T H I R T Y - N I N E
Damians Augen hatten ebenfalls eine gewisse röte an sich und mit viel Schwung legte ich meine Arme um seinen Nacken, damit ich ihn fest an mich drücken konnte.
Mit Leichtigkeit hob er mich auf seinen Schoß und als hinge mein Leben davon ab, umrahmte ich ihn mit meinen Beinen.
Seine Arme legten sich um meinen Rücken und zogen mich noch näher an ihn heran. Er bebte wortwörtlich. Seine Atmung war unregelmäßig und ruckartig.
Seinen Kopf legte ich in meine Halsbeuge und schloss wimmernd meine Augen, um selbst nicht zusammenzubrechen. Mit meinen Lippen zusammengepresst strich ich ihm über seine Schultern und zog anschließend seinen Ärmel herunter.
Als meine Hand bei seiner ankam, umgriff er sie und drückte sich von mir weg. Seine Augen, welche normalerweise gewisse Neutralität oder Gleichgültigkeit ausstrahlten, waren mit salzigem Wasser gefüllt und glänzten, als wären sie die Sonne.
"Du weinst...", stellte er fest und strich mir meine Tränen von meinen Wangen. Natürlich weinte ich. "Du sollst nicht weinen."
Das fiel mir aber nicht sonderlich leicht, da mich sein Anblick nur noch mehr erschütterte. Sein frisch geschnittenes Haar, welches alles andere als ordentlich auf seinem Kopf lag, aber trotzdem noch verdammt gut aussah, hing ihm in die Stirn und die Kapuze verstärkte sein eingefallenes Gesicht nur noch mehr.
Jetzt fing alles an einzusinken. Ich hatte ihn endlich bei mir und jetzt realisierte ich erst richtig, was vor sich ging.
Aurora war von uns gegangen.
Sie... sie war gestorben.
Der Junge vor mir verlor seine Mutter. Ein Ehemann verlor seine Ehefrau... und Milo...
Oh Gott.
Meine Brust zog sich zusammen und ein Schluchzer verließ meinen Mund. Ich vergriff mich in Damians Jeansjacke und wimmerte auf.
Es tat so weh. Aurora hatte das alles nicht verdient. Sie war zu gut für die Welt. Ich wusste genau, was meine Mom jetzt sagen würde.
Gott hatte Aurora so lieb, er wollte sie zu sich nehmen.
"Ich will nicht, dass du weinst." Damian, der mich besorgt musterte, versuchte sich selbst zu beherrschen. Mir blieb aber nicht erspart, dass er zitterte und sich stark verkrampfte. "Es geht nicht um mich."
Ich strich mir die Tränen selbst weg. Ich sollte mich am Riemen reißen und für Damian da sein. Jetzt war für mich kein Zeitpunkt innerlich zu sterben.
"Es geht um dich... Um Milo und Matteo. Es geht um euch! Ihr ha-"
Der Italiener legte eine Hand auf meinen Mund. Seine Wimpern klebten aneinander und verstärkten das Glänzen in seinen Augen nur noch stärker.
Seine Unterlippe zitterte und ich merkte, wie seine Atmung noch mehr an Geschwindigkeit zunahm.
Sein Griff um meine Hand nahm an Stärke zu und er wendete seinen Blick von mir. Die Hand, die er noch freihatte, drückte er sich auf die Brust, welche sich hektisch hob und senkte.
Er löste nun die zweite Hand von mir und unterstützte mit ihr die andere. Sein Gesicht verzog sich und schmerzverzerrt schluchzte er auf.
Er hustete mehrere Male und rang nach Luft. Ohne wirklich nachzudenken, handelte ich schnell und zog ihm die Kapuze vom Kopf, um besser sehen zu können, was vor sich ging.
Sein Kopf hob sich bei meinen Berührungen und blaue Blitze erstarrten mich.
Sie strahlten Angst, Panik und Schmerz aus.
Es war erschreckend. Seine Pupillen waren kaum noch zu sehen, was eigentlich gar nicht möglich sein konnte, da es dunkel war.
