Kapitel 9 : Jess Sicht
Es ist einfach nur schrecklich.
Jeden Tag gibt es Kartoffeln mit Hühnchen.
Jeden Tag bekomme ich nur ein kleines Stückchen Freiheit zu sehen.
Jeden Tag sehe ich,wie Liz immer mehr unter der Situation leidet.
Jeden Tag werde ich ein Stückchen dünner.
Morgens um sieben Uhr werden wir aus den Betten geholt. Um neun Uhr gibt es Feldarbeit auf dem Garten des Hochsicherheitsgefängnisses.
Um halb eins bekommen wir Mittagessen.
Um halb drei werde ich jeden Tag geschult , damit ich nicht verblöde.
Dann gibt es noch Anti-Suizid-Unterricht. Zwei verdammte Stunden lang.
Und abends haben wir wenigstens ein bisschen Freizeit.
Liz und ich waren die Jüngsten hier.
Ich konnte mich recht gut wehren , aber Liz traf es jeden Tag mehr.
Wie jedes mal um die Mittagszeit sah ich die graue Wand unserer Zelle an.
Wir schliefen in zwei Stockbetten , und diese waren sehr hart.
Wir hatten keine Freiheit mehr.
Jedes mal , wenn ich diese Wand ansah , dachte ich nach. Und dieses mal war es besonders schlimm.
Warum hatte ich nur bei dieser Aktion mitgemacht?
Mein Vater wäre enttäuscht von mir.
Dabei stiegen mir Tränen in die Augen.
Mein Vater war das Wichtigste in meinem Leben. Ja , er WAR es.
Er ist an einem Herinfarkt gestorben,als ich zehn war.
Jeden Monat besuchte ich sein Grab in Phoenix,wo wir füher gewohnt hatten, und erzählte ihm von mir. Meinen Sorgen und Ängsten.
Er war für mich ,was für andere ein Tagebuch ist.
Mein Ein und Alles.
Nachdem er tot in seinem Bett aufgefunden wurde , bekam ich solch einen Schock , dass ich mit niemanden mehr geredet habe.
Mein Herz war vor Traurigkeit gebrochen.
Ich dachte nur an sein aufmunterndes Lächeln und ich vermisste ihn wie niemand anderen.
Wir zogen also vom sonnigen Phoenix nach Tucson , wo ich mich sofort mit Liz anfreundete.
Nach und nach kamen auch noch Madison , Blair und Carrie dazu.
Naja , genug getrauert.
Es klingelte gerade zur Schulung und wir liefen zu einem Raum , in dem Viele Holzbänke standen.
Ich setzte mich mit der abwesenden Liz in die dritte Reihe ans Fenster.
Ein Mann namens Mister Silver kam herein.
Er galt als sehr streng und das stimmte auch...
Mister Silver nickte uns kühl zu und ließ einen riesigen Stapel voller Arbeitsblätter auf das Pult fallen.
" So , heute müsst ihr diese ganzen Arbeitsblätter ausfüllen und noch einen Aufsatz über das Thema,das euch noch gesagt wird , schreiben.
Er sollte mindestens fünf Seiten umfassen.",sagte er monoton.
Was?!Zwei Stunden für diese ganzen Sachen???Der spinnt doch...
Seufzend nahm ich mir die zusammengetackerten Arbeitsblätter und reichte den Stapel weiter.
Ich zählte erstmal die Seiten.10.Ist das sein Ernst?! Und dann noch ein Aufsatz?!
Liz seufzte leise und nahm sich einen Bleistift.
Ich griff ebenso nach einem und sah mir die erste Aufgabe an.
'LOGISCHES DENKEN' stand in Großbuchstaben darauf und darunter war ein Sudoku abgebildet.
Och nee...ich hasse Sudoku!
Ähm...kommt da jetzt eine eins hin oder eine sechs?!
Während alle auf ihren Blättern herumkritzelten,erklärte Mister Silver:"Ich werde nach der Reihenfolge euch aufrufen und euch draußen euer Aufsatzthema sagen. Verstanden?"
