
21 | Verführung
Cassandra wusste, dass Peggys Familie einst zu den einflussreichsten im Land gehört hatte, ehe der Vater zu früh gestorben war. Natürlich gehörte auch Geld zu den ausschlaggebenden Faktoren für die Macht, die die Blanc-Familie hatte. Doch aller Luxus, den sie in den letzten Wochen kennengelernt hatte, war nichts im Vergleich zu dem zurückhaltenden Wohlstand, den sie in Calebs Anwesen zu sehen und spüren bekam.
Das fing schon beim Personal an. Obwohl Caleb, wie er ihr bei ihrer Ankunft verraten hatte, weniger Angestellte als üblich hatte, war der Unterschied in Dienstleistung und Ausbildung zu dem, was sie zuvor bei Peggys Familie erlebt hatte, wie Tag und Nacht. Jede Magd, jeder Butler, ja selbst die Stallknechte waren in gut sitzende Uniformen gekleidet und wirkten gesund und wohl genährt. Cassandra konnte nicht recht sagen, woran es lag, aber sie sah, dass diese Menschen gut verdienten, gut aßen und genügend Freizeit erhielten. Ein modernes Konzept von Arbeit, das seltsam unpassend in dieser oft so mittelalterlich angehauchten Welt wirkte.
Dann war da natürlich das Anwesen und die Ländereien selbst. Am Tag nach ihrer Ankunft waren sie ausgeritten, damit er ihr die wichtigsten Orte innerhalb des Lewin'schen Anwesens zeigen konnte, und es hatte den ganzen Tag gedauert, diese Höhepunkte zu sehen. Je mehr sie von den Wäldern und abgelegenen Bergen und Tälern sah, umso mehr wurde Cassandra sich sicher, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Caleb war so reich und sein Besitz so abgelegen, dass niemand sie hier finden würde.
Nach dem anstrengenden Ausritt hatte Caleb ihr Zeit gegeben, ein ausführliches Bad zu nehmen, ehe sie zum Abendessen wieder zusammenkamen. Zum ersten Mal, seit sie in dieser Welt angekommen war, konnte sie rundum genießen, dass sie zwei Mägde hatte, die ihr beim Anziehen und zurecht machen halfen. Die blonden Locken von Peggys Körper hatten nie strahlender ausgesehen als an diesem Tag, kunstvoll hochgesteckt von den flinken und selbstsicheren Händen der beiden jungen Frauen. Um sich bei Caleb anständig für die Gastfreundschaft zu bedanken, hatte sie sich für das gemeinsame Abendessen für ihr rotes Kleid entschieden, das sowohl ihre Haare als auch ihre Figur besonders zur Geltung brachte. Der tiefe Ausschnitt stellte Peggys üppige Brüste bestens zur Schau, während der seidige Stoff sich wie eine zweite Haut um ihre Taille und Schulter wickelte. Von der Hüfte abwärts floss der Rock breit gefächert bis auf den Boden. Jede ihrer Bewegungen ließ das Kleid rascheln und betonte ihren wohlgeformten Hintern. Sie liebte es, wie gut sie sich in diesem fremden Körper fühlte.
Caleb erwartete sie am Fuß der Treppe. Schlicht in schwarz gekleidet, aber mit einem blütenweißen Hemd und einem ebenso weißen Huch um den Hals sah er besser aus denn je. Cassandra spürte Hitze in ihre Wangen steigen, während sie unter seinem intensiven Blick die Treppe hinunter kam.
»My Lady«, raunte er ihr zu, während er ihre Hand ergriff und einen Kuss andeutete. »Du siehst absolut bezaubernd aus, Peggy. Ein strahlendes Juwel in meinem bescheidenen Heim.«
Noch immer schauten diese stahlgrauen Augen sie an, als könnten sie bis auf den Grund ihrer Seele schauen. Cassandra schluckte und bemühte sich, das Zittern aus ihrer Stimme zu halten. »Du bist auch ein willkommener Anblick heute Abend.«
Sie wollte hinzufügen, dass sie ihm die Kleider vom Leib reißen würde, wenn er sie weiter so anschaute, doch sie verkniff sich den Kommentar. Trotz aller Flirtereien zuvor und seiner selbstlosen Hilfe für sie war Cassandra sich nicht sicher, wo sie mit Caleb stand. Ein kleiner Teil von ihr konnte nicht anders, als ihn zu verdächtigen, dass er die falschen Motive hatte, ihr zu helfen. Natürlich wusste sie, dass er nicht wirklich selbstlos war. Sie hatte ja darauf gesetzt, dass es ihm darum ging, Hunter zu demütigen. Aber sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass für Caleb noch mehr im Spiel war. Also kämpfte sie ihre Erregung nieder und ergriff stattdessen höflich den hingehaltenen Arm.
