T H I R T Y - T W O
"Was zum Teufel wollt ihr hier?!"
Ich erdolchte den grinsenden Milo mit meinem Blick und Damian nebenan hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
Das einzige, was man von seinem Gesicht erkennen konnte, waren seine Lippen, welche mal so unter uns, verdammt einladend aussahen und seine Nase, welche leicht von den Spitzen seiner Haare berührt wurden.
Er trug eine hellblaue Jeans kombiniert mit einem grauen Pullover, welcher die Jeansjacke perfekt ergänzte.
"Wir wollen was trinken." Milo legte sein Handy auf den Tisch, als er auf dem Stuhl platznahm. Ich verdrehte kurz meine Augen, nahm mich aber zusammen, als ich einen kritischen Blick von Mira zugeworfen bekam. Sie brachte der Mutter von vorhin ihr Apfelkuchenstück.
"Was darf's sein?" Wieder einmal klickte ich meinen Kugelschreiber und wartete auf die Bestellungen der Italiener.
"Espresso, gerne." Der Ältere fand es wohl extrem lustig, dass ich hier arbeitete. "Wasser..." Damians Stimme war kratzig.
Heute Morgen klang er schon so, aber da dachte ich noch, es sei, weil er gerade aufgewacht war.
"Ja... das brauchst du definitv", kommentierte ich und entfernte mich von deren Tisch, als Milos Stimme mich wieder zurückrief.
"Bitte mit 2 und einen halben Löffel Zucker plus einen solchen Keks. Am besten mag ich meinen Espresso mit ganz viel Milch."
Ich sah ihn ungläubig an und Damian neben angrinste vor sich hin. Nickend lief ich zur Bar und teilte Kevin einfach mit, einen stinknormalen Espresso zu machen. Das Wasser holte ich selbst, da ich bloß ein Glas mit Wasser füllen musste.
"Okay. Und warum seid ihr jetzt wirklich hier?"
Milo musterte seinen Espresso entgeistert und schielte dann zu mir hoch. "Sorry, wir hatten keine Kekse mehr", grinste ich und stellte Damian das Wasser hin.
Dankend nahm er einen Schluck und richtete seine Augen gleich wieder auf mich. Sein Blick fuhr an mir herunter und ich wusste nicht, wie ich mich verhalten soll. Erstarrt spürte ich das Prickeln auf meiner Haut.
"Ramirez' Typen wollen uns hier sprechen und Dad hatte keine Zeit."
"Hier? In einem kleinen Bistro?"
Damian zuckte bloß mit den Schultern und Milo nippte an seinem bitteren Espresso.
"Es geht nicht um das Bistro. Ramirez weiß, dass du auch hier bist."
Ändern konnte ich es wohl nicht mehr. Ich war wirklich mittendrin. "Wenn du hier fertig bist, musst du deinen Vater anrufen." Milo sah mich vielversprechend an und Damian zog seine Augenbrauen zusammen. "Gestern, als du nicht zu Hause warst, haben Milo und ich mit Matteo gesprochen und ihm davon erzählt."
"Und? Wie hat er reagiert?"
Ich klemmte den Papierblock unter meinen Gürtel und setzte mich zu den Jungs. "Zuerst war er eher unbegeistert, aber als ich ihm dann sagte, dass ich die Tochter bin, änderte sich alles."
"Hättest halt zu Hause sein sollen." Damian hatte sein Glas bereits ausgetrunken, weshalb ich es wieder zu mir nahm. "Wo warst du eigentlich?"
Der Blauäugige winkte ab und sah zu seinem Bruder. "Nur ein paar Komplikationen mit der Vergangenheit."
Milo ließ die Tasse auf das Kaffeetellerchen knallen und sah Damian mit großen Augen an.
"Alexis, ich brauche dich hier kurz!", kam es aus der Bar und ich musste mich leider von den Jungs verabschieden. Als ich mich aber nochmal zu ihnen umdrehte, konnte ich sehen, wie Milo seinem Bruder an die Schulter tippte und ihm wütend etwas erklärte.
Kurz zeigte er auf mich, sodass auch Damians Kopf sich zu mir drehte, aber sich dann senkte und den Tisch ansah.
Was sagte Milo zu ihm und warum war er wütend?
"Mira hat die Kaffeebohnen ausgeleert, muss aber weiter bedienen, kannst du sie bitte aufwischen und wegwerfen. Der Laden füllt sich gerade richtig." Kevin sprang gestresst wieder in die Bar und reihte mehrere Gläser auf.
