Kapitel 6: Ein Schlag und ein Verbot
Bakugous PoV
Ich stand vor Eijirous Tür und biss mir auf die Lippen. Wieso hatte ich das getan? Als ich den Raum verlassen hatte, hatte es sich so falsch angefühlt. Ich wollte ihn nicht einfach so verlassen, nur weil es irgendein Zeitlimit vorsah. Noch nie zu vor hatte ich so schnell Gefühle für jemanden entwickelt. Eigentlich war es mir generell neu, dass ich mich zu jemanden in dieser Weise hingezogen fühlte. Es war neu, dass ich mich so sehr um jemanden sorgte, den ich kaum kannte.
Seufzend fuhr ich mir durch die aschblonden Haare. Dies hier sollte doch einfach nur ein strategischer Schachzug werden, damit selbst die Kaiserin einsah, dass ich nicht zum Herrscher geeignet war. Wie hätte ich denn damit rechnen sollen, dass ich im Zuge dessen jemanden wie Eijirou kennenlernte?
Langsam ging ich den Flur entlang und stieg die Treppen herunter. Die Musik aus dem Clubraum dröhnte laut, doch ich nahm sie kaum war, während ich mich zum Ausgang begab.
„Hey!", hielt mich eine Stimme zurück. Aus meinen Gedanken gerissen, sah ich auf. Es war wieder die Dame vom Tresen. Stirnrunzelnd ging ich auf sie zu. „Du hast die Zeit überzogen. Es tut mir leid, aber ich muss das leider berechnen."
Ich zuckte mir den Schultern. „Mach das."
Sie legte den Kopf schief, auf den Lippen ein verschmitztes Lächeln. „Ich habe übrigens die Information, dass", sie senkte die Stimme zu einem Flüstern, „ein Bakugou dieses Etablissement besucht zurückgehalten. Ich dachte mir, dass du sicherlich nicht möchtest, dass das an die Öffentlichkeit gelangt."
Ich musste ein Stöhnen unterdrücken. Hatte ich hier etwa das einzige Bordell erwischt, das tatsächlich versuchte seriös zu sein? Ich biss mir auf die Lippen, als ich über meine nächsten Worte nachdachte. „Das ist sehr nett, Mindy.", sagte ich als ich das kleine Namensschildchen an ihrem Korsett bemerkte. „Aber ich schäme mich nicht meiner Taten. Hätte ich es verheimlichen wollen, hätte ich dir gar nicht erst meinen Namen genannt."
Ein kleine Falte hatte sich zwischen ihren Augenbrauen gebildet. „Du bist der Prinz! Und außerdem scheinst du mir ein guter Kerl zu sein! Ich möchte nicht, dass dein Ruf in Gefahr gerät. Und dass dieses Bordell in einem schlechten Licht erscheint möchte ich auch nicht!" Ihre sanfte Stimme war ein wenig energischer geworden.
Ich fuhr mir über das Gesicht. Unwillkürlich musste ich an Eijirou denken, der gerade oben in seinem Zimmer auf den nächsten Kunden wartete. Natürlich wollte ich auch nicht, dass er durch mein Handeln in Schwierigkeiten geriet. „Wie gesagt, Mindy. Ich schätze deine Achtsamkeit. Dennoch möchte ich sein dürfen, wer ich bin. Ich möchte mich nicht verstecken müssen."
Erst als ich dies ausgesprochen hatte, wurde mir bewusst, wie sehr diese Aussage stimmte. Auch wenn sich dies auf einen anderen Aspekt meiner selbst bezog, war es doch genau das, was der Grund für mein rebellisches Handeln war. Ehrlicher hätte mein Statement nicht sein können.
Doch Mindy schien das gar nicht zu gefallen. Sie verschränkte die Arme, was ihre Brüste noch mehr in den Vordergrund rückte und ihre hellen Augen starrten mich abschätzig an. „Ich glaube dir ist gar nicht bewusst, wie gut du es hast!", sagte sie vorwurfsvoll. „Wieso willst du das alles wegwerfen?"
Meine Augen verengten sich zu Schlitzen und Wut wallte in mir hoch. „Was weißt du denn schon?", zischte ich voller Zorn. „Für dich mag die Vorstellung in einem Palast zu wohnen und herrschen zu dürfen vielleicht wie ein Traum vorkommen. Aber ich sag dir jetzt mal eines: Du hast keinen blassen Schimmer, was hinter diesen Mauern vor sich geht und was bei uns in der Familie los ist. Wage es also nicht über meine Entscheidungen zu urteilen!"
„Willst du mir jetzt etwa drohen?", rief sie aufgebracht.
