T W E N T Y - S I X
"Wo zum Teufel warst du, Damiano?!"
Nicht mal 30 Sekunden waren wir hier, da stürmte uns Matteo entgegen. Tiefe Augenringe lagen unter seinen Augen und er atmete unregelmäßig. Sein sonst so ordentliches Hemd hatte Falten und ein Hosenbein war etwas höher gerutscht als das andere.
Ich stand schräg hinter dem Schönling und blieb einfach ruhig. Matteo wirkte in Moment nicht so gesprächig, auch wenn er es mir gegenüber nie wirklich war. "Wir stehen kurz vor einem Zusammentreffen mit Ramirez und du treibst dich einfach in der Stadt umher. Benutze dein Hirn und denke mal darüber nach, in was für Scheiße wir uns gerade befinden."
Damian blickte bloß auf den leicht staubigen Boden. Hinter mir fiel die Haustür zu und trennte uns somit von der frischen, etwas kühleren Chicago-brise. "Wir müssen jede Minute nutzen und verdammt nochmal einen Weg aus diesem Desaster finden. Da kann ich das nicht gebrauchen!"
Sein Sohn blickte nun auf und schlüpfte schweigend aus seinen Timberlands. "Ich hab's verstanden und ich war bei Mom!"
Seine Schuhe lagen nun unordentlich neben seinen roten Vans, die ihm nebenbei besonders gut standen. Ich stülpte meine Turnschuhe ebenfalls von meinen Füßen und wagte es zum ersten Mal mich wieder zu rühren. Matteo machte mir schon ziemlich Angst.
Auch wenn ich wusste, dass er nur versuchte seine Familie in Sicherheit zu bringen, konnte ich die Tatsache nicht vergessen, dass er mich schon mehrere Male umbringen wollte. "Du hast sie mitgenommen?"
Matteo zeigte abwertend auf mich und drehte sich dann wieder zu seinem jüngsten Sohn. "Ja habe ich. Mom mag sie und wollte sie sehen."
Damian sah mich aufmunternd an und verschwand dann im Flur, da ihm wohl das Verhalten seines Vaters auf die Nerven ging. Ich hing meine Jacke in der Garderobe auf und als ich mich umdrehte stand Matteo immer noch dort. "Wenn du auch nur einen Fehltritt machst, lasse ich mich das nächste Mal nicht aufhalten, Alexis." Seine Hand, welche mir auch schon mal eine Klinge an die Kehle gedrückt hatte, zeigte auf mich und mit seinen pechschwarzen Augen verstärkte er die Intensität der Drohung.
Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut, als er meinen Namen mit so viel Hass aussprach. Er konnte das doch nicht ernst meinen. Was konnte ich denn bitte falsch machen? Ich nickte ihm nur zu und lief direkt zu meinem Zimmer. Genauso wie Damian ergriff ich die Flucht und steuerte auf mein Zimmer zu.
Dort ließ ich mich auf mein Bett fallen und wagte es zum ersten Mal wieder richtig tief durchzuatmen. Matteo wusste definitiv nicht, dass ich eine Payne war. Sonst würde er sich mir gegenüber nicht so misstrauisch verhalten.
Würde er mir vertrauen, wenn ich ihm davon erzählen würde? Sollte ich mich ihnen anschließen und versuchen Ramirez auszuschalten?
Könnte ich meine Eltern dazu holen und darauf hoffen, dass es keine Tote geben würde?
Ich hatte keine Ahnung, wie es zwischen meinem Dad und Matteo stand. Laut Aurora stritten sie öfters, aber wie war es heute? Hatten sie vielleicht noch Kontakt oder hassten sie sich?
Kontakt konnten sie wohl nicht mehr haben, da Aurora meinte sie, wisse die Telefonnummer nicht.
Würde es uns etwas bringen, wenn ich meinen Dad mit ins Boot holen würde?
Es würde am meisten Sinn ergeben. Bei ihm war das Geld, welches Ramirez haben wollte.
Ich denke, meine Familie würde früher oder später sowieso dazukommen müssen, was sogleich bedeutete, dass ich meine Eltern wieder sehen würde. Ich setzte mich auf und sah lächelnd in den Spiegel, der an der Schranktür hing.
Ich würde sie wieder sehen.
Jetzt, wo ich endlich mal über das meiste nachdenken konnte, löste sich der konstante Nebel in meinem Kopf und ich meinte sogar ein Licht am Ende des Tunnels sehen zu können.
Ich konnte helfen. Ich konnte doch etwas tun.
Nur wusste ich nicht, ob der alte Diamini so leicht vertrauen aufbauen würde. Ich hopste vom Bett und stolperte leicht, als ich die Tür mit etwas zu viel Schwung öffnen wollte. Um Gottes willen. Ich war so erfreut über meine plötzlichen Einsichten, dass ich verlernte hatte, wie man ging.
Ich könnte mich dafür umbringen. Warum dachte ich nicht früher an das?
Meine Beine machten sich direkt auf den Weg zu Damian. Das war der einzige Weg im Haus, den ich bereits mehrmals gegangen war und jedes Mal hatte es etwas Schlechtes auf sich, aber jetzt, jetzt würde ich dem Italiener das erste Mal erfreut gegenüber stehen.
"Ich habe eine Idee!" Er hatte mir letzte Nacht erlaubt ohne zu klopfen sein Zimmer zu betreten, was ich nun auch tat. Leicht unter Schock drehte sich der Schönling zu mir um, als er sich gerade ein neues Shirt überzog. Sein Haar hing ihm feucht ins Gesicht und wenige Wassertropfen zierten seine Arme und seinen Nacken. Das graue Shirt, welches erst seit wenigen Sekunden auf seiner Haut lag, hatte mehrere kleine Flecken, was bedeutete, dass er sich nicht vollständig abgetrocknet hatte.
Warum bin ich nicht schneller hochgekommen?
Er lachte, als er meine Begeisterung bemerkte und setzte sich abwartend auf sein Bett. "Und die wäre?"
"Zwei gegen einen." Ich hüpfte zu ihm aufs Bett und wuschelte meine Beine unter seine Decke, die noch einwenig kühl war. "Zwei sind viel stärker als einer allein. Wenn wir meinen Dad dazu holen, kann Ramirez nicht mehr viel anstellen."
Kurz musterte er mich und ich sah ihm abwartend entgegen. Warum sprang er nicht begeistert auf und lobte mich für meinen Geistesblitz. "Ach, Pulcino..." Seufzend legte er einen Arm um meinen Bauch und zog mich an sich heran. Das er noch nass war, störte mich keineswegs und mit kribbelnden Bauch schmiegte ich mich an ihn.
Er ließ sich nach hinten fallen und zog mich mit. "Das haben wir schon längst versucht. Sogar schon bevor du überhaupt von uns wusstest, aber dein Vater blockte ab und wechselte sogar die Telefonnummer. Dein Dad hat mit all dem abgeschlossen, doch er hatte mal irgendetwas von einem Safe erzählt."
Als wäre er ein Kissen, legte ich meinen Kopf sanft auf die rechte Brusthälfte und schielte zu ihm hoch. "Aber jetzt hat er einen Grund, sich wieder einzumischen. Ich bin hier."
Damian sah auf mich herunter und strich mir einmal kurz über meine Wange. "Niemand weiß den Code. Nur dein Großvater wusste ihn..."
Von wo wusste er all dies? Kannte er meinen Vater?
Er muss meine Verwirrung erkannt haben und beantwortete meine Fragen. "Während Milo immer mit meinem Dad durch die Stadt zog, um Geschäfte zu erledigen, beschäftigte ich mich damit in seinen Unterlagen herumzuschnüffeln."
Ich richtete mich schmunzelnd auf und Damians Hand weilte an meinem Rücken. "Du bist also ein Schnüffler. Du bist also kein bisschen besser als ich." Ich dachte an den Tag zurück, als Damian mich im Büro seines Vaters erwischt hatte. "Ich habe dich dort nur gesehen, da ich mich als kleiner Junge auch immer dort versteckt hatte."
Mit Daumen und Zeigefinger umgriff ich sein Kinn und grinste ihn an, was ihn dazu brachte mir entgegen zu lächeln. Er hatte es faustdick hinter den Ohren.
"Sprach er dann nie darüber oder warum musstest du schnüffeln gehen?" Der Italiener richtete sich nun auch auf und knackte kurz die Knochen seiner Hände. Ich verzog das Gesicht. Ich mochte es nicht, wenn man dies tat. Es hörte sich an, als würde man sich die Knochen brechen. "Mom war der Meinung, er soll mich so lange wie möglich da raushalten. Darum wusste ich bis vor ein, zwei Jahren nur weniges."
"Gibt es dann nichts, dass auf den möglichen Code hinweist? Vielleicht irgendein Datum oder die Lieblingszahlen unserer Großväter, was weiß ich?" Kicherte ich, als Damian in Mitte meiner Frage zu lachen begann. "Lach nicht."
Ich stemmte mich an ihn und wir fielen wieder nach hinten. "Es ist echt verdammt niedlich, dass du dir solche Gedanken machst."
"Wenigstens versuche ich die Situation zu verstehen, während du dich einfach über mich lustig machst und da liegst." Damians Augen waren nicht mal auf meinen fixiert, sondern auf meine Lippen, die sich angeregt darüber aufregten, dass er meine Vorschläge nicht ernst nahm.
Wahrscheinlich nahm er sie schon ernst, aber ich schien einfach hinterher zu liegen. Sie waren immer einen Schritt weiter als ich.
Als er seinen Blick aber nicht mehr von ihnen löste, hielt ich inne und genoss seine Berührungen.
Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich an ihn. Seine Hände, die sachte über meinen Rücken fuhren, zeichneten kleine Spiralen auf meiner entblößten Haut, da mein Shirt wohl ein wenig hochgerutscht war.
Der mir schon allzu bekannte Nebel breitete sich wieder in meinem Kopf aus und ich konnte Damians Atem in meinem Gesicht spüren, was mir verriet, dass er auf mich herab schielte. Ich bewegte mich also ein wenig, um ihm entgegensehen zu können.
Ich wollte es einfach tun. Ich wollte ihn küssen. Ich wollte, dass er mich küsst. Ich wollte, dass wir uns küssen.
Als könnte er meine Gedanken lesen, lehnte er sich weiter zu mir runter und löste eine Hand von meinem Rücken, damit er mein Kinn halten konnte.
Er machte mich verrückt. Die Art und Weise, wie er mich fühlen ließ, war so einzigartig. Ich fühlte mich so sicher, aber doch so verletzlich. So, als würde er mich vor allem beschützen, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass ich ihm all meine Gefühle ausschütten wollte.
"Du willst brain-stormen? Dann lass uns das tun."
Grinsend entfernte er sich von mir und richtete sich wieder auf.
Was haltet ihr von Damians und Alexis' Beziehung? Mir ist besonders wichtig, dass es realistisch rüberkommt. 99% der Beziehungen entstehen nicht innerhalb kurzer Zeit und das möchte ich bei denen zeigen. Klar sind sich die beiden verdammt nah, was das angeht, aber es geht langsam voran, was einfach am besten zur Situation des Buches passt...
LG AlloraFiore
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