Eulenmist
Der Morgen nach dem Spiel hätte der Morgen davor sein können. Zahlreiche Fahnen, Pullis und Requisiten aller Art in Rot und Grün verliehen der Großen Halle eine ungewohnt farbenfrohe Ästhetik, die Aviana bislang nur am Tag davor erlebt hatte.
Sogar der Tisch ganz links in der Halle war heute Morgen schon ordentlich besetzt, inklusive Banner, das wie bereits gestern in den Rängen auch heute über den Köpfen der Slytherins hing. Der Spruch darauf war jedoch angepasst worden. «Slytherin weiß schon wie. Schlägt den Gryffindor Wannabe».
Der Tisch hinter ihnen war noch etwas leerer, aber diejenigen Schüler, die da waren, trugen ihre rot und goldenen Hüte, Westen und Fahnen mit Stolz. Wozu sie Aviana's Meinung auch alles Recht hatten. Die Löwen hatten gestern richtig gut gespielt, was Aviana vorfreudig den nächsten Mittwoch herbeisehnen ließ, an dem sie selber wieder auf einen Besen steigen konnte.
Viele der Ravenclaw und Hufflepuff Schüler zeigten mit ihrer Kleidung, welches der beiden Teams sie unterstützten, wobei man bei den Ravenclaws mehr Grün und bei den Hufflepuffs mehr Rot sehen konnte.
Selbst Merle saß mit Charles' Schal um den Hals gewickelt neben ihr und beschmierte sich ein Stück Toast mit ordentlich Butter, während sie mit Cal in eine Diskussion über das Spiel vertieft war.
Aviana wusste nicht, ob sie sich absichtlich etwas abgewandt hatte, oder ob sie sich einfach voll auf Cal konzentrieren wollte. Auf den Jungen ihnen Gegenüber war sie jedoch ohnehin nicht gut zu sprechen, soviel war klar.
„Ich hätte im Bett bleiben sollen. Da wird man ja blind bei so viel Farbe." Der Slytherin klaubte sich zwei Stück Speck aus der großen Schüssel zwischen ihnen und genoss sein Rührei damit.
Es war über die letzten zwei Monate zu einem Ritual geworden, dass er mindestens dreimal die Woche mit ihnen am Hufflepuff Tisch frühstückte. Dafür gesellte sich Aviana manchmal auch zu ihm und Lucas.
Heute Morgen konnte sie Luke am anderen Ende der Halle jedoch nicht entdecken und ging davon aus, dass er seinem, wie er sagte, liebstem Hobby frönte – Ausschlafen.
Der blonde Junge war ihr über die letzten Wochen immer sympathischer geworden. Seine freche und schrullige Art gepaart mit Anthony's trockenem Humor sorgte immer wieder für langanhaltende Lachanfälle, die ihnen vor allem am Morgen jeweils genervte Blicke bescherten. Regelmäßig nahm Luke ihren gemeinsamen Freund aufs Korn und hätte auf diese Aussage von Anthony ganz sicher den passenden Spruch gehabt.
„Weißt du, ein bisschen Farbe würde dir auch nicht schaden. Vielleicht hilft es sogar, um dich weniger bleich aussehen zu lassen", witzelte Aviana und zwinkerte ihm zu. Wobei das Zwinkern eher unfreiwillig war. Der letzte Löffel ihres Müslis ließ ihr auf unangenehme Art und Weise das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die Himbeeren Saison war definitiv zu Ende.
„Du gehst auf dünnem Eis Ave. Weißt du, dass ich mich, sollte ich jemals Witze über deine Hautfarbe machen, glücklich schätzen kann, wenn ich im 4. Stock des St. Mungo's lande?"
Sie wollte fragen, was St. Mungo's war und was im 4. Stock lag, als ein unverkennbares Rascheln den großen Raum erfüllte. Hunderte Eulen segelten durch die Luft, ließen Packete fallen, die von den Empfängern aufgefangen wurden oder landeten mal sanft mal weniger auf den Tischen.
Die Post war da.
Aviana hatte sich noch immer nicht vollkommen daran gewöhnt und duckte sich tief über ihre Müsli Schale, um nicht von einer der Eulen auf ihrem Weg zu den Schülern abgeschossen zu werden.
Von den drei Hufflepuff Freunden hatte bisher lediglich Cal einen Brief bekommen. Seine Mutter hatte sich nach dem ersten Monat Schule erkundigt, wie es ihm ging und ihm mitgeteilt, dass es noch nicht sicher wäre, dass sie Weihnachten gemeinsam verbringen würden. Das Ministerium hätte gerade einiges in Sachen Internationale Magische Kooperationen zu tun.