Ich biss die Zähne zusammen. „Was daran war jetzt bitte eine Drohung?", fragte ich sie zornig. „Du sollst einfach nur nicht das Maul über Dinge aufreißen, von denen du nichts verstehst!" Ohne, dass ich es wollte hatte auch ich meine Stimme erhoben. Ich spürte, wie das Adrenalin durch meine Adern strömte, während ich die Fäuste ballte. Ich bemühte mich, mich zurückzuhalten, doch der Drang etwas zu zerschlagen wurde immer größer.
„Gibt es hier ein Problem?", fragte eine tiefe Stimme hinter uns.
Abrupt drehte ich mich um. Hinter mir standen drei Männer, die soeben aus dem Clubraum hinter mir herausgetreten waren. Sie waren bullig, hatten die Arme verschränkt und musterten mich missbilligend.
„Nein gibt es nicht.", zischte ich genervt.
Doch die Männer schauten nicht zu mir, sondern sahen abwartend zu Mindy. Diese zuckte ein wenig unbehaglich mit den Schultern. „Nein. Alles in Ordnung.", sagte sie. Doch in ihrem Gesicht stand noch immer die Wut, weshalb ihre Aussage wenig glaubwürdig erschien.
„Ihr habt es gehört. Also zischt ab.", knurrte ich.
Einer der Männer, er trug ein Holzfällerhemd und roch abstoßend stark nach Schweiß, ging auf mich zu und stellte sich unangenehm dicht vor mich. Ich wich nicht zurück und da er deutlich größer als ich war, musste ich den Kopf in den Nacken legen. Verächtlich sah er auf mich herab. „Mit dir hat keiner geredet, du reiches Bürschchen. Was hat einer wie du hier überhaupt verloren?", fragte er gehässig und bohrte seinen klobigen Zeigefinger in meine Brust.
„Pass auf mit wem dich anlegst.", sagte ich knurrend. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Mindy hektisch hinter dem Tresen hervorkam, anscheinend Böses ahnend. Aber mir war es egal. Ich war wütend und wenn sich mir dieser Mann in den Weg stellte, hatte er selbst Schuld.
Der Mann lachte hämisch. „Drohst du mir Kleiner? Rufst du jetzt deinen Bodyguard, damit er mich für dich verprügelt? Wir wollen ja nicht das dein hübscher Mantel dreckig wird." Er rieb den Stoff meines Kragens mit Daumen und Zeigefinger.
Erst als meine Faust in den Kiefer des Mannes krachte, realisierte ich, dass ich zugeschlagen hatte. Zum ersten Mal verfluchte ich die sensiblen Rezeptoren an meinen Händen, die den Schmerz des Aufpralls eins zu eins nachempfanden. Doch egal wie feinfühlig meine Hand konstruiert war, wie geschmeidig die spezielle Legierung an der Oberfläche sich auch anfühlte oder wie exakt sich die Wärmerezeptoren an meine Körperwärme anpassten: meine Hand war aus hartem, unnachgiebigem Metall. Und das bekam der Kiefer meines Gegenübers zu spüren.
Der Mann jaulte auf und sofort waren die beiden anderen Männer da und hielten mich fest. Ich wand mich in ihren Griffen, doch sie waren stärker. An dem deformierten Knochen konnte ich sehen, dass ich dem Mann mit dem Holzfällerhemd den Unterkiefer gebrochen hatte.
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Wenig später saß ich in einem der hofeigenen Hover-Cars, auf dem Weg zurück in den Palast und schaute aus dem Fenster. Jemand hatte sofort die Ordnungshüter angerufen und sie waren mit Blaulicht und Sirenen vorgefahren. Sie haben die Zeugenaussagen aufgenommen. Bis sie mich nach meinem Namen fragten, hatten weder Mindy noch ich erwähnt, dass ich der Prinz war.
Als dies schließlich ans Licht kam, hatte der Mann dessen Kiefer ich gebrochen hatte, erneut angefangen mich wild zu beschimpfen. Ich wusste, dass ich zu weit gegangen war. Schon immer hatte ich ein hitziges Temperament besessen, aber bisher hatte ich es meistens entweder zurückhalten oder an einem privateren Ort ausleben können.
Ich seufzte und rieb mir über das Gesicht.
„Was hast du dir dabei gedacht?", fragte Mina leise und warf mir vom Fahrersitz einen besorgten Seitenblick zu. „Ich bin mir sicher, dass das morgen das Thema Nummer eins in der Presse sein wird." Ihre bernsteinfarbene Iris leuchtete aus dem Schwarz ihrer Augen hervor. Sie war der einzige Cyborg, den ich kannte, der seine Andersartigkeit als modisches Accessoire zur Schau trug. Zwar verschafften ihr ihre pinken Haare und das Schwarz ihrer Augen einen äußerst exzentrischen Look, aber er passte zu ihr. Und ich musste mir eingestehen, dass ich ein wenig neidisch darauf war, dass sie ihre Persönlichkeit so offen ausleben konnte.