Wir nickten brav und er rief:"Leslie Averdell!"
Eine wahre Schönheit mit einer beneidenswerten Figur Folgte ihm hinaus.
Kurze Zeit später kam sie wieder.
Dann wurde der oder die Nächste geholt und so ging das immer weiter.
"Jessica King."
Ich ließ meinen Stift liegen und ging nach draußen.
Er lehnte an der Wand und sagte:"Für dich habe ich ein ganz besonderes Thema. Und zwar Gefühle. "
Ich drehte mich wortlos um und stapfte zurück.
Liz sah mich fragend an und ich flüsterte:"Gefühle."
"Na geil...",flüsterte sie zurück.
"Alice Teverland."
Liz stand augenverdrehend auf und verließ den Raum.
Alice.Liz. Eigentlich heißt sie ja Alice und wir haben einen Spitznamen gesucht. Aber da uns Al oder Lice nicht gefallen hat , haben wir uns Ally ausgedacht.
Aber die liebe Alice fand den Namen nicht passend , weil er anscheinend zu mädchenhaft wäre.
Also schlug Alice Liz vor. Ein sportlicher , taffer Name.
Und seitdem ist sie nicht mehr Alice Teverland, sondern einfach nur Liz.
Kurze Zeit später ließ sie sich auf ihren Platz fallen und verdrehte die Augen:"Suizid."
Ich nahm mir ein leeres Blatt und schrieb in Großbuchstaben: AUFSATZ-GEFÜHLE
Hmm...was soll ich bloß schreiben?
Ich starrte aus dem Fenster.
Viele Häftlinge arbeiteten in den Gemüsebeeten.
Die orangene Kleidung war so leuchtend und bildete einen krassen Kontrast zur grauen Wand , die das Gefängnis von der Außenwelt ausgrenzte.
Da kam mir plötzlich eine Idee.
Ich schrieb das Wort 'Freiheit' auf.
Und plötzlich entstand ein ganzer Text...
Freiheit.
Täglich gefangen ohne Rechte.
Was habe ich getan?
Ich habe ein Auto gestohlen.
Den Rest will ich gar nicht erst erwähnen.
Warum habe ich es nicht gelassen?
Mein Vater ist so enttäuscht von mir.
Es wäre besser , wenn ich die Todesstrafe bekommen würde.
Meine beste Freundin Alice Teverland leidet jeden Tag mehr und mehr.
Ich muss jeden zusehen, wie meine Liebste Freundin im Unglück versinkt.
Und warum?
Nur weil wir ein Auto gestohlen haben.
Ich will doch nur mein Leben leben.
YOLO!
Aber nein , mit meinen sweet sixteen muss ich ins Hochsicherheitsgefängnis.
Hier werde ich unterdrückt , unterschätzt , schlecht behandelt und jeder denkt , dass ich eine dieser Typischen Verbrecher bin.
Aber nein!
Ich hatte kein leichtes Leben , aber ich war ein normales Mädchen!!!
Ich wollte nur etwas erleben , bevor ich erwachsen werde!
Ich will lieben , reisen , Kinder kriegen und schlussendlich sterben.
Ich finde den Tod nicht schlimm.
Er kommt und ich werde mich nicht fürchten.
Wozu auch?
Ich habe doch alles erlebt , was ich wollte.
Aber auf einmal sind alle meine Träume zerplatzt.
Na danke.
Ich hatte noch nicht mal meinen ersten Kuss...
Ich habe zwar jemanden gefunden , den ich süß finde , aber er mag mich bestimmt nicht...
Er heißt Bennet.
Achtzehn Jahre alt , auch ein Häftling.
Sein Verbrechen :Er ist ein Mörder. Viele werden jetzt denken , dass er total skrupellos ist , aber das stimmt nicht.
Er hat mir nämlich den Grund erzählt...
Seine Eltern sind geschieden.
Eines Tages wurde seine Mutter vergewaltigt und er war dabei!!!
Er schwor sich , den Vergewaltiger zu finden und umzubringen!