Aviana hatte ihren Brief zwar bereits vor sechs Wochen losgeschickt, und obwohl sie zu Beginn noch jedes Federtier mit den Augen verfolgt hatte, in der Hoffnung von einem davon eine Reaktion ihres Vaters zu erhalten, so hatte sie nach einigen Tagen entschieden, dass der Brief wohl noch nicht angekommen sein musste, oder ihr Vater keine Zeit hatte, um eine Antwort zu verfassen.
Als jetzt jedoch eine direkt vor ihr landete und vorsichtig darauf bedacht war, ihre Flügel nicht in einen der Teller zu halten, hob sie erstaunt den Kopf. Das Bein war in ihre Richtung ausgestreckt nicht in Anthony's oder Merle's.
Ohne lange nachzudenken, löste sie den Brief vom Bein des schönen Kauzes, der sich darauf direkt das letzte Stück Speck von Anthony's Teller klaute und unbehelligt von dessen Ausruf die Flügel spannte und in wenigen Sekunden durch eines der Dachfenster verschwand.
„Von wem ist der Brief?"
Anthony trauerte seinem Speck nicht lange nach und sah Aviana stattdessen auffordernd an. Der Umschlag lag bereits aufgerissen neben dem Bohnentopf und die Freude, die sie nach jeder Zeile weiter durchströmte, musste sich auch auf ihrem Gesicht abzeichnen, denn Anthony fragte erneut: „Hat dein Vater geantwortet?"
Aviana nickte bloß und hielt ihm den Brief vor die Nase. Zögerlich nahm er ihn entgegen und begann ihn nach einem zweiten vergewissernden Blick in ihre Richtung zu lesen.
Meine Maus
Ich muss sagen, dein Briefträger hat mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Ich war auf dem Weg nach Hause, als der Kauz direkt durch das offene Fenster der Beifahrerseite geflogen kam. Die Vollbremsung darauf hätte wohl jedem Stuntmann Konkurrenz gemacht.
Ist das der magische Postweg? Wenn ja, dann kann ich nur hoffen, dass es irgendeinen Zauberspruch gibt, der Eulenmist einfach beseitigt, denn lass mich dir sagen, da war neben Seifenwasser einiges an Muskelkraft nötig, um den Sitz wieder sauber zu kriegen. Der Arme musste panisch gewesen sein.
Aber das tut hier ja eigentlich nichts zur Sache. Wir wollen schließlich über deine Zeit in Hogwarts reden. Es tut mir leid, dass du diese Antwort wohl ziemlich spät lesen wirst. Das Datum auf deinem Brief zeigt mir, dass der Kauz eine ziemliche Weile unterwegs war. Er schien auch etwas erschöpft. Vielleicht nimmst du das nächste Mal besser eine Eule für Langstrecken-Flüge ;).
Maus, es freut mich sehr zu hören, dass du bereits Freunde gefunden hast und dass dir die Schule Spaß macht. Dieses Quidish, nein Quidditch hört sich toll an.
Hab ich das richtig verstanden: Das Ziel ist es, den Snatch so früh wie möglich zu fangen, damit man 150 Punkte bekommt und das Spiel beendet, richtig? Es muss jedenfalls ein richtig taktisches Spiel sein, wenn es oftmals länger dauert als eine Stunde. Außerdem hört es sich um einiges spannender an als Fussball und ich würde es sehr gerne mal sehen.
Tottenham hat übrigens verloren letzte Woche. Das nächste müssen sie jetzt gewinnen, sonst war's das mit der Meisterschaft.
Ohne dich ist es richtig ruhig hier. Ganz daran gewöhnt habe ich mich noch nicht, um ehrlich zu sein. Die Geschichte um dein Austauschjahr an einer schottischen Schule scheint jedoch für alle unsere Nachbarn aufzugehen. Selbst die Thompsons haben aufgehört skeptisch zu gucken - wobei das vielleicht auch damit zusammenhängt, dass sie endlich ihre Radieschen voll züchten können, ohne mit verirrten Fußbällen rechnen zu müssen ;).
Mrs Fenton lässt dich grüßen und fragt, ob du ihr ein Foto vom Loch Ness Monster schießen könntest. Die Gute hatte letzte Woche einen Sturz und verwechselt seither einige Fantasien mit Fakten und umgekehrt.
Wie auch immer, lerne immer weiter fleißig und geh nie ohne Pullover aus dem Schlafsaal. Schreib mir, wenn dir was fehlt. Ich schicke es dir gerne nach so bald wie möglich.