Mir wurde klar, was er gerade durchmachte.
Damian erlitt eine Panikattacke.
Er drehte sich, so gut es ging von mir weg und umgriff mein Handgelenk, welches nach ihm greifen wollte. "Lass... es...", presste er zwischen seinen Atemzügen hervor und wollte mich von sich wegdrücken.
Da ich keine Ärztin war und definitiv keine Ahnung hatte, was ich tun sollte, war mein erster Instinkt ihn in die Arme zu nehmen. Jedoch schien das nur das Gegenteil zu bewirken.
Er brauchte Platz. Ich sollte ihn jetzt nicht bedrängen.
Das war, was mir meine innerliche Ärztin, die das von Filmen wusste, zu paukte.
Aber mein Körper tat das genaue Gegenteil.
Ich legte meine linke, zitternde Hand auf seine, welche immer noch auf seine bebende Brust gedrückt waren.
Sein Blick drehte sich wieder zu mir und mit meiner anderen Hand umfasste ich seine Wange. Mein Ziel war es, ihn auf mich zu fokussieren, ihn dazu zu bringen seine Panik zu vergessen. Damian schluckte und sah mir mit großen Augen entgegen.
Ich bewahrte Ruhe und versuchte selbst nicht komplett abzukratzen. Die Atmung des Italieners wurde jedoch nicht besser. Sein Blick war mit meinem verankert, aber beruhigen tat er sich nicht. Es bereitete mir eine riesen Angst ihn so zu sehen. So gebrochen, so verängstigt und mit so viel Schmerz gefüllt.
"Ich bin hier...", flüsterte ich an seine Lippen, die etwas geöffnet waren. Aus ihnen kamen immer noch hektische Atemzüge und mit meiner anderen Hand zog ich ihn am Nacken näher an mich heran.
Seine Augen waren starr auf mich gerichtet und blinzelten ab und zu.
Auch meine Augen wagten es nicht irgendwo anders hinzusehen und mit einem ganzen Sack Mut in der Tasche presste ich meine Lippen auf seine.
So wie ich es aus Filmen kannte, schloss ich meine Augen und hoffte darauf, dass Damian mich nicht wegstoßen würde.
Er gab keinen Mucks von sich und bewegte sich auch nicht. Ich wusste nicht einmal, ob er seine Augen geschlossen hatte.
Zögernd öffnete ich meine Augen, während ich mich von ihm löste. Fast zeitgleich schlug Damian seine Augen auf und sah mir entgegen.
Seine Atmung war ruhig, kaum erkennbar und ohne auch nur einen Ton von sich zu geben, griff er vorsichtig nach meiner Taille und zog mich ganz nah an sich heran.
Unsere Gesichter waren bloße Millimeter voneinander entfernt und mit einem pochendem Herz und extrem erröteten Wangen spürte ich, wie sich unsere Nasen berührten.
Als hätte mich ein Blitz getroffen, zuckte ich leicht zurück, doch Damian tat nichts zur Sache und sah mir tief in die Augen.
Die Spannung, die sich aufbaute, war gefüllt von Schmerz, Sehnsucht, Angst, Leidenschaft und Vertrauen. Ich hatte es geschafft.
Er vergaß, dass er eine Panikattacke hatte. Das Einzige, was er sah, war mich und er war das Einzige, was ich erkennen konnte, denn alles um mich herum war verschwommen.
Sein Kopf neigte sich leicht auf eine Seite und kam näher. Zeitgleich löste ich meine Hände von seinem starken Nacken und legte meine Arme um seinen Hals.
Unsere Lippen trafen erneut aufeinander, aber dieses Mal war es anders. Meine Nackenhaare stellten sich auf und mit neugewonnenem Selbstvertrauen wagte ich es mich noch näher an ihn zu schmiegen.
Seine weichen Lippen umfassten meine und entzogen sich wieder. Diesem Rhythmus passte ich mich an und ließ ihn einfach machen.
Es gab keinen Kampf um die Dominanz, denn alles was galt, waren die Gefühle, die mich durchströmten.
Alles. Einfach alles was in den letzten Tagen passiert war...
Alles war in diesem Kuss.
Meine Dankbarkeit, meine Angst, seine Angst, seine Schuldgefühle, meine Schuldgefühle, meine Sehnsucht, seine Sehnsucht, sein Schmerz, mein Schmerz... alles.
Leidenschaft durchfuhr mich, als Damians Arme sich eng um meinen Rücken legten und mich an ihn drückten. Die Zeit war stehengeblieben und ich wollte ehrlich gesagt nicht, dass dieser Moment enden würde. Es schottete uns beide von der Realität ab und in diesen wenigen Momenten, fühlte ich mich leicht und unbeschwert.
Alleine, als ich spürte, wie sich Damians Lippen leicht von meinen lösten, zog ich ihn wieder an mich, denn ich wollte nicht wieder von den Tatsachen erschlagen werden.
Es war zu schön, um schon zu enden. Seine Lippen ließen mich vergessen. Es war aber nicht nur sein Mundwerk, welches mich entspannte. Es war er. Seine Anwesenheit. Seine Berührungen und am meisten waren es seine Worte, die mir jedes Mal unter die Haut gingen.
Als es langsam knapp wurde, was den Inhalt meiner Lunge anging, musste ich mich leider von ihm trennen.
Vorsichtig flackerten meine Augen auf und sahen dem Italiener entgegen. Seine Lippen waren angeschwollen, was ihn verdammt niedlich aussehen ließ.
Mit dem frischen Sauerstoff in meiner Lunge, hätte ich am liebsten, die wieder neu entstandenen Zentimeter überbrückt. Ich war mir jetzt schon im Klaren, dass ich nie genug davon bekommen würde.
Verträumt strich ich ihm durchs Haar und fuhr ihm mit meinem Daumen über die Unterlippe.
Seine Arme lösten sich ein wenig und lagen entspannt auf meinen Seiten. Damian legte sein Kinn auf meine Schulter und sah zum Fluss.
Ich drehte meinen Kopf in dieselbe Richtung, hörte jedoch nicht auf, ihm durch die Haare zu fahren, denn er genoss es sichtlich.
"Danke." Seine Stimme hallte in der Dunkelheit und mit einem Nicken legte ich meine Stirn an seine, schloss meine Augen und ließ mich von seiner Körperwärme tragen und umhüllen.
"Danke", gab ich ihm zurück und gemeinsam sahen wir in die Ferne, wo Sterne zu sehen waren.
Schweigen. Stille.
Das war, was die Nacht umhüllte und es fühlte sich atemberaubend an. Normalerweise würde mir das überhaupt nicht passen, aber mit Damian bei mir, war es einfach perfekt.
Mit einem letzten Blick zu den Sternen wagte ich es an sie zu denken. Sie war nun einer von denen und würde für immer auf uns herabsehen.
Sie würde über uns alle wachen und dafür sorgen, dass es jedem gut ging.
Als wusste, Damian an was ich dachte, verspannte er sich kurz, ließ aber locker, als ich eine meiner Hände seiner Schulter entlang gleiten ließ. Sein Blick flog auch zu den Sternen, drehte sich aber wieder zu mir und mit halb geschlossenen Augen legte er seinen Kopf auf mein Schlüsselbein.
"Wir sollten nach Hause gehen. Dein Dad und Milo machen sich sicher große Sorgen." Sachte umgriff ich seinen Kopf, damit er sich beruhigt weiter an mich lehnen konnte, als ich mich von seinem Schoß erhob. Der Italiener bewegte sich aber doch und ließ sich an beiden Händen von mir hochziehen.
Als er sich vor mir erstreckte, drehte er sich noch einmal kurz zu den Sternen und zog sich seine Kapuze wieder über den Kopf.
Gemeinsam kletterten wir aus dem Gerüst heraus und bei der Straßenlaterne angekommen sah mich der Blauäugige skeptisch an.
"Ist das mein Hoodie?" Ich zuckte bloß mit den Schultern und griff in seine Hosentasche, mit der Hoffnung seinen Autoschlüssel zu finden.
Zu meinem Glück hatte ich ihn sofort und lief zur Fahrerseite des Nissans. Damian sah mich vielsagend und augenverdrehend an, ließ es jedoch dabei und setzte sich auf den Beifahrersitz.
~
Die ganze Fahrt lang war es still. Damian schaute hinaus in die Nacht und ich konzentrierte mich, nicht in einen Baum zu fahren.
Stille. Es war so still, aber innerlich bebte ich. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und immer noch kribbelten meine Lippen.
Wir hatten uns geküsst.
Er hatte mich geküsst.
Ich hatte ihn geküsst.
Die Straßenlaternen an den jeweiligen Seiten der Straße, die kaum befahren war, ließen Damians Gesicht einseitig erhellen und ich war froh keine Tränen erkennen zu können.
Heute war ein schlimmer und trauriger Tag.
Es tat weh. Es riss an meinen Herzsträngen und vor allem strapazierte es meine Tränenkanäle, aber das alles sollte mich nicht daran hindern für alle drei da zu sein.
Ich wollte es nicht anders und würde mir auch nicht hereinreden lassen, denn es war nicht nur mein Wille, sondern auch Auroras.
Ich hatte es ihr versprochen und ich würde mich auch daran halten. Es geschahen so viele Dinge innerhalb so kurzer Zeit, es fühlte sich gar nicht mehr wie eine Achterbahnfahrt an. Nein, es war viel hektischer und schwindelerregender als das.
Trotz Schwindel wusste ich aber, an wen ich mich halten sollte, wem ich vertrauen konnte und diesen Personen würde ich, bis alles überstanden war nicht mehr von der Seite weichen.
Ich drückte die Bremse durch und zog den Autoschlüssel. Wir beide saßen schweigend in unseren Sitzen und schauten geradeaus. Damian schlüpfte aus seiner Kapuze und schnallte sich dann aber ab.
Ich folgte seinen Taten und stieg ebenfalls aus. Milos Range Rover war quer über 2 Parkplätze geparkt und Matteos Wagen war nicht einmal in Sichtweite.
Die Nacht umrandete das Klimpern der Sterne und in der Ferne konnte man dumpfe Sirenen hören, welche dabei waren ein Leben zu retten.
Milo schien uns gehört zu haben, was ich mir bei dem lauten Auto, dass Damian besaß, auch gut vorstellen konnte.
Die Haustür riss sich vor unseren Füßen auf und beide, Vater und Bruder griffen nach dem Jüngsten. Ihre Arme umschlossen ihn und mit zusammengepressten Lippen legte Milo seinen Kopf auf die Schulter seines jüngeren Bruders.
Es ging nicht anders. Mein Herz zog sich erneut zusammen und mit aller Kraft kämpfte ich gegen meine aufkommenden Tränen an. Matteo drückte sich von Damian weg und umgriff seine Wange. Er sah ihm mit schmerzendem Blick in die Augen und seufzte, "Sono quasi morto di preoccupazione!"
Damian blieb schweigend und drehte sich zu mir. Ich war mir bewusst, dass ich fehl am Platz war und hatte in Planung, mich ins Haus zu bewegen, aber Matteo ergriff meinen Arm und in Schocktage sah ich zu ihm hoch.
Das, was jetzt passierte, hätte ich mir vor wenigen Tagen nie erdenken können. Er zog mich in den Trauerkreis und schloss ihn hinter mir.
Mit offenem Mund sah ich zu Milo und Damian. Beide nickten mir zu und ein Arm des Blauäugigen umarmte mich, zog mich an seine Brust und er legte seinen Kopf auf meinen. Von je einer Seite spürte ich die Anwesenheit der anderen, welche mich nun auch umarmten.
Sie umhüllten mich mit Mitleid, Trauer und Liebe.
Es fühlte sich so an, als wär ich Teil der Familie.
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