Wie bei allen Mahlzeiten zuvor wies Caleb ihr den Stuhl zu seiner rechten zu. Cassandra wusste, dass es in dieser Welt von großer Bedeutung war, wo Gäste an der langen Tafel saßen. Für sie als weiblicher Gast, noch dazu ohne direkte Beziehung zur Lewin-Familie, wäre der Platz am anderen Ende der Tafel korrekt gewesen. Direkt neben ihm zu sitzen, signalisierte deutlich, dass Caleb in ihr mehr sah als nur einen Gast. Während er ihr vorsichtig den Stuhl ran schob, musste Cassandra erneut um ihre Gesichtsfarbe kämpfen. Warum waren solche altertümlichen Gesten nur so unfassbar attraktiv?
»Unsere Köchin hat sich heute an Roastbeef und Kartoffelgratin versucht. Es mag eine Überraschung sein für dich, aber unsere Küche ist normalerweise sehr traditionell. Dein Vorschlag war eine Herausforderung, also hoffe ich, dass ihr Versuch gut genug ist.«
Cassandras Herz schlug höher. Als sie der Köchin aufgelistet hatte, was sie gerne aß, hatte sie nicht damit gerechnet, alle Wünsche erfüllt zu bekommen. Immerhin waren viele ihrer Lieblingsspeisen höchst ungewöhnlich für diese Welt. Jetzt ausgerechnet dieses Gericht als erstes präsentiert zu bekommen, bereitete ihr höchste Freude. »Es ist die Geste, die zählt, Caleb. Weder meine Familie noch Hunter haben sich je für das interessiert, was ich gerne esse. Dass deine Köchin überhaupt den Versuch wagt, bedeutet mit viel. Und ich bin mir sicher, dass ihre Fähigkeiten gut genug sind!«
»Unsere Köchin, Peggy«, korrigierte Caleb sie sofort. »Ich weiß, es fällt dir noch schwer, aber ich will, dass du dich hier zuhause fühlst. Mein Personal ist dein Personal. Meine Ländereien sind deine Ländereien.«
Sie nickte lächelnd. Er gab sich wirklich Mühe, ihr das Gefühl zu geben, hier als gleichwertige Adlige neben ihm zu stehen, doch sie wusste natürlich, dass es nur von kurzer Dauer sein würde. Wenn sich die Aufregung um ihren vermeintlichen Tod gelegt hatte und Hunter sich offiziell zu Ebony bekannt hatte, würde sie ihren eigenen Weg gehen. Sie hatte nicht vor, länger als nötig Calebs Hilfe und Gastfreundschaft auszunutzen.
Das Essen kam und Cassandra konnte schon von weitem riechen, dass es das beste Roastbeef ihres Lebens sein würde. Sie wartete geduldig, bis der Teller vor ihr abgestellt wurde und sie mit Caleb angestoßen hatte. Dann häufte sie sich vorsichtig ein wenig Fleisch und Kartoffeln auf eine Gabel und vergaß den Rest der Welt. Genüsslich ließ sie ihre Augen zufallen, während sie auf dem zarten, kühlen Fleisch und den cremigen, heißen Kartoffeln kaute. Was auch immer die Köchin mit diesem Gericht angestellt hatte, es war besser als alles, was die moderne Welt, aus der sie kam, zu bieten hatte.
»Vorsicht, Peggy«, unterbrach Caleb ihren blinden Genuss. »Wenn du weiter so hingebungsvoll seufzt, gerate ich in Versuchung, einen ganz anderen Hunger stillen zu wollen.«
Ruckartig riss Cassandra ihre Augen wieder auf. Calebs Blick lag auf ihr, das Kinn entspannt auf einer Faust aufgestützt, seine eigene Mahlzeit offensichtlich vergessen. Da war er wieder – oder immer noch? –, der Blick, der ihr die Knie weich werden ließ. Sie könnte versinken im Grau seiner Augen. Nervös leckte sie sich über die Lippen. »Entschuldige. Es ist nur so lange her, dass ich ein so vorzügliches Gericht genießen durfte. Ich beherrsche mich, versprochen.«
Ein nachlässiges Grinsen erschien auf seinen Lippen. »Oh, du musst dich nicht um meinet Willen beherrschen. Du musst nur mit den Konsequenzen klarkommen.«
Sie atmete betont aus. Gegen die geballte Macht seiner Verführung hatte sie nichts entgegenzusetzen. Hitze blühte zwischen ihren Beinen auf und breitete sich mit rasender Geschwindigkeit in ihrem ganzen Körper aus. Sie wurde sich mit einem Mal bewusst, das anders als bei den Mahlzeiten zuvor kein einziger Butler anwesend war. Es waren nur sie beide, das verboten gute Roastbeef und der flackernde Kerzenschein.
Bevor sie sich bewusst wurde, dass sie eine Entscheidung getroffen hatte, griff Cassandra wieder nach Messer und Gabel und schob sich den nächsten Bissen in den Mund. Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, kaute sie betont und schloss nur für einen Herzschlag die Augen, um erneute genüsslich zu seufzen.
Als sie wieder zu ihm schaute, war das Grinsen von seinen Lippen verschwunden. Unverschleierter Hunger stand in seinen Augen, während er jede Bewegung ihrer Lippen verfolgte. Sie spürte, das ihre Wangen glühten, doch sie kümmerte sich nicht darum. Wie ein Magnet hielt sein Blick ihren gefangen. Vorsichtig nahm sie eine weitere Gabel mit Kartoffeln. Ein bisschen von der cremigen Soße blieb auf ihrer Oberlippe, während sie bedächtig kaute und schluckte.
Bevor sie die Soße mit ihrer Zunge auflecken konnte, beugte Caleb sich vor. Seine Hand legte sich unter ihr Kinn, während sein Daumen über ihre Lippen. Cassandra erstarrte, ihre Hände schwebten Zentimeter über der Tischplatte, während sie wie gebannt zu Caleb starrte. Sie wagte es kaum zu atmen.
Er blieb ebenfalls kurz wie versteinert in seiner Position. Keiner von beiden blinzelte. Beide schienen den Atem anzuhalten. Cassandra sah nur ihn, spürte nur ihr wild hämmerndes Herz und das Rauschen ihres Blutes in ihren Ohren. Vergessen waren all die Gründe, warum sie mit Caleb vorsichtig sein wollte. Vergessen waren all die Gefühle, die sie immer noch für Hunter hatte. In diesem Moment gab es nur den Mann vor ihr und ihr unbändiges Verlangen, ihn an sich zu ziehen.
Nach mehreren Augenblicken, in denen sie sich nur bewegungslos angestarrt hatten, begann Caleb, seinen Daumen zunächst sanft, dann mit Nachdruck über ihre Lippen fahren zu lassen. Instinktiv öffnete sie den Mund. Sofort schob er seinen Daumen ein kleines Stück hinein, gerade genug, dass sie mit ihrer Zunge einmal darüber lecken konnte, um den Rest Soße zu beseitigen.
»Fuck«, kam es als unterdrücktes Stöhnen von ihm.
Als wäre ein Damm gebrochen, packte er sie und zog sie zu sich auf den Schoß. Mit einer ausholenden Bewegung wischte er Geschirr und Essen vom Tisch, ohne sich um das zerbrechende Porzellan zu scheren. Seine starken Arme hoben sie mühelos auf die Tischplatte, ehe er ihr den Rock des Kleides hochschob, so dass er zwischen ihre Beine treten konnte.
Heiße Lust umfloss Cassandra. Sie konnte nicht einmal um das verschwendete Roastbeef weinen. Zu sehr war sie darauf fokussiert, Caleb zu sich runter zu ziehen und zu küssen. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und ließ zu, dass er sich so weiter über sie beugte, dass sie auf dem Tisch zu liegen kam. Sein Kuss war fordernd, mit Zunge und Zähnen und einem kaum verhohlenen Knurren in der Kehle.
Tief in ihr erwachte ihre Wölfin. Hatte sie sich in den letzten Tagen auffällig still verhalten, als müsste sie nach Hunter Abweisung ihre Wunden lecken, war sie jetzt aufmerksamer denn je. Nur ein einziger Gedanke beherrschte Cassandra. Mate. Caleb war nicht Hunter, aber er könnte trotzdem ein guter Mate sein. Sie musste sich nur hingeben und ihm zeigen, wie gut sie für ihn sein konnte.
Mit einem Ruck zerriss Caleb ihre seidige Unterwäsche und versenkte zwei Finger tief in ihr. Ein Stöhnen, irgendwo zwischen Verzweiflung und Genuss, perlte von ihren Lippen, während ihre Hände sich in seinen nachtschwarzen Haaren vergruben. Es störte sie nicht, dass er vermutlich gerade ihr Kleid ruinierte. Es störte sie nicht, dass er grob und fordernd war. Im Gegenteil. Ihre Wölfin, der animalische Teil in ihr, liebte jede Sekunde.
Seine Finger bewegten sich unnachgiebig in ihr, während seine Lippen feuchte Küssen auf ihrem Hals und Nacken platzierten. Sie kümmerte sich nicht um die obszönen Laute, die aus ihrer Kehle kamen. Ihre Augen fielen zu und sie kannte nur noch ein Ziel. Ihren Orgasmus, der sich wie ein Feuersturm näherte. Mit seinem Namen auf ihren Lippen und einem wimmernden Seufzer zerbrach sie unter ihm. Eine ihrer Hände schlängelte sich zwischen ihren Körpern hindurch, um seine Hand genau da zu halten, wo sie sie brauchte. Woge um Woge überrollte sie und Caleb hielt still, ließ sie die Wellen ihres Orgasmus' zu Ende reiten, bis sie schließlich langsam wieder zu Atem kam.
Erschöpft schaute sie zu ihm auf. Es lag ein Glanz in seinen Augen und ein harter Zug um seinen Mund, der ihr verriet, wie sehr er gerade um Kontrolle ringen musste. Er zog seine Finger langsam aus ihr und legte die Hand zur Faust geballt neben ihrem Kopf ab. Schwer atmend schauten sie sich an, ihre Finger immer noch in seine Haare verkrallt, ihre Gesichter so nah, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Seine Augen waren dunkel vor Erregung, doch er rührte sich nicht.
Sie wollte ihr gerade in einen weiteren Kuss ziehen, da stemmte er sich langsam hoch und half ihr, sich aufrecht hinzusetzen. Seine Kiefer mahlten und er hielt den Blick gesenkt, als er stockend erklärte: »Es tut mir leid, Margarete. Ich hätte nicht ... du bist eine Lady. Du hast es verdient, dass ich dir anständig den Hof mache. So über dich herzufallen, war nicht in Ordnung. Ich weiß nicht ...« Er brach ab und schüttelte den Kopf, dann trat er mehrere Schritte vom Tisch weg.
»Ich realisiere jetzt, dass ich noch nie eine Frau in meinen Armen hatte, die auch nur im Ansatz ein passender Mate für mich gewesen wäre.« Er klang bitter, als er das sagte. »Diese unkontrollierte Lust, diese Anziehung, die du auf mich ausübst. Ich wusste seit der Jagd Anfang des Monats, dass wir gute Mates wären, aber ich hatte keine Vorstellung davon, wie gut du dich anfühlen würdest. Wie hoffnungslos ich dir ausgeliefert bin, wenn du mich umfängst.«
Endlich schaute er wieder zu ihr auf. »Und ich realisiere jetzt, wie schlimm es für dich sein muss, von Hunter getrennt zu sein. Ich spüre nur einen Bruchteil des Bandes, das dich mit ihm verbindet, und ich fühle mich schon hilflos. Wie er dich je abweisen konnte. Wie du das je aushalten konntest. Es ist mir unbegreiflich.«
Zitternd rutschte Cassandra vom Tisch und richtete ihr Kleid. Der Orgasmus schwelte noch immer wie abkühlende Glut in ihr, aber Calebs Worte lenkten sie davon ab. Zum ersten Mal klang er nicht kalkulierend und rational. Zum ersten Mal meinte sie, einen Blick auf den echten Caleb zu bekommen. Und ihr Herz klopfte schneller bei dem Gedanken.
Bevor sie etwas erwidern konnte, trat Caleb wieder an sie heran und ergriff eine ihrer Hände mit seinen beiden. Seine Stimme war weich, doch in seinem Blick lag Härte. »Ich weiß nicht, ob ich dich jemals wieder gehen lassen kann.«
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