus männlicher Protzerei und Hau-Drauf-Philosophie, in der sie schnell den heiligen Boden um sich herum vergessen.
Ihre Rufe und Schläge hallen durch die Luft und finden den Weg zu den fürsorglichen Wächtern des heiligen Najeongs. Weniger fürsorglich werden die kämpfenden Männer umstellt, auseinander gezerrt und einzeln festgenommen.
Die Söhne der Minister, erkennt einer der Wache erschreckend und schickt die Nachricht an die Väter aus. Währenddessen müssen die Adligen wie jeder Gesetzesbrecher auf das Urteil der Königin warten. Für die Nacht werden sie an Pfähle gefesselt.
***
Unter den Ministern herrscht Aufruhr. Noch nie zuvor waren sie so von ihren Söhnen vorgeführt worden. Es ist ein Schandfleck in ihrer Erziehung!
Ein anderer Minister, einer der vor Jahren aus dem Amt getreten ist, ist hingegen stolzer denn je auf seinen Sohn.
Nachdem sich Miyu ein wenig in dem Haus des Ministers Kim Chiwon umgesehen hat, stellte sie sich dem Personal am Eingang als Sohn Minho vor.
Bedenkt man, dass Chiwon oft sich seinen Sohn zurückwünscht, ist es verständlich, dass die Empfangsdame den Gast zuerst belächelte. Chiwon erlaubte sich viele Scherze bei den Söhnen anderer Minister, da ist es logisch, dass ein Scherz auch vor seiner Haustüre auftauchen kann.
Minho hat Seorabol als kleiner Junge verlassen, aber dass dieser große, aber schmächtige junge Mann nun der kleine Minho aus der Vergangenheit sein soll, bezweifelt sie.
Dennoch wird Miyu zu dem Minister geschickt. Er darf selbst den Eindruck des Fremden bewerten.
"Mein Sohn", ruft dieser jedoch schon, bevor Miyu den Raum vollständig betreten hat. Na, das ist ja einfacher als erwartet, grinst sie.
"Vater", meint sie gespielt erstaunt und tritt näher an den alten Mann am Kopf einer großen Tafel.
"Lass dich ansehen, Minho", lacht der Blinde unter Tränen und greift mit seinen Händen in die Luft.
Miyu versteht die Geste und lässt seine Hände widerwillig über ihr Gesicht fahren.
"Du bist so groß geworden", weint der Vater. Und du alt, denkt sich Miyu. Alt und blind.
Sie sitzt nun in einem Nebenraum auf einem gemütlichen Sessel in der Nähe eines Feuers. Der Vater sitzt ihr gegenüber und fragt sie nach ihrem Ergehen auf der langen Reise. Glücklicherweise ist der Alte noch immer zu überwältigt von dem Erscheinen seines Sohnes, sodass Miyu nur ein paar Sätze anreißen muss, um danach von dem Vater unterbrochen zu werden, der selbst Anekdoten, Geschichten und Erlebnisse aus Minhos Kindheit dazu erzählt. Stumm hört Miyu zu und merkt sich jedes einzelne Detail, während alle Angestellten des Hauses das beste Festmahl des Jahres vorbereiten.
Genüsslich bedient sich Miyu an der reich gedeckten Tafel. Selbst in den besseren Zeiten in Japan gab es keine große Tafel. Meist hat erst der Alkohol der Taverne das Essen schmackhaft machen müssen.
Doch nun genießt sie jeden Bissen, lauscht den Worten des Alten und wirft manchmal Worte ihrer eigenen Geschichte ein.
Erstaunlicherweise spricht der ehemalige Minister den Namen seines Bruders nie an. Ist er nicht mit dem Sohn verschwunden? Oder macht er ihn für das Unglück verantwortlich?
Mit der Ausrede, erschöpft von der Reise zu sein, wird Miyu das alte Zimmer Minhos gezeigt und ein Bad eingelassen. Als eine Angestellte im Bad bleiben will, um beim Schrubben zu helfen, schickt Miyu sie wieder fort. In ihren Erzählungen sprach sie es nie an, aber betonte traumatische Ereignisse, die so ein Verhalten begründen können. Während Minho an einem Trauma und dem daraus folgenden Misstrauen gegenüber anderen Menschen leidet, kann Miyu das Geheimnis ihrer wahren Identität wahren.
Frisch gewaschen kleidet sie sich wieder in das Gewand, mit dem sie erschienen ist. Am nächsten Tag wird sie mit Dienern neue Kleider kaufen müssen.
Nach einem für Miyu zu tränenreichen Abschiedsgruß verschwindet sie in dem Schlafgemach. Doch Miyu schläft nicht. Aufmerksam lauscht sie auf die Geräusche des Hauses und wartet, bis auch die letzten Angestellten das Haus verlassen oder selbst zu Bett gehen. Dann öffnet sie das Fenster und verschwindet in der Dunkelheit.
***
"Sie haben am Najeong gekämpft?", hakt Meister Youngshil ein weiteres Mal nach. Meister Ho nickt bedauernd.
"Nichts zu machen", erkennt der ältere Minister, "Auch wenn die Königin ihn töten will."