Gekonnt füllte er jedes einzelne mit einer anderen Flüssigkeit und schob sie Mira zu, welche Schweißperlen auf der Stirn hatte.
Ich schielte zum Tisch, an dem die Italiener sitzen sollten, aber sie waren nicht mehr dort. Schnell drehte ich mich zur Eingangstür, wo Milo mir noch deutete, dass er das Geld auf dem Tisch liegen gelassen hat.
Beide verschwanden dann und ich konnte mich auf dem Boden niederlassen, um tausende Kaffeebohnen zusammenzukehren.
Warum gingen sie einfach? Wollten sie sich hier nicht mit Ramirez' Leute treffen?
~
Ich saß auf dem Esstisch und schaute immer wieder auf das Telefon vor mir. Die Jungs waren nicht zu Hause, was mich ehrlich gesagt unruhig machte. Zuerst hieß es, dass sie Ramirez dort treffen würden, dann verschwanden sie und hier waren sie nun auch nicht. Ich hatte deren Vater bereits befragt, nur winkte er ab und sah mich leicht genervt an.
"Rufst du ihn jetzt an, oder nicht?"
Ich wusste nicht, warum es mir schwerfiel die Nummer meiner Eltern zu wählen. Was, wenn sie es ganz anders aufnehmen? Was, wenn sie die Polizei auf die Diaminis hetzen?
Ich hatte aber keine andere Wahl. Bei jedem Knopfdruck ertönte ein kleines Piepen und als ich dann den grünen Hörer presste, setzte sich Matteo erleichtert auf einen Stuhl vor mir.
Es dauerte nicht lange, bis jemand abhob, aber es fühlte sich wie eine Ewigkeit an.
"Payne hier, hallo?"
Ihre Stimme zu hören fühlte sich einfach atemberaubend an. Am liebsten hätte ich einfach darauflos geheult und meiner Mutter erzählt, wie sehr ich sie vermisste und liebte.
"Hallo?"
"Mom..."
Kurz wurde es ganz still am anderen Ende, bis ich vorlauter Schock den Hörer etwas weghalten musste.
"Alexis! Oh mein Gott! Bist du okay? Wo bist du?"
"Mir gehts gut, Mom."
Ich konnte nicht einmal weiterreden, da sie mich gleich weiter mit Fragen bombardierte.
Matteo knackte sein linkes Handgelenk und sah mich abwartend an. Er wollte mir nicht drohen. Er deutete mir nur, mit der Sprache herauszurücken.
"Sag mir wo du bist? Ich kontaktiere die Polizei!"
"Nein!"
Selbst ich erschrak an meinem Tonfall und Matteo neben mir hielt sich eine Hand auf die linke Brust und betete mit der anderen.
"Mom! Hör mir zu! Ich bin okay. Mir geht es gut! Ich bin sicher. Gib mir einfach Dad."
Ich versuchte wieder mit einer etwas ruhigeren Stimme zu sprechen, um meiner Mutter die Panik zu nehmen. Tatsächlich gab sie das Telefon weiter.
"Alexis! Bitte sag mir, dass dir nichts fehlt!" Dads Stimme war kratzig und dumpf. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie sie sich die letzten Tage gefühlt haben müssen.
"Mir fehlt nichts, aber ich brauche deine Hilfe."
"Du brauchst keine Hilfe von mir. Du sollst mir lieber sagen, wo du festgehalten wirst, damit ich die Polizei dorthin schicken kann."
Mit zusammengepressten Lippen schloss ich meine Augen und versuchte ruhig zu bleiben. Ich wusste, dass sie sich riesige Sorgen machten, aber warum ließen sie mich nicht ausreden?
"Nicht nur ich brauche deine Hilfe. Matteo... Matteo Diamini braucht sie ebenfalls."
Ich nahm das Telefon von meinem Ohr, um zu sehen, ob mein Dad aufgelegt hatte, da er mir keine Antwort gab.
"Dieses Arschloch soll mir lieber meine Tochter zurückgeben!"
"Dad! Bitte, ich rufe nicht an, weil er mich dazu zwingt. Ich rufe an, um allem ein Ende zusetzten. Ramirez will das Geld und Großvater hat es weggesperrt. Aurora liegt im Sterben und alleine schaffen wir das nicht. Du musst helfen. Ich bitte dich. Wenn du es nicht für ihn tun möchtest, dann tue es wenigstens für mich."