Nun ja , den Rest könnt ihr euch denken.
Ich will einfach nur hier raus.
Gott...wo bist du?!Ich brauche dich!
Meine Hand schmerzte bereits , als ich den Stift zur Seite legte.
Sieben Seiten.
Das würde reichen.
Ich stand auf und legte die Arbeitsblätter mitsamt Aufsatz vor Mister Silver.
Erstaunt sah er mich an:"Es ist erst eine Stunde vergangen."
Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern und er deutete auf die Tür.
Ich stolzierte hinaus und sah mich um.
Kurzerhand entschied ich , nach draußen zu gehen und das winzige bisschen Sonne zu genießen.
Ich setzte mich auf eine der Bänke ganz in der Nähe eines Baumes und schloss genussvoll meine Augen.
Plötzlich umarmt mich jemand von hinten und eine tiefe Stimme lacht.
" Hey Jess."
Ich atme seinen herben Duft ein und öffne meine Augen.
"Hey Bennet."
Er setzte sich neben mich und musterte mich mit seinen fast schwarzen Augen.
" Schau mich doch nicht so an...",kicherte ich mit brennenden Wangen.
"Aber du bist so hübsch.",gab er frech zurück.
Oh , Erdboden , tu dich auf!
Wir verbrachten einen Spaßigen Nachmittag und irgendwann schaute ich auf die Uhr.
Was???Es ist sechs Uhr!
"Sorry Bennet , aber ich habe den Unterricht vergessen!Bye!"
Ohne nochmal zurückzuschauen rannte ich zum Raum.
Keuchend öffnete ich die Tür und alle Blicke richteten sich auf mich.
Die alte Lehrerin , deren Namen ich schon wieder vergessen hatte , sagte mit Seelenruhiger Stimme:"Das gibt eine Strafe. "
Sie drückte auf einen Knopf und ein Polizist kam augenblicklich herein.
Er packte mich am Arm und ich musste mich zusammenreißen, um nicht laut loszuschreien.
Sein Griff war so fest , dass ich das Gefühl hatte , er würde mein Blut abschnüren...
Er stieß mich in eine Art Kammer.
Doch als ich sah , was darin war , könnte ich auf der Stelle umfallen.
Es war eine Folterkammer.
Der Polizist zeigte Wortlos auf eine Steinbank.
Ich legte moch mit dem Bauch darauf und er Schien irgendetwas zu holen.
Dann schwang er etwas und ließ es auf meinen Rücken heruntersausen.
Scheiße, eine Peitsche!
Ich schrie vor Schmerzen und er schlug insgesamt fünf Mal zu.
Ich hatte schon das Gefühl ohnmächtig zu werden , als er mit dem Teufelsding meinen Rücken demolierte.
Er brachte mich darauf zur Krankenschwester, die mir eine Salbe gab.
Unter Höllenschmerzen kämpfte ich mich bis zu unserer Zelle durch , wobei ich permanent von Wachmännern beobachtet wurde.
Der einigermaßen nette Wachmann öffnete mir die Tür und ich ließ mich auf meinem Bett nieder.
Aber davor hob ich das orangene T-Shirt an und drehte mich vor dem Wandspiegel um , damit ich meine Wunden betrachten konnte.
Ich fiel fast um , als ich die blutigen Striche sah.
Klar tat es höllisch weh , aber es wirkte schlimmer , als es eigentlich war.
Seufzend rieb ich meinen Rücken so gut es ging mit der Salbe ein und guckte aus dem kleinen Gitterfenster.
In diesem Moment sagte eine Mädchenstimme:"Jess...komm , wir werden ein Verhör durchmachen. "
Liz.
Ich drehe mich um und behalte meinen aufrechten Gang bei, als ich an den Polizisten vorbeilaufe und mich neben Liz stelle.
Ich umarmte sie und blickte dem Polizisten, der uns beobachtet hatte , kalt in die Augen.
Wir waren fast auf Augenhöhe , da ich mit meinen 1,73m nicht gerade klein war.