"Ihn töten?", fragt Ho entsetzt und richtet sich automatisch in seinem Sitz mehr auf, "Wie kannst du das sagen?"
Doch Youngshil bleibt bei seiner Meinung, auch wenn ihm diese selbst nicht gefällt.
"An der heiligen Quelle? Park Hyeokgeose wurde dort geboren. Es ist ein heiliger Ort", erklärt er das Offensichtliche. Hat Banryu nicht soweit denken können? Er hatte ihn besser eingeschätzt.
"Ich, Park Youngshil, versuche König zu werden, weil Silla einmal den Parks gehörte. Und er hat dort gekämpft?", meint er entrüstet, "Er ist mein Adoptivsohn!"
Und mein echter, denkt sich Minister Ho, doch sagt: "Ohne Banryu hat die Familie Park keinen König." Wenn er gegen Park Youngshil Widerworte spricht, ist Banryu schneller von dem Posten des Adoptivsohnes weg als Meister Ho sich entschuldigen kann. Und nur Youngshil kann Banryu zu dem machen, was sich Ho für ihn wünscht.
***
Für die Gefangenen an den Pfählen ist alleine die Warterei auf die wahre Strafe schon reine Folter. Mit Eimern voller kaltem Wasser werden sie aus dem unangenehmen Schlaf in die noch unangenehmere Realität gerissen. Mit Entsetzen müssen sie feststellen, dass der Kampf und die Festnahme kein boshafter Traum sind und das piksende Kribbeln in ihren ermüdeten Beinen ist Beweis genug dafür.
Meister Wihwa sitzt entspannt vor ihnen und wartet, bis auch der letzte von ihnen wach genug für seine Worte ist.
"Ihr seid sicher durstig und habt das Gefühl, eure Beine reißen gleich ab", beginnt er ruhig, "Was ihr nicht wisst: Die Folter hat noch gar nicht begonnen."
Unter ängstlicher Erwartung der Jungen erhebt er sich von seinem Platz und lehnt sich an den Tisch vor ihm. Ruhig blickt er erst jeden einzelnen von ihnen an, bevor er fortfährt: "Da ihr wegen Hochverrats hier seid, hat die Königin euch zum Tode verurteilt. Ihr sollt sterben, während ihr qualvoll gefoltert werdet."
Unter vergeblichem Widerstreben werden die jungen Männer von den Pfählen an Stühle gefesselt. Keiner von ihnen kann sich das Schicksal, das ihnen blüht, ausmalen.
Was für eine Scheiße, denkt sich Miyu, die abseits von dem Schatten eines Baumes die Rede hört. Mit dem Gespräch zwischen Youngshil und Ho hat sie Hoffnung geschöpft, doch im Shōgi gegen das Schicksal scheint sie nun zu verlieren. Ihr ist das Glück ausgegangen.
Miyu sieht einen Mann herbeieilen, der Meister Wihwa eine Nachricht der Königin überreicht. Seine Augen überfliegen das Schriftstück und richten sich anschließend in die angstvollen Augen der jungen Adligen.
"Das ist das Leben, das eure mächtigen Väter der Königin abgerungen haben", erklärt er und hebt die Schriftrolle hoch.
"Unterschreibt und anstatt gefoltert werdet ihr treue Hwarangs von Silla. Ihr könnt dann einfach nach Hause gehen. Ist ganz leicht. Oder ihr entscheidet euch für den nächsten Schritt."
Und schon wird mein hisha zum geflügelten ryūō, denkt sich Miyu freudig. Ihr fliegender Streitwagen im Shōgi-Spiel gegen das Schicksal wandelt sich nun doch zu einem großartigen Drachenkönig. Vor ihren Augen bestätigt sich die Hoffnung, in Hwarang auf die Söhne wichtiger Minister zu treffen.
"Verzeihung. Also wenn wir unterschreiben, lasst Ihr uns gehen?", fragt Sooho genauer nach. Bestätigend nickt Meister Wihwa und löst somit das drückende Gewicht in seiner Magengegend.
"Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt? Ich wollte es eh machen", ruft er erleichtert, "Bitte macht mich los."
Zufrieden sieht Miyu, wie nach Sooho noch weitere der Jungen ihre Befreiung wünschen und das Schriftstück unterschreiben. Die Stühle der Folter leeren sich und geben Miyu das Zeichen, nun auch zu ihrem neuen Zuhause zu gehen. Sie hat noch einige Pflichten zu erledigen, um ihre neue Identität zu wahren.
***
Die Söhne kehren nun als eingetragene Hwarang zu ihren Vätern zurück, die wenige Stunden zuvor genau dafür vor den Füßen der Königin gebettelt haben. Sie kehren zurück - lebendig.
Doch in ihrem Unwissen sind ihre Söhne nicht die einzigen, die sich mit ihrer Unterschrift an Hwarang gebunden haben.
In einem Gespräch mit der Königin muss Meister Wihwa auch Sunwoo unter ihnen akzeptieren, auch wenn er nicht zu den Wahren Knochen Sillas gehört. Im Gegenzug akzeptiert die Königin auch einen Hwarang ohne Bedingungen.
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