Ich hoffe, die Eule findet dich wieder. "Hogwarts" als einzige Adresszeile hinzuschreiben fühlt sich mehr als unsicher an. Lass mich wissen, ob du die Kröte nun Warzen-frei bekommen hast.
Ich liebe dich, Maus.
Daddy
„Du hast deinem Vater das ganze Quidditch-Spiel erklärt?", wollte Anthony ungläubig wissen.
„Der Sport ist genial! Du hättest gestern dabei sein sollen. Es war zwar wirklich kalt, aber die haben alle so gut gespielt. Ich bin mir sicher, dass dir ein solches Spiel genauso gut gefallen hätte. Außerdem ist das etwas von den wenigen Dingen, die mein Vater sich aus dieser Welt vorstellen kann. Er liebt Mannschaftssport und Geschichten über Hexen auf ihren Besen hat er mir früher zu genüge vorgelesen."
„Ich verstehe die Besessenheit nur nicht. Ich meine, es ist ok, um ab und an mal zuzuschauen. Aber sich da immer wieder reinzusteigern und ein Team anzufeuern, während man das andere prinzipiell als schlecht bezeichnet, werde ich wohl nie verstehen."
Aviana hätte es fallen gelassen. Vielleicht noch sowas gesagt wie: „Nun, es steht dir ja offen an eines der Spiele zu gehen, wenn du magst oder eben nicht." Aber eigentlich wollte sie viel lieber direkt in den Gemeinschaftsraum, um ihrem Vater zurückzuschreiben. Weshalb sie nichts weiter darauf entgegnete.
Dass ihre rothaarige Freundin den letzten Satz aufgeschnappt hatte, machte es jedoch unwahrscheinlich, hier in den nächsten fünf Minuten loszukommen. Denn Merle war nicht Aviana.
„Wenigstens stehen wir zu der Seite, für die wir uns entschieden haben und sagen nicht, dass wir für das eine Team sind, obwohl wir insgeheim das andere anfeuern."
Der Blick, mit dem sie Anthony taxierte, zeigte unmissverständlich, dass es hier um weit mehr als Quidditch ging.
Anthony blickte zwischen den beiden Mädchen hin und her. „Ich sag ja nur. Quidditch ist überbewertet."
Aviana fühlte sich gerade genauso unwohl, wie Anthony, der auf seiner Bank hin und her rutschte. Die Blicke der restlichen Hufflepuffs am Tisch, die mittlerweile auf ihnen lagen, machten die Stimmung nicht lockerer und dann schlenderten natürlich auch in diesem Moment auch noch Charles und Freddie in ihre Richtung.
Merle wickelte sich den Schal vom Hals und streckte ihn dem dunkelblonden Gryffindor Jäger entgegen, als sie bei ihnen angekommen waren.
„Warum so aufgebracht, Schwesterchen? Du hast Manson aus seinen Tagträumen gerissen", feixte Freddie. Seine Miene verhärtete sich jedoch als er zu Aviana und ihrem Gegenüber blickte.
Eines Tages würde sie erfahren, was es genau war, das Merle und nun auch ihren Bruder so schlecht auf Anthony zu sprechen machte. Konnte es sein, dass sie beide diesen Jungen so sehr mieden, weil sein Vater Teil einer Gruppe war, die ihren Vater auf dem Gewissen hatten? Wenn sie sich die Frage so stellte, dann war es auf jeden Fall denkbar. Und doch fand Aviana es alles andere als fair, einen Elfjährigen mit seinem Vater und dessen Taten in einen Topf zu werfen.
Aviana fühlte sich noch immer unwohl, doch ein Blick von Merle und ihren roten Ohren zu den beiden älteren Schülern war genug, um sie aus der Reserve zu locken.
„Es ging darum, dass es Menschen gibt, die dem Hype um Quidditch nicht viel abgewinnen können."
Durch die Worte ihres Bruders und die Tatsache, dass noch immer einige weitere Schüler an ihrem Tisch die Szene verfolgten, war Merle nun zu beschämt, um weiter auf dem Slytherin herumzuhacken.
„Wer mag kein Quidditch?", fragte Charles und sein Gesichtsausdruck glich dem eines Kindes, das herausfand, dass es Menschen gab, die Weihnachten nicht gerne feierten.
„Ich mag kein Quidditch."
Die Stimme war rauer und selbstbewusster, als sie sie von Anthony kannte, und tatsächlich trat Sekunden später Gabriel in ihr Blickfeld. Er hielt Anthony seine Faust hin, blickte jedoch herausfordernd zu Charles und Freddie - Ihr werdet nicht von allen hier vergöttert.