Um den heißen Brei zu reden, hätte nichts gebracht. Ich war mir sicher, dass Dad alles verstand und wusste, wer Aurora und Ramirez waren.
Matteo neben mir hatte schon den Inhalierer in der Hand und fuhr sich gerade zum Mund. Er fieberte richtig mit.
Ich hörte, wie die Tür aufging und die Brüder hineinkamen. Immer noch mit dem Telefon am Ohr drehte ich mich zu Damian, welcher in seiner Bewegung innehielt, als er bemerkte, was gerade abging.
Milo lief direkt weiter in die Küche und kam mit einer Packung Gummibärchen wieder zurück.
Genüsslich kaute er auf dem Gummi herum, als er sich neben Damian hinstellte und mich abwartend anblickte.
"Ich kann dich aber auch einfach zurückholen und ihn das alleine regeln lassen."
Es war klar, dass mein Vater sich dagegen strebte. "Kannst du nicht. Ramirez weiß, wer ich bin und ist auch hinter mir her."
Milo hielt Damian die Gummibärchen hin und sah ihn auffordernd an. Zuerst sah der Blauäugige ihn verwirrt und abwertend an und Milo war schon dabei sein Angebot wieder zurückzuziehen, als Damian dann aber in die Packung griff und erfreut eine ganze Handvoll hinausnahm.
Kauend lehnte er sich gegen die Wand und warf Milo ein Gummi, damit dieser es mit dem Mund fangen konnte. Leise freuten sich die Brüder, als er es tatsächlich geschafft hatte und das Spiel ging weiter.
Ich konnte es nicht fassen, dass diese Idioten mit Gummibären umherwarfen, während ich versuchte ihre Familie zu retten.
Matteo beobachtete seine Söhne und schüttelte enttäuscht den Kopf. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er gerade seine Existenz hinterfragte.
"Wo bist du?" Mein Dad meldete sich endlich wieder am anderen Ende und ich wollte ihm gerade antworten, aber was, wenn er das einfach nur wissen wollte, um die Polizei zu kontaktieren.
"Fragst du das, um zu helfen, oder um die Polizei zu rufen?"
"Um zu helfen..." Ich vertraute ihm. Er war mein Vater und würde mich nie anlügen. Jedenfalls nie in einem direkten Gespräch. "Chicago."
"Was?! Wie zur Hölle bist du in Chicago gelandet?"
Milo hatte bereits mehrere Gummis im Mund und Damian warf einfach immer weiter. Bei jedem Treffer jubelten sie leise vor sich hin und lachten über Milos Gesicht, da es langsam nicht mehr menschlich aussah. Seine Wangen glichen deren eines Hamsters und seine Lippen formten ein O.
"Das ist eine lange Geschichte, aber kommst du?"
"Ich kann nicht einfach kommen, Kleine. Der Safe ist hier und ich kann euch dort vor Ort nicht wirklich helfen."
Ich versuchte konzentriert meinem Vater zuzuhören, wurde aber von Damians Lachanfall unterbrochen, als er mit viel zu viel Kraft ein Gummibärchen in Milos Richtung warf.
Dieses Mal zielte er aber nicht auf den Mund und fetzte ihm das Bärchen direkt mitten ins Gesicht.
Milo zuckte zurück und spuckte vorlauter Schock alle Gummis aus.
Auf der Nase zierte sich ein roter Fleck und Damian hielt sich lachend am Esstisch fest. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten.
Selbst Matteo schmunzelte kurz, ließ sein Gesicht aber wieder ernst werden.
Auch ich versuchte ernst zu bleiben und musste mich dazu zwingen meine Augen von dem Schönling wegzuwenden, da er drohte mich mit seinem Lachkrampf anzustecken.
"Ramirez will das Geld. Das Geld ist bei mir, aber weggesperrt. Mein Vater, dein Großvater hat den Code versteckt, um genau Ramirez davon wegzuhalten."
Mit ein paar Lachern versuchte ich klar zu denken und sortierte die Worte meines Vaters.
"Das Geld bleibt, wo es ist, aber wir müssen uns ihm stellen. Er wird bald angreifen und wir haben keine Ahnung wie er vorgehen wird."
"Zumindest noch nicht jetzt."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro