T W E N T Y - O N E
Wie ein kleines Kind stand ich bei dem Einkaufswagen auf dem kleinen Absatz, der eigentlich nur für Kleinkinder gedacht war und versuchte mich für eine Schokolade zu entscheiden. "Die dort! Die mit den weißen Punkten sieht lecker aus."
Ich zeigte dort hin und Milo schnaubte gelangweilt aus. "Das alles hier würde viel schneller gehen, wenn du von dem scheiß Wagen herunterkommen würdest und die Sachen selbst holen würdest!"
Komplett genervt von meiner Anwesenheit, warf er die Schokolade zu den anderen Sachen. Aurora war der Meinung, ich sollte die Jungs zum Lebensmitteleinkauf mitnehmen und das tat ich doch sehr gerne. Zwei belastbare Typen konnte man immer gebrauchen.
Als Milo mich um die nächste Ecke rollte, erwischte ich Damian dabei, wie er verzweifelt versuchte das Kokosöl zu finden. Er bemerkte uns und rollte mit seinen wundervollen Augen. "Für was braucht man das scheiß Öl überhaupt?"
Ich sah es schon von hier und deutete darauf. Trotzig nahm er es und legte es ebenfalls in den Einkaufswagen. "Wann hast du vor mal deine Beine zu benutzen?" Damian gesellte sich an meine Seite. "Eigentlich gar nicht, bis wir an der Kasse sind. Dort." Ich zeigte auf das Regal mit dem Schweizer-käse. Die Brüder sahen sich an und wollten, dass je der andere den Käse holt.
Ein Blickduell entstand und eigentlich war klar, dass Damian gewinnen würde. Ich sprach aus Erfahrung, wenn ich sage, dass man seinem Blick nicht lange stand halten konnte. "Nur weil deine Augen so behindert gruselig sind."
Milo kam motzend wieder zurück. "Bist doch nur neidisch, dass deine so aussehen, als hätte man sie aus dem Dreck heraus gegraben." Je ein Bruder war auf einer Seite des Wagens und Milo schob mich ab und zu an. "Braune Augen sind schön", entgegnete er und bewegte seine Hand so, als würde er sein langes Haar über die Schulter schwingen. "Ja, und ich unterstütze Trump."
Damian konnte dem Schubser von Milo gerade noch ausweichen. Beide total hirnlos. Würde ich nicht wissen, wie alt sie waren und dass sie aus einer Gangfamilie stammten, würde ich kopfschüttelnd an ihnen vorbeigehen und mit meiner Mom über die Dummheit des männlichen Geschlechts lachen.
Wir kamen nach ein paar weiteren blöden Kommentaren der Jungs, endlich an der Kasse an und gequält stieg ich von dem kleinen Absatz runter. "Willkommen zurück auf dem Boden der Tatsachen."
"Und die wären?"
Milo zückte sein Portemonnaie und bezahlte, während Damian neben mir die Sachen in Plastiktüten verstaute. "Dass du das Zeug jetzt zum Auto trägst."
Entgeistert sah ich ihm entgegen und er ließ mir gar keine andere Wahl, denn sobald er alles fertig gepackt hatte, drückte er mir zwei Tüten in je eine Hand und die dritte hängte er dann noch über meinen rechten Arm.
"Das bekommst du noch zurück..." Ich kämpfte mit meinem Gleichgewicht, als ich die ersten Schritte wagte und hinter mir ertönte das Gelache der Brüder. "Wo bleibt deine große Fresse von vorhin?"
"Das ist euer Essen, welches ich gerade am Boden nachschleife." Ich drehte mich wieder nach vorn, um so schnell wie möglich beim Auto anzukommen.
Jedoch wurde mir der Weg versperrt, als ein Mädchen, vielleicht ein oder zwei Jahre älter als ich, vor mir stand und mich mit einer versteinerten Miene anstarrte. "Wen haben wir denn da? Genau wie der Boss sie mir beschrieben hat. Klein und mickrig."
Neben mir bildeten sich Schatten. Links von mir stand Damian, welcher die Göre vor mir mit einem Killerblick musterte. "Und warum verdienen wir deinen Besuch?"
Rechts von mir regte sich Milo. "Ich soll euch einfach etwas weiterleiten."
Ich stellte die Einkäufe auf dem Boden ab und verschränkte meine Arme. Mit den Jungs an meiner Seite fühlte ich mich nicht wirklich eingeschüchtert. "Und das wäre?", gab ich mürrisch von mir. Vor allem auch, weil die Eiscreme in Tüte Nummer 2, am Schmelzen war.
"Richtet eurem Vater aus, er soll endlich mal mit dem Geld herausrücken, oder wir erzählen ihm vielleicht dein kleines Geheimnis." Ihr Finger zeigte auf Damian, welcher kurz wegschaute, nur um sich wieder zu fangen. "Das Geld ist nicht für euch bestimmt. Das weiß dein Boss, genauso wie du."
"3 Tage... oder vielleicht auch länger. Kommt ganz darauf an, wie unsere Pläne für das Püppchen aussehen." Alles in mir schrie danach sie anzuspringen, nur würde das nichts bringen. "Richtet es eurem Alten aus."
So schnell wie sie auftauchte, war sie auch wieder weg und beängstigt drehte ich mich zum Schönling, der meinen Blick aber ignorierte und die Tüten aufhob. Erst jetzt schien mein Gehirn ihre Worte zu realisieren. 'Unsere Pläne für das Püppchen'. Hier konnte es sich wohl schlecht um einen der Jungs handeln.
"Was werdet ihr jetzt tun und von welchem Geld spricht sie? Was hat das alles mit mir zu tun? Warum haben sie Pläne mit mir?" Völlig durch den Wind, hetzte ich den Brüdern nach, die alles im Kofferraum verstauten und meine Panik gekonnt ignorierten.
"Und wehe, ihr kommt mir jetzt mit 'Das ist nicht wichtig'. Es ist wichtig und ob ihr es wollt oder nicht, ich bin leider auch mit in die Sache hineingezogen worden." Milo verzog sein Gesicht und öffnete mir die Autotür. Es war klar, dass ich nicht einsteigen würde, bis ich mehr wusste.
"Bitte, Alexis. Mach es nicht noch chaotischer, als es eigentlich schon ist." Der Braunäugige sah mich verzweifelt an, da ich keinerlei Anstalten machte, einzusteigen.
"Steig ein." Damian handelte ein bisschen unsanfter und schob mich einfach ans Auto heran. "Au!"
Ich hielt mir die Stelle, an der er mich gepackt hatte und sah ihn ungläubig an. "Würdest du einfach einsteigen? Würdest du jemandem vertrauen, nachdem eine Fremde auftauchte und irgendwas Blödes laberte?"
"Nein, aber steig jetzt ein. Hier können wir sowieso nicht darüber sprechen." Ich gab nach und ließ mich auf den Sitz fallen.
Damian schlug die Tür zu und ich konnte sein Gespräch mit Milo nur noch gedämpft verfolgen, was aber nicht wirklich etwas brachte, da sie auf Italienisch gewechselt hatten.
~
Ich war selbst verwundert, warum ich überhaupt an der Gangversammlung teilnehmen durfte. Ich saß neben Matteo, was ihm wahrscheinlich zur Kontrolle diente. Er war mir gegenüber sehr misstrauisch und wollte sicherstellen, dass ich kein Gespräch aufnahm oder jemanden kontaktierte. Was ich übrigens auch gar nicht konnte, da ich im Moment kein Handy besaß. Meins musste ich in der Nacht, als Leo mich umbringen wollte, verloren haben.
"Wieso gibst du ihm nicht einfach das Geld, Boss?", fragte der Typ, dessen Namen ich nicht kannte und auch irrelevant fand.
Ich hatte keine Ahnung, dass so viel mehr hinter dieser Gang steckte. Hier saßen locker um die 25 Leute. Wir hielten uns im kleinen Lagerhaus südlich des Hauses von dem Diaminis auf. Es war gut umwachsen und man konnte es von außerhalb nicht sehen, erklärte mir Milo, als wir uns auf den Weg hier hin machten.
"Ich habe das Geld gar nicht und es ist nicht für Ramirez bestimmt." Matteo wollte nicht darauf eingehen. Ob es an mir lag oder an der Situation generell, wusste ich nicht.
"Wer hat es dann?" Damian sah nun endlich auch mal von seinem Handy auf und musterte die Runde. Matteo strich sich überfordert übers Gesicht, bekam aber gleich Unterstützung von seiner Ehefrau. "Es ist bei einem alten Geschäftspartner verstaut und sicher von Ramirez weggesperrt." Auroras Stimme klang sanft und schien gar nicht in die Runde zu passen.
"Er stieg vor 15 Jahren aus dem Geschäft, da er seine Familie nicht weiter in Gefahr bringen wollte, jedoch behielt er das Geld bei sich, um Ramirez' Pläne zu verhindern."
Immer mehr Verwirrung breitete sich in der Runde aus und auch die Brüder zogen ihre Augenbrauen zusammen. "Früher, bevor all dem hier, waren die Diaminis keine Gang. Nein, wir waren hohe Geschäftsleute und mein Vater hatte viele und teure Geschäfte am Laufen. Seine besten und längsten Partner waren Ramirez und Payne. Sie waren nicht nur Partner. Sie waren Freunde und unterstützten sich gegenseitig."
Ich konnte nicht mehr zuhören, denn meine Atmung wurde ruckartig, als ich meinen Nachnamen hörte.
Mein Grossvater... und mein Vater hatten Business mit Ramirez und Diamini? Ich wollte den Rest nicht mehr hören und stand auf.
Alle Blicke landeten auf mir, als ich mich schwer atmend von der Runde entfernte.
Umso weiter ich von ihnen weg war, umso schwerer wurde mein Körper. Nun ergab alles Sinn. Jeden Abend als ich klein war, erzählte mir mein Vater eine kleine Geschichte.
Jeden Abend dieselbe.
Vor ganz langer Zeit gab es drei beste Freunde. Sie kannten sich von der Schule und jeden Tag würden sie sich beim Fahrradhaus treffen, um dort ihren Masterplan zu schmieden. Sie wollten reich werden. Sie wollten die reichsten Männer Hollywoods werden. Nach jahrelangem träumen und hartem arbeiten, schaffte einer von ihnen den Durchbruch. Genauso wie geplant, half er seinen Freunden ebenfalls die Spitze zu erreichen. Alle waren überglücklich, außer einer. Einer wollte mehr. Er wollte noch mehr Reichtum. Er mischte sich in unsaubere Dinge ein. Die anderen zwei wollten ihren Freund aber nicht hängenlassen und unterstützten ihn weiterhin. So hatten sie es sich vor Jahren versprochen und Versprechen brach man nicht. Doch eines Tages brach alles zusammen. Die Öffentlichkeit erfuhr davon und die Zwei anderen taten etwas noch viel Schlimmeres als der Geldgierige. Sie verrieten ihren besten Freund.
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