Anthony schlug nicht ein, Freddie und Charles zuckten lediglich mit den Schultern, als wollten sie sagen 'solche Vögel gibt es also tatsächlich' und Aviana war froh, den vorlauten Jungen am Tisch zu haben.
Während Freddie ein Blatt Papier vor Merle's Nase hielt und Weihnachten zur Sprache brachte, setzte sich Gabriel neben Anthony, der ihn lediglich skeptisch beäugte und ein Stück von ihm wegrutschte.
„Nun denn, da das geklärt ist: Wann geht's auf unser nächstes nächtliches Abenteuer, Pelver?" Wieder griff er zu den Trauben und schnipste sich eine nach der anderen in den Mund.
„Was gibt dir den Eindruck, dass ich erneut nachts durch das Schloss ziehen will? Und seit wann nennst du mich bei meinem Nachnamen?"
Das süffisante Grinsen gehörte so sehr zu dem Ravenclaw, dass sich Aviana hätte Gedanken machen müssen, wenn es nicht zu sehen gewesen wäre.
„Deine Augen sprechen für sich. Sie verraten dich bei Worten wie "nächtliches Abenteuer". Stimmt's, oder hab ich recht?" Die rhetorische Frage war an Anthony gerichtet, doch dieser schien fest entschlossen, möglichst wenige Worte mit dem exzentrischen Jungen neben sich zu wechseln.
„Und sich beim Nachnamen anzusprechen hat doch irgendwie so was Cooles, oder? Dein Nachname ist jedenfalls cool, auch wenn er Fragen aufwirft." Mit diesen Worten erhob er sich wieder und wandte sich zum Gehen.
Ein letztes Mal drehte er sich in ihre Richtung und meinte in gewohnter Nonchalance: „Weihnachtsabend um zehn Uhr. Da schert es keinen Lehrer, wenn man noch nicht im Bett ist."
„Du hast nicht wirklich vor, nachts mit ihm durchs Schloss zu ziehen, oder?", erkundigte sich Anthony während Aviana dem Jungen perplex nachsah.
Sie schüttelte den Kopf, um sich wieder auf ihren Tischnachbar zu fokussieren. „Vielleicht solltest du mitkommen. Und Lucas auch. Dem würde das ganz bestimmt passen. Im Ernst Anthony", fügte sie belustigt an, als er sie nur augenrollend ansah, „du tust so, als würdest du den Löwen vorgeworfen, wenn man uns erwischen sollte - was mit Gabriel bei uns wohl ohnehin nicht passieren wird."
„Selbst wenn ich mich entgegen jeglicher Vernunft dazu entscheiden würde, dass es okay ist, mit euch einen auf Schatzjäger zu machen, könnte ich nicht. Ich bin bei meinen Großeltern über Weihnachten."
Anthony widmete sich seinem kalten Resten Rührei und ließ Aviana in ihren Grübeleien. So richtig Gabriel mit seiner Observation zu ihren Augen gelegen hatte, so sehr vermisste sie dennoch auch ihren Vater. Merle, Anthony und Anouk gingen alle nach Hause und Professor McGonagall würde sie in zwei Wochen ein letztes Mal fragen. Bis dahin musste sie wissen, ob sie Weihnachten hier mit Gabriel und eventuell Cal oder mit ihrem Vater, der allein zu Hause war, verbringen wollte.
---------------------
Dieses Mal wieder etwas kürzer. Aber das muss so sein, glaubt mir, sonst hätten wir hier ein 6000-Wörter-Kapitel und das tue ich euch ganz bestimmt nicht an.
Freddie mag Anthony also auch nicht. Was muss da bloss vorgefallen sein? Meint ihr Merle kann ihn je als normalen Jungen sehen?
Dass dieser Junge es scheinbar wirklich fast niemandem recht machen kann ... Thank God for Aviana und Lucas.
Gabriel möchte also einen nächsten Ausflug machen. Ist das wohl, weil er einfach Lust hat und Aviana das Schloss zeigen will, oder gibt's vielleicht einen anderen Grund?
Und was meint ihr? Bleibt sie Weihnachten in Hogwarts oder zieht sie das Heimweh nach Hause?
Ich wünsche euch einen wunderbaren Start in die Woche morgen. Ist die bei euch auch etwas kürzer? Ich arbeite nur bis Mittwoch, danach kann ich vier Tage frei geniessen.
Fühlt euch gedrückt!
Glg
Eure Stephie
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro