Einen angenehmen guten Abend wünsche ich!
Ich hoffe, euch allen geht es gut. Ich bin mal wieder mit einem neuen Kapitel am Start und wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Ein schönes Wochenende!
Kapitelname: Kälte
Wörterzahl: 1465
Vorkommende Personen: Heiko Paul Hiersche, Anton Hiersche, Erika Hiersche, Sven Kruspe
Sicht: Sven
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Wieder eine dieser schlaflosen Nächte. Mittlerweile habe ich mein eigenes Zimmer, seit Anfang November. Doch bisher habe ich noch nicht eine Nacht durchgeschlafen. Meist wache ich gegen drei Uhr nachts auf, wurde davor von den unterschiedlichsten Albträumen geplagt. Doch jeder endet gleich, mit einer Jagd. Dann falle ich und danach ist Ende und ich wache auf. Am liebsten würde ich zu Paul rübergehen, ich bräuchte nur auf den Flur treten und die Tür auf der gegenüberliegenden Seite öffnen. Doch ich tue es nicht. Was soll ich denn sagen? Das kommt doch mehr als merkwürdig, wenn ich ihn nachts wecke. Nein, da bleib ich lieber schlaflos.
Zudem ist es ziemlich kalt. Wir haben Anfang Dezember und der erste Schnee steht wohl kurz bevor. Ich mache mich unter der dicken Bettdecke klein, damit auch meine Füße warm werden. Im Moment fühlen sie sich eher an wie Eisblöcke.
Ich streiche mir durch die zerzausten Haare und wische mir dabei ein paar Strähnen aus der Stirn. Ich müsste mal wieder meine Haare schneiden, sie hängen immer wieder vor meinen Augen, was mich ziemlich stört.
Noch ein Stück dichter ziehe ich die Bettdecke an mein Kinn heran. Ich schließe die Augen und starte einen erneuten Versuch, wieder einzuschlafen. In der Hoffnung, dass ich erst in den Morgenstunden wieder aufwache.
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Zitternd fingere ich eine Zigarette aus der Schachtel und klemme sie mir zwischen die Lippen. Warum muss der Winter mit Kälte verbunden sein?! Schnell ist die Zigarette angezündet, in der Hoffnung, sie wärmt mich innerlich ein Wenig auf. Aber wahrscheinlich kocht Erika uns sowieso einen heißen Kakao, der wird dann richtig durchwärmen.
Paul steht neben mir, raucht still seine Zigarette und friert ebenfalls. Man sieht es ihm an, denn er wippt mit den Beinen wie ein Pinguin. Es sieht ziemlich lustig und auch irgendwie süß aus. Paul der Pinguin. Klingt wie ein Kinderbuch oder ein Kinderlied.
„Was guckst du mich denn so belustigt an?", will er von mir wissen.
„Ach nichts weiter", wimmle ich ihn ab und sehe zur Straße, auf der die Schneeflocken sich niederlassen.
Paul zieht eine Augenbraue hoch und nimmt den letzten Zug von seiner Zigarette, ehe er sie austritt. Auch von meiner ist nicht mehr viel übrig.
„Gehen wir wieder rein, mir ist echt kalt."
„Man sieht es."
Wieder sieht Paul mich irritiert an, belässt es aber dabei.
Der Duft von heißem Kakao steigt mir in die Nase, direkt umschlingt mich die Wärme wie ein Schal. Erika hat uns tatsächlich einen Kakao gekocht und die Tassen bereits auf den Küchentisch gestellt. Anton liest in seiner Zeitung und nimmt nicht viel Notiz von uns.
„Bald ist Weihnachten", erwähnt Paul verträumt und nimmt einen Schluck von seinem Kakao.
Ich nicke einfach nur, kein schönes Thema. Wie eigentlich jedes Thema bei meiner Familie.
„Aber bis dahin sind noch zwei Wochen Schule. Aber die werdet ihr ja mit Leichtigkeit überstehen."
Schule ist ebenfalls etwas schwierig, so richtig gewöhnt habe ich mich an die neue Umgebung immer noch nicht. Aber immerhin habe ich mich mittlerweile mit Schneider und Flake angefreundet, sonst würde ich vermutlich noch durchdrehen.
In meiner alten Klasse war ich nun mal ziemlich beliebt und diesen Stand muss ich mir hier erstmal erarbeiten. Man bekommt nun mal nichts geschenkt. Jedoch habe ich bereits gemerkt, dass das eine oder andere Mädchen auf mich steht. Doch nach einer Freundin ist mir so gar nicht.
„Schmeckt euch der Kakao?"
„Aber immer doch, Mutter", reagiert Paul mit einem Grinsen.
„Habe noch nie besseren getrunken", füge ich lächelnd hinzu.
Paul betitelt mich daraufhin als Schleimer, was er natürlich nicht ernst meint. Aber wenn es nun mal wahr ist.
„Hast du eigentlich diese Nacht mal durchgeschlafen, Richard?", möchte Erika wissen.
„Nein, habe ich nicht. Aber so langsam gewöhne ich mich daran."
„Wenig Schlaf ist aber nicht gesund oder förderlich. Wir müssen eine Lösung finden, sonst wird das Folgen haben", meldet sich Anton zu Wort und legt zunächst die Zeitung beiseite, ehe er seine Brille abnimmt und diese mit einem Tuch aus seiner Hosentasche putzt.
Ich zucke nur mit den Schultern und schaue in meine Tasse, aus der der leichte Dampf aufsteigt. Ich trinke einen erneuten Schluck davon und spüre wieder diese Wärme in meinem Körper. Als würden meine innerlichen Eiszapfen schmelzen. Es ist aber auch kalt draußen!
„Was schlägst du denn vor, Anton? Ich wäre ja dafür, dass du mal die warme Milch mit Honig ausprobierst. Bei Heiko hat es doch auch gut geholfen."
„Ja, können wir versuchen."
Anton erhebt sich irgendwann von seinem Stuhl und packt die Zeitung endgültig weg.
„Ich werde dann mal den Kamin wieder anheizen, dann ist es auch in der Stube warm", mit diesen Worten geht er aus der Küche.
„Deine Schwester kommt im Laufe des Nachmittages, wir werden sie vom Bahnhof abholen, alle zusammen. Also denkt da bitte dran. Sie wird aber heute die Nächte im Wohnzimmer schlafen, also keine Sorge um dein Zimmer, Richard."
Manu ist im Moment in Russland, deshalb habe ich auch ihr Zimmer bekommen. Sie studiert dort für einige Monate und kommt dann irgendwann wieder zurück, jedoch wird sie dann in einer eigenen Wohnung wohnen. Jetzt hat sie Ferien bis nach Weihnachten und bleibt so lange hier.
„Ach, es wäre kein Problem gewesen, es abzugeben. Ich kann doch sonst auch wieder bei Paul schlafen, wenn er da nichts gegen hat."
„Nein, absolut nicht. Ich glaube, was großartiges können wir heute sowieso nicht machen. Auch wenn Samstag ist, bei der Kälte und dem Schnee macht das sowieso keinen Sinn."
„Da könntest du recht haben, aber dann ist das halt so. Ich denke, wir werden schon eine andere Beschäftigung finden", gebe ich mich zuversichtlich und trinke den letzen Schluck aus meiner Tasse.
Paul nickt zustimmend und leert auch seine Tasse.
Daraufhin gehen wir in sein Zimmer und setzen uns auf das Bett. Eine kurze Zeit schweigen wir und man hört nur das Ticken der Uhr.
„Schnee an meinem Geburtstag...", säuselt Paul.
„Geburtstag?"
„Ich habe doch morgen Geburtstag. Hast du das etwa schon wieder vergessen?"
Ach ja, dass habe ich ja schon wieder vollkommen vergessen. Paul wird morgen 17 Jahre alt und ich habe nicht mal ein Geschenk für ihn. Gut, wie auch? Ich habe ja kein Geld. Dann wird meine Anwesenheit wohl mein einziges Geschenk sein.
Doch plötzlich kommt mir eine Idee und ich springe auf.
„Tut mir leid Paul, aber ich muss kurz was erledigen."
Ich verschwinde in mein Zimmer, indem ich mich an den Schreibtisch setze und anfange zu schreiben. Einen Brief an Paul, vielleicht wird es ein Gedicht, vielleicht ein Lied, ich weiß es noch nicht. Aber ich schreibe meine Gedanken über ihn auf. Das als Geschenk hat er definitiv verdient, denn er bedeutet mir die Welt.
Hallo Paul,
Ist dass ein vernünftiger Anfang für solch einen Brief? Zunächst wünsche ich dir alles Gute zum Geburtstag, hoffentlich erfüllen sich alle deine Wünsche.
Nun, dieses Geschenk ist nicht wie jedes andere, denn es ist eben nur dieser Brief. Ich wusste nicht genau, was ich dir schenken sollte. Ich habe kein Geld, um etwas zu kaufen. Ich wüsste auch nicht, was ich dir hätte kaufen sollen. Also entschied ich mich dazu, dir einfach mal zu danken.
Einfach dafür, dass du mich in diesem Sturm angesprochen hast, dass es dir nicht egal war, dass ein Mensch wie ich dort weilte und zu erfrieren drohte. Nicht sos, wie es all den anderen Menschen egal war. Vielen Menschen bin ich bereits begegnet und alle hatten den gleichen Egoismus. Du aber hast mein Bild geändert. Ich bin dir und deinen Eltern so unendlich dankbar, dass ihr mir das geben konntet, was ich schon lange nicht mehr hatte; eine Familie.
Du bist mir in dieser kurzen Zeit wirklich ans Herz gewachsen und ich möchte dich nicht mehr in meinem Leben missen. Ich hoffe sehr, dass es dir auch so ergeht.
Ich habe dich wirklich gerne, man könnte schon sagen, dass ich dich lieb habe. Du bist wie ein Bruder für mich geworden, danke für alles.
Dein Richard
Ich falte den kleinen Brief und stecke ihn in einen Umschlag, auf den ich noch ‚Für das Geburtstagskind' schreibe und unterstreiche. Diesen Brief wird Paul dann morgen früh direkt kriegen. Hoffentlich stellt er sich damit zufrieden und ist nicht enttäuscht oder ähnliches, obwohl ich das bei Paul auch gar nicht erwarten würde.
Den Briefumschlag lasse ich zunächst auf meinem Schreibtisch, versteckt unter einem Schreibheft.
„Jungs, kommt ihr? Wir wollen Manu abholen!", ruft uns Erika, von daher müssen wir dann ja jetzt eh los.
Mit einem Lächeln verlasse ich das Zimmer, ich freue mich auf morgen.
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