-~8~- Wir haben alle Zeit der Welt
,,Es gibt Millionen von Menschen, die sich nach Unsterblichkeit sehnen - die aber nicht wissen, was sie an einem verregneten Sonntagnachmittag anfangen sollen."
~ Maurice Chevalier
―――――――⫷Gray⫸―――――――
Gray öffnete die Tür und die hellen Strahlen der Morgensonne leuchteten sier durch das gegenüberliegende Fenster entgegen.
Sier hängte siere Jacke an den Kleiderständer und stellte die schwere Aktentasche auf der Kommode ab, bevor sier den Flur weiter entlang ging.
,,Emily? Bist du schon wach?", fragte sier leise, um siere, womöglich schlafende, Verlobte nicht zu wecken.
,,Schon? Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen! Endlich bist du wieder da!", rief Emily freudig, öffnete schwungvoll die Küchentür und fiel Gray mit einem Sprung um den Hals.
Sier taumelte etwas von dem plötzlichen Überfall und stützte sich mit einem Arm an der Flurwand ab, um nicht zu stürzen. Den anderen Arm schlang sier um Emily und lachte laut auf. ,,Ich habe dich auch vermisst."
,,Das nächste Mal, wenn du so lange von Zuhause weg bist, komme ich mit. Und dann nennen wir es nicht Geschäftsreise, sondern Flitterwochen", erklärte Emily überzeugend, löste sich aus der Umarmung und fasste Gray an der Hand, um sier in die Küche zu führen.
,,Ich habe Frühstück gemacht", sagte sie verschmitzt. Ich habe sogar deine Lieblingsmarmelade von meiner Mutter da."
,,Es ist halb vier morgens!", lachte Gray aber sier ließ sich dennoch auf einen der Küchenstühle nieder und betrachtete den liebevoll angerichteten Tisch.
,,Na und?", fragte Emily, ,,Die letzten acht Tage haben wir gar nicht gemeinsam gefrühstückt. Das müssen wir jetzt nachholen."
Sie nahm die Teekanne von der Anrichte und setzte sich gegenüber von Gray, um ihnen beiden etwas einzuschenken. ,,Außerdem... habe ich darüber nachgedacht, was du zu mir gesagt hast, bevor du abgereist bist."
Gray zog die Augenbrauen nach oben. Sier erinnerte sich an das Gespräch. Natürlich tat er das. Emily musste viel darüber nachgedacht haben, wenn sie es nun ansprechen wollte.
Sie hatten sich ein kleines bisschen gestritten, bevor Gray abgereist war. Nicht ohne sich noch einmal zu entschuldigen, denn sie wollten niemals im Streit außeinandergehen, aber dennoch war der Gedanke beiden lange im Gedächtnis geblieben.
,,Ich weiß, du wünscht dir Kinder", begann Emily, und spielte nervös mit dem Henkel ihrer Tasse herum. ,,aber ich glaube, ich bin noch nicht bereit dafür. Ich möchte reisen, die Welt sehen und noch so viel erleben. Mit dir. Aber nicht mit einem Baby."
Gray nickte verständnisvoll.
,,Ich weiß. Und ich habe auch darüber nachgedacht. Wir sind jung. Wir haben noch ein ganzes Leben vor uns und ich denke, ich bin bereit zu warten, wenn du das möchtest. Es tut mir leid, dass ich so darauf gedrängt habe. Wir haben alle Zeit der Welt."
Emily lächelte dankbar und stand von ihrem Stuhl auf, um Gray zu umarmen. ,,Danke", flüsterte sie erleichtert. Gray erwiderte die Umarmung und als sier über Emilys Schulter hinwegsah, sah sier Leonardo die Küche betreten.
,,...Außerdem haben wir ja schon drei fellige Kinder. Katzenkinder", merkte sier an und Emily kicherte leise, bevor sie sich aus der Umarmung löste und sich zu dem Kater umdrehte.
,,Na? Hast du auch Hunger?"
______
Gray erinnerte sich gut an diesen Tag. Sier erinnerte sich, wie sier die Türklinke zu ihrer gemeinsamen Wohnung heruntergedrückt hatte und eingetreten war. Auf dem Arm eine Einkaufstasche, die bis zum Rand mit Lebensmitteln gefüllt war. Es war einer der wenigen Tage gewesen, an dem sier früh von der Arbeit nach Hause gekommen war und Emily noch im Krankenhaus gearbeitet hatte. Sier hatte sie eigentlich mit einem selbstgekochten Dinner überraschen wollen, doch als sier das Licht in der Küche umständlich mit dem Ellenbogen angemacht hatte, sah sier siere Freundin am Küchentisch sitzen und an die weiße Wand starren.
,,Emily?", hatte sier gefragt. ,,Was machst du denn schon hier?"
Sie hatte nicht geantwortet, hatte nicht gewusst, was sie sagen sollte. Sie hatte nur stumm jede von Grays Bewegungen mit den Augen verfolgt und ihm dabei zugesehen, wie sier die Einkaufstasche auf die Anrichte stellte.
,,Was ist das für ein Geräusch?", hatte Gray weiter gefragt und wieder hatte sier die gleiche Antwort bekommen.
Sier hatte danach die Tür zum Badezimmer geöffnet und sier war sofort das Wasser entgegengekommen, das knöchelhoch im ganzen Raum stand. Gerade noch rechtzeitig war sier einen Schritt zurückgewichen, bevor sie das Wasser berühren konnte, denn gerade noch rechtzeitig hatte sier ebenfalls erkannt, dass einige Steckdosen unter der Wasseroberfläche waren und dass sogar der Fön auf dem Boden gelegen hatte.
Sier hatte sich beeilt, zum Sicherungskasten zu kommen und den Strom abzustellen, bevor sier zum Bad zurückkehrte, und das Wasser in der Badewanne zudrehte.
Danach hatte sier sich im Raum umgesehen, doch bevor Gray auch nur einen Gedanken an all den Schaden verschwenden konnte, hatte sier die beiden Katzen entdeckt, die auf dem Fensterbrett gesessen hatten. Und es brauchte nur ein Senken der Augen, bis sier das nasse, schwarze, regungslose Bündel auf dem Boden erkannt hatte.
Sier war zu Emily zurückgerannt, sier hatte begonnen, zu weinen und hatte Mühe, siere Stimme nicht zu heben. ,,Was ist passiert?", hatte sier Emily gefragt und weil Emily nicht gleich geantwortet hatte, hatte sier sie nochmal gefragt. Und nochmal.
,,Ich wurde entlassen", hatte Emily leise gekrächzt, aber das hatte Gray nicht ausgereicht. ,,Was ist es noch?", hatte sier gefragt und war Emily sehr nahe gekommen, um ihr in die nassen Augen sehen zu können.
,,Ich habe es", hatte Emily geantwortet und Gray wusste, was sie meinte, doch wollte es nicht glauben.
,,Was hast du?", hatte sier deswegen gefragt.
,,Ich habe Sumprea Homra."
Gray war Emily in die Arme gefallen und sie hatten beide geweint. Lange geweint.
,,Wir schaffen das", hatte Gray dann festgelegt. ,,Wir bezahlen die Therapie von den Ersparnissen für das neue Auto. Und ich habe immer noch einen Teil des Erbes. Die Diagnose war bestimmt früh. Wir haben alle Zeit der Welt."
______
Stürmisch öffnete Gray die Tür zum Krankenzimmer. Sier fiel Emily um den Hals, die sich gerade im Bett aufgesetzt hatte, und sie erwiderte die Umarmung lächelnd.
,,Du bist gerettet!", rief Gray.
,,Was... Was ist passiert?", fragte Emily verwirrt.
,,Wir haben gerade den Gentilhomme getroffen. Er wird die Kosten für die Therapie übernehmen! Oh mein Gott! Du bist gerettet!"
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