
Schatz?
„Das sieht aus wie... nichts." Luam wusste die Striche auf dem Tuch in der Ecke nicht einzuordnen. Erst dachte er, es wären Initialen gewesen die ihnen vielleicht weitergeholfen hätten, doch nun war er sich nicht mehr sicher.
„Falsch." Marthas Stimme klang entschlossen. „Schau mal. Wenn du das Tuch nicht so, sondern andersherum hältst,", sie drehte das Tuch, „dann sieht man klar den Weg, der auf der Karte verzeichnet war. Wenn wir dem jetzt folgen könnten... dann... sieht das aus wie das Ziel! Hier!" Sie wies auf ein klitzekleines X, welches an einer Stelle in das Tuch gestickt war. Luam kniff die Augen zusammen, um in der blendenden Sonne besser sehen zu können. „Du hast Recht! Das könnte es sein!"Suchend blickte er sich um. Er runzelte die Stirn. "Aber wir haben hier bereits alles gesehen. Die Insel ist klein. Wir finden hier noch nicht mal etwas Essbares. Wo sollte das denn bitte hier sein?" Herausfordernd sah er Martha an, doch sie konnte noch etwas anderes in seinen Augen lesen. Angst. Zweifel. Schmerz. Alles, wofür sie sich aufgeopfert hatte, sah aus, als wäre es umsonst gewesen. Doch das war es nicht. Behutsam ergriff Martha das Wort: "Findest du nicht, dass ein kleiner, unscheinbarer Ort ohne Nahrung, zu dem sogar eine Brücke führte, ein super Platz für einen Schatz ist? Und wo außerdem das X auf der Karte liegt?"
Luams Blick wanderte gen Boden. Er sah betroffen aus. "Oh. Natürlich. Das ist logisch, da hätte ich schon viel früher drauf kommen können, entschuldige."
Und mit einem Mal brach alles über ihm zusammen. Martha konnte genau sehen, wie sich seine Augen verdunkelten, sie sein Körper vor Schmerz krümmte und schließlich entkräftet zu Boden sank. Sie sprang auf, kniete sich neben ihm nieder und legte seinen Kopf in ihren Schoß. Eine Träne sickerte in ihren Rock, doch es störte sie nicht. Zart strich sie ihm über seine wilden Locken. "Luam, das ist nicht deine Schuld. Du kannst da überhaupt nichts für. Beruhige dich. Shhhh..."
Sie blieben lange so sitzen. Die Anstrengungen, die Entbehrungen, die Angst um ihr Leben. Alles war zu viel geworden. Nach einer Weile richtete sich Luam wieder auf. Er wischte sich noch einmal über die Augen, dann räusperte er sich. "Doch... eigentlich... ist es sogar meine Schuld. Ich wollte sie mir einfach nur nicht eingestehen." Martha sah ihn verwirrt an und schüttelte den Kopf. "Nein, so ist es nicht! Du konntest doch nicht ahnen, dass unser Dorf geplündert wurde! Du darfst es dir nicht zum Vorwurf machen und-..." Luam unterbrach sie mit einer Geste. "Martha, hör mir zu. Als sie kamen. Nein. Bevor sie kamen, da habe ich sie gesehen. Die Plünderer. Ich war in der Nähe, als ich Stimmen hörte. Sie klangen so anders, so... hasserfüllt. Ich habe mich näher geschlichen und sie belauscht. Sie sprachen von ihrem Chief und das dieser sein Land erweitern wolle. Ich bekam mit, wie der Barde den kleinen Clan auf ihren Krieg einstimmte... doch er sollte noch nicht stattfinden. Ich dummer Trottel bin dann auf einen Ast getreten... dadurch habe ich sie aufgescheucht. Sie sind mir bis ins Dorf auf den Fersen gewesen und als sie an unserer Kirche ankamen, da hab ich mich versteckt. Ich bin in die Kirche rein, habe die Karte für den Schatz zu mir genommen und bin weg gerannt. Ich wusste, was dann geschehen sollte. Ich habe nichts dagegen getan. Nichts. Martha, verstehst du? Es ist meine Schuld, dass sie uns gefunden haben! Sie wollten uns noch nicht einmal plündern! Ich bin so dumm gewesen. In meiner Angst bin ich... wie konnte ich nur keinem davon erzählen?! Und jetzt... ist dir klar, was passieren wird? Unser Clan wird das nicht auf sich sitzen lassen! Die werden zurückschlagen! Ich habe einen Clankrieg ausgelöst und nichts, rein gar nichts dagegen getan!"
Kein Wort verließ Marthas Lippen. Sie war geschockt. Doch sie war nicht so geschockt, wie Luam es erwartet hatte. "Los! Schubs mich, tue irgendetwas!", rief er verzweifelt. "Schrei mich an, nennn mich wie du möchtest. Ich habe es ja nicht anders verdient." Flehend sah er Marha an. Doch was er in ihrem Gesicht las, war kein Zorn und auch keine Verachtung. Es war viel mehr... ein Lächeln. Bedacht ergriff sie schließlich das Wort: "Luam. Du hast vielleicht körperlich nicht gekämpft, doch du hast die Karte mitgenommem. Instinktiv hast du das eingesteckt, was du retten konntest. Und jetzt verstehe ich auch. Als wir in die Kirche liefen und die Karte verschwunden war, da wusstest du, wo sie ist. Du hast sie da raus genommen, damit sie der Clan nicht finden kann. Er weiß zwar, dass etwas wichtiges existiert, doch er hat keine Beweise in der Hand. Und bitte. Mache dir keine Vorwürfe. Was passiert ist, ist passiert, das ändert nun nichts an der Gegenwart. Das einzige, was wir jetzt tun können: Lass und den Schatz finden!"
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