„Da wirst du recht haben.", sagte ich monoton. Ich wusste nicht was ich fühlen sollte. War es nicht genau das, was ich erreichen wollte? Einen Skandal über den ungehörigen Prinzen?
Mina schwieg. Sie wusste wie wenig ich mich mit meinem Schicksal abfinden konnte. Vielleicht ahnte sie schon, aus welchem Grund ich in dem Bordell gewesen war, doch sie erwähnte es nicht. Stattdessen konzentrierte sie sich auf den Verkehr, während sie mich in den Palast zurückbrachte.
Die Fahrt hätte für meinen Geschmack ein wenig länger dauern können. Doch mit dem Hover waren wir schon nach knapp zehn Minuten vor den Palasttoren. Die Wachen öffneten uns das Tor und Mina fuhr den Weg hinauf. Wir kamen direkt vor der repräsentativen Eingangstür zum Stehen und das Cyborg-Mädchen stieg aus. Ich rührte mich nicht.
Mina bemerkte, dass ich ihrem Beispiel nicht folgte, ging um den schwarzen Wagen herum und öffnete mir die Tür. „Seit wann muss ich dich extra bitten aus dem Hover auszusteigen?", fragte sie stirnrunzelnd.
Ich warf ihr einen genervten Blick zu, bevor ich schließlich auch aus dem Hover ausstieg. Mina warf die Tür hinter mir ins Schloss und eilte mir hinterher, als ich auf die Tür zuging. „Die Kaiserin möchte mit der sprechen.", sagte sie als sie mich eingeholt hatte.
Ich nickte steif. Damit hatte ich schon gerechnet. Zusammen bogen wird in den Westflügel ab, um zum Thronsaal zu gelangen. Vor der großen verzierten Tür zog sich Mina zurück, nicht ohne mir vorher aufmunternd auf die Schultern zu klopfen. Ich zögerte kurz, dann öffnete ich die schwere Tür.
Vor mir erstreckte sich der Thronsaal. Zumindest hieß er offiziell so. Aber meine Mutter war noch nie sonderlich konservativ gewesen und so sah dieser Saal eher aus wie ein gigantisches Arbeitszimmer. Am Ende befand sich ein großer Schreibtisch, an der die Kaiserin saß und über einem Hologramm brütete.
Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, sah sie auf. Stechend rote Augen, die meinen so ähnelten, fixierten mich, als ich auf sie zuging. „Da ist ja mein missratener Sohn!", grüßte sie mich.
„Ach halt doch die Klappe.", knurrte ich zurück. „Du wolltest mich sehen?"
Sie seufzte, erhob sich von ihrem Stuhl und ging um den Schreibtisch herum. Einen Moment Stille herrschte, als sie sich direkt vor mich stellte. Dann gab sie mir eine schallende Ohrfeige. Mein Kopf flog zur Seite und ich hielt mir unwillkürlich meine brennende Wange.
„Fuck! Was sollte das denn, du alte Hexe!", keifte ich sie an.
„Das hattest du verdient und das weißt du.", fauchte sie zurück. Ich biss die Zähne aufeinander. Ja, ich hatte es verdient. „Ich weiß nicht genau was du vorhast, aber ich lasse nicht zu, dass du dein Ansehen absichtlich beschmutzt. Nicht nachdem ich mich solange für dich eingesetzt habe!"
„Du hast dich vielleicht für mich eingesetzt, mich aber nie gefragt, ob ich das möchte!" Wir hatten diese Diskussion schon so oft geführt und wir wussten beide, dass sie nicht zielführend war.
Sie verschränkte die Arme. „Wie auch immer. Du hast dein Ziel nicht erreicht. Der Presse ist es untersagt irgendetwas zu veröffentlichen."
Mir fiel die Kinnlade. War alles umsonst gewesen? Konnte sie so einfach Einfluss auf die Verbreitung von Nachrichten nehmen? Die Kaiserin ging wieder um den Schreibtisch herum und setzte sich hin. Ein stummes Zeichen dafür, dass die Unterredung beendet war. Ich machte auf den Absatz kehrt und war gerade dabei den Raum zu verlassen, als mich ihre Stimme noch einmal zurückhielt.
„Damit das klar ist: Zukünftig ist dir der Ausgang nicht mehr gestattet."
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