Ich nahm ihre Hand und sie drückte meine fest. Ich weiß, dass sie Angst hat...
Wir dackelten den Beamten hinterher und der Blonde mit den giftgrünen öffnete uns die Tür. Liz sah ihn irgendwie bewundernd an, während ich schnurstracks auf die Stühle zusteuerte und mich vorsichtig darauf niederließ.
Trotzdem brannte mein Rücken höllisch...
Meine beste Freundin platzierte ihr Hinterteil auf den Sessel neben mir und gegenüber von uns ließ sich der Polizist von gerade nieder.
Er räusperte sich und fing an:"Miss Teverland und Miss King , wir unterziehen Sie jetzt einem Verhör.
Miss Teverland , folgen Sie bitte meinem Kollegen in das Nebenzimmer.
Miss King , bleiben Sie bitte sitzen. Ich werde gleich kommen."
Also musste ich zusehen , wie Liz Am Arm gepackt wurde.
Bevor die Tür zuschlug, schrie ich noch schnell:"Gas fua ieknen lafl wteas!!!"
Es war unsere Geheimsprache (uns war langweilig gewesen!).
Der Satz bedeutete:Sag auf keinen Fall etwas!
* Leute , eine Aufgabe an euch.
Rätselt mal ein bisschen, wie die Geheimschrift wohl funktionieren könnte...nächstes Mal bei Liz wird es aufgelöst😉*
Ich konnte ihre Reaktion nicht mehr sehen und widmete mich dem Fusel , der auf dem Tisch lag.
Ah...ein Fusel , sooo spannend!
"So , da bin ich wieder. Also Miss King,Sie haben was getan? "
"Ich habe einen Autodiebstahl begangen.",sagte ich zähneknirschend.
" Waren außer Ihnen und Miss Teverland noch andere beteiligt?"
Ich blieb still.
Was Maddy und Carrie wohl gerade machen?
"Miss King.",drängte der Grünäugige sanft.
'Mister Dallas' konnte ich auf seinem Schild lesen.
"Mister Dallas.",gab ich kühl zurück.
Er merkte wohl , dass ich eine Harte Nuss bin , denn er seufzte kaum merklich.
" Waren andere an dem Verbrechen beteiligt?"
"...Nein."
Ich muss die anderen schützen...
Er stöhnte genervt auf und nahm meine Hand.
Verwirrt blickte ich ihn an und er zog mich zu unserer Zelle.
Grob schubste er mich hinein.
"Ich sehe , was wir aus der anderen herausbekommen. "
Dann ging er schnellen Schrittes davon und ließ mich auf dem Boden sitzen.
Ich dachte ein wenig an Bennet.
Er war so toll...
Ich kannte ihn jetzt seit drei Wochen...
Gott liebte mich wohl, denn genau in diesem Moment wurde die Tür geöffnet und BENNET kam herein.
"Was machst du denn für ein Gesicht? ",fragte er erschrocken.
Ich zeigte ihm die Wunden;das Verhör erwähnte ich zur Sicherheit nicht.
Er zog scharf die Luft ein.
Vorsichtig strich er darüber und ich wimmerte leise.
Sofort zog er seine Hand zurück und murmelte ein 'Sorry'.
"Soll ich dir den Rücken Mit der Salbe eincremen?",bot er fürsorglich an.
Ich nickte erfreut und er machte sich ans Werk.
Kurze Zeit später war er fertig und legte seinen Arm um mich. Ich kuschelte mich an ihn und dachte so einen Schrott wie 'Jessica Graham oder Bennet King?'.
Er nahm mich irgendwann ganz in den Arm und ich drückte mich an ihn.
"Es ist alles gut , Jess.",beruhigte der mich mit seiner melodischen Stimme,"Ich bin immer für dich da,Kleine (wie ironisch😂)."
Und dieser Moment brachte mir eine Erkenntnis:Ich finde Bennet nicht süß.
Ich liebe ihn.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Danke Elisa😍💘
Für DAS 😀